Niemand will Antisemit sein. Erst recht nicht in Subkulturen und Bewegungen mit einem progressiven, emanzipatorischen Selbstbild. Judenhass geht aber auch underground – ob Rapper gegen Rothschilds, DJs for Palestine oder Punks Against Apartheid. BDS, die Boykottkampagne gegen den jüdischen Staat, will nahezu jedes Anliegen kapern, von Klassenkampf bis Klimagerechtigkeit. Altbekannte Mythen tauchen in alternativer Form wieder auf, bei Pride-Demos, auf der documenta oder beim Gedenken an den Terror von Hanau. Und viele Jüdinnen*Juden fragen sich, wo ihr Platz in solchen Szenen sein soll. Wie kann das sein? Wie machen sich die antisemitischen Züge in diesen Bewegungen bemerkbar? Und was kann man dagegen tun?
Diese und weitere Fragen möchten wir mit den Herausgebern Nicholas Potter und Stefan Lauer diskutieren.
Stefan Lauer ist Chefredakteur bei Belltower.News, der journalistischen Plattform der Amadeu Antonio Stiftung, und beschäftigt sich – auch als Referent der Stiftung – mit Antisemitismus, Rassismus und dem rechten Rand. Zwischen 2009 und 2017 arbeitete er als Senior Editor für VICE Deutschland und berichtete über Rechtsextremismus, Verschwörungserzählungen und LGBTQ*-Themen.
Nicholas Potter ist britisch-deutscher Journalist und arbeitet bei der Amadeu Antonio Stiftung in Berlin. Er schreibt für diverse Medien wie die taz, Jungle World, Belltower.News und Jüdische Allgemeine über die extreme Rechte, Antisemitismus, Rassismus, Subkulturen, Bewegungen und mehr. Zuvor war er Theaterredakteur beim Exberliner Magazine. Er studierte am King’s College London und der Humboldt-Universität zu Berlin.
Donnerstag 23. Mai 2024 im Hinterhaus der commune. Futterstraße 4. 66111 Saarbrücken
Eine Veranstaltung von Heinrich-Böll-Stiftung Saar, Antifa Saar / Projekt AK, Aktion 3. Welt Saar, Connact Saar, CriThink! e.V., Junges Forum Saar, Deutsch-Israelische Gesellschaft Saar, Linksjugend [solid] Saar.
An diesem Wochenende soll im Saarbrücker Brockenhaus ein Kongress der verschwörungsideologischen und antisemitischen Esoterik-Szene stattfinden. Wir haben die Verantwortlichen des Brockenhaus gestern über den Charakter dieser Veranstaltung informiert.
Hier unser offener Brief dazu:
An Restaurant Brockenhaus Geschäftsführung und Team - Am Halberg 1 66121 Saarbrücken
Saarbrücken, den 22.06.2022
Offener Brief
Betreff: Kongress der verschwörungsideologischen und antisemitischen Esoterikszene in Ihrem Restaurant
Sehr geehrte Geschäftsführung und Team des „Brockenhaus Saarbrücken“,
mit Entsetzen mussten wir feststellen, dass am Samstag, dem 25.06.2022 in Ihrem Hause der sogenannte „Kongress der vereinten Wissenschaften“ stattfinden soll.
Dabei handelt es sich nicht – wie der Kongresstitel irreführend vermuten lässt – um eine interdisziplinäre Zusammenkunft einigermaßen seriöser Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler.
Vielmehr propagiert der Veranstalter, der esoterischer Kleinverlag „Hesper“ unter Leitung von Sabine Glocker aus Saarbrücken, dort Fehlinformationen aus dem medizinischen Bereich sowie allerlei Verschwörungsideologien. Dabei handelt es sich keineswegs um harmlose Skurrilitäten oder bloße Spinnereien, sondern um teils lebensgefährdende Heilversprechen und knallharte antisemitische Propaganda.
Der angekündigte Referent und selbsternannte Wunderheiler Andreas Kalcker empfiehlt beispielswiese die Verwendung von Chlorbleiche zur Behandlung von u.a. Autismus, Arthritis, Krebs und Corona-Infektionen. In Argentinien gibt es deshalb gegen ihn auch Ermittlungsverfahren wegen Verbrechen gegen die öffentliche Gesundheit, da es im Zusammenhang mit seinen pseudomedizinischen Behandlungsempfehlungen zu Todesfällen kam und Kalcker an der Spitze eines Rings von Chlordioxidhändlern gestanden haben soll.
Als weiterer Redner soll Holger Reißner auftreten. Er verbreitet Falschinformationen über Corona-Impfstoffe und empfiehlt ebenfalls Chlorbleiche als Heilmittel. Als Redner trat er auch bereits bei Kundgebungen der sogenannten „Querdenker“ auf.
Dritter in dem fragwürdigen Bunde ist Harald Kautz. Er referiert gerne über sogenannte Chemtrails und geheime Biowaffen, mit denen die Mächtigen der Welt die Bevölkerung beherrschen würden. Er hat das Vorwort zu dem Buch „Illuminati – der Kult, der die Welt gekapert hat“ verfasst. Dabei handelt es sich um ein zweifelsfrei antisemitisches Werk. Frank Jacob gibt ebenfalls an, eine Verschwörung aufgedeckt zu haben. So sei der Irak-Krieg geführt worden, damit das US-amerikanische Militär sich ein sich dort befindliches „looking glass“ habe aneignen können, mit dessen Hilfe in die Zukunft geschaut und diese somit auch verändert werden könne.
Bei Traugott Ickeroth, angekündigt als Moderator des Kongresses, handelt es sich um einen der bekanntesten Verschwörungsideologen aus dem saarländischen Raum. Er verfügt über mehrere Zehntausende Follower bei telegram und referiert unter anderem über außerirdische Echsenmenschen, die die Regierung und das gesellschaftliche Leben unterwandern würden. Er vertritt die von der extremen Rechten in Umlauf gebrachte „Umvolkungsthese“ und behauptet auf seiner Website unverhohlen, es gebe einen Angriff auf Deutschland, der von „jüdischen Interessen“ gelenkt sei.
Wir gehen davon aus, dass Sie als Geschäftsführung und Team des Brockenhaus nicht über die Inhalte dieser antisemitischen – als wissenschaftlichen Kongress getarnten – Veranstaltung im Bilde waren und nun umgehend Schritte einleiten werden, um zu verhindern, dass der gute Name Ihres Hauses in Zukunft mit derartigen Propagandaveranstaltungen in Verbindung gebracht wird.
Wir gehen weiterhin davon aus, dass es nicht stimmt, dass es sich bei Ihnen selbst um Anhänger dieser Ideologien handelt, wie in einschlägigen telegram-Gruppen mehrfach behauptet wurde.
Vielmehr hoffen wir, dass Sie selbst darüber erschrecken, wer sich da bei Ihnen eingemietet hat und Sie aufgrund arglistiger Täuschung von Ihrem Hausrecht Gebrauch machen werden, den Kongress absagen und damit Ihren Teil dazu beitragen, dass an diesem Wochenende Antisemiten und anderen Verschwörungsideologen in der Landeshauptstadt KEINFORUM geboten wird.
Diesen Brief werden wir in den kommenden Stunden öffentlich machen und würden uns sehr freuen, ihn mit dem Zusatz versehen zu können, dass Sie als Geschäftsführung umgehend mit der Kündigung des Mietvertrags reagiert haben.
Mit freundlichen Grüßen Antifa Saar / Projekt AK
Aggressive Störer werden der Kundgebung verwiesen
Am heutigen Samstag versammelten sich mehrere hundert Menschen auf dem Tiblisser Platz in Saarbrücken um für Solidarität in der Corona-Krise und gegen Verschwörungs-Hetze zu demonstrieren. Am Rande hatten sich in mehreren Kleingruppen Nazis und Verschwörungsgläubige versammelt. Diese hatten sich zuvor über soziale Netzwerke zu Störaktionen verabredet. Einige versuchten aggressiv in die Kundgebung zu gelangen und pöbelten am Rande. Die Polizei schritt nur zögerlich ein. Die Anhänger der Gelbwesten Saar versuchten mit zahlreichen Kameras Fotos von den Demonstrierenden anzufertigen. Eine ältere Person war augenscheinlich sogar mit einem sogenannten “Kampf-Schirm” bewaffnet. Insgesamt hielten sich im Umfeld der Kundgebung etwa 30 Personen in feindlicher Absicht auf. Dennoch konnte mit der Kundgebung ein starkes und deutliches Zeichen für Solidarität und gegen Hetze gesetzt werden. Weitere Informationen über die erfolgreiche Kundgebung und weitere Aktivitäten finden sich bei den Veranstalter:innen und auf Blockade Saar.
QAnon-Anhänger und Akteur_innen der Gelbwesten Saar
Aggressive Störer werden der Kundgebung verwiesen
Valentin Serban (Mitorganisator der sog. “Kunst-Aktionen” gegen die Corna Maßnahmen, wo die Verbreitung von Nazipropaganda und Verschwörungsmythen geduldet wurden)
Störer vom Titelbild (3. v.r.) zusammen mit Jacqueline Süßdorf
Störer mit Kampfschirm
Aggressiver Störer (links im Bild) mit Begleitung
Störer_innen aus der Gruppe der Gelbwesten Saar
Aktivisten der Gelbwesten Saar (Mathias A. links im Bild)
Mauro Mancini (links im Bild) und Jacqueline “Jacky” Süßdorf (ganz rechts)
eine Kurze Bestandsaufnahme und Analyse der Demonstrationen gegen die Maßnahmen zum Infektionsschutz
Seit knapp drei Wochen regt sich in Saarbrücken Protest gegen die Maßnahmen zum Infektionsschutz im Rahmen der Corona-Pandemie. Wir haben diese Proteste beobachtet und ziehen erste Schlüsse.
Alle haben Angst um die Wirtschaft, Verschwörungsdenken hat Hochkonjunktur
Generell kursieren zur Zeit viele Verschwörungserzählungen über das Coronavirus. Die Ideen reichen dabei von „Das Virus existiert gar nicht“ über „Das Virus ist im chinesischen Labor gezüchtet worden“ und „Das Virus ist ein Angriff von den USA und Großbritannien“ bis zu der Erzählung, das Coronavirus fungiere als Ablenkung und Vertuschung der Gefahr durch den Funkstandard 5G. In Saarbrücken erschienen am vergangenen Samstag auf der Demonstration gegen die Maßnahmen zum Infektionsschutz Schilder mit Aufschriften wie „Für freie Impfentscheidung“, „Stop Virus Diktatur“, „Freiheit keine Diktatur auch für die Impfentscheidung“ , „Immunitätspass? Denkpass!“. Dabei gibt es noch gar keinen Impfstoff. Und wer bitte hat denn von Zwang gesprochen außer denen, die sich davor fürchten? Genau: niemand. Und dass in einer Gesellschaft bestimmte Regeln gelten, bedeutet nicht, dass Diktatur herrscht.
Am heutigen Samstag versammelten sich etwa 250 Menschen vor dem Staatstheater, um gegen die Corona-Maßnahmen zu demonstrieren. Unter den sich größtenteils alternativ gebenden Menschen fanden sich Impfgegner:Innen und Verschwörungstheoretiker:Innen. Auf Schildern wurden dunkle Mächte für die Maßnahmen verantwortlich gemacht und es wurden esoterische Tänze aufgeführt. Etwa 30 Neonazis aus dem Umfeld der ehemaligen Sagesa fühlten sich hier sichtlich wohl. Sie nahmen mit beschrifteten Westen und Nazi-Symbolik an der Veranstaltung teil. Zuvor hatten sie sich abseits gesammelt und kamen geschlossen an. Auch Jaqueline Süßdorf stand in der Menge, allerdings sichtlich isoliert von ihren Kamerad:Innen, die mit Sigrid Kieczewsky die weitaus größere Gruppe bildeten.
Am heutigen Samstag, den 16. November 2019, gelang es einem Bündnis aus feministischen, linken und antifaschistischen Gruppen den rechten Aufmarsch der sogenannten „Pius Brüder“ zu stören.
Für 16 Uhr hatte ein “Aktionskommittee Christen für das Leben — Aktion Leben e.V.“ zu einem Aufmarsch gegen das Recht auf Abtreibung aufgerufen. Maßgeblich mitgetragen wird der jährlich stattfindende Aufmarsch von den “Pius-Brüdern” vom Saarbrücker “Priorat St. Maria zu den Engeln”. Das Priorat ist Teil der antimodernen und antisemitischen „Priesterbruderschaft St. Pius X.“ (auch Pius-Bruderschaft). Die christlich-fundamentalistische Organisation will einen Gottesstaat auf Grundlage der katholischen Lehre erschaffen, fiel in der Vergangenheit immer wieder wegen antisemitischer Äußerungen ihrer Vertreter_innen auf und lehnt das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung von Frauen ab. Nicht zufällig sollte ihre Demonstration daher Weiterlesen →
Mittwoch / 30.10.2019 / 20.00 Uhr Vereinte Nationen gegen Israel – Wie die Uno den jüdischen Staat delegitimiert Vortrag von Alex Feuerherdt Festsaal des Rathauses / Rathausplatz 1 / 66111 Saarbrücken
Donnerstag / 21.11.2019 / 20:00 Uhr Der Exodus der Juden aus der arabischen Welt & dem Iran: Diskriminierung, Flucht & Vertreibung Vortrag von Dr. Stephan Grigat Festsaal des Rathauses / Rathausplatz 1 / 66111 Saarbrücken
Die Veranstaltungen finden statt im Rahmenprogramm der Ausstellung: “1948. Die Ausstellung” — Zur Gründung des Staates Israel Zu sehen vom 28.10. 2019 – 21.11.2019 im Rathaus Saarbrücken / Hauberrisser Saal
Kommt mit uns auf die Straße, um für feministische Inhalte und gegen den ‚Marsch für das Leben‘ zu demonstrieren!
Aufruf zur Kundgebung:
Es geht um mehr als Schwangerschaftsabbrüche –
die christlichen Fundamentalist_innen bekämpfen ganz offen:
- die allgemeinen Menschenrechte
— die Trennung von Kirche und Staat
— die Gleichberechtigung der Frau
— Homosexualität
— Religionsfreiheit
— Scheidungen
— Schwangerschaftsabbrüche und Verhütungsmittel
— Sterbehilfe
— Die Errungenschaften der Aufklärung
Beteiligt Euch am Protest gegen die sexistische, homofeindliche, antifeministische und antifortschrittliche Agenda der Piusbrüder und ihrer Freunde. Christliche Kulturrevolution verhageln!
Vortrag und Diskussion mit Leo Elser (Redaktion Pólemos)
Freitag, 17. August
19.00 Uhr
Futterstraße 17–19, Saarbrücken
„Aber es gibt keine Antisemiten mehr“ – heißt es in der Dialektik der Aufklärung, denn sich Antisemit zu nennen, hat in der Politik zweifelsohne einen werbestrategischen Nachteil. Doch nur weil Raider heute auch Twix heißt, hat sich an der inneren Logik des antisemitischen Ressentiments deswegen noch nichts geändert. Was der positivistische Verstand nicht begreifen will, dass auf den veränderten Namen nicht notwendig der veränderte Gegenstand folgt; entgeht der Antisemitisforschung so wie den heutigen Antisemiten, die größtenteils davon überzeugt sind, keine zu sein. Weiterlesen →