Redebeitrag der Antifa Saar Projekt / AK anlässlich der Demonstration „20. Todestag von Samuel Yeboah – Demonstration gegen Rassismus und deutschen Nationalismus am 24.09.2011“ in Saarlouis.
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Redebeitrag auf der Pro-Israel-Kundgebung in Marburg am 12.08.2006
Grußworte der Antifa Saar/Projekt AK am 12.08.2006 auf der Kundgebung in Marburg
Einen schönen guten Tag wünsch ich Euch hier und heute in Marburg im Namen der Antifa Saar. Wir möchten uns bei den Organisatorinnen und Organisatoren der heutigen Kundgebung bedanken, dass sie es angepackt haben mit klaren Worten Stellung zu nehmen.
Stellung für Israel und gegen die Mörderbanden von der Hisbollah.
Stellung gegen einen Frieden mit denjenigen die seelenruhig vom Territorium des Libanon den Judenmord vorbereiten und aus ihrem Ziel – der Vernichtung Israels – keinen Hehl machen.
Stellung beziehen gegen diejenigen, die erst dann zur Friedensfahne greifen, wenn Israel sich zur Wehr setzt und die sich insgeheim über jedes tote libanesische Kind freuen, dass sie dann Israel auf die Liste setzen können und dessen Leiche auf der nächsten Friedensdemo propagandistisch astrein auf Plakaten präsentiert werden kann.
In Saarbrücken findet heute eine von der örtlichen Friedensinitiative initiierte Kundgebung statt. Die Vorbereitungsgruppe ließ im Vorfeld verlautbaren, dass neben einer Friedens- und eine Libanonfahne auch die des Staates Israel gezeigt werden wird. Wir sind gespannt, ob sich dies gegenüber denjenigen durchsetzen lassen wird, die dem Aufruf folgen werden.
Denn ansonsten ist der Tenor des Aufrufes das übliche Geseiere vom israelischen Angriffskrieg.
Wir sind außerdem gespannt, wie es den daheim gebliebenen Genossen ergeht, die dort Flugblätter verteilen wollen. Denn vor knapp drei Wochen fand schon einmal eine Demo in Saarbrücken statt. Organisiert von einem uns bis dahin unbekannten Verein. „Für die Opfer des Krieges im Libanon“ – so oder so ähnlich war das Motto der Demo und unsere Frage, ob es auch um die Opfer auf der israelischen Seite gehen würde, wurde explizit verneint.
400 Menschen waren dem Aufruf gefolgt. Drei Freunde, die die Fahne Israels zeigten wurden von einem etwa 50köpfigen Mob angegriffen. Parolen wie „Juden raus!“ waren zu hören. Den dreien blieb nur die Flucht zu ergreifen und so konnten sie – im wahrsten Sinne des Wortes – mit einem blauen Auge davon kommen.
Interessant waren vor allem die Reaktionen im Anschluss. Die Polizei sprach von den Israelfreunden als Provokateure. Die Phalanx des antiimperialistischen Restes in Saarbrücken- die Ortsgruppe der bundesweiten Initiative Libertad! – kündigte uns die ohnehin schon seit Jahren nicht mehr vorhandene Zusammenarbeit auf. Auf unserer Homepage waren Gästebucheinträge zu lesen wie „Gut – dass ihr endlich mal aufs Maul bekommen habt ihr Judenknechte“.
Wir erhielten aber auch einige Solidaritätsbekundungen die uns Mut gemacht haben. Übergriffe dieser Art wurden in den nächsten Tagen auch aus anderen Städten bekannt.
Wir wünschen Euch hier in Marburg und denen die aus anderen Städten gekommen sind viel Durchhaltevermögen.
Wir wünschen der israelischen Armee einen schnellen und nachhaltigen Erfolg gegen die Hisbollah und dass es gelingt weitest möglich die von der Hisbollah als Schutzschild missbrauchte Zivilbevölkerung herauszuhalten.
Solidarität mit Israel !
ANTIFA SAAR / PROJEKT AK
Verhinderter Redebeitrag der Antifa Saar / Projekt AK zu den Aufmärschen am 1.Juli 2006
[Willkommen in Merzig, der „Stadt mit mehr Möglichkeiten“]
Während die meisten Leute hier eine oder mehrere der vielzähligen Veranstaltungen, die die Stadt Merzig dem geneigten Besucher heute darbietet, besuchen oder sich einfach nur am schönen Wetter in dieser netten saarländischen Kleinstadt erfreuen wollen, marschieren ein paar hundert Meter weiter Alt- und Neonazis durch die Straßen von Merzig. Während also diese Leute, ganz in der Tradition ihrer Eltern- und Großelterngeneration, für eine Politik aufmarschieren, die schon vor 70 Jahren einen bis dato nie dagewesenen Zivilisationsbruch und die industrielle Massenvernichtung von Millionen von Menschen bedeutet hat, fällt der Landrätin des Kreises Merzig-Wadern nichts besseres ein, als eine geplante Gegenkundgebung, die sich explizit gegen den Aufmarsch der Neo-Nationalsozialisten um das so genannte „Aktionsbüro Saar“ aus Saarlouis und den NPD Landesverband Saar richten sollte, kurzerhand zu verbieten und organisierten antifaschistischen Protest am 1.Juli in Merzig für illegal zu erklären. Der Versuch der Landrätin, die Stadt an diesem schönen sonnigen Samstag politik- und widerspruchsfrei zu halten, ist nach einem Verwaltungsgerichtsurteil, das das anfänglich ausgesprochene Verbot des Naziaufmarsches für ungültig erklärte, gründlich misslungen. So hat die Stadt heute also noch eine Attraktion mehr zu bieten.
[Gute Deutsche und böse Nazis]
Nun sind dergleichen Aufmärsche im wiedervereinigten Deutschland längst die Regel und beim besten Willen keine Ausnahme mehr; die Kampftruppen der neuen Nationalsozialisten marschieren mal unter diesem, mal unter jenem Motto allwöchentlich durch irgendeine deutsche Klein- oder Großstadt. Und allwöchentlich regen sich Menschen darüber auf. Die Gründe, warum sie dieses tun, sind jedoch bisweilen äußerst verschieden. Aktuell tobt mal wieder ein „Aufstand der Anständigen“, ausgelöst durch mehrere Medienberichte über Mord- und Totschlagsversuche deutscher Neonazis an ihren wie auch immer für nichtdeutsch befundenen Opfern, durch die Berliner Republik und es gehört zur obersten Staatsbürgerpflicht, gegen die Nazis zu sein. Hinter der öffentlich vorgetragenen Empörung der Repräsentanten der renovierten und geläuterten Berliner Republik, seien es nun Funktionäre der staatstragenden Parteien, der Gewerkschaften oder der Amtskirchen, steht jedoch vor allem die Angst um den eigenen Standort und dessen Ansehen in der übrigen Welt, gerade jetzt wo doch die ganze Welt zu Gast bei Freunden ist. Denn nichts schreckt die Baumeister des weltmachtambitionierten Deutschlands mehr als die Möglichkeit, ein Investor aus dem Ausland könnte womöglich seine Mitarbeiter davor warnen, bestimmte Gegenden Deutschlands zu betreten oder gar auf Investitionen ganz zu verzichten und lieber in ein Land zu gehen, wo No-Go-Areas für Nichtweiße noch nicht zum guten Ton gehören.
Diesem „Antifaschismus“, der in schwarz-rot-gold daherkommt und die Symptome zu vertuschen sucht, aber keineswegs auch nur gewillt ist, dem Problem auf den Grund zu gehen, verwehren wir uns ausdrücklich. Wir legen keinen Wert darauf, „Nazis raus!“ zu schreien, wenn es gerade einmal wieder aus Prestige- und Image-Gründen für Deutschland von Vorteil erscheint und der Innenminister medienwirksam einem der zahllosen Opfer neonazistischer Gewalt sein herzlichstes Mitleid versichert, während Tag für Tag Menschen gewaltsam daran gehindert werden, nach Europa zu migrieren und diejenigen, die es geschafft haben, wieder abgeschoben werden. Wir legen keinen Wert darauf, als antifaschistisches Feigenblatt für ein deutsches Projekt zu dienen, das sich mit dem ständigen Hinweis auf seine Vergangenheit und die Lehren, die es daraus gezogen zu haben vorgibt, anschickt, wieder zu einer Weltmacht, als moralischer wie militärischer und wirtschaftlicher Gegenpol zu den USA, aufzusteigen. Eine Gesellschaft, die im Grunde die Forderungen der Neonazis, die sich nicht zu Unrecht als Speerspitze deutscher Volksideologie begreifen, nur geschickter verpackt alltäglich umsetzt, ist daher nicht Teil der Lösung, sondern Teil des Problems.
[Warum gegen Nazis?]
Man könnte sich zurücklehnen und diesen Sommertag am Baggersee verbringen, mit der Gewissheit im Hinterkopf, dass Nazis eben zu Deutschland gehören wie die Fliegen zur Scheiße. Es gibt sicherlich tausend schönere Dinge, als sich immer wieder das Wochenende mit irgendwelchen Nazis zu versauen. Man könnte sie einfach ignorieren und zusehen, dass man ihnen aus dem Weg geht und das Problem damit für sich selbst ad acta legt. Dass die NPD kurz vor der Machtergreifung stünde und das 4.Reich in greifbarer Nähe sei, würde wohl auch kaum jemand ernsthaft behaupten wollen.
Dass es trotzdem unabdingbar notwendig ist, Nazis jeglicher Couleur offensiv entgegenzutreten, steht für uns außer Frage. Deutsche Neonazis sind eine permanente Gefahr für die körperliche Unversehrtheit und Leben von Menschen, die in den Augen dieser deutschesten aller Deutschen nicht deutsch genug, im schlimmsten Falle sogar jüdisch sind. Mag man Neonazis auch gerne als marginalisierte Randgruppe darstellen, so sprechen die über 150 Todesopfer der letzten 15 Jahre und die tausenden Verletzten eine andere Sprache. Dass die Gewalt durch Neonazis gegen Nichtdeutsche, Juden, Linke, Kommunisten, Obdachlose etc. nicht etwa die Folge mangelnder Zukunftsperspektiven marginalisierter Jugendlicher, Arbeitslosigkeit und Langeweile ist, sondern handfeste Ideologie und politisches Programm, müssen Menschen, die von eben diesen Nazis als „Volksfeinde“ erkannt und eingestuft werden, Tag für Tag am eigenen Körper erfahren.
Am heutigen Tag geht es darum, den Nazis dort, wo sie öffentlich auftreten, offensiv entgegenzutreten. Ein echter Antifaschismus, der diesen Namen auch verdient, geht selbstverständlich auch darüber hinaus. Doch dazu an anderer Stelle mehr.
In diesem Sinne: Den Nazis den Saft abdrehen! Kein Friede mit Deutschland! Für den Kommunismus!
ANTIFA SAAR / PROJEKT AK (Juli 2006)
Redebeitrag auf der Antifaschistischen Demonstration am 06.11.2004 in Trier
Gegen Antisemitismus und Volksstaat
Schon 100 Jahre vor der Wannseekonferenz forderte der Trierer Karl Marx im Jahre 1848 “Krieg den deutschen Zuständen”. Diese Forderung ist heute, 66 Jahre nach der Reichspogromnacht und 15 Jahre nach dem Fall der Berliner Mauer, aktueller denn je. Offen verbalisierter Antisemitismus ist in Deutschland längst nicht mehr unschicklich. Die Hetzreden von Hohmann, Möllemann oder einem Martin Walser haben den allgemein herrschenden Antisemitismus wieder salonfähig gemacht.
Die Verfechter der Schlussstrichdebatte, die wir am rechten Stammtisch ebenso wie in Teilen der Linken finden, üben jetzt gemeinsam den Schulterschluss zur deutschen Volksgemeinschaft. Eine halluzinierende deutsche Volksmasse, die für ihr Fortbestehen eine Abgrenzung zu allem Fremden, Jüdischen, benötigt, da sie weder eine gemeinsame Geschichte noch eine geglückte Revolution zur Herstellung einer Nation heranziehen kann, braucht äußere Feinde wie auch Feinde im Inneren. Diese völkischen Mechanismen dienen einzig und allein den Apologeten der Blut- und Boden Theorie. Dieses Prinzip fand im Holocaust seinen Höhepunkt und ist im deutschen Staatsbürgerrecht (Art.116 Grundgesetz) noch heute vertreten. Deutsche Identität war und ist ohne Antisemitismus nicht denkbar, seit Auschwitz wird es das auch in Zukunft nicht sein.
Wie jedoch lässt sich das Erstarken von Antisemitismus im wiedervereinigten Deutschland erklären?
In ihrem Streben nach Rehabilitierung und Normalisierung der eigenen Geschichte fühlen sich die Deutschen, durch jüdisches Leben und jüdische Kultur immer wieder an die deutsche Vernichtungspolitik erinnert, gestört. Die Menschen, die den industriellen Massenmord in Auschwitz-Birkenau, Sobibor, Majdanek und all den anderen Konzentrations- und Vernichtungslagern, überlebt hatten sowie deren Nachkommen werden zum Hassobjekt, gerade weil sie an die deutschen Täter und ihre Taten erinnern.
Das weltverschwörerische Bild von den Juden ist alt. Anonyme Mächte, hereinprojiziert in ein übermächtiges “Weltjudentum”, das Großkapital oder Israel selbst, versuchten die Deutschen zu denunzieren, zu quälen und sich dabei zu bereichern.
So stilisieren sich die Täter zu Opfern, und das neue deutsche Opferkollektiv kann das eigene Leid beklagen und Auschwitz vergessen. Bei der Denunzierung der als angebliche Kriegsverbrechen entlarvten Bombenangriffe auf deutsche Großstädte ist konsequenterweise die Anerkennung und Aufarbeitung der eigenen Geschichte nur hinderlich. Deshalb muss der heimatbewusste Deutsche heute den Aufstand proben. Bedenken sollte man dabei, dass der letzte Aufstand des deutschen Selbstbewusstseins in der industriellen Massenvernichtung von Millionen Menschen gipfelte.
Um weiter am nationalen Mythos vom starken Volk zu basteln, wird dem 9. November in großdeutscher Tradition als Tag des wiedervereinigten Deutschlands gedacht; für die Erinnerung an brennende Synagogen und den marodierenden und mordenden Volksmob ist kein Platz mehr. Die Nacht vom 8. auf den 9.November 1938 war das offizielle Signal zur größten Menschenvernichtung in der Geschichte der Menschheit. Bis Ende der 1980er Jahre markierte der 9.November einen Tag, der den Tätern von damals ihr Tun vor Augen hielt. Doch mit dem Fall der Mauer am 9.November 1989 bekam dieser Tag im kollektiven Gedächtnis eine andere Bedeutung: Volksfeststimmung löste unbequemes Erinnern ab. Mit dem Ende der Berliner Mauer als Anfang vom Ende der DDR wurde der Grundstein für ein neues deutsches Selbstbewusstsein gelegt.
Dies zeigt sich nicht zuletzt durch das Tolerieren neofaschistischer Gruppen wie der sogenannten “Freien Kameradschaften” und der NPD, und das Transportieren ihrer menschenverachtenden Ideologie in die Mitte der Gesellschaft, sichtbar für alle in den Wahlerfolgen von NPD und DVU in diesem Jahr.
Beflügelt durch die hohen Stimmgewinne bei den vergangenen Landtagswahlen forcieren die Neofaschisten nun auch ganz offen ihr Konzept “Kampf um die Straße, die Köpfe und die Parlamente”. Der Schulterschluss mit den nationalsozialistischen “Freien Kameradschaften” wird jetzt auch ganz offen propagiert, kürzlich wurde der vorbestrafte Neonazi Thorsten Heise auf dem NPD-Parteitag in Leinefelde in den Bundesvorstand gewählt. Die “Volksfront von rechts” aus NPD, DVU und den militanten “Freien Kameradschaften” ist ebenso besiegelt worden. Im Saarland existiert mit der sog. “Kameradschaft Saarlautern” aus Saarlouis ein der aktivsten und bedeutendsten Neonazigruppen im südwestdeutsche Raum. Saarlouiser Neonazis meldeten in diesem Jahr mehrere Aufmärsche sowohl innerhalb als auch außerhalb des Saarlandes an, so z.B. am 19.Juni im rheinland-pfälzischen Alzey, mehrere Aufmärsche zwischen August bis Oktober im hessischen Odenwald oder die Kundgebungen im September hier in Trier.
Das Saarland war 2004 Wahlkampfschwerpunkt der NPD, deren Bundesvorsitzender Udo Voigt für das Amt des Oberbürgermeisters der Stadt Saarbrücken kandidierte. Der saarländische Landesvorsitzende Peter Marx rangiert in der parteiinternen Hierarchie der NPD weit oben.
Die organisierte Rechte hat längst nicht mehr das antisemitische Monopol, wenn sie es denn überhaupt je gehabt haben soll. Auch in vielen “linken” Kreisen wird der zunehmende Antisemitismus gerne verharmlost oder mitgetragen. Offen antisemitische Positionen äußern sich, nicht nur in großen Teilen der globalisierungskritischen Bewegung, in antizionistischer Kritik an Israel. Selbsternannte Friedensfreunde und Weltverbesserer machen den Staat Israel verantwortlich für das Scheitern der Friedensprozesse in Nahost. Das kleine Land Israel wird neben den USA als größte Gefahr für den Weltfrieden eingestuft. Dieser alltägliche Zustand antisemitischer Angriffe erfordert eine radikale Kritik an eben denjenigen, die nicht verstehen, dass Israel die einzige Konsequenz ist, die aus Auschwitz zu ziehen war in einer Welt, die nicht bereit war, Konsequenzen zu ziehen. Israel war und ist der einzige existierende Staat, dessen Staatsräson darin besteht, Jüdinnen und Juden Schutz zu bieten, dass sich Auschwitz oder ähnliches nicht wiederhole. Nur ein starker Staat Israel kann dem antisemitischen Vernichtungswahn Grenzen setzen.
Das Phänomen des Antisemitismus in der bürgerlichen Gesellschaft lässt sich nur in der Überwindung derselben bekämpfen. Eine Emanzipation der Deutschen als Deutsche vom Antisemitismus ist nicht möglich, und so bleibt als einzig sinnvolle Konsequenz die Emanzipation vom Deutschtum.
Für all diejenigen, die danach streben, in einer Gesellschaft zu leben, in der der Mensch nicht länger als geknechtetes, verachtetes und verwertbares Wesen existiert, kann die Konsequenz daher nur eine seine: Krieg den deutschen Zuständen.
Deshalb: Kampf den deutschen Verhältnissen — Gegen jeden Antisemitismus und Antizionismus.
KONTAKT: www.antifa-saar.de.vu
e‑mail: antifasaar@yahoo.de
Redebeitrag der Antifa Landau auf der Demonstration in Homburg — 26.März 2005
Auch wir, die Antifa Landau, zeigen uns solidarisch mit den Opfern des Übergriffes, der Auslöser für diese Demonstration war. Doch nicht nur die brutale Gewalt, mir der hier auf offener Strasse Menschen körperlich angegangen wurden, sonder eben auch die Umstände und Ursachen dieser Tat sind für uns der Anlass zu diesem Protest.
Sicher ist dies kein Einzelfall, täglich werden Menschen aufgrund ihrer Hautfarbe oder ihres politischen Denkens, überfallen und verprügelt. Die Kausalität ist jedoch bestimmt nicht bei den Opfern, sondern klar bei den Tätern und dem gesellschaftlichen Klima zu finden, welches diesen erst einen gewissen Handlungsspielraum ermöglicht.
Wir leben in einer Zeit des gesellschaftlichen Umbruchs. Durch das Wegbrechen der Sowjetunion und damit des einzigen Systems, das in direkter Konkurrenz zum Kapitalismus stand, verlor sich auch der dadurch entstandene Konkurrenzdruck. Bedingungen, die zur Abgrenzung gegenüber diesem System entstanden waren, verlieren ihre Legitimation und stehen frei zur Abschaffung. Es entsteht nicht nur ein Klima der sozialen Verunsicherung, sondern auch Bestrebungen mit der deutschen Geschichte ins Reine zu kommen.
Geschichtsrevisionistischen Tendenzen erhalten einen nie da gewesenen Aufschwung, und sollen es ermöglichen, sowohl eine weltweite Wettbewerbsfähigkeit, als auch eine nationale oder europäische Identität zu schaffen, die der Konkurrenzfähigkeit zugrunde liegt.
Die Geschichte wird umgeschrieben.
Die öffentliche Relativierung der Shoa, z.B. wenn im Zusammenhang, des geschmacklosen Gedenkens an deutsche Täter in Dresden von einem “Bomben-Holocaust” gesprochen wird, wie auch die Verklärung des 2.Welkrieges als europäischen Prozess, sind nur einzelne Elemente eines gerade durch die rot-grüne Regierung begünstigten und sogar geförderten Geschichtsrevisionismus.
Eine Regierung, die durch die Jugendtaten einiger Protagonisten als selbstredend antifaschistisch verstanden wird, wird auch dann nicht kritisch hinterfragt, wenn sie versucht aus dem industriellen Massenmord von Millionen von Jüdinnen und Juden eine historische Verantwortung abzuleiten, die dann wieder zur Legitimation von Angriffskriegen benutzt wird.
Durch klare Dominanz geschichtsrevisionistischer Tendenzen in den öffentlichen Medien und nicht nur dadurch des gesellschaftlichen Gesprächs, wird ein Klima geschaffen, das nicht nur das Zutage-kommen antisemitischer Bodensätze fördert, sondern eben auch eine Stimmung schafft in der Rechtsextremisten wieder öffentlich in das aktuelle Tagesgeschehen integriert werden können.
Dafür sprechen eben nicht nur die jüngsten Wahlerfolge rechtextremer Parteien, sondern auch die zunehmende Wahrnehmung ihrer Ideen und Parolen in der Öffentlichkeit.
Die Strategie, Neonazis auf einer politisch-geistigen Ebene zu begegnen, wie dies z.B. der Verfassungsschutz fordert ist in sich so lächerlich, dass wir an dieser Stelle keine weiteren Worte darüber verlieren werden. Dass damit aber die rechtsextremen Parteien indirekt unterstützt werden, weil ihnen so ermöglicht wird ihre menschenfeindlichen Parolen in der Öffentlichkeit zu verbreiten, scheint wohl niemandem in den Sinn zu kommen.
Die zunehmende Gesellschafsfähigkeit von neonazistischem Gedankengut hat natürlich auch Auswirkungen auf nicht parlamentarisch organisierte Nazis.
Nicht nur rechte Infrastruktur erlebt eine ungeheuerliche Verbesserung, sondern auch im Denken der Rechtsextremen findet eine Entwicklung statt.
Wenn der Nazi-Opa öffentlich z.B. Rudolf Hess und damit den Nationalsozialismus verherrlichen darf, erlebt auch das Selbstbewusstsein der jüngeren Nazis eine Stärkung.
Denn nur in einer Gesellschaft, in der Rechtsextreme nach körperlichen Übergriffen keine Konsequenzen und öffentliche Ächtung befürchten müssen, ist es Neonazis möglich in einer solchen Art und Weise in Erscheinung zu treten.
Und eine Gesellschaft, die linksradikale Kritik ignoriert, sowie antifaschistische Politik kriminalisiert, spielt direkt den Nazis in die Hände.
Auch in Landau sind wir als Gruppe direkt von dieser Kriminalisierung betroffen, als deren Auslöser eine linksradikale Demonstration propagiert wird, die unter anderem eine revolutionären Perspektive in der Öffentlichkeit positionieren sollte.
Da wir diese Repressionen nicht tatenlos hinnehmen werden, rufen wir erneut zu einer Demonstration in Landau auf. Diese wird unter dem Motto: “Revolution statt Reaktion, Gegen Repression und Nazis”, am 21.Mai 2005 ab 15.00uhr stattfinden. Treffpunkt wird der Rathausplatz sein.
Wir rufen euch alle auf an dieser Demonstration teilzunehmen und mit uns zusammen unseren Unmut ein solches Klima weiterhin zu ertragen kund zu tun, sowie erneut eine revolutionäre Perspektive in die Öffentlichkeit.
Eskalation statt Deeskalation
Haut rein!
Redebeitrag der CCP-Charlie Churchills Papagei auf der Demonstration in Homburg — 26.März 2005
Wenn einer mit den Worten “das ist mein Land” auf den Lippen jemanden, den er als Volksfeind ausfindig gemacht hat, mit einem Schlagstock minutenlang malträtiert, wie vor 9 Tagen hier in Homburg geschehen, dann handelt jener nicht bloß als aggressiver Asozialer sondern als Staatsbürger mit explizit politischem Willen. Er handelt in der Ahnung, dem Wissen oder dem Wunsch, ein guter Deutscher zu sein. Er sieht und denkt sich als Avantgarde des Volkskampfes mit dem Auftrag, störende Elemente — wenn nicht zu beseitigen — dann doch zumindest kräftig einzuschüchtern. Für gewöhnlich entlädt sich die Wut des rasenden Mobs an denen, die der nationalen Mission nicht folgen können oder nicht folgen wollen und gleichsam schutzlos ausgeliefert sind. Solcherlei Handeln ist keinesfalls bloß Psychopathologie von Einzelnen, sondern Ausdruck gesellschaftlicher Tendenz. Einer Tendenz die darin besteht individuelle Interessen zugunsten einer nationalen Weltmission des wiedervereinigten Deutschlands endgültig aufzugeben. Man denke nur an den aktuellsten Schrei deutscher Erweckungsbewegung, der darin besteht, die massenmörderische Nazi-Generation als Opfer herauszuputzen, um umso unbefangener den Platz an der Sonne beanspruchen zu können. Der Platz an der Sonne das ist langfristig nicht mehr Malle sondern Weltmacht und zwar vor und gegen die USA. Wenn die sechs Dorfnazis noch beim Einschlagen auf das Opfer, auf das Selbstbestimmungsrecht ihres “Volkes” pochen, dann handeln sie nicht nur vor diesem gesellschaftlichen Hintergrund. Die gesellschaftliche Struktur ist ihrem subjektiven Handeln bereits implizit.
Der deutsche Mob ist in Angelegenheiten staatlicher Reinhaltung meist noch etwas feinfühliger als der Staat selbst. So entfacht sich spontane Gewalt, die dem Souverän gewissermaßen vorgreift. Immer dann wenn faschisierte Deutsche losschlagen, wird an ihnen auch offenbar, was der Nation-ist-geil-Zivilgesellschaft immanent ist. Der Nationalismus braucht, um sich selbst auf den Begriff bringen zu können, sein Gegenprinzip, den inneren und äußeren Feind. Der Nationalismus hierzulande, der weniger auf Verfassung denn auf Blut und Boden gründet, evoziert den inneren Volksfeind, wie das äußere Gegenprinzip. Beides muss bekämpft werden. Während sich der Kampf der meisten Volksgenossen im aggressiven Geraune über Schmarotzer, Ausländer und Juden, die das Unglück angeblich verwalten, erschöpft, machen manche eben ernst und schlagen zu. Zwischen Jugendzentrum und Bahnhof in Homburg wurde vor 10 Tagen zugeschlagen, weil die Opfer als innere Zersetzer, als Verweigerer identifiziert wurden. Die Methodik des Straßenmobs ist altbekannt: eine Melange aus roher Gewalt und sexualisiertem Sadismus. Die Macht, die sie hatten, als sie eine junge Frau zwangen, ihr T‑Shirt mit dem Logo “gegen Nazis” auszuziehen, kommt so schnell nicht wieder, auch nicht das affektiv erhabene Gefühl, einen “Feind des Volkes” gewaltsam disziplinieren zu können. Faschismus und sadistische Machtausübung sind zwei Seiten einer Medaille, deren Prägung die Deutschen nach wie vor am besten beherrschen.
Warum fühlt sich jemand deutsch? Weil, wie es Joachim Bruhn formuliert “der Einzelne nur als kapitalproduktives und staatsloyales Subjekt von Belang ist, weil seine Existenz für den Fortgang des Betriebs herzlich egal ist, weil seine allseits gelobte “Identität” nicht die seine ist und ganz im Gegenteil davon abhängt, ob überhaupt und wozu er taugt, weil daraus summa summarum folgt, dass seine “Anthropologie” nur in der jedem Einzelnen vertrauten, allgemein bekannten und genau darum kollektiv verdrängten Angst davor wurzelt, seiner insgesamt längst geahnten sozialen Überflüssigkeit auch noch öffentlich überführt zu werden — eben darum fühlt er sich genötigt, “ein Deutscher” zu sein”. Die kapitale Vergesellschaftung wirkt bis ins tiefste Innere des faschistischen Subjekts. Ein guter Deutscher bringt — die eigene Nutzlosigkeit und Ersetzbarkeit stets vor Augen — unbedingte Treue zum Staat sowie die totale Bereitschaft zur produktiven Plackerei gleichermaßen mit, notfalls bis zum verrecken.
Die Empörung über NPD und bekennende Nazis, die seit den neuerlichen Wahlerfolgen der Nazis eine Renaissance der Anständigen erfährt, steht zum völkischen Nationalismus weder im Widerspruch, noch ist sie bloße Heuchelei. Wenn Kirche, Politik, Gewerkschaften oder Popidole den antifaschistischen Kampf gegen “Rechtsextreme”, wie es so schön heißt, im Mund führen, dann ist dies ernste Sorge und zwar die Sorge ordentlicher Staatsbürger um das Ansehen von Volk und Vaterland im Ausland, von dessen Blick man aufgrund wirtschaftlicher und politischer Konstellationen nicht gänzlich befreit ist. Nachdem Auschwitz, um dessen Ausmaß die Täter in der postnazistischen Gesellschaft sich am wenigsten scherten, gleichwohl ganz offiziell als Historie abgetan wird und eine linke Regierung es fertiggebracht hat aus der deutschen Vernichtungspolitik eine besondere Verantwortungsfähigkeit für die Nachkommen der Mörder zu konstruieren, ist nicht nur Polen (zumindest) polit-ökonomisch wieder offen. Dies konnte nur gelingen, weil man fast der ganzen Welt Glauben machen konnte, aus dem Geschehenen gelernt zu haben. Bekennende Nazis stören da nur, wenn sie, wie es die NPD tut, bruchlos an die NS-Ideologie anknüpfen und so die Erinnerung an das verdrängte Erbe der Massenvernichtung bewusst halten. Man will wieder Stolzdeutscher sein, ohne ständig an die lästige Vergangenheit erinnert zu werden. “Das Bild vom guten, ordentlichen Volk der Deutschen wird nur noch von den braunen Glatzen gestört” schrieb die Freiburger ISF dazu schon vor 4 Jahren. Von Vergangenheit will man nur etwas hören, wenn es um die Betrauerung der Opfergemeinschaft geht.
Folglich verkommt ein Antifaschismus, der fixiert bleibt auf die NPD und deren außerparlamentarische Sturmtruppen wie freie Kameradschaften oder spontaner Mob zu einer moralischen Instanz innerhalb des gesellschaftlichen Ganzen, der die Misere verdoppelt und zusätzlich verschleiert, anstatt sie kritisch zu durchdringen. Ein wie auch immer organisierter Antifaschismus, der sich mit den gewerkschaftlichen, kirchlichen oder politischen Apologeten Deutschlands gleichtut und zur Förderung des Allgemein-Gewissens beiträgt, ist Teil des Problems, obgleich die Lösung zeigefingernd angepriesen wird. Die, die am meisten von NPD & Co reden, haben die begriffsloseste Kritik an ihr. Gäbe es keine NPD mehr, wovon sollte sich der nationalistisch-antizionistische deutsche Demokratenrest sonst abgrenzen? Wer die neuerlichen Beiträge der Mehrheitsgesellschaft zu den Bombardierungen deutscher Städte von vor 60 Jahren betrachtet, sich den gleichgeschalteten Antiamerikanismus und grassierenden Antisemitismus vergegenwärtigt oder das traditionsreiche Verhältnis der schaffenden Deutschen zu ihrer Arbeit in den Blick nimmt, wird feststellen, dass die suggerierten Differenzen meist nur graduelle sind. Wer vom deutschen Gesamtprojekt nicht spricht, sollte zum hiesigen Bekenner-Faschismus schweigen.
Weil die Organisatoren der heutigen Demonstration genau dies nicht tun, sondern von den deutschen Zuständen, zumindest ansatzweise sprechen, unterstützen wir die heutige Demonstration. Solidarität gilt dem Freund und der Genossin, die vor 10 Tagen in Homburg zu Schaden gekommen sind. Gute Besserung von dieser Stelle aus. Die schlichte Tatsache, dass es hier meist organisierte oder spontan losschlagende Faschisten sind, die immer wieder zu einer physischen Bedrohung werden, bleibt, trotz der Kritik am Traditions-Antifaschismus, unbestritten. Unbestritten bleibt folglich auch die Notwendigkeit eines Selbstschutzes, gerade auf dem “platten Land”, in dem die Entbarbarisierung noch gründlicher gescheitert ist, als in städtischen Gegenden.
Paradoxerweise scheint es allerdings angebracht, einen antifaschistischen Selbstschutz nicht nur gegen “rechts” zu organisieren, sondern auch gegen Antiimperialisten oder sonstige Antizionisten, die sich bekanntermaßen vorzüglich als Linke definieren. Wieder allzu deutlich wurde dies vor ca. 2 Wochen in Wien, als etwa 40 linke Volkskämpfer eine Veranstaltung der antideutschen Gruppe “cafe critique” angriffen und schließlich verhindern konnten. Dort wie in Homburg wurden Leute krankenhausreif geschlagen. Nicht nur wegen dieses jüngsten Ereignisses sondern wegen der theoretischen und politischen Bankrotterklärungen der Linken im Allgemeinen, die am offensten in ihrem Verhältnis oder formulierten Nicht-Verhältnis zum Staat Israel zu Tage treten, gilt es die Begriffskoordinaten „rechts” versus „links” radikal in Frage zu stellen, auch wenn die meisten hier Anwesenden sich dem linken Spektrum zuordnen. „Was Besseres als die Linke findet Ihr überall” merkte dazu die Redaktion der Berliner Zeitschrift Bahamas an. Wie man sich als Einzelne oder Einzelner auch dazu verhält, was die Realität zeigt ist, dass “links” und “antifaschistisch” ganz unterschiedliche Dinge sein können.
Eine emanzipatorische Kritik, die zuvörderst eine antideutsche zu sein hat, muss sich den Entwicklungen einer sich totalisierenden Gesellschaftsformation auf Basis der krisenhaften Warenproduktion stellen und den Faschismus begreifen, als eine sich homogenisierende Bewegung atomisierter Subjekte, denen noch der letzte Rest Individualität abgeht. Kollektiver Wahn, dem die völkisch-antisemitische Ideologie und die entsprechend mörderische Praxis eingeschrieben ist, wird auch nicht besser, wenn seine Träger dem klassischen Antifa-Bild nicht entsprechen. Die Feststellung, dass es derzeit in erster Linie islamistische Gotteskrieger sind, die den eliminatorischen Antisemitismus als praktisches Programm organisieren, ist ebenso Bestandteil dieser Erkenntnis wie die Notwendigkeit eines Bruches mit dem antizionistischen und antiamerikanischen Konsens der europäischen Friedens- oder Antiglobalisierungsbewegung. Beides, die Intervention gegen Islamismus und linken Antisemitismus einerseits und spezifisch deutschem Nationalsozialismus, wie man ihn in Städten wie Homburg noch live erleben und fürchten lernen kann andererseits, schließen sich nicht aus, sondern gehören zusammen. Diesem Minimalanspruch hat sich eine antifaschistische Praxis, die diesen Namen auch verdient, zu stellen! In diesem Sinne: Krieg den deutschen Zuständen für den Kommunismus!
Redebeitrag eines der Opfer auf der Demonstration in Homburg am 26. März 2005
Hallo Freundinnen und Freunde, Teilnehmerinnen und Teilnehmer dieser Demonstration!
Am vergangenen Freitag wurde ich abends von sechs Neonazis auf dem Weg vom Autonomen Jugendzentrum Homburg zum Bahnhof abgefangen. Ich befand mich mit meiner Begleiterin in der Hälfte des Weges, in Höhe der Firma Havekost, als wir auf die “Sieg Heil” rufende Gruppe von Skinheads und Hooligans trafen. Ich wurde brutal verprügelt. Mit deutscher Härte haben sie zugeschlagen und auf mich eingetreten. Mit Fäusten und einem Teleskopschlagstock schlugen sie mich, bis ich am ganzen Körper Prellungen hatte, ein blaues Auge, Platzwunden am Bein und der Nase, bis mein Blut nicht nur das Gesicht und die Haare bedeckte, sondern auch meinen Pullover, meine Hose, meine Strümpfe und meine Schuhe. Sie zogen mich an den Haaren, spuckten mich an, zerstörten meine Brille und raubten mir das Handy, damit ich die Polizei nicht rufen konnte. Meiner Begleiterin zogen sie das T‑Shirt, mit der Aufschrift “Gegen Nazis”, aus und verbrannten es. Es gab für mich kein Entkommen bis sie selbst von mir abließen. Erst nach etwa einer Viertelstunde konnte ich zurück zum Jugendzentrum. Von dort aus wurde ich ins Krankenhaus gebracht. Nach sieben Stunden im Krankenhaus und bei der Polizei, wurde ich entlassen. Zwei der Täter konnte die Polizei am selben Abend in Gewahrsam nehmen. Der detaillierte Bericht der Ereignisse ist auf der Internetseite des Autonomen Jugendzentrums Homburg nachzulesen unter www.ajzhomburg.de.
Wir wurden Opfer der deutschen Realität.
Diese Realität bedeutet, dass täglich irgendwo in Deutschland Menschen von Neonazis beleidigt, angepöbelt, bedroht und verletzt werden, viel zu oft auch ermordet.
Fast jede Woche marschieren hunderte von Neonazis auf irgendeiner Demonstration, Kameradschaften und Nationale Widerstände ziehen unter den Fahnen des Nationalsozialismus durch die Städte.
Regelmäßig erscheinen rechte Zeitungen wie die “Junge Freiheit” oder “Nationale Wochenzeitung” und werden an zahlreichen Kiosken verkauft.
Die Städte werden mit Nazi-Aufklebern vollgeklebt und dumpfen Parolen vollgesprüht. Rechte Parteien werden von Tausenden gewählt und ziehen in Parlamente ein.
Das passiert nicht erst seit kurzem, wie es im Mainstream der Berichterstattung scheint, sondern seit Jahrzehnten. Das Dritte Reich hat in Deutschland nie aufgehört zu existieren. Täter des Nationalsozialismus waren schnell rehabilitiert, haben die BRD mitaufgebaut.
Quer durch alle gesellschaftlichen Bereiche finden sich Beispiele für eine Fälschung und Umkehrung der Geschichte: Deutsche werden zu Opfern des Nationalsozialismus verkehrt, Schlussstriche werden unter die verbrecherische Bilanz deutscher Vergangenheit gezogen, Antisemiten hetzen öffentlich gegen Juden oder Israel und wenige stören sich daran. Nazis können sich auf diesem Hintergrund recht wohl fühlen. Abgesehen von Zeiten, wo das Thema, wie jetzt gerade, in ist und überall darüber berichtet wird, können sie sich der Zustimmung Vieler sicher sein. Ob gerade jemand über die Ausländer schimpft, die nicht arbeiten gehen und uns doch irgendwie die Arbeitsplätze wegnehmen oder ob an allen Ecken gefordert wird wieder stolz sein zu dürfen auf Deutschland: der Rassismus der Nazis kommt aus der sogenannten Mitte der Gesellschaft und dort finden sie auch ihre Unterstützung. Mir hat dieser Überfall wieder einmal gezeigt, wie häßlich und scheiße Deutschland ist.
Ungläubig fragte eine Krankenschwester in der Klinik, ob es sowas in Homburg gäbe. Ja, Nazis gibt es in jeder Stadt und in jedem Dorf. Überall sind ihre Spuren zu finden und um Deutschtümelei und Volksstolz zu finden muss man sich nur mal in der Kneipe umhören oder dem Nachbar mal genauer zuhören.
Auch das Jugendzentrum musste sich jüngst mit der Drohung aus dem Internet-Forum des neonazistischen Aktionsbüro Saar auseinandersetzen, wo angekündigt war, eine Veranstaltung zum Thema “NPD und freie Kameradschaften im Saarland” zu besuchen. Die beiden Veranstaltungen zum Thema Rechtsextremismus, die am 10. und 15. März im Juz stattfanden, verliefen ruhig: Trotzdem könnte dieser Angriff damit im Zusammenhang stehen. Auch wenn die Kameradschaft Homburg/Neunkirchen, die Teil des Aktionsbüro Saar ist, scheinbar nur auf dem Papier existiert, sollte diese weiter beobachtet und in jeder Form angegriffen werden.
Es wäre wünschenswert, wenn Menschen aus Homburg und Umgebung diesen Vorfall als Gelegenheit begreifen würden, organisiert gegen Faschismus vorzugehen, wenn sie sich in der Gruppe zusammenschließen würden, um Nazis auf der Straße zu beseitigen, ebenso wie rechte Spinnereien aus den Köpfen der Menschen. Auch in Homburg ist es nötig sich gegen jede Form von Rassismus zur Wehr zu setzen und Nazis jede Chance, ihre häßliche Fratze zu zeigen, zu nehmen. Homburg darf kein schützendes Hinterland für nationale Idioten sein. Dazu gehört auch, das Autonome Jugendzentrum mit seiner mehr als 20-jährigen Geschichte und antifaschistischen Tradition zu unterstützen, aufzubauen und zu fördern. Das Jugendzentrum muss weiter als Freiraum genutzt werden, in dem Neonazis und Träger von sexistischem, rassistischem, antisemitischem, nationalistischem und faschistischem Gedankengut keinen Platz haben und wo Positionen für ein schöneres Leben erarbeitet und gelebt werden.
Leider kann ich heute nicht selbst hier sein, aber ich danke allen , die sich nach dem Überfall um mich gekümmert haben, sich nach meinem Zustand erkundigt haben und mir gut zugesprochen haben. Ebenso danke ich allen, die zur Demonstration gekommen sind und denen, die die Demonstration organisiert haben und durchführen. Es tut gut, soviel Solidarität zu erfahren.
Angriff ist die beste Verteidigung, also schlagt die Faschisten, wo ihr sie trefft!
Was wir zu sagen haben — Flugblatt zur Kundgebung gegen Antisemitismus in Neunkirchen
Was wir zu sagen haben
Dokumentation des Redebeitrages der Antifa Saar / Projekt AK anlässlich der heutigen Kundgebung, der von den Organisatoren wegzensiert wurde
Dass offen verbalisierter Antisemitismus in Deutschland schon lange wieder salonfähig ist, machen nicht nur die öffentlich ausgetragenen antisemitischen Hetzreden eines Hohmann oder Möllemann deutlich. Auch die Verfechter der sogenannten Schlussstrichdebatte, die sowohl über den Stammtisch als auch über vermeintlich linke Zusammenhänge den Weg zueinander finden, stoßen bei den “deutschen Volksgenossen” auf mehr als nur zustimmende Worte. Dieses gesellschaftliche Klima spiegelt sich auch in den Wahlerfolgen der Rechten Parteien wieder. Auf Landesebene hetzt Peter Marx von der NPD öffentlich gegen jüdisches Leben und wird als Dank dafür vom Wählerkreis der AntisemiteInnen in den Bezirksrat Halberg (Stadtteil Saarbrücken) befördert. Doch wie lässt sich dieses Erstarken von Antisemitismus und Antizionismus erklären? Einen derart starken Zulauf erfährt die heutige Form des deutschen Antisemitismus auch auf Grund des Bedürfnisses nach einer Normalisierung der eigenen Geschichte. Juden und jüdisches Leben erinnern an die deutsche Vernichtungspolitik, wovon die meisten Deutschen nichts mehr wissen wollen. Auf geradezu perverse Weise werden diejenigen, die den Massenmord überlebt haben sowie deren Nachfahren erneut zum Hassobjekt, eben weil sie an die deutsche Tat erinnern. Und was geschieht mit den Tätern? Diese werden plötzlich zu Opfern und laden dazu ein, sich zum deutschen Opferkollektiv dazu zu gesellen, um gemeinsam das eigene Leid zu bedauern und Auschwitz zu vergessen. Durch genau diesen Geschichtsrevisionismus und pervertierten Umgang mit deutscher Vergangenheit glänzt übrigens derzeit die Saarbrücker Zeitung, wenn sie allmontäglich über den Bombenkrieg gegen die Deutschen- im Besonderen gegen die SaarländerInnen — berichtet und dazu auch gerne mal das ein oder andere Mädel oder Kameraden aus dem Saargebiet zu Wort kommen lässt.
Es herrscht also ein gesellschaftlicher Konsens, der zu antisemitischer Hetze und Praxis einlädt, diese möglich macht und einen geschützten Rahmen für entsprechende Taten bereithält. So wird in Frankfurt am Main ein Rabbiner auf offener Straße von einer Gruppe Neonazis attackiert und mit den Worten beschimpft: “Dass du noch da bist, liegt wohl daran, dass sie deine Eltern und Großeltern vergessen haben!”. In Dortmund wird einem Juden die Mitgliedschaft in einem Fitnessstudio verwehrt, da selbiges kein Interesse daran hat, Ausländer und Juden im Kreise des gesunden deutschen Volkskörpers zu begrüßen. Und in Neunkirchen wird ein jüdischer Friedhof geschändet; Grabsteine zerschlagen, Grabanlagen verwüstet — bereits zum zweiten Mal innerhalb von neun Monaten. Offener kann der Antisemitismus schwerlich auftreten. Zudem sei darauf verwiesen, dass auf Antisemitismus längst nicht mehr nur die organisierte Rechte das Monopol hat. Der zunehmende Antisemitismus in Deutschland und Europa wird gerade in linken Zusammenhängen gerne verharmlost, z. B. indem er als berechtigter Widerstand migrantischer Gruppen ausgegeben wird. In globalisierungskritischen Kreisen ist eine offen antisemitische Diskussion entbrannt, in der der Staat Israel einseitig für das Scheitern des Friedensprozesses verantwortlich gemacht wird. Zudem hat eine Umfrage ergeben, dass der Großteil der Bevölkerung Deutschlands das kleine Israel neben den USA für eine der größten Gefahren des Weltfriedens hält. “Man wird ja wohl noch Israel kritisieren dürfen”, lautet die mit Unschuldsmiene verkündete Erklärung.
Anstatt den reaktionären Gehalt der palästinensischen und arabischen Organisationen und Machtcliquen zu benennen und die Bedrohung Israels zu thematisieren, solidarisiert man sich bevorzugterweise mit dem “palästinensischen Volk” oder maßt sich an, die Moralkeule gegen Israel und dessen Regierung zu schwingen. In den vergangenen drei Jahren haben wir offen “antizionistisch” auftretende Kritik Israels beobachten können, die sich wieder und wieder antisemitischer Stereotypen bediente. So wurde wiederholt die “Medienmacht” Israels und der Juden sowohl hier als auch in den USA behauptet, die israelischen Streitkräfte unverhältnismäßiger Grausamkeiten bezichtigt (Kindermord) und einem sekundären Antisemitismus folgend das Vorgehen Israels und der Juden in relativierender Art und Weise mit der nationalsozialistischen Politik verglichen.
Wir wenden uns gegen Antisemitismus und Antizionismus sowie die mittelbare Unterstützung des palästinensischen Terrors über die palästinensische Autonomiebehörde; zum Beispiel durch die Verwendung von EU-Geldern für Selbstmordanschläge !
Gegen antisemitische Kritik an Israel!
Wir stehen ein für die Solidarität mit Israel sowie die Bekämpfung von Antisemitismus und Antizionismus !
KONTAKT: www.antifa-saar.de.vu
e‑mail: antifasaar@yahoo.de
Redebeitrag der Antifa Saar auf der Kundgebung “Wider die Antisemitische Internationale!” am 24.04.2004
Offen verbalisierter Antisemitismus ist in der deutschen Öffentlichkeit wieder salonfähig. Antisemitische Attacken eines Walser, Möllemann oder des Bundestagsabgeordneten Hohmann sind jedoch lediglich die öffentlich diskutierten Ausdrücke einer schwelenden Stimmung. Die bekannten Protagonisten sprechen allzu oft den Durchschnittsdeutschen aus dem Herzen. So, wenn wie im Fall Hohmann Juden als “Tätervolk” bezeichnet werden. Dem Satz “Aussagen wie Hohmann sie gemacht hat, müssen heute möglich sein” stimmen immerhin 42 Prozent der Deutschen nach einer “Causa-Umfrage” zu. Die heutige Form des deutschen Antisemitismus speist sich häufig aus dem Bedürfnis nach einer Normalisierung der eigenen Geschichte. Juden und jüdisches Leben erinnern an die deutsche Vernichtungspolitik, wovon die meisten Deutschen nichts mehr wissen wollen. Auf geradezu perverse Weise werden diejenigen, die den Massenmord überlebt haben sowie deren Nachfahren erneut zum Hassobjekt, eben weil sie an die deutsche Tat erinnern. Kein Wunder also, dass nach 1989, seitdem das vereinte Deutschland wieder an die Weltspitze will, der Ruf nach einem “Schlussstrich” immer lauter wird. Im Zuge der von Martin Walser ausgelösten Schlussstrichdebatte und der Frage nach Zwangsarbeiterentschädigung gab es weitestgehenden Konsens in der deutschen Gesellschaft: Man hat genug gebüßt und gezahlt, die Opfer sollen endlich die Klappe halten.
Dass dieser Konsens Generationen übergreifend ist, bestätigte der Star-DJ “Dr. Motte”.
“Dies ist ein Aufruf an alle Juden der Welt: Sie sollen mal eine andere Platte auflegen und nicht immer rumheulen”, so der populäre Mitinitiator der Berliner Love-Parade.
Während der Entschädigungsdebatten Ende der 90-er stellten sich deutsche Politik und Industrie allzu gerne als Opfer dar. Die Gegenseite wurde in Tageszeitungen immer wieder mit antisemitischen Stereotypen versehen. So glaubte etwa die Zeitschrift “Der Spiegel” hinter den Opferverbänden “raffgierige” New Yorker Anwälte entdeckt zu haben. Auch die “Süddeutsche Zeitung” veröffentlichte Artikel, in denen sie die Opferanwälte als “Haifische im Anwaltsgewand” oder “Weltpolizei” titulierte, welche den Holocaust benutze, um die Deutschen finanziell auszubeuten. Der von Hendrik Broders geprägte Satz, “dass die Deutschen den Juden Auschwitz nie verzeihen” wird aufs zynischste bestätigt.
Auch wenn die bekennende Naziszene längst kein Monopol auf Judenhass besitzt, fällt es dieser, innerhalb eines solchen gesellschaftlichen Klimas, leichter, den Volksmob zu aktivieren. Zum Beispiel wenn zum Protest gegen den Bau einer Synagoge aufgerufen wird. So geschehen im März diesen Jahres in Bochum. Deutlicher kann nicht zum erneuten Angriff auf jüdisches Leben in Deutschland geblasen werden.
Nicht mehr nur der einzelne Jude als Teil einer Verschwörung wird benannt, diffamiert und bekämpft, sondern der jüdische Staat, Israel. In Anbetracht der nahezu vollständigen Vernichtung der jüdischen Bevölkerung Europas war vorerst Büßerhemd und verordnetes Schweigen angesagt. Freilich war die Abnahme des offiziellen Antisemitismus nicht darin begründet, dass es einen strikten Bruch gegeben hätte. Nein, gesellschaftliche Bedingungen des Antisemitismus und die Virulenz antisemitischer Ideologie sind geblieben. Man hielt sich aus einem anderen Grunde vorerst zurück: nachdem man in Fabriken den Massenmord organisiert und Europa in Scherben geschlagen hatte, galt es sich nach 1945 klein zu halten, um mittelfristig wieder in der Weltpolitik mitmischen zu können.
Ein Ersatzobjekt fürs antisemitische Ressentiment war jedoch schnell gefunden: Israel, durch dessen staatliche Präsenz man nun glaubte nachweisen zu können, dass die Juden in Israel die wahren Täter seien.
Moishe Postone‘s Erkenntnis, dass “der Antisemitismus im Antizionismus enthalten ist, wie das Gewitter in der Wolke” geht den Feinden Israels logischerweise ab.
Im restlichen “old europe” sieht die Lage nicht wesentlich besser aus. Durch eine von der EU in Auftrag gegebenen Umfrage sollte ermittelt werden, welches Land “die größte Gefährdung für den Weltfrieden darstellt”. Das Ergebnis spricht Bände: 59% der EU Bürger betrachten das kleine und immer mehr isolierte Israel als die größte Gefahr für den Weltfrieden, nicht etwa ein deutsch-dominiertes “Kern-Europa”.
Was in den Köpfen der EU-Bürger so rumspukt ist auch Teil der offiziellen Politik der Europäischen Union. In diesem Sinne ist der EU-Parlamentarierein Ilka Schröder wohl zuzustimmen, die den zunehmenden “europäischen Antisemitismus als eine Folge der offiziellen Haltung der EU gegenüber Israel” begreift.
So hat die EU in den Jahren 2000–2001 der palästinensischen Autonomiebehörde 330 Millionen Euro zukommen lassen, ohne hören zu wollen, was mit dem Geld passiert.
Dass auch durch diese Gelder der Terrorkrieg gegen Israel geführt und antisemitische Propaganda zum Beispiel in Schulbüchern finanziert wird, scheint den EU-Akteuren egal zu sein. Dabei dürfte jedem halbwegs Informierten der Schulterschluss zwischen der palästinensischen Autonomiebehörde und Terrororganisationen wie der Hamas nicht entgangen sein. Folglich ist nicht auszuschließen, dass die jüngsten Terroranschläge durch Steuergelder der EU — zumindest indirekt — mitfinanziert wurden.
Kein Wunder also, dass die antisemitische Vernichtungs-Gesinnung und Politik der Hamas öffentlich verharmlost wird, wie beispielsweise im Sommer letzten Jahres noch von Reijo Kempinnen, dem Sprecher der EU-Kommission. “Dass die Hamas in Gänze eine Terrororganisation sei, ist gewiss nicht unsere Position” so Kempinnen, der diese Aussage damit begründet, dass die Hamas auch soziale Dienste und Kliniken betreibe. Einen solchen Sprachgebrauch kennt man auch hierzulande nur zu gut. Noch heute wird auf “Hitlers Autobahnen” verwiesen, wenn es darum gehen müsste, kritische Selbstbesinnung zu üben.
Gleichzeitig werden die EU-Moralisten nicht müde, Israel zu verurteilen und nach jedem weiteren Terrorschlag einen Palästinenserstaat zu fordern, was der Tötungspolitik im Nachhinein einen barbarischen Sinn verleiht.
Noch nie hatte Antisemitismus, wie auch Rassismus etwas mit den tatsächlichen Eigenschaften oder dem Verhalten der Opfer zu tun. Folglich hat es weder eine “Juden”- noch eine “Ausländerfrage” zu geben. Das Problem muss bei den Antisemiten und Rassisten gesucht und bekämpft werden, nicht bei deren Opfern.
Seit Beginn der Al-Aqsa-Intifada 2000 und den Anschlägen auf das WTC 2001 ist Israel immer offener in den Fokus einer internationalen Allianz geraten, die vor direktem Terror gegen Israel nicht mehr zurückschreckt. Parallel zu den genannten Ereignissen ist eine Reihe weltweiter, antisemitischer Gewalt gegen jüdische Einrichtungen und Menschen entbrannt, insbesondere auch innerhalb der europäischen Staaten.
Genau das bekam auch die EUMC bei einer in Auftrag gegebenen Untersuchung heraus.
So konnte innerhalb Europas ein starker Anstieg von Angriffen gegen jüdische Einrichtungen und gegen Juden festgestellt werden. Besonders in Frankreich, Belgien, den Niederlanden und Großbritannien scheinen gewaltsame Übergriffe, so ein Tenor der Ermittlung, keine Ausnahme mehr darzustellen. Wie reagierte die EUMC, ein Organ der EU auf die erschreckenden Entwicklungen? Nicht etwa alarmiert, wie man annehmen könnte. Nein, sie verhinderte kurzerhand die Veröffentlichung der Untersuchung mit fadenscheinigen Begründungen.
Eine weitere international vernetzte Bewegung lässt ebenfalls von sich hören, allerdings nicht durch ernstzunehmende Kapitalismuskritiken als vielmehr durch die Verbreitung platter antiamerikanischer, antizionistischer und offen antisemitischer Ressentiments: die so genannte globalisierungskritische Bewegung. Freilich ist dieser Verein keine homogene Masse, dennoch sollten sich jene, die entschuldigend auf den Pluralismus der Bewegung hinweisen, bedenken, wo eine kapitalismuskritische Politik aufhört und wo der reaktionäre Antikapitalismus anfängt, bei dem Politik als “Geisel der Finanzmärkte” verstanden wird und die ausschließliche Kritik an multinationalen Konzernen, der USA und Israel mehr zur Verschleierung als zur Aufklärung beiträgt. Zudem gipfelt dieses Politikverständnis nicht selten in einem verschwörungstheoretischen Weltbild.
Spätestens, wenn, wie in Kopenhagen beim EU-Gipfel von den Hauptorganisatoren zum “umfassenden Boykott Israels” aufgerufen wird, auf einer Attac-Veranstaltung in Köln die Politik Israels mit den Verbrechen der NS-Politik im Warschauer Ghetto gleichgesetzt wird, sich in Davos Menschen mit Masken von US-Politikern einen gelben Judenstern anheften, um auf diese ekelhafte Weise auf ein verschwörerisches Zusammenspiel von USA und jüdischer Lobby hinzuweisen oder italienische No-Globals einen Fahnenzug mit “Intifada, Intifada”- Rufen um das ehemalige jüdische Ghetto in Rom inszenieren und zum Abschluss des Sozialforums in Florenz ein Fahnenmeer von Palästina-Fahnen durch die Stadt zieht, dann sind das keine einzelnen Wirrköpfe mehr.
Auch saarländische Gruppen konnten ähnliche Erfahrungen sammeln. Genossen von der ADW wurden beim Europäischen Sozial Forum in Paris gewaltsam daran gehindert Flugblätter zu verteilen, in denen das Existenzrechts Israels bekräftigt wurde. Mitglieder unserer Gruppe sahen sich — ebenfalls beim Verteilen von Flugblättern, in denen eine Kritik am Antiamerikanismus und Nationalpazifismus der Friedensbewegung formuliert wurde — zu Beginn des Irakkrieges mit aufgebrachten Schülern konfrontiert, die in den Genuss kamen, mal nicht zur Schule zu müssen, um stattdessen regierungsfreundliche Demonstrationen besuchen zu können.
Ein weiteres Phänomen der hiesigen Bewegungslinken ist die ständige Hofierung des populistischen Vulgärökonomen Oskar Lafontaine, der sich dadurch hervortut, dass er immer wieder durch latent antisemitische Aussagen und unreflektierten Antiamerikanismus auffällt. Dieser meinte letzten Monat während einer Friedensdemo in Ramstein, verständnisvoll über islamistischen Terror schwadronieren zu müssen.
Leider sind die genannten Beispiele, die nach Belieben erweitert werden könnten, keine Ausnahmen, sie sind lediglich die immer öfter auftretenden Höhepunkte eines reaktionären Antikapitalismus, der nichts, aber auch gar nichts mit Emanzipation zu tun hat.
Will man sich nicht der Mittäterschaft überführen lassen, sind klare Trennungen und Distanzierungen notwendig, auch wenn man sich an das wohlige Gefühl gewöhnt hat, in der Masse der Globalisierungskritischen und Friedensbewegten mitzulatschen: “So oder so” sang einmal der Liedermacher Franz Josef Degenhardt. Eine Entscheidung tut Not.
Jean Paul Sartre schrieb im Jahre 1946 “Kein Franzose wird in Sicherheit sein, solange noch ein Jude in Frankreich und in der ganzen Welt um sein Leben wird fürchten können.” Der schöne Satz hat heute, fast 60 Jahre später, eine Erweiterung zu erfahren; denn kein Mensch wird in Sicherheit sein, solange auch nur ein Jude um sein Leben wird fürchten müssen. Der Kampf gegen Antisemitismus und Faschismus ist die Bedingung jedweder Emanzipation.
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Redebeitrag der Antifa Saar / Projekt AK auf der Demonstration am 20.12.2003 für die Alte Feuerwache
Demobericht zur Demonstration auf Indymedia
Wir demonstrieren hier und heute für den Erhalt der “Alten Feuerwache” als selbstverwaltetes Politik‑, Sozial- und Kulturzentrum in Saarbrücken. Mit der schriftlichen Kündigung vom 28.11.2003 ist es jetzt offiziell und amtlich: die Stadt Saarbrücken will den Verein “Alter Feuerdrache e.V.” und die NutzerInnen der Alten Feuerwache aus dem Gebäude werfen, um es einer, so wörtlich “wirtschaftlicheren Nutzung zuzuführen”; heißt also im Klartext: die Feuerwache als eines der letzten öffentlichen Gebäude, die den städtischen Privatisierungswahn bisher relativ unbeschadet überstanden haben, wie so viele andere zuvor einer kapitalistischen Verwertung zuzuführen.
Das selbstverwaltete Hausprojekt “Alte Feuerwache” besteht seit knapp 22 Jahren und hat in dieser Zeit eine sehr wechselhafte Geschichte mitgemacht. Dabei war das Haus so manches Mal Opfer staatlicher Repressalien, so beispielsweise am 28. Mai 1994, als eine vermummte und bewaffnete Hundertschaft der paramilitärischen Bundesgrenzschutzeinheit “GSG‑9” das Gebäude stürmte, die Räume durchsuchte und die Anwesenden festnahm. Ziel des Angriffs war damals der Kurdische Kulturverein.
In den vergangenen Jahren war es dann die Stadt Saarbrücken, die der Alten Feuerwache zunehmend auf die Pelle rückte. Im Jahre 2000 und 2002 gab es dann konkrete Versuche, einen Nachmieter für das Gebäude zu finden und die in der Feuerwache praktizierenden Vereine und Gruppen vor die Tür zu setzen. Was bisher immer durch öffentlichen Druck verhindert werden konnte, scheint nun ein fester Entschluss der Stadtoberen zu sein. Verhandlungen wurden erst gar nicht geführt, die Kündigung ist bereits zugestellt worden, und einer Verlängerung des Mietverhältnisses wird — ich zitiere aus der Kündigung — “bereits jetzt ausdrücklich widersprochen”.
Der Wortlaut des Kündigungsschreibens und der generelle Umgang der Stadtverwaltung mit dem Verein “Alter Feuerdrachen” machen deutlich, dass kulturelle und soziale Projekte, die — wie die Alte Feuerwache — im Sinne kapitalistischer Verwertungslogik nicht effizient sind, in dieser Stadt ausdrücklich nicht erwünscht sind.
Dem Konzept einer marktkonformen und profitorientierten Landeshauptstadt steht längst nicht nur die Alte Feuerwache im Weg. Opfer des städtischen Kürzungswahns wurden bereits das Nachtcafe und die Notschlafstelle des Saarbrücker Drogenhilfezentrums in der Brauerstraße oder das Stadtbad Saarbrücken, andere Einrichtungen sollen und werden folgen. Nach dem Willen der Stadt haben scheinbar nur die Einrichtungen ein Existenzrecht, die gewinnorientiert funktionieren können bzw. wollen. Dass diese Politik nicht auf Saarbrücken beschränkt ist, dürfte jedem Menschen klar sein. Den Kern der Spar- und Kürzungspolitik brachte im August diesen Jahres der Vorsitzende der Jungen Union, Phillip Missfelder, auf den Punkt: er schlug vor, älteren Menschen medizinische Leistungen zu verweigern. Diese Aussage verdeutlicht, worum es der offiziellen Politik geht: Menschen werden darauf reduziert, ob und wie sie für die kapitalistische Gesellschaft verwertbar sind. “Hartz — Papiere” und “Agenda 2010” sind lediglich wohlklingendere Begriffe für die Durchsetzung dieser Logik. Mit rasantem Tempo werden Beschlüsse gefasst wie Krankenhausbetten zu streichen, Löhne zu kürzen, Arbeitslose zu schikanieren, Flüchtlinge abzuschieben oder die medizinische Grundversorgung einzuschränken , demnächst vielleicht ganz abzuschaffen.
Es ist unbestritten, dass es aufgrund der technischen Errungenschaften möglich wäre, der gesamten Menschheit ein Leben in relativem Wohlstand zu sichern. Anstatt diese Tatsache in den Mittelpunkt aller Anstrengungen zu stellen, wird sie einer öffentlichen Diskussion entzogen. Die durch totale Ökonomisierung bedingte Verelendung hat in anderen Gegenden der Erde bereits ein viel verheerenderes Ausmaß erreicht. Kapitalistische Logik und Wirtschaftsordnung haben sich weltweit durchgesetzt.
Die Alte Feuerwache ist konkreter Bestandteil unseres Versuches, dem vom Staat und dem Großteil der Gesellschaft (re-)präsentierten Autoritäts- und Verwertungsgedanken eine Alternative entgegenzusetzen. Dass wir damit nicht alleine stehen, seht ihr heute an der Vielschichtigkeit der Demonstrierenden.
Neben der Alten Feuerwache sind noch weitere linke Zentren von Schließung oder Räumung bedroht. Solidarische Grüße von hier aus an die ExSteffi in Karlsruhe, das Autonome Zentrum im Exil in Heidelberg, das Conne Island in Leipzig, Alte Meierei in Kiel, die Alternative “Walli” aus Lübeck, den Wagenplatz “Bambule” in Hamburg und an alle anderen emanzipatorischen und progressiven, selbstverwalteten Projekte. Ihr werdet nachher noch einen Redebeitrag der ExSteffi hören.
Die Stadt hat uns letzte Woche mal wieder gezeigt, worum es ihr eigentlich geht: so wurde die angemeldete Demoroute durch die Bahnhofstraße kurzerhand verboten, um das Weihnachtsgeschäft des Saarbrücker Einzelhandels nicht zu stören. Statten wir dem weihnachtlichen Konsumterror doch nachher einen kleinen Besuch ab.
Die Alte Feuerwache muss das bleiben, was sie in den letzten 22 Jahren war: ein kulturelles, politisches und soziales Zentrum, und vor allem: links, selbstverwaltet und unkommerziell! Dafür werden wir kämpfen, dafür sind wir heute auf der Straße. Um es ein weiteres Mal in aller Deutlichkeit zu sagen: Freiwillig gehen wir nicht raus!
Kapitalistische Verwertungslogik angreifen! Linke Zentren verteidigen!
Feuerwache bleibt!
Antifa Saar / Projekt AK im Dezember 2003