Für linke Freiräume, besetzte Häuser, Plätze und Zentren!
Was ist die Karawane? Sie besteht aus Gefährten, Menschen, Aktionen, Ideen, Kunst und Emotionen. Sie wird riesig groß, vielfältig bunt, hübsch anzuschauen, interessant zu belauschen und amüsant sein mitzumachen. Sie wird revolutionär aktionistisch aber auch gemütlich verkünstelt. Die Karawane wird alles und nichts, aber schaut selbst!
Mit dabei werden sein: Livebands, verschiedenste Djanes und Djs aller Musikrichtungen, Jonglage, Diabolo, Hacky Sack, Feuershows, Kicker, Kino, Infostände, Infoladen, Freeshop (Umsonstladen), Vorträge, Erzählungen, Theater, Kabarett, Improvisationen, Performance, Druckwerkstatt, Workshops, Graffiti, und und und…
Aber weshalb der ganze Aufwand? Die teilnehmenden und organisierenden Personen kommen größtenteils aus verschiedenen linken Freiräumen, aus besetzten Häusern, selbstverwalteten Zentren und Wagenburgen. Die jüngsten politischen Entwicklungen im süddeutschen Raum zeigen eine bedrohte Situation eben dieser Freiräume auf.
Räumungsklagen, Kündigungen, Verkaufsabsichten der unkommerziell genutzten Zentren werfen einen dunklen Schatten über die Zukunft libertärer Politik, Kunst und Lebensweisen.
Warum setzten sich Menschen so sehr für diese Etablissements ein, was ist daran so wichtig?
Linke Freiräume sind die einzige Alternative zur bestehenden Realität der Vermarktung von Wohnraum, Veranstaltungsorten, Jugendzentren und sonstigen Treffpunkten.
Alternatives Leben, befreit von Konsumzwängen, Kultur ohne Profit, politische Arbeit ohne Fremdbestimmung sind unerwünscht in der kapitalistischen Gesellschaft, in der wir leben.
Durch fehlenden Raum, frei von der gesellschaftlichen Normalität, wird Menschen, die sich aus diesem Trott befreien wollen, die Möglichkeit genommen ihrer individuellen Entfaltung nachzukommen.
Aber welche Besonderheiten haben linke Freiräume im Einzelnen, welche Eigenschaften ermöglichen diese “Befreiung”? Einige bekannte Schlagwörter definieren oft etwas knapp: antifaschistisch und antirassistisch, unkommerziell, emanzipatorisch, antikapitalistisch, basisdemokratisch, antisexistisch, revolutionär.
Diese Schlagworte sind einfach zu erklären, folgen sie letztendlich nur einem libertären denken. Antirassistisch, antisexistisch…: gängige Praxis in gesellschaftlich etablierten Einrichtungen: Die Ausgrenzung von Menschen aufgrund gegebener Eigenschaften wie Hautfarbe, sexuelle Neigungen, Geschlecht oder sozialer Stellung. Freiheit bedeutet vor allem, Menschen unabhängig von gegebenen Eigenschaften gleich zu behandeln, ihnen Selbstbestimmung zu lassen, Tiere nicht als untergeordnet dem Menschen anzusehen, sondern ein gleiches Recht auf Leben, Unversehrtheit und Würde zu gewähren.
Die Ausbeutung von Menschen, Tieren und der Natur darf nicht stillschweigend toleriert werden. Die Befreiung von einer solchen kapitalistischen Verwertungslogik zum Zwecke der privaten und/oder marktwirtschaftlichen Bereicherung ist Grundlage eines jeden libertären Gedankenansatz.
Somit ist die Unkommerzialität ein wichtiger Teil des Funktionierens eines linken Projekts. Profit erzeugt unverhältnismäßige Preise ODER unverhältnismäßige “Löhne”. Ein Konzert mit einer Band, die eine hohe Gage verlangt ist dem Publikum gegenüber genauso ungerecht, wie beispielsweise eine unkommerziell durch Europa tourende Band mit 20 Euro Spritgeld für den Abend abzuspeisen, um dem Eintritt niedrig zu halten. Kosten sind unvermeidbar, wenn damit vernünftig umgegangen wird können diese im vergleich zu kommerziell arbeitenden VeranstalterInnen niedrig gehalten werden. „Ehrenamtliche Arbeit“ (wie es so schön heisst) ist ein wesentlicher Bestandteil davon, ebenso wie die Organisation in Selbstverwaltung. Basisdemokratisch werden Entscheidungen in einem gemeinsamen öffentlichen Plenum nach dem Konsens-Prinzip getroffen. Das bedeutet nicht, wie beispielsweise bei der bundesdeutschen Demokratie, dass die Mehrheit nach Stimmkraft über die Minderheit siegt und bestimmt, sondern, dass gemeinsam durch Diskussion und Kompromiss eine Lösung gefunden werden muss, mit der alle leben können.
Ist ein linker Freiraum zwangsweise revolutionär? Zu dieser Frage kommt die Eigenschaft “emanzipatorisch” ins Gespräch. Mischt sich ein Zentrum ein in gesellschaftliche Themen oder bleibt es still und heimlich hinter verschlossenen Toren unbeachtet von der Öffentlichkeit. Die Geschichte linker Freiräume ist geprägt von offener antifaschistischer Arbeit, Einmischen in kommunalpolitische, wie sonstige aktuelle Themen, Partizipation im antikapitalistischen Kampf und einer ewigen Unbequemlichkeit gegenüber den Herrschenden. Position zu beziehen, zu seinen Idealen zu stehen und sich klar von allem ungeliebten abzugrenzen ist unabdingbar für libertäre Einrichtungen. Man bedenke die aktuelle Querfront-Strategie der Nazis, die mit linker Symbolik und ähnlichen Forderungen (“Häuser besetzen”, “Antikapitalismus”) für Verwirrung sorgen [1].
Für politisch unangepasste Gruppen, Kultur abseits des Mainstreams und Menschen mit alternativen Lebensvorstellungen sind linke Freiräume die einzige Alternative sich zu verwirklichen und auszuleben.
Kommen wir zurück zum Grund der Karawane.
Diese Freiräume sind bedroht, die alten, die sich bewährt haben, sollen weichen, neue Projekte soll es kaum mehr geben.
Über Ursachen und Gründe lässt sich viel spekulieren, viele Faktoren kommen zusammen, Zufälle, oder eine klare politische Linie? Sich Verschwörungstheorien auszumalen wäre wohl übertrieben. Seit den Terror Anschlägen vom 11. September ’01 wurden weltweit Sicherheitsgesetzte verschärft, persönliche “Bürgerrechte” eingeschränkt, der Überwachungsstaat einen Schritt vorangetrieben und “militärisch” sowohl Innen- wie Außenpolitisch aufgestockt, also Militär wie Polizei und Geheimdienste stark gefördert.
In dieses Konzept passen linke Freiräume, staatlich völlig unkontrollierte Häuser und Plätze, die eben jene staatliche Politik offen angreifen, Sachverhalte aufdecken und öffentlich machen (z.B. Kameraüberwachung, rassistische Abschiebepraxis) überhaupt nicht. Vor allem besetzte Häuser haben sich als besonders widerspenstig erwiesen. Ist es in Berlin, der Stadt mit der bundesweit wohl größten Squatterszene [2] , aufgrund zweifelhafter Sondergesetzte, der so genannten “Berliner Linie”, praktisch unmöglich Häuser Instand zu besetzen, wird es auch in anderen Städten zunehmend schwieriger. In Hamburg wurde ein Wagenplatz geräumt, trotz massiver Proteste konnte bis jetzt kein Ausgleich geschaffen werden.
Diese Praxis nimmt auch in Süddeutschland stärker zu. Das “Linke Ufer”, ein im Dezember ’03 besetztes Haus in Mannheim wurde trotz überzeugender Pressearbeit, einer breiten Unterstützung aus der Bevölkerung des Stadtteils und einer mündlichen Zusage der Besitzerin (der Deutschen Bahn) geräumt.
Vor allem die Polizeiführung sieht das ganze äußerst beschränkt als einen “rechtswidrigen Zustand”.
Ähnlich in Heidelberg, wo kurze Zeit später ein Haus besetzt wurde. Krampfhaft versuchte die Polizei einen Strafbefehl zu bekommen, um das Haus schnellst möglich räumen zu lassen, da gerade genügend Polizei aufgrund einer Demonstration [3] in der Stadt war. Jegliche Kommunikation, geschweige denn, politische Verhandlungen wurden den BesetzerInnen verweigert. Polizeiliche „rechtsstaatliche“ Härte war die Antwort auf soziales politisches Engagement jugendlicher HausbesetzerInnen. Versprechungen von Seiten der Politik, für ein neues Autonomes Zentrum in Heidelberg zu sorgen werden unter den Tisch gekehrt. Selbst eine Richterin, die gegen die BesetzerInnen wegen Hausfriedensbruch verhandeln musste, bemerkte: “…es ist ja klar, dass die Jugendlichen, die Sache dann selbst in die Hand nehmen”.
Eine neue Gefahr neben dem schnellen Ende der Hausbesetzungen ist die Kündigung alter Mietverträge mit ehemals besetzten Häusern, die einen legalen Status haben. Der KTS (Kulturtreff in Selbstverwaltung) in Freiburg wurde aus äußerst zweifelhaften Gründen gekündigt: FalschparkerInnen in der Zufahrtsstrasse, Lärmbelästigung in einem Bahngebiet ohne Anwohner… In einer, für heutige Verhältnisse, sehr großen Protestwelle wurde der zuvor verbotene öffentliche Betrieb in der KTS zumindest wieder durchgesetzt, an einer legalen Grundlage fehlt es aber nach wie vor. Verhandlungen mit der „offenen“ Stadt Freiburg und der DB verlaufen im Sand. Ebenso in Karlsruhe, wo das Wohn- und Kulturzentrum Ex-Steffi eine Räumungsklage der Stadt Karlsruhe bekommen hat. Das innenstädtische Gebiet südlich des Hauptbahnhofs lasse sich besser vermarkten. Die kleinen KünstlerInnen Ateliers, sowie die Ex-Steffi, die sich auf dem Gebiet befinden sollen weg. Auch hier stellt die Stadt auf stur. Wo die „Kulturstadt“ Karlsruhe alternative Kunst und Kultur dem Erdboden gleichmachen will, fehlt es an ernsthaften Verhandlungen von Seiten der PolitikerInnen.
Ebenfalls eine schwierige Situation durchlebt das OBW9 in Stuttgart zur Zeit. Vielmehr einmal wieder, da sich der selbstverwaltete Jugenhausclub seit ’74 mit stadtpolitischen, zweifelhaften Argumenten herumärgern muss. Das aktuelle Argument, die Jugenhäusler zu vertreiben, ist der Bau eines neuen Jugendhauses auf dem Gelände der Oberen Weinsteige 9 (OBW9), in dem Kinder von sechs bis 14 Jahren erzogen werden sollen. Geld dafür gibt eine dubiose Stiftung, die Stadt versucht, sich aus der Verantwortung zu ziehen.
Die Schließung autonomer und selbstverwalteter Zentren scheint von den Städten gewollt. ’99 in Pforzheim und Heidelberg, Umzüge in Karlsruhe und Mannheim und anderen Städten.
Aber die Notwendigkeit und die Forderung nach neuen Zentren lässt sich nicht “räumen”. In Pforzheim, Heidelberg, Bensheim, Neustadt, Rastatt, Basel, Saarbrücken und vielen anderen Städten kämpften und kämpfen Jugendliche für ihre Freiräume.
Der Bedarf an selbsbestimmten Freiräumen, Kulturzentren und Wohnraum ist wichtiger denn je.
Sozialabbau, Überwachungsgesellschaft, Kommerzialisierung, Privatisierung und Gentrification [4], all das trifft Menschen, die nicht zur gesellschaftlichen Elite gehören und gehören wollen.
Der Kampf um bestehende linke Freiräume muss stärker werden, neue müssen geschaffen werden, mehr, besser, größer, schöner und bunter!
Deshalb: Auf die Karawanen!
Bewerben wir gemeinsam unsere Freiräume und Träume nach einem selbstbestimmten Leben!
Kein Tag ohne autonomes Zentrum!