Saarbrücker Zeitung: “Wir reden nicht mit Linksextremisten”

Saar­brück­er Zeitung vom 4. April 2003

 

Wir reden nicht mit Linksextremisten

Innen­min­is­teri­um ver­weigert Dia­log mit Flüchtlingsrat — Car­i­tas aus Organ­i­sa­tion ausgetreten

 

Von ESTHER BRAUN

Saar­brück­en. Im Saar-Innen­min­is­teri­um gibt es einen Kon­tak­tauss­chuss für Flüchtlings­fra­gen (Kafis), in dem bis vor kurzem auch der Arbeit­skreis Asyl Mit­glied war. Der existiert so jet­zt nicht mehr. Stattdessen hat sich der saar­ländis­che Flüchtlingsrat formiert, in dem jet­zt auch Organ­i­sa­tio­nen vertreten sind, “mit denen wir in der Kafis nicht an einem Tisch sitzen wollen”, so Jörg Kohl vom Innen­min­is­teri­um. Vor allem mit der “Antifa Saar”, die jet­zt einen Vertreter im fün­fköp­fi­gen ehre­namtlichen Sprecherteam des Flüchtlingsrates stellt, hat die Lan­desregierung ein Prob­lem. Sie habe einen link­sex­trem­istis­chen Hin­ter­grund und werde vom Ver­fas­sungss­chutz beobachtet, lautet die Begrün­dung für die Gesprächsver­weigerung. Offen­sichtlich sehen dies die saar­ländis­chen Car­i­tas-Ver­bände genau­so, denn sie sind bere­its im Sep­tem­ber 2002 aus dem Flüchtlingsrat aus­ge­treten. Zur Begrün­dung hieß es in Tri­er: “Da das Sprecher­gremi­um im Flüchtlingsrat ein vornehm­lich ehre­namtlich beset­ztes Gremi­um ist, kön­nten dort Posi­tio­nen zu Flüchtlings- und Asyl­fra­gen entwick­elt wer­den, die nicht der ver­ban­dlichen Mei­n­ung der Car­i­tas als Wohlfahrtsver­band der Katholis­chen Kirche entsprechen.” Dazu muss man wis­sen, dass die bei­den großen kirch­lichen Ver­bände, Car­i­tas und Diakonis­ches Werk, in der Vorgängeror­gan­i­sa­tion “Arbeit­skreis Asyl” die bei­den haup­tamtlichen Sprech­er stell­ten — insofern geht es um eine Ent­mach­tung dieser Ver­bände. Im Kafis hal­ten derzeit zwei Sprech­er des Flüchtlingsrates, Bern­hard Dahm und Peter Nobert, die Stel­lung — allerd­ings nicht als offizielle Vertreter des Rates, son­dern als “Pri­vat­per­so­n­en”. Die bei­den anderen Vertreter, Alexan­der Müller von der Aktion Dritte Welt Saar und Kork­maz Mah­sum von der Antifa, sind im Innen­min­is­teri­um nicht erwün­scht. Die Aktion Dritte Welt Saar lehne man zwar nicht prinzip­iell ab, habe aber “Prob­leme mit eini­gen ihrer Mit­glieder”, heißt es.

Wir wollen uns nicht vorschreiben lassen, wer bei uns Mit­glied ist”, sagt dazu Peter Nobert. “Die Antifa ist nur eine Gruppe unter vie­len anderen.” Die SPD im Saar-Land­tag warf der Lan­desregierung “schlecht­en Stil” im Umgang mit poli­tisch Ander­s­denk­enden vor.

 

Pressemitteilung zum NPD-Verbotsverfahren

Staatlich­er Antifaschis­mus erlebt Desaster, und stolpert über die eige­nen Wider­sprüche. So oder so ähn­lich muss wohl das Faz­it laut­en, das am Ende ein­er vor Jahren im soge­nan­nten “Som­mer des Antifaschis­mus” ini­ti­ierten Kam­pagne gegen Recht­sex­trem­is­mus ste­ht. Die einzige logis­che Kon­se­quenz die aus der Ein­stel­lungs­be­grün­dung des Bun­desver­fas­sungs­gericht­es übrig bleibt, ist die sofor­tige Abschaf­fung der deutschen Geheimdienste.

Bere­its seit Jahren war­nen unab­hängige antifaschis­tis­che Organ­i­sa­tio­nen und Ken­ner­In­nen der organ­isierten Neon­aziszene, dass diese in einem Maße von staatlichen Behör­den bee­in­flusst und gelenkt wird, dass ein Weit­erbeste­hen weit­er Teile neon­azis­tis­ch­er Struk­turen nur auf­grund staatlich­er Unter­stützung möglich ist.

Zu dieser Erken­nt­nis und den damit ein­herge­hen­den Wider­sprüchen kommt das Bun­desver­fas­sungs­gericht nach fast immer­hin 3‑jähriger Ver­fahrens­dauer und stellt logis­cher­weise das Ver­fahren ein.

Doch was sind die Kon­se­quen­zen? Nun hat auch das höch­ste deutsche Gericht bestätigt, was ohne­hin jed­er der es Wis­sen wollte schon weiß: dass die Machen­schaften der deutschen Neon­aziszene durch Polizei und Geheim­di­en­stak­tiv­itäten grundle­gend mitbes­timmt und mitini­ti­iert wur­den. Neben der NPD sind in der Ver­gan­gen­heit auch immer wieder Fälle staatlich­er Bee­in­flus­sun­gen inner­halb neon­azis­tis­ch­er Kam­er­ad­schaften bekan­nt gewor­den. Diese Neon­azikam­er­ad­schaften, wie sie z.B. in Karl­sruhe (Freie Kam­er­ad­schaft Karl­ruhe), in Berlin (Kam­er­ad­schaft Ger­ma­nia), im Ruhrpott (Nationaler Wider­stand Sauer­land) und auch im Saar­land (Kam­er­ad­schaft Saar­lautern in Saar­louis) beste­hen, gel­ten derzeit­ig als wohl bedeuten­ste Neon­azistruk­tur in Deutsch­land. Punk­tuelle Ver­botsver­fü­gun­gen gegen diese Organ­i­sa­tion­sstruk­turen wie im ver­gan­genen Jahr gegen die “Skin­heads Säch­sis­che Schweiz” kön­nen jedoch nicht darüber hin­wegtäuschen, dass große Teile dieses Net­zw­erkes auch weit­er­hin mit staatlich­er Unter­stützung ihren gesellschaftlichen Ein­fluss aus­bauen. Auch die faschis­tis­chen Kam­er­ad­schaften im Saar­land, wie sie in Saar­louis, Köller­tal und Sulzbach­tal beste­hen, wer­den weit­ge­hend aus einem öffentlichem Diskurs herausgehalten.

Die Antifa Saar fordert die Auflö­sung der deutschen Geheim­di­en­ste, welche nach­weis­lich in der Aufrechter­hal­tung rechter Struk­turen in Deutsch­land involviert sind oder waren. Des Weit­ern fordern wir:

- die öffentliche Bekan­nt­gabe über Anzahl und Aus­maß aller einge­set­zten Polizei- und Geheim­di­en­stak­tiv­itäten inner­halb der saar­ländis­che Neonaziszene,

- sowie die Bekan­nt­gabe über deren Bedeu­tung für die Aufrechter­hal­tung neon­azis­tis­ch­er Struk­turen wie die der Saar­louis­er “Kam­er­ad­schaft Saarlautern”

 

vertrauensmaenner

Pressemitteilung zum Prozess gegen den Mörder von Ahmed S. vom 14.Januar 2003

Kri­tik an Gerichtsver­hand­lung und Polizeieinsatz

Deut­liche Kri­tik haben die Prozess­beobach­terIn­nen der Antifa Saar, die den Prozess gegen den Neon­azi Car­los Neu am Saar­ländis­chen Landgericht gestern und heute ver­fol­gten. Höhep­unkt des Prozess­es und der Gerichtsver­hand­lung, im Rah­men der­er kon­stant ver­sucht wurde eine “frem­den­feindliche” Moti­va­tion für den Mord an Ahmed S. auszublenden, stell­ten das heutige Gericht­surteil und ins­beson­dere dessen Begrün­dung dar. Beze­ich­nend und skan­dalös ist zudem die Tat­sache, dass nach Urteilsverkün­dung im Gericht­saal und später auf dem Gelände mit mas­sivem Polizeiaufge­bot gegen BesucherIn­nen und trauernde Ange­hörige vor­ga­gan­gen wurde.

Schon im Vor­feld des Prozess­es wurde deut­lich, dass dieser Prozess von seit­en der Staat­san­waltschaft ent­poli­tisiert wer­den sollte. Die mas­sive Kri­tik, die an den saar­ländis­chen Sicher­heits­be­hör­den nach dem Mord an Ahmed S. in der Öffentlichkeit laut wurde, sollte unter­graben und der ras­sis­tisch motivierte Mord in eine unpoltische Tat ver­wan­delt werden.

Bere­its in der Ver­gan­gen­heit gelangten immer wieder Mel­dun­gen darüber in die Öffentlichkeit, wie offizielle Stellen ver­suchen Gewalt­tat­en mil­i­tan­ter Nenazis im Saar­land zu ver­schleiern und zu ver­tuschen. Ver­schleiert und ver­harm­lost wurde auch die Rolle von Car­los Neu als Mit­glied ein­er Neon­azi­gruppe, welche schon in den Jahren zuvor durch regel­rechte Het­z­jag­den auf Nicht­deutsche während des Sulzbach­er Salzbrun­nen­fest auffiel. Nicht the­ma­tisiert wurde die Rolle der soge­nan­nten “Freien Kam­er­ad­schaften”, also Grup­pen von mil­i­tan­ten Recht­en, welche sich im Saar­land in ver­schiede­nen Regio­nen zusam­men­schließen, um bes­timmte Gegen­den, wie beispiel­sweise Mark­plätze etc. zu nation­al befre­it­en Zonen zu erk­lären und dies auch mil­i­tant zur Umset­zung führen. Stattdessen wurde ein ras­sis­tisch motiviert­er Mord geschickt in eine “Kirmess­chlägerei” mit Todes­folge umge­wan­delt und somit der Höh­punkt ein­er staatlichen Poli­tik der Bagatel­lisierung rechter Gewalt im Saar­land erre­icht. Wohlwis­send, dass die Ange­höri­gen und ZuschauerIn­nen des Prozess­es diesen Skan­dal nicht ohne Protest hin­nehmen wür­den, wurde die vier­stündi­ge Ver­hand­lungspause bis zur Urteilsverkün­dung genutzt, um mas­siv Polizeikräfte in das Gerichts­g­bäude zu entsenden, die jed­weili­gen Protest ver­hin­dern soll­ten. Neben der Präsenz von rund zehn Jus­tizvol­lzugs­beamten und 12 Bere­itschaft­spolizis­ten im Gericht­saal, waren verdeckt weit­ere 50 Polizis­ten ‑darunter Bere­itschaft­spolizei, behelmtes Son­dere­in­satzkom­man­do, Zivil­fah­n­der, Staatss­chutzbeamte sowie Polizei­hun­destaffel und ein Polzeivideodoku­men­ta­tion­strupp- vor Ort. Nach Ende der Gerichtsver­hand­lung protestierten einige Anwe­sende laut­stark gegen dieses Urteil, worauf hin oben genan­nte Ein­satzkräfte gegen die Men­schen, darunter auch Fre­unde sowie die trauern­den Fam­i­lien­anghöri­gen kör­per­lich vorgin­gen und ver­sucht­en diese ruhig zu stellen. Weit­ere BesucherIn­nen und Prozess­beobach­terIn­nen wur­den unter Ein­wirkung kör­per­lich­er Gewalt aus dem dem Gebäude gedrängt.

Die Antifa Saar protestiert auf‘s Heftig­ste gegen den durchge­führten Polizeiein­satz und appe­liert an Medi­en­vertreterIn­nen und den Rest ein­er kri­tis­chen Öffentlichkeit, nicht schweigend hinzunehmen, dass Tat­en rechter Grup­pierun­gen oder Per­so­n­en bagatel­lisiert oder ent­poli­tisiert werden.

ANTIFA SAAR

Pressemitteilung zur Fachtagung “Illegal(e) leben im Saarland” in der Katholischen Fachhochschule im November 2002

Disku­tieren! Informieren! — Aber nicht die Polizei! 

Mor­gen find­et ab 9:00 Uhr an der Katholis­chen Hochschule für soziale Arbeit in Saar­brück­en, eine Fach­ta­gung unter dem Mot­to “Illegal(e) leben im Saar­land” statt. Neben der Katholis­chen Hochschule für soziale Arbeit treten die Katholis­che Akademie Tri­er und die Car­i­tas als Ver­anstal­ter auf. Nun wurde bekan­nt, dass über 90 Polizeibeamte — und somit die Mehrheit der Ver­anstal­tungs­be­sucherIn­nen — an der Tagung teil­nehmen wollen.

Die ANTIFA SAAR fordert die Ver­anstal­ter dazu auf die Polizeibeamten wieder auszu­laden oder die Ver­anstal­tung abzusagen.

Da wir zur The­matik “Flucht, Migra­tion und Ille­gal in Europa” bere­its seit über fünf Jahren immer wieder Stel­lung­nah­men veröf­fentlicht und Aktio­nen durchge­führt haben und seit sein­er Grün­dung aktiv im Saar­ländis­chen Flüchtlingsrat mitar­beit­en, woll­ten wir uns ursprünglich an dieser Fach­ta­gung beteiligen.

Wir hal­ten es jedoch für einen Skan­dal, dass auf solch ein­er Ver­anstal­tung in der die Lebenssi­t­u­a­tion von Migran­tInnen die unerkan­nt im Saar­land leben the­ma­tisiert wird, Polizeibamte anwe­send sein dür­fen. Kirch­lichen Grup­pen und Insti­tu­tio­nen müsste es schon aus ihrem christlichen Men­schen­bild her­aus bewusst sein, dass Flüchtlinge ohne Aufen­thalts­genhmi­gung im Saar­land Sol­i­dar­ität und Schutz benöti­gen. In der Ein­ladung zu der Fach­ta­gung heißt es, das die Fra­gen disku­tiert wer­den sollen “Wie sehen die konkreten Lebens­be­din­gun­gen (der Flüchtlinge) hier aus”, “Was ist im Umgang mit diesen Men­schen zu beacht­en, beson­ders in ethis­ch­er Hin­sicht”, “Welche Möglichkeit­en der Hil­fe gibt es seit­ens der Sozialarbeit”.

Eins ist sich­er: die Polizei wird nicht kom­men, weil sie ein Inter­esse an der Verbesserung der Lebenssi­t­u­a­tion “ille­gal” im Saar­land leben­der Men­schen hat. Wir hal­ten es für fatal, wenn auf ein­er Ver­anstal­tung in der es eigentlich darum gehen sollte die Lebenssi­t­u­a­tion von Flüchtlin­gen zu besprechen und die Frage wie deren Leben­squal­ität u.a. auch durch soziale Arbeit verbessert wer­den kann, die Mehrheit der Anwe­senden im Polizei­di­enst beschäftigt ist. Ihnen geht es darum sich Wis­sen anzueignen mit dem sie später in ihrer Prax­is gegen Flüchtlinge und Migran­tInnen vorgehen.
So jährt sich am Ver­anstal­tungstag die Abschiebung der Fam­i­lie Özdemir aus Wadern, bei der die Rolle der Polizei mehr als deut­lich wurde. Aber auch die jüng­sten Abschiebun­gen von Fam­i­lien aus dem Saar­land haben gezeigt wie drin­gend notwendig ein sol­i­darisch­er Umgang mit Flüchltin­gen ist und das die Polizei als Teil eines rassstis­chen Abschiebeap­pa­rates fungiert.

ANTIFA SAAR

Für Beschw­er­den und Nach­fra­gen: Katholis­che Akademie (vor­mit­tags) 0681–68129/ Katholis­che Hochschule für soziale Arbeit 0681–971320