Saarbrücker Zeitung: “Feuerdrache faucht Stadt an”

Saar­brück­er Zeitung vom 26.09.2003

 

Feuer­drache faucht die Stadt an

Vere­in fürchtet, dass sein “links-alter­na­tives Kul­turzen­trum” aus der Alten Feuerwache ver­trieben wird

 

Von MARTIN ROLSHAUSEN

St. Johann.Der “Alte Feuer­drachen bläht seine Nüstern und schnaubt. “Alte Feuerwache bleibt! Alter Feuer­drachen auch!”, schnaubt er. Der Alte Feuer­drache, das ist ein Vere­in, in dem sich unter anderem der Kur­dis­che Kul­turvere­in, die “Deutsche Friedensgesellschaft/Vereinigte Kriegs­di­en­stver­weiger­er, die Deutsch-Lateinamerikanis­che Gesellschaft, die Antifa Saar und das “Kom­man­do Luftschloss” zusam­mengeschlossen haben. Was den Feuer­drachen so erregt: Die Stadt denkt darüber nach, ob die Vere­ine, die in der Alten Feuerwache am Landwehrplatz (der größte Teil des Gebäudes wird vom Staat­sthe­ater genutzt) ihre Büros haben, dafür weit­er­hin nur 4000 Euro Jahres-Miete zahlen.

 

In ein­er Pressemit­teilung for­muliert der Feuer­drachen seine Sorge so: “Im Zuge der anste­hen­den städtis­chen Bere­icherungs­maß­nah­men befasst sich die Stadt Saar­brück­en mit dem Vorhaben, finanziellen Zugewinn durch enorme Mieter­höhun­gen für die Alte Feuerwache zu erwirtschaften. Dieser Ver­w­er­tungslogik würde das Pro­jekt Alte Feuerwache zum Opfer fall­en.” Auf 50000 Euro jährlich wolle die Stadt die Miete hochschrauben, befürcht­en die Feuer­drachen-Leute. Daraus ergebe sich, “dass die poli­tis­chen, sozialen und kul­turellen Grup­pen, die unter dem Dach des Trägervere­ins Alter Feuer­drachen zusam­mengeschlossen sind, let­z­tendlich das Haus ver­lassen sollen”. Und damit verknüpft der Vere­in die Fra­gen: “Was ist in Saar­brück­en sozial und kul­turell erwün­scht? Wofür soll es Geld geben?”

 

Funk­tion­ierende Selbstverwaltung”

 

Den städtis­chen Haushalt um einige tausend Euro zu ent­las­ten, indem mehr Geld von den Vere­inen in der Alten Feuerwache eingetrieben wird, hält der Feuer­drachen auf jeden Fall für den falschen Weg. Der Vere­in sei schließlich “ein funk­tion­ieren­des Mod­ell der Selb­stver­wal­tung recht unter­schiedlich­er kul­tureller und sozialer Grup­pen”. Und in den ver­gan­genen 20 Jahren habe sich die Alte Feuerwache “zu dem links-alter­na­tiv­en Kul­turzen­trum in Saar­brück­en entwick­elt”. Das solle so bleiben.

 

20 Jahre, in denen es schon öfter den Ver­such gegeben habe, die Vere­ine aus dem his­torischen Gebäude her­auszubekom­men. “Der let­zte Vorstoß in diese Rich­tung fand im Jan­u­ar 2000 statt”, erin­nert sich der Vere­in. Damals sei der Ver­such gescheit­ert, weil die Stadt in Folge der “Kor­rup­tion­saf­färe von Hajo Hoff­mann” und dem Bruch der rot-grü­nen Stad­tratskoali­tion plöt­zlich genug mit sich selb­st zu tun gehabt habe.

 

Auch dieses Mal will der Vere­in Ungemach abwen­den. “Die Alte Feuerwache ist Teil unser­er Kul­tur und notwendi­ge Voraus­set­zung unser­er Arbeit”, heißt es in der Feuer­drachen-Pressemit­teilung. Und: “Um es klar zu sagen: Frei­willig gehen wir hier nicht raus!”

 

Für Mark Dien­ing, den Press­esprech­er der Stadt klingt das “ein wenig nach Parolen aus einem Gueril­la-Krieg — und somit für meine Ohren leicht über­zo­gen”. “Als näch­stens wird dann die Rev­o­lu­tion aus­gerufen oder was?”, fragt Dien­ing. Dass der Feuer­drachen von “städtis­chen Bere­icherungs­maß­nah­men” spreche, wirke angesichts des Defiz­its von mehr als 350 Mil­lio­nen Euro in der Stadtkasse “wie eine For­mulierung des absur­den The­aters”. “Bei allem Ver­ständ­nis für die Sor­gen der Vere­ins­mit­glieder: Wir soll­ten etwas ruhiger miteinan­der reden”, schlägt der Stadt­press­esprech­er vor.

 

Dass die Stadt 50000 Euro von den Vere­inen wolle, stimme so nicht. “Richtig ist aber, dass das Gebäude den städtis­chen Haushalt jährlich mit einem Zuschuss­be­darf von mehr als 50000 Euro belastet. Und richtig ist auch, dass die Stadt sparen will und muss”, sagt Dien­ing. Er räumt ein: “Die Diskus­sion, dass die Stadt sich bemühen sollte und wollte, die Grup­pen an anderen Orten unterzubrin­gen, um das Haus leer zu bekom­men, damit wir uns dann von ihm tren­nen kön­nen, gibt es schon seit eini­gen Jahren. Das Staat­sthe­ater hat­te zum Beispiel Inter­esse an dem Gebäude angemeldet.”

 

Kündi­gung für Ende 2004?

 

Dien­ing geht noch weit­er: “Eine weit­ere Möglichkeit, die derzeit disku­tiert wird, möchte ich auch nicht ver­schweigen: Es kön­nte auch sein, dass den Grup­pen, die das Haus derzeit nutzen, schlicht gekündigt wird, soweit ich weiß mit einem Jahr Vor­laufzeit, was hieße früh­estens zum 31. Dezem­ber 2004. Dann müssten sich die Nutzer selb­st andere Quartiere suchen. Darüber ist aber noch keine Entschei­dung gefall­en. Und — um das auch nochmal ganz deut­lich zu sagen: Diese Entschei­dung trifft nicht die Ver­wal­tung, son­dern der Stad­trat.” SPD, CDU und Grüne seien aufge­fordert, “beim The­ma Alte Feuerwache/Alter Feuer­drache endlich Farbe zu bekennen”.

Pressemitteilung des Vereins “Alter Feuerdrache e.V.” vom 23.09.2003 zur Alten Feuerwache Saarbrücken

Im Zuge der anste­hen­den, städtis­chen Bere­icherungs­maß­nah­men befasst sich die Stadt Saar­brück­en mit dem Vorhaben, finanziellen Zugewinn durch enorme Mieter­höhun­gen für die “Alte Feuerwache” zu erwirtschaften. Dieser Ver­w­er­tungslogik würde das Pro­jekt “Alte Feuerwache” zum Opfer fall­en. Der Vere­in Alter Feuer­drache e.V. kündigt Wider­stand an!
Aus der beab­sichtigten Mieter­höhung von derzeit knapp 4000 Euro auf 50.000 Euro im Jahr ergibt sich, dass die poli­tis­chen, sozialen und kul­turellen Grup­pen, die unter dem Dach des Trägervere­ins “Alter Feuer­drache e.V.” zusam­men geschlossen sind, let­z­tendlich das Haus ver­lassen sollen.
Das alles ist nicht neu. Der let­zte Vorstoß in diese Rich­tung fand im Jan­u­ar 2000 statt, blieb aber auf­grund der krisen­geschüt­tel­ten Sit­u­a­tion der Stadt Saar­brück­en (Bruch der rot-grü­nen Koali­tion, Kor­rup­tion­saf­färe von Hajo Hoff­mann usw.) in den eige­nen Wider­sprüchen steck­en. Dreiein­halb Jahre war sozusagen Ruhe und die Grup­pen und Ini­tia­tiv­en des Vere­ins “Alter Feuer­drache” kon­nten ihre Arbeit wie bish­er, unter den vor 20 Jahren aus­ge­han­del­ten Voraus­set­zun­gen, weiterführen.
Zukün­ftig soll das alles anders wer­den. Haupt­grund dafür: Die Stadt will sparen, bzw. Prof­ite erwirtschaften. Die Ten­denz ist, jed­er städtis­che Betrieb und jedes städtis­che Gebäude, die zu Geld gemacht wer­den kön­nen, sollen ver­scher­belt oder durch Mieter­höhun­gen prof­ita­bel wer­den. Die Frage ste­ht im Raum: Was ist in Saar­brück­en sozial und kul­turell erwün­scht? Wofür soll es Geld geben und wofür soll es in Zukun­ft kein Geld mehr geben?
Alle Grup­pen und Ini­tia­tiv­en im Haus sind sich darin einig, die Feuerwache als Kul­turzen­trum zu erhal­ten und zu entwickeln.
Der Vere­in “Alter Feuer­drache” ist ein funk­tion­ieren­des Mod­ell der Selb­stver­wal­tung recht unter­schiedlich­er kul­tureller und sozialer Grup­pen. In ihm arbeit­en Men­schen ver­schieden­er Nation­al­ität und Herkun­ft zusam­men. Darüber hin­aus ist das Pro­jekt eine viel­genutzte Infra­struk­tur für soziale, poli­tis­che und kul­turelle Aktiv­itäten: Konz­erte, Sem­i­nare, Work­shops, Infor­ma­tionsver­anstal­tun­gen, Vor­bere­itungstr­e­f­fen für antifaschis­tis­che und Antikriegsdemonstrationen.
In 20 Jahren hat sich die Alte Feuerwache zu dem links-alter­na­tiv­en Kul­turzen­trum in Saar­brück­en entwick­elt. Sie ist Teil unser­er Kul­tur und notwendi­ge Voraus­set­zung unser­er Arbeit.
Um es klar zu sagen: Frei­willig gehen wir nicht raus!

Dem Vere­in “Alter Feuer­drachen e.V. gehören an: Kur­dis­che Kul­turvere­in, Deutsche Friedensgesellschaft/Vereinigte Kriegs­di­en­stver­weiger­er (DFG-VK), Deutsch-Latainamerikanis­che Gesellschaft (DeLaGe), Antifa Saar, Kom­man­do Luftschloss, u.a

Wer schweigt, stimmt zu… Flugblatt zum 12.Todestages von Samuel Yeboah

Wer schweigt, stimmt zu…

In der Nacht zum 19. Sep­tem­ber 1991 verübten Ras­sis­ten einen Bran­dan­schlag auf das Flüchtling­sheim in Saar­louis-Fraulautern. Dabei starb Samuel Yeboah, ein Flüchtling aus Ghana, weit­ere Men­schen wur­den schw­er verletzt.
Er war das erste Todes­opfer faschis­tis­ch­er Gewalt in West­deutsch­land nach der “Wiedervere­ini­gung”.

Und heute, 12 Jahre danach?
Noch immer sind die Täter nicht gefasst, das Ermit­tlungsver­fahren ist längst eingestellt, die Stadt Saar­louis hat kein Inter­esse an der Aufar­beitung dieses Mordes. Im Gegen­teil: Um ihren Ruf als weltof­fene Stadt zu bewahren, tut sie alles, um die Geschehnisse zu ver­tuschen und diejeni­gen, die daran erin­nern, zu krim­i­nal­isieren. So läuft gegen den Anmelder der Kundge­bung zum 10. Todestag, bei der eine Gedenk­tafel für Samuel Yeboah ans Rathaus ange­bracht wurde, noch immer ein Strafver­fahren wegen “Sachbeschädi­gung”. Die Tafel wurde noch in der gle­ichen Nacht auf Befehl von Ober­bürg­er­meis­ter Fontaine ent­fer­nt. Dieser Akt des Ver­drän­gens ist Teil des ras­sis­tis­chen Kon­sens in ein­er Gesellschaft, in welch­er die etablierte Poli­tik im Ein­klang mit dem Großteil der deutschen Bevölkerung den Schul­ter­schluss mit den faschis­tis­chen Mördern vollzieht.

Kam­er­ad­schaft Horst Wes­sel Saarlautern”
Saar­louis ist als Hochburg organ­isiert­er Neon­azis bekan­nt und berüchtigt, auch wenn die Stadt ver­sucht, dieses Prob­lem zu leug­nen und das Vorhan­den­sein ein­er neon­azis­tis­chen Szene totzuschweigen. In Saar­louis existiert jedoch eine straff organ­isierte Struk­tur mil­i­tan­ter Neon­azis, die sog. “Kam­er­ad­schaft Saar­lautern”. Diese stellt schon alleine durch ihren Namen einen direk­ten Zusam­men­hang zum Nation­al­sozial­is­mus her, da ‚Saar­lautern’ der Name der Stadt Saar­louis in Nazideutsch­land war, hinzu kommt die pos­i­tive Bezug­nahme auf den SA-Mann Horst Wessel.
Neben der aggres­siv­en Präsenz im Saar­louis­er Stadt­bild sind die Mit­glieder der Kam­er­ad­schaft durch ihre Teil­nahme an Nazi­aufmärschen auf Bun­de­sebene aktiv und ein­flussre­ich. Spätestens seit dem 05.07.2003, als etwa 100 Faschis­ten, von der Polizei geschützt, durch Saar­louis-Roden marschierten, kann nie­mand mehr die Exis­tenz ein­er aktiv­en Neon­aziszene in Saar­louis leugnen.

Ras­sis­mus kommt aus der Mitte der Gesellschaft!
Von stillschweigen­der Hin­nahme — wie bei den ver­gan­genen Nazi­aufmärschen in Saar­louis — bis hin zu Beifall und aktiv­er Teil­nahme — wie bei den Pogromen von Ros­tock-Licht­en­hagen, Mannheim-Schö­nau etc. — reichen die Reak­tio­nen der deutschen Bevölkerung. Über diese ras­sis­tis­che Grund­stim­mung kann auch das sog. Saar­louis­er “Bünd­nis gegen Rechts”, das sich vor allem durch Untätigkeit und Ver­harm­lo­sung der Zustände ausze­ich­net, nicht hin­wegtäuschen. Ras­sis­tis­che Kon­trollen, z.B. an Bahn­höfen, und gewalt­same Abschiebun­gen von Men­schen, die für das kap­i­tal­is­tis­che Sys­tem ökonomisch nicht ver­w­ert­bar sind, gehören in Deutsch­land zum All­t­ag und stoßen auf bre­ite Zustimmung.
Solche Morde sind All­t­ag in der BRD, seit der soge­nan­nten “Wiedervere­ini­gung” gab es über 100 Todes­opfer durch neo­faschis­tis­che Gewalt. Auch das Saar­land stellt hier­bei keine Aus­nahme dar: erst let­ztes Jahr, in der Nacht vom 11. auf den 12.August 2002, wurde der 19jährige Ahmed Sar­lak auf dem Sulzbach­er Salzbrun­nen­fest von dem Neon­azi Car­los Neu erstochen. Auch bei dieser Tat wurde der Hin­ter­grund zu ver­tuschen ver­sucht, das ras­sis­tis­che und frem­den­feindliche Motiv sog­ar vom Gericht geleugnet und der Mord als Dorffestschlägerei unter Jugendlichen abgetan.

Wider­stand ist notwendig!
Die ständi­gen Naz­iüber­griffe machen die drin­gende Notwendigkeit von entschlossen­em Wider­stand gegen Neon­azis und Ras­sis­ten deut­lich. Gegen­wehr gegen Angriffe von Neon­azis war und ist möglich! Hal­tet zusam­men und schaut nicht weg, wenn Faschis­ten ihre men­schen­ver­ach­t­ende Ide­olo­gie in die Öffentlichkeit tra­gen! Greift ein und schlagt zurück, wenn Men­schen von Neon­azis ange­grif­f­en oder beschimpft wer­den! Nehmt Kon­takt zu anderen AntifaschistIn­nen auf und organ­isiert euch! Gemein­sam kön­nen wir es schaf­fen, die Faschis­ten aus dem öffentlichen Raum zu drängen!

Kein Vergeben! Kein Vergessen!
Antifaschis­tis­chen Wider­stand organisieren!

Pressemitteilung zur vermehrten Telefonüberwachung

Die Antifa Saar weist darauf hin, dass im Rah­men der soge­nan­nten “Ter­ror­is­mus­bekämp­fung” und der Tele­fonüberwachung im Rah­men der Straf­prozes­sor­d­nung, zunehmend auch poli­tisch unbe­queme Per­so­n­en und Grup­pen abge­hört wer­den. Diese Abhörak­tio­nen fall­en oft aus den der Öffentlichkeit präsen­tierten Sta­tis­tiken her­aus. Auch die jüng­ste, auf das Saar­land bezo­gene Abhörsta­tis­tik muss nach oben kor­rigiert wer­den. Diese bezieht sich lediglich auf richter­lich genehmigte Überwachun­gen, bein­hal­tet somit auss­chließlich die Tele­fonüberwachun­gen von Polizei und Staat­san­waltschaft und nicht die Zahl der vom saar­ländis­chen Ver­fas­sungss­chutz bzw. BKA abge­hörten Telefone.
Tat­säch­lich muss davon aus­ge­gan­gen wer­den, dass die Zahl der Tele­fonüberwachun­gen im Saar­land weit höher liegt. Vor allem Per­so­n­en und Grup­pen, welche der saar­ländis­chen Lan­desregierung poli­tisch unbe­quem sind, müssen mit ein­er ver­stärk­ten Überwachung und Kon­trolle rech­nen. Auch die Antifa Saar, welche wegen ihrer Kri­tik an der Asyl- und Flüchtlingspoli­tik der saar­ländis­chen Lan­desregierung bekan­nt ist, muss mit Tele­fonüberwachung rech­nen. Wie das saar­ländis­che Innen­min­is­teri­um in einem Artikel der Saar­brück­er Zeitung vom 03.04.03 ver­laut­baren ließ, wird die Antifa Saar mit geheim­di­en­stlichen Mit­teln, zu welchen auch die Tele­fonüberwachung gehört, beobachtet und ein­er ständi­gen Kon­trolle unter­zo­gen. Zudem wurde in der Ver­gan­gen­heit bere­its immer wieder von Seit­en des Ver­fas­sungss­chutzes ver­sucht, junge Men­schen für Spitzeltätigkeit­en zu gewin­nen, damit diese für Geld Infor­ma­tio­nen über die Antifa Saar an den Nachrich­t­en­di­enst weit­er­leit­eten. In diesen Gesprächen wurde mehrfach deut­lich, dass der Ver­fas­sungss­chutz sich dabei auf Infor­ma­tio­nen stützte, welche auf Tele­fonüberwachung basierten.
Wir kri­tisieren, dass im Rah­men der soge­nan­nten “Anti-Ter­rorge­set­ze” eine Entwick­lung ein­set­zt, die alle Bürg­erIn­nen unter Gen­er­alver­dacht stellt. Zudem wird dem Staat dadurch juris­tisch der Weg geeb­net sämtliche kri­tis­chen und poli­tisch unlieb­samen Grup­pen und Organ­i­sa­tio­nen mit Hil­fe von Para­graphen, welche eigentlich dem Ressort der Krim­i­nal­itäts­bekämp­fung ange­hören, zu überwachen und nicht zulet­zt zu kriminalisieren.

ANTIFA SAAR

Kein Frieden mit Deutschland — Flugblatt zur Friedensbewegung Sommer 2003

Kein Frieden mit Deutschland

Glaubt men­sch den Bericht­en der Massen­me­di­en, scheint die Mehrheit der Deutschen, sowie die Regierung gegen den Krieg im Irak zu sein. Hier drängt sich die Frage auf, ob diese derzeit­ige Hal­tung denn ein plöt­zlich­er Schwank zum Paz­i­fis­mus sein soll? Wohl kaum; vielmehr zeigt dies den deutschen Son­der­weg als alte, neue Groß­macht auf, denn vom Paz­i­fis­mus war 1999 bei dem Angriff­skrieg gegen Jugoslaw­ien nicht viel zu spüren. Die Ablehnung des Krieges ist Aus­druck eines neuen, nationalen Selb­st­be­wusst­sein der von Teilen der Friedens­be­we­gung mit­ge­tra­gen wird. Hier­bei ist der gesellschaftliche Diskurs über Krieg und Frieden ist in Deutsch­land geprägt von politischen/ökonomischen Kalkül und Heuchelei. Was die einen erst in der EU, dann in der ganzen Welt durchzuset­zen ver­suchen, wussten und wis­sen die anderen schon längst an ihren Stammtis­chen — “klassenüber­greifend”. Die Deutschen sind wieder wer.
Deutsch­land hat sich in und über die EU als Groß­macht etabliert. Aus­druck hier­für ist unter anderem die mil­itärische Rolle Deutsch­lands in der EU. Zu Beginn der europäis­chen Zusam­me­nar­beit wurde Deutsch­land einge­bun­den, um somit den Wieder­auf­bau nach Nazideutsch­land zu kon­trol­lieren. Die Zeit­en haben sich geän­dert. Nun führt Deutsch­land mit dem “alten Europa” das Vere­inte an.
Während Deutsch­lands Groß­macht­sam­bi­tio­nen gle­ichzeit­ig mit den realen Ein­flussmöglichkeit­en weltweit wächst, lässt die Friedens­be­we­gung von sich hören. Diese stellt sich nach außen hin als eine Ansamm­lung von unter­schiedlichen Men­schen aus ver­schiede­nen poli­tis­chen Rich­tun­gen dar. Welche Fak­toren tra­gen dazu bei, dass die Friedens­be­we­gung zumin­d­est tem­porär als ein­heitliche Gruppe erscheint? Zen­tral sind hier­bei ver­schiedene Feind­bilder, die zum einen his­torisch rekon­stru­iert aber auch durch aktuelle eurozen­tris­tisch — anti­amerikanis­che Mobil­machung geschaf­fen und repro­duziert wer­den. So kann auch die erst­ma­lige öffentliche “Aufar­beitung” der “Bomben auf Dres­den” erk­lärt werden.

Haupt­feind sind die USA, dargestellt durch abstrak­te Sym­bole, wie z.B. die amerikanis­che Flagge verse­hen mit Bomben oder Hak­enkreuzen. Es wird sich per­son­al­isiert­er Feind­bilder bedi­ent (Bush als Mar­i­onet­ten­spiel­er), statt ökonomis­che Sys­teme zu analysieren. Nicht die materielle Basis ein­er Gesellschaft ist dann Ursache von Ungerechtigkeit­en, son­dern repräsen­tierende Per­so­n­en oder Per­so­n­en­grup­pen. Die Gle­ich­set­zung “Nazideutsch­land-USA” oder “Hitler-Bush” ist Aus­druck eines unre­flek­tierten, den Nation­al­sozial­is­mus rel­a­tivieren­den, latent anti­semi­tis­chen, deutschen Revan­chis­mus. Die Argu­men­ta­tion gegen einen Krieg ist oft­mals völkisch ori­en­tiert. Genau in diesen Kon­text passen auch die Mon­tags­demos, mit Hil­fe der­er ein Zusam­men­hang hergestellt wird zwis­chen den deutschna­tionalen Demos vor der Wiedervere­ini­gung und dem Krieg gegen den Irak. Die gemein­same Aus­sage: Wir sind das Volk! Die Mehrheit der Deutschen zu repräsen­tieren wird als pos­i­tives Fak­tum propagiert. Aus­druck ein­er Kri­tik­losigkeit gegenüber “Volksgenossen” ist die Tat­sache, dass sich Teile der Friedens­be­we­gung sol­i­darisch mit der deutschen Regierung zeigen. Logis­che Kon­se­quenz ist, nicht für Frieden son­dern lediglich gegen einen US-amerikanis­chen Krieg zu sein.

Ein Haupt­merk­mal der Friedens­be­we­gung ist auch, dass deutsche Inter­essen im weltweit­en Machtkampf nicht the­ma­tisiert bzw. ver­leugnet wer­den. So wird kaum oder nur unzure­ichend the­ma­tisiert, warum sich Deutsch­land an diesem Krieg nicht beteili­gen will. Fed­er­führend sind hier­bei näm­lich wirtschaftliche und welt­macht­poli­tis­che Gründe. Wirtschaftlich, weil Deutsch­land Han­dels­beziehun­gen zum Irak pflegt, im beson­deren wäre hier­bei die Rüs­tungsin­dus­trie zu nen­nen, macht­poli­tisch, weil aktuell eine neue Wel­tord­nung gebombt wird, die nicht zum Vorteil verhilft.

Ins­ge­samt wer­den poli­tis­chen Analy­sen moralis­che Appelle vorge­zo­gen. Nicht nur von ChristIn­nen, deren Organ­i­sa­tion: die Kirche, welche in der Ver­gan­gen­heit für jeden Krieg zu haben war. Paz­i­fistis­che Hal­tun­gen verkom­men dann zur Farce, wenn lediglich medi­al auf­bere­it­ete “Gewal­tak­te” kom­men­tiert wer­den, struk­turelle und alltägliche Gewalt jedoch uner­wäh­nt bleiben.

Wir sind eben­falls gegen diesen Krieg. Dieser Krieg ist wed­er poli­tisch gerecht­fer­tigt in Bezug auf eine mögliche Verbesserung der Leben­squal­ität für die Men­schen vor Ort, nach einem kriegerisch her­bei geführten Machtwech­sel, noch wird er geführt um eine direk­te Bedro­hung Israels abzuwen­den. Die USA sind bestrebt, eine für sie sin­nvolle Ord­nung im Nahen Osten einzuricht­en. Sin­nvoll in diesem Sinne meint einen ökonomis­chen Nutzen aus ein­er spez­i­fis­chen Machtkon­stel­la­tion ziehen zu kön­nen. Die USA ver­flo­gen eine mil­itärische Außen­poli­tik, die neben ökonomis­chen Inter­essen auch hege­mo­ni­ale Ansprüche im ara­bis­chen Raum durchzuset­zen ver­sucht. Wed­er der Irak, noch die BRD vertreten etwas Gegen­teiliges, was auch nur im ent­fer­n­testen als human­is­tis­che beze­ich­net wer­den kann. Im Irak beste­ht neben tief ver­wurzel­ten antiamerikanischen/antiisraelischen Ein­stel­lun­gen ein Sys­tem patri­ar­chaler und dik­ta­torisch­er Struk­turen. Aus diesen Grün­den ist prinzip­iell ein Sys­temwech­sel wünschenswert.

Wer diesen Krieg befür­wortet, gle­ichgültig mit welchen Grün­den und Begrün­dun­gen, reagiert lediglich auf aus­gear­beit­ete Kriegspläne. Der Kap­i­tal­is­mus herrscht weltweit, wed­er die USA, noch der Irak oder Deutsch­land ste­hen für emanzi­pa­torischen Fortschritt. Sowohl die Poli­tik der USA, als auch die Gesellschaftsstruk­tur des Irak sind bes­timmt von der Logik der Herrschaft. Herrschaft als Mod­ell ein­er Gesellschaftsstruk­tur lehnen wir ab, sei es unter dem ide­ol­o­gis­chen Deck­man­tel des Neolib­er­al­is­mus oder dem Dik­tum eines religiösen Fun­da­men­tal­is­mus. Frei­heit ist in Folge dessen nicht die Wahl für die USA oder für den Irak, Frei­heit bedeutet in diesem Fall vielmehr aus dieser Wahl her­auszutreten und die beste­hen­den Herrschaftsstruk­turen zu bekämpfen.

Gegen deutschna­tionale Inter­essen und Kapitalismus:
WEDER IHREN KRIEGNOCH IHREN FRIEDEN!

Humanitäre Flüchtlingspolitik — Flugblatt von autonomia sinistra im Sommer 2003

Human­itäre Flüchtlingspolitik

In Deutsch­land scheinen die Mehrheit der Bevölkerung und die Regierung gegen den Krieg zu sein. Was sind die Gründe dafür, sind es paz­i­fistis­che oder gar human­itäre? Primär ökonomis­che und hege­mo­ni­al-macht­poli­tis­che Kriege wer­den geführt, wenn davon prof­i­tiert wer­den kann; ist dies nicht der Fall, bleibt es beim impe­ri­al­is­tis­chen Frieden. Bestes Beispiel hier­für ist die momen­tane Posi­tion­ierung Deutsch­lands in der Weltkriegspoli­tik: unter anderem rege Han­dels­beziehun­gen zum Irak, vor allem in der Rüs­tungsin­dus­trie ver­bi­eten eine aktive Beteili­gung am Krieg. Das Gift­gas, an dem 1985 in Hal­ab­ja tausende von Kur­dInnen star­ben, war solch ein Export aus Deutsch­land. Macht­poli­tis­ches Kalkül läßt offiziell nicht nur für, son­dern auch gegen einen Krieg wet­tern, wenn z.B. die zukün­ftige neue Wel­tord­nung nicht ger­ade einen Vorteil darstellt.

Im Angesicht der Flüchtlinge…
Wären es human­itäre Gründe, den Krieg abzulehnen, müssten diese human­itären Gründe auch zu ein­er uneingeschränk­ten Anerken­nung aller irakischen Flüchtlinge führen. Genau dies ist aber nicht der Fall. Der vom Innen­min­is­ter Otto Schi­ly ver­hängte Abschiebestopp hört sich zwar erst ein­mal gut an, bedeutet aber für die Betrof­fe­nen, bis auf weit­eres in Ungewißheit zu leben, denn gle­ichzeit­ig sind sie dem Asylver­fahren aus­ge­set­zt. Wenn der Krieg im Irak vor­bei ist, ent­fällt dann “logis­cher­weise” auch der Grund zur Gewährung von Asyl? Der Bun­desregierung geht es offen­sichtlich darum, Flüchtlinge aus dem Irak jet­zt möglichst keinen Sta­tus mehr zu gewähren, der ein Hin­der­nis darstellen kön­nte, wenn es mit einem Regierungswech­sel oder einem Embar­go-Ende wieder möglich sein sollte, in das Herkun­ft­s­land abzuschieben. Dies bet­rifft auch Flüchtlinge aus dem Irak, die schon eine Anerken­nung haben — ihnen soll der Asyl­sta­tus nachträglich aberkan­nt wer­den und diejeni­gen, die bere­its abgelehnt wur­den, warten auf den nächst möglichen Ter­min ihrer Abschiebung.
Das nach dem 2. Golfkrieg schon völ­lig zer­störte Land, welch­es unter dem jahre­lan­gen UN-Han­delsem­bar­go litt und durch ständi­ge Bom­barde­ments zusät­zlich geschädigt wurde, wird kein­er­lei Infra­struk­tur mehr besitzen, wodurch medi­zinis­che Ver­sorgung, Ver­sorgung mit Lebens­mit­teln, Bil­dung usw. unmöglich wird. Trotz zunehmender Ver­schlechterung der Lebenssi­t­u­a­tion im Irak in den let­zten Jahren hat die Anerken­nungsquote irakisch­er Flüchtlinge im Jan­u­ar diesen Jahres einen Tief­punkt erre­icht. Obwohl die Andro­hung eines Krieges gegen den Irak seit­ens der USA und Großbrit­tanien immer vehe­menter wurde, wäre es weit gefehlt, wenn men­sch zu dem Schluss käme, Deutsch­land würde sich dazu verpflichtet fühlen, alle von dort stam­menden Flüchtlinge anzuerken­nen. Ganz im Gegen­teil. Lag die Anerken­nungsrate in den Jahren 2000/2001 noch bei 65%, erhiel­ten Anfang diesen Jahres nur noch 12% im ersten Asylver­fahren einen Aufen­thalt­sta­tus. Dabei haben sich nicht die Gründe für eine Flucht aus dem Irak verän­dert, son­dern deren Inter­pre­ta­tion durch deutsche Behör­den und Gerichte. Grund­lage für den Umschwung ist unter anderem die Ein­schätzung, dass das kur­dis­chen “Autonomie” — Gebi­et auch für nicht — kur­dis­che Irak­erIn­nen eine Fluchtal­ter­na­tive darstellt. Ein­er­seits ist dieses kur­dis­che “Autonomie”- Gebi­et eigen­ständig und unter kur­dis­ch­er Region­alver­wal­tung, jedoch weit­er­hin ein Bestandteil des Iraks und wird ander­er­seits inter­na­tion­al nicht anerkan­nt. Es existieren wed­er völk­er­rechtliche, noch materielle Schutzmech­a­nis­men, die eine Sicher­heit vor möglichen Über­grif­f­en der irakischen Armee bieten. Des Weit­eren kam es in der Ver­gan­gen­heit immer wieder zu gewalt­samen Auseinan­der­set­zun­gen zwis­chen PUK (Patri­o­tis­che Union Kur­dis­tans) und der KDP (Kur­dis­che Demokratis­che Partei). Grund­sät­zlich ist die Sit­u­a­tion im Nordi­rak nicht geeignet, um von sicher­er Fluchtal­ter­na­tive zu sprechen.

…wird aus Human­ität Realität!
Kriege aus human­itären Grün­den zu führen, oder auch nicht zu führen klingt immer gut. Die Real­ität zeigt dann aber recht schnell, wie human­itär die Absicht­en tat­säch­lich sind. Mit den Flüchtlin­gen will kein­er etwas zu tun haben, Flüchtlingslager sollen am besten in den Krisen­ge­bi­eten selb­st oder zumin­d­est in unmit­tel­bar­er Nähe aufge­baut werden.
So auch dies­mal: um den Irak herum wer­den im Nie­mand­s­land Flüchtlingslager aufge­baut, türkische und iranis­che Behör­den haben schon vor Beginn des Krieges darauf hingewiesen, dass sie keine Camps auf ihrem jew­eili­gen Staats­ge­bi­et dulden. Aber auch die Län­der der EU haben grund­sät­zlich Inter­esse daran, dass Flüchtlinge in den jew­eili­gen Gren­zge­bi­eten bleiben. Auf hun­dert­tausende Kriegs­flüchtlinge, die in den let­zten Jahren in der EU Zuflucht gesucht haben, reagierte die EU unter anderem mit Ver­schär­fun­gen der Gren­zkon­trollen, Ver­schlechterun­gen der Lebens­be­din­gun­gen in den Auf­nahmes­taat­en und mit ein­er kon­se­quenten Abschiebe­poli­tik. Grund­sät­zlich haben Kriegs­flüchtlinge in der EU keinen Anspruch auf Asyl, kön­nen nur geduldet wer­den, falls eine Abschiebung ihr Leben gefährdet. Lebens­ge­fahr ist aber ein dehn­bar­er Begriff, so fällt nicht-staatliche und geschlechtsspez­i­fis­che Ver­fol­gung z.B. nicht darunter. So wer­den und sollen immer mehr Roma nach Jugoslaw­ien abgeschoben, die während des Koso­vo Krieges in Deutsch­land geduldet wur­den. Sie erwartet in ihrem Heimat­land Armut, Diskri­m­inierung, Lager­leben und unmen­schliche Leben­sum­stände. Für die Regierung der BRD stellt dies aber wohl keine Lebens­ge­fahr im tat­säch­lichen Sinne dar.
Deutsch­land hat sich für eine Ver­sorgung der Flüchtlinge in heimat­nähe aus­ge­sprochen. Nach Bay­erns Innen­min­is­ter Beck­stein habe sich dies schon beim Koso­vo-Krieg als die beste Lösung her­aus­gestellt. “Eine heimat­na­he Ver­sorgung von Irak-Flüchtlin­gen ist zweck­mäßiger und preiswert­er, als sie 3000 Kilo­me­ter nach Deutsch­land zu trans­portieren und später wieder zurück­zuführen” (31.3.2003; DIE WELT).

Bleiberecht für alle Flüchtlinge und MigrantInnen!

Die Mauer um Europa muss weg! Gren­zen müssen gebrochen werden!


Autono­mia sin­is­tra ist eine saar­landweite Ver­net­zung von linken Grup­pen, die in ihrem poli­tis­chen Han­deln Wert auf Unab­hängigkeit und Selb­st­bes­tim­mung leg­en. Neben der aktuellen Kam­pagne “Tatortbesich­ti­gung” sind wir in vie­len anderen Bere­ichen poli­tisch aktiv, wie zum Beispiel der Flüch­lingspoli­tik, Antifaschis­mus und link­er Kul­tur­ar­beit (Kneipe, Konz­erte etc.). Wir ver­suchen uns im Rah­men unser­er Organ­isierung gemein­sam der derzeit­i­gen gesellschaftlichen Entwick­lun­gen der Vere­inzelung, Entsol­i­darisierung und des Leis­tungs­drucks ent­ge­gen­zustellen. Gegen die totale Indi­vid­u­al­isierung, aber auch gegen die ähn­lich ablehnenswerte Alter­na­tive der Zwangskollek­tivierung wollen wir uns durch selb­st­bes­timmtes Han­deln und Selb­stor­gan­isierung Freiräume erkämpfen. Wer Inter­esse an autono­mia sin­is­tra hat, kann gerne mit uns in Kon­takt treten.


Saarbrücker Zeitung: “Wir reden nicht mit Linksextremisten”

Saar­brück­er Zeitung vom 4. April 2003

 

Wir reden nicht mit Linksextremisten

Innen­min­is­teri­um ver­weigert Dia­log mit Flüchtlingsrat — Car­i­tas aus Organ­i­sa­tion ausgetreten

 

Von ESTHER BRAUN

Saar­brück­en. Im Saar-Innen­min­is­teri­um gibt es einen Kon­tak­tauss­chuss für Flüchtlings­fra­gen (Kafis), in dem bis vor kurzem auch der Arbeit­skreis Asyl Mit­glied war. Der existiert so jet­zt nicht mehr. Stattdessen hat sich der saar­ländis­che Flüchtlingsrat formiert, in dem jet­zt auch Organ­i­sa­tio­nen vertreten sind, “mit denen wir in der Kafis nicht an einem Tisch sitzen wollen”, so Jörg Kohl vom Innen­min­is­teri­um. Vor allem mit der “Antifa Saar”, die jet­zt einen Vertreter im fün­fköp­fi­gen ehre­namtlichen Sprecherteam des Flüchtlingsrates stellt, hat die Lan­desregierung ein Prob­lem. Sie habe einen link­sex­trem­istis­chen Hin­ter­grund und werde vom Ver­fas­sungss­chutz beobachtet, lautet die Begrün­dung für die Gesprächsver­weigerung. Offen­sichtlich sehen dies die saar­ländis­chen Car­i­tas-Ver­bände genau­so, denn sie sind bere­its im Sep­tem­ber 2002 aus dem Flüchtlingsrat aus­ge­treten. Zur Begrün­dung hieß es in Tri­er: “Da das Sprecher­gremi­um im Flüchtlingsrat ein vornehm­lich ehre­namtlich beset­ztes Gremi­um ist, kön­nten dort Posi­tio­nen zu Flüchtlings- und Asyl­fra­gen entwick­elt wer­den, die nicht der ver­ban­dlichen Mei­n­ung der Car­i­tas als Wohlfahrtsver­band der Katholis­chen Kirche entsprechen.” Dazu muss man wis­sen, dass die bei­den großen kirch­lichen Ver­bände, Car­i­tas und Diakonis­ches Werk, in der Vorgängeror­gan­i­sa­tion “Arbeit­skreis Asyl” die bei­den haup­tamtlichen Sprech­er stell­ten — insofern geht es um eine Ent­mach­tung dieser Ver­bände. Im Kafis hal­ten derzeit zwei Sprech­er des Flüchtlingsrates, Bern­hard Dahm und Peter Nobert, die Stel­lung — allerd­ings nicht als offizielle Vertreter des Rates, son­dern als “Pri­vat­per­so­n­en”. Die bei­den anderen Vertreter, Alexan­der Müller von der Aktion Dritte Welt Saar und Kork­maz Mah­sum von der Antifa, sind im Innen­min­is­teri­um nicht erwün­scht. Die Aktion Dritte Welt Saar lehne man zwar nicht prinzip­iell ab, habe aber “Prob­leme mit eini­gen ihrer Mit­glieder”, heißt es.

Wir wollen uns nicht vorschreiben lassen, wer bei uns Mit­glied ist”, sagt dazu Peter Nobert. “Die Antifa ist nur eine Gruppe unter vie­len anderen.” Die SPD im Saar-Land­tag warf der Lan­desregierung “schlecht­en Stil” im Umgang mit poli­tisch Ander­s­denk­enden vor.

 

Pressemitteilung zum NPD-Verbotsverfahren

Staatlich­er Antifaschis­mus erlebt Desaster, und stolpert über die eige­nen Wider­sprüche. So oder so ähn­lich muss wohl das Faz­it laut­en, das am Ende ein­er vor Jahren im soge­nan­nten “Som­mer des Antifaschis­mus” ini­ti­ierten Kam­pagne gegen Recht­sex­trem­is­mus ste­ht. Die einzige logis­che Kon­se­quenz die aus der Ein­stel­lungs­be­grün­dung des Bun­desver­fas­sungs­gericht­es übrig bleibt, ist die sofor­tige Abschaf­fung der deutschen Geheimdienste.

Bere­its seit Jahren war­nen unab­hängige antifaschis­tis­che Organ­i­sa­tio­nen und Ken­ner­In­nen der organ­isierten Neon­aziszene, dass diese in einem Maße von staatlichen Behör­den bee­in­flusst und gelenkt wird, dass ein Weit­erbeste­hen weit­er Teile neon­azis­tis­ch­er Struk­turen nur auf­grund staatlich­er Unter­stützung möglich ist.

Zu dieser Erken­nt­nis und den damit ein­herge­hen­den Wider­sprüchen kommt das Bun­desver­fas­sungs­gericht nach fast immer­hin 3‑jähriger Ver­fahrens­dauer und stellt logis­cher­weise das Ver­fahren ein.

Doch was sind die Kon­se­quen­zen? Nun hat auch das höch­ste deutsche Gericht bestätigt, was ohne­hin jed­er der es Wis­sen wollte schon weiß: dass die Machen­schaften der deutschen Neon­aziszene durch Polizei und Geheim­di­en­stak­tiv­itäten grundle­gend mitbes­timmt und mitini­ti­iert wur­den. Neben der NPD sind in der Ver­gan­gen­heit auch immer wieder Fälle staatlich­er Bee­in­flus­sun­gen inner­halb neon­azis­tis­ch­er Kam­er­ad­schaften bekan­nt gewor­den. Diese Neon­azikam­er­ad­schaften, wie sie z.B. in Karl­sruhe (Freie Kam­er­ad­schaft Karl­ruhe), in Berlin (Kam­er­ad­schaft Ger­ma­nia), im Ruhrpott (Nationaler Wider­stand Sauer­land) und auch im Saar­land (Kam­er­ad­schaft Saar­lautern in Saar­louis) beste­hen, gel­ten derzeit­ig als wohl bedeuten­ste Neon­azistruk­tur in Deutsch­land. Punk­tuelle Ver­botsver­fü­gun­gen gegen diese Organ­i­sa­tion­sstruk­turen wie im ver­gan­genen Jahr gegen die “Skin­heads Säch­sis­che Schweiz” kön­nen jedoch nicht darüber hin­wegtäuschen, dass große Teile dieses Net­zw­erkes auch weit­er­hin mit staatlich­er Unter­stützung ihren gesellschaftlichen Ein­fluss aus­bauen. Auch die faschis­tis­chen Kam­er­ad­schaften im Saar­land, wie sie in Saar­louis, Köller­tal und Sulzbach­tal beste­hen, wer­den weit­ge­hend aus einem öffentlichem Diskurs herausgehalten.

Die Antifa Saar fordert die Auflö­sung der deutschen Geheim­di­en­ste, welche nach­weis­lich in der Aufrechter­hal­tung rechter Struk­turen in Deutsch­land involviert sind oder waren. Des Weit­ern fordern wir:

- die öffentliche Bekan­nt­gabe über Anzahl und Aus­maß aller einge­set­zten Polizei- und Geheim­di­en­stak­tiv­itäten inner­halb der saar­ländis­che Neonaziszene,

- sowie die Bekan­nt­gabe über deren Bedeu­tung für die Aufrechter­hal­tung neon­azis­tis­ch­er Struk­turen wie die der Saar­louis­er “Kam­er­ad­schaft Saarlautern”

 

vertrauensmaenner

Pressemitteilung zum Prozess gegen den Mörder von Ahmed S. vom 14.Januar 2003

Kri­tik an Gerichtsver­hand­lung und Polizeieinsatz

Deut­liche Kri­tik haben die Prozess­beobach­terIn­nen der Antifa Saar, die den Prozess gegen den Neon­azi Car­los Neu am Saar­ländis­chen Landgericht gestern und heute ver­fol­gten. Höhep­unkt des Prozess­es und der Gerichtsver­hand­lung, im Rah­men der­er kon­stant ver­sucht wurde eine “frem­den­feindliche” Moti­va­tion für den Mord an Ahmed S. auszublenden, stell­ten das heutige Gericht­surteil und ins­beson­dere dessen Begrün­dung dar. Beze­ich­nend und skan­dalös ist zudem die Tat­sache, dass nach Urteilsverkün­dung im Gericht­saal und später auf dem Gelände mit mas­sivem Polizeiaufge­bot gegen BesucherIn­nen und trauernde Ange­hörige vor­ga­gan­gen wurde.

Schon im Vor­feld des Prozess­es wurde deut­lich, dass dieser Prozess von seit­en der Staat­san­waltschaft ent­poli­tisiert wer­den sollte. Die mas­sive Kri­tik, die an den saar­ländis­chen Sicher­heits­be­hör­den nach dem Mord an Ahmed S. in der Öffentlichkeit laut wurde, sollte unter­graben und der ras­sis­tisch motivierte Mord in eine unpoltische Tat ver­wan­delt werden.

Bere­its in der Ver­gan­gen­heit gelangten immer wieder Mel­dun­gen darüber in die Öffentlichkeit, wie offizielle Stellen ver­suchen Gewalt­tat­en mil­i­tan­ter Nenazis im Saar­land zu ver­schleiern und zu ver­tuschen. Ver­schleiert und ver­harm­lost wurde auch die Rolle von Car­los Neu als Mit­glied ein­er Neon­azi­gruppe, welche schon in den Jahren zuvor durch regel­rechte Het­z­jag­den auf Nicht­deutsche während des Sulzbach­er Salzbrun­nen­fest auffiel. Nicht the­ma­tisiert wurde die Rolle der soge­nan­nten “Freien Kam­er­ad­schaften”, also Grup­pen von mil­i­tan­ten Recht­en, welche sich im Saar­land in ver­schiede­nen Regio­nen zusam­men­schließen, um bes­timmte Gegen­den, wie beispiel­sweise Mark­plätze etc. zu nation­al befre­it­en Zonen zu erk­lären und dies auch mil­i­tant zur Umset­zung führen. Stattdessen wurde ein ras­sis­tisch motiviert­er Mord geschickt in eine “Kirmess­chlägerei” mit Todes­folge umge­wan­delt und somit der Höh­punkt ein­er staatlichen Poli­tik der Bagatel­lisierung rechter Gewalt im Saar­land erre­icht. Wohlwis­send, dass die Ange­höri­gen und ZuschauerIn­nen des Prozess­es diesen Skan­dal nicht ohne Protest hin­nehmen wür­den, wurde die vier­stündi­ge Ver­hand­lungspause bis zur Urteilsverkün­dung genutzt, um mas­siv Polizeikräfte in das Gerichts­g­bäude zu entsenden, die jed­weili­gen Protest ver­hin­dern soll­ten. Neben der Präsenz von rund zehn Jus­tizvol­lzugs­beamten und 12 Bere­itschaft­spolizis­ten im Gericht­saal, waren verdeckt weit­ere 50 Polizis­ten ‑darunter Bere­itschaft­spolizei, behelmtes Son­dere­in­satzkom­man­do, Zivil­fah­n­der, Staatss­chutzbeamte sowie Polizei­hun­destaffel und ein Polzeivideodoku­men­ta­tion­strupp- vor Ort. Nach Ende der Gerichtsver­hand­lung protestierten einige Anwe­sende laut­stark gegen dieses Urteil, worauf hin oben genan­nte Ein­satzkräfte gegen die Men­schen, darunter auch Fre­unde sowie die trauern­den Fam­i­lien­anghöri­gen kör­per­lich vorgin­gen und ver­sucht­en diese ruhig zu stellen. Weit­ere BesucherIn­nen und Prozess­beobach­terIn­nen wur­den unter Ein­wirkung kör­per­lich­er Gewalt aus dem dem Gebäude gedrängt.

Die Antifa Saar protestiert auf‘s Heftig­ste gegen den durchge­führten Polizeiein­satz und appe­liert an Medi­en­vertreterIn­nen und den Rest ein­er kri­tis­chen Öffentlichkeit, nicht schweigend hinzunehmen, dass Tat­en rechter Grup­pierun­gen oder Per­so­n­en bagatel­lisiert oder ent­poli­tisiert werden.

ANTIFA SAAR

Pressemitteilung zur Fachtagung “Illegal(e) leben im Saarland” in der Katholischen Fachhochschule im November 2002

Disku­tieren! Informieren! — Aber nicht die Polizei! 

Mor­gen find­et ab 9:00 Uhr an der Katholis­chen Hochschule für soziale Arbeit in Saar­brück­en, eine Fach­ta­gung unter dem Mot­to “Illegal(e) leben im Saar­land” statt. Neben der Katholis­chen Hochschule für soziale Arbeit treten die Katholis­che Akademie Tri­er und die Car­i­tas als Ver­anstal­ter auf. Nun wurde bekan­nt, dass über 90 Polizeibeamte — und somit die Mehrheit der Ver­anstal­tungs­be­sucherIn­nen — an der Tagung teil­nehmen wollen.

Die ANTIFA SAAR fordert die Ver­anstal­ter dazu auf die Polizeibeamten wieder auszu­laden oder die Ver­anstal­tung abzusagen.

Da wir zur The­matik “Flucht, Migra­tion und Ille­gal in Europa” bere­its seit über fünf Jahren immer wieder Stel­lung­nah­men veröf­fentlicht und Aktio­nen durchge­führt haben und seit sein­er Grün­dung aktiv im Saar­ländis­chen Flüchtlingsrat mitar­beit­en, woll­ten wir uns ursprünglich an dieser Fach­ta­gung beteiligen.

Wir hal­ten es jedoch für einen Skan­dal, dass auf solch ein­er Ver­anstal­tung in der die Lebenssi­t­u­a­tion von Migran­tInnen die unerkan­nt im Saar­land leben the­ma­tisiert wird, Polizeibamte anwe­send sein dür­fen. Kirch­lichen Grup­pen und Insti­tu­tio­nen müsste es schon aus ihrem christlichen Men­schen­bild her­aus bewusst sein, dass Flüchtlinge ohne Aufen­thalts­genhmi­gung im Saar­land Sol­i­dar­ität und Schutz benöti­gen. In der Ein­ladung zu der Fach­ta­gung heißt es, das die Fra­gen disku­tiert wer­den sollen “Wie sehen die konkreten Lebens­be­din­gun­gen (der Flüchtlinge) hier aus”, “Was ist im Umgang mit diesen Men­schen zu beacht­en, beson­ders in ethis­ch­er Hin­sicht”, “Welche Möglichkeit­en der Hil­fe gibt es seit­ens der Sozialarbeit”.

Eins ist sich­er: die Polizei wird nicht kom­men, weil sie ein Inter­esse an der Verbesserung der Lebenssi­t­u­a­tion “ille­gal” im Saar­land leben­der Men­schen hat. Wir hal­ten es für fatal, wenn auf ein­er Ver­anstal­tung in der es eigentlich darum gehen sollte die Lebenssi­t­u­a­tion von Flüchtlin­gen zu besprechen und die Frage wie deren Leben­squal­ität u.a. auch durch soziale Arbeit verbessert wer­den kann, die Mehrheit der Anwe­senden im Polizei­di­enst beschäftigt ist. Ihnen geht es darum sich Wis­sen anzueignen mit dem sie später in ihrer Prax­is gegen Flüchtlinge und Migran­tInnen vorgehen.
So jährt sich am Ver­anstal­tungstag die Abschiebung der Fam­i­lie Özdemir aus Wadern, bei der die Rolle der Polizei mehr als deut­lich wurde. Aber auch die jüng­sten Abschiebun­gen von Fam­i­lien aus dem Saar­land haben gezeigt wie drin­gend notwendig ein sol­i­darisch­er Umgang mit Flüchltin­gen ist und das die Polizei als Teil eines rassstis­chen Abschiebeap­pa­rates fungiert.

ANTIFA SAAR

Für Beschw­er­den und Nach­fra­gen: Katholis­che Akademie (vor­mit­tags) 0681–68129/ Katholis­che Hochschule für soziale Arbeit 0681–971320