Kein Frieden mit Deutschland — Flugblatt zur Friedensbewegung Sommer 2003

Kein Frieden mit Deutschland

Glaubt men­sch den Bericht­en der Massen­me­di­en, scheint die Mehrheit der Deutschen, sowie die Regierung gegen den Krieg im Irak zu sein. Hier drängt sich die Frage auf, ob diese derzeit­ige Hal­tung denn ein plöt­zlich­er Schwank zum Paz­i­fis­mus sein soll? Wohl kaum; vielmehr zeigt dies den deutschen Son­der­weg als alte, neue Groß­macht auf, denn vom Paz­i­fis­mus war 1999 bei dem Angriff­skrieg gegen Jugoslaw­ien nicht viel zu spüren. Die Ablehnung des Krieges ist Aus­druck eines neuen, nationalen Selb­st­be­wusst­sein der von Teilen der Friedens­be­we­gung mit­ge­tra­gen wird. Hier­bei ist der gesellschaftliche Diskurs über Krieg und Frieden ist in Deutsch­land geprägt von politischen/ökonomischen Kalkül und Heuchelei. Was die einen erst in der EU, dann in der ganzen Welt durchzuset­zen ver­suchen, wussten und wis­sen die anderen schon längst an ihren Stammtis­chen — “klassenüber­greifend”. Die Deutschen sind wieder wer.
Deutsch­land hat sich in und über die EU als Groß­macht etabliert. Aus­druck hier­für ist unter anderem die mil­itärische Rolle Deutsch­lands in der EU. Zu Beginn der europäis­chen Zusam­me­nar­beit wurde Deutsch­land einge­bun­den, um somit den Wieder­auf­bau nach Nazideutsch­land zu kon­trol­lieren. Die Zeit­en haben sich geän­dert. Nun führt Deutsch­land mit dem “alten Europa” das Vere­inte an.
Während Deutsch­lands Groß­macht­sam­bi­tio­nen gle­ichzeit­ig mit den realen Ein­flussmöglichkeit­en weltweit wächst, lässt die Friedens­be­we­gung von sich hören. Diese stellt sich nach außen hin als eine Ansamm­lung von unter­schiedlichen Men­schen aus ver­schiede­nen poli­tis­chen Rich­tun­gen dar. Welche Fak­toren tra­gen dazu bei, dass die Friedens­be­we­gung zumin­d­est tem­porär als ein­heitliche Gruppe erscheint? Zen­tral sind hier­bei ver­schiedene Feind­bilder, die zum einen his­torisch rekon­stru­iert aber auch durch aktuelle eurozen­tris­tisch — anti­amerikanis­che Mobil­machung geschaf­fen und repro­duziert wer­den. So kann auch die erst­ma­lige öffentliche “Aufar­beitung” der “Bomben auf Dres­den” erk­lärt werden.

Haupt­feind sind die USA, dargestellt durch abstrak­te Sym­bole, wie z.B. die amerikanis­che Flagge verse­hen mit Bomben oder Hak­enkreuzen. Es wird sich per­son­al­isiert­er Feind­bilder bedi­ent (Bush als Mar­i­onet­ten­spiel­er), statt ökonomis­che Sys­teme zu analysieren. Nicht die materielle Basis ein­er Gesellschaft ist dann Ursache von Ungerechtigkeit­en, son­dern repräsen­tierende Per­so­n­en oder Per­so­n­en­grup­pen. Die Gle­ich­set­zung “Nazideutsch­land-USA” oder “Hitler-Bush” ist Aus­druck eines unre­flek­tierten, den Nation­al­sozial­is­mus rel­a­tivieren­den, latent anti­semi­tis­chen, deutschen Revan­chis­mus. Die Argu­men­ta­tion gegen einen Krieg ist oft­mals völkisch ori­en­tiert. Genau in diesen Kon­text passen auch die Mon­tags­demos, mit Hil­fe der­er ein Zusam­men­hang hergestellt wird zwis­chen den deutschna­tionalen Demos vor der Wiedervere­ini­gung und dem Krieg gegen den Irak. Die gemein­same Aus­sage: Wir sind das Volk! Die Mehrheit der Deutschen zu repräsen­tieren wird als pos­i­tives Fak­tum propagiert. Aus­druck ein­er Kri­tik­losigkeit gegenüber “Volksgenossen” ist die Tat­sache, dass sich Teile der Friedens­be­we­gung sol­i­darisch mit der deutschen Regierung zeigen. Logis­che Kon­se­quenz ist, nicht für Frieden son­dern lediglich gegen einen US-amerikanis­chen Krieg zu sein.

Ein Haupt­merk­mal der Friedens­be­we­gung ist auch, dass deutsche Inter­essen im weltweit­en Machtkampf nicht the­ma­tisiert bzw. ver­leugnet wer­den. So wird kaum oder nur unzure­ichend the­ma­tisiert, warum sich Deutsch­land an diesem Krieg nicht beteili­gen will. Fed­er­führend sind hier­bei näm­lich wirtschaftliche und welt­macht­poli­tis­che Gründe. Wirtschaftlich, weil Deutsch­land Han­dels­beziehun­gen zum Irak pflegt, im beson­deren wäre hier­bei die Rüs­tungsin­dus­trie zu nen­nen, macht­poli­tisch, weil aktuell eine neue Wel­tord­nung gebombt wird, die nicht zum Vorteil verhilft.

Ins­ge­samt wer­den poli­tis­chen Analy­sen moralis­che Appelle vorge­zo­gen. Nicht nur von ChristIn­nen, deren Organ­i­sa­tion: die Kirche, welche in der Ver­gan­gen­heit für jeden Krieg zu haben war. Paz­i­fistis­che Hal­tun­gen verkom­men dann zur Farce, wenn lediglich medi­al auf­bere­it­ete “Gewal­tak­te” kom­men­tiert wer­den, struk­turelle und alltägliche Gewalt jedoch uner­wäh­nt bleiben.

Wir sind eben­falls gegen diesen Krieg. Dieser Krieg ist wed­er poli­tisch gerecht­fer­tigt in Bezug auf eine mögliche Verbesserung der Leben­squal­ität für die Men­schen vor Ort, nach einem kriegerisch her­bei geführten Machtwech­sel, noch wird er geführt um eine direk­te Bedro­hung Israels abzuwen­den. Die USA sind bestrebt, eine für sie sin­nvolle Ord­nung im Nahen Osten einzuricht­en. Sin­nvoll in diesem Sinne meint einen ökonomis­chen Nutzen aus ein­er spez­i­fis­chen Machtkon­stel­la­tion ziehen zu kön­nen. Die USA ver­flo­gen eine mil­itärische Außen­poli­tik, die neben ökonomis­chen Inter­essen auch hege­mo­ni­ale Ansprüche im ara­bis­chen Raum durchzuset­zen ver­sucht. Wed­er der Irak, noch die BRD vertreten etwas Gegen­teiliges, was auch nur im ent­fer­n­testen als human­is­tis­che beze­ich­net wer­den kann. Im Irak beste­ht neben tief ver­wurzel­ten antiamerikanischen/antiisraelischen Ein­stel­lun­gen ein Sys­tem patri­ar­chaler und dik­ta­torisch­er Struk­turen. Aus diesen Grün­den ist prinzip­iell ein Sys­temwech­sel wünschenswert.

Wer diesen Krieg befür­wortet, gle­ichgültig mit welchen Grün­den und Begrün­dun­gen, reagiert lediglich auf aus­gear­beit­ete Kriegspläne. Der Kap­i­tal­is­mus herrscht weltweit, wed­er die USA, noch der Irak oder Deutsch­land ste­hen für emanzi­pa­torischen Fortschritt. Sowohl die Poli­tik der USA, als auch die Gesellschaftsstruk­tur des Irak sind bes­timmt von der Logik der Herrschaft. Herrschaft als Mod­ell ein­er Gesellschaftsstruk­tur lehnen wir ab, sei es unter dem ide­ol­o­gis­chen Deck­man­tel des Neolib­er­al­is­mus oder dem Dik­tum eines religiösen Fun­da­men­tal­is­mus. Frei­heit ist in Folge dessen nicht die Wahl für die USA oder für den Irak, Frei­heit bedeutet in diesem Fall vielmehr aus dieser Wahl her­auszutreten und die beste­hen­den Herrschaftsstruk­turen zu bekämpfen.

Gegen deutschna­tionale Inter­essen und Kapitalismus:
WEDER IHREN KRIEGNOCH IHREN FRIEDEN!