In den vergangenen Wochen konnte man mal wieder das einundselbe parteipolitische Schauspiel erleben, das Bundestags- und sonstige Wahlen turnusmäßig vor sich herziehen: die Parteien standen in den letzten Zügen ihres Wahlkampfes und versuchten die letzten stimmberechtigten Wähler und Wählerinnen im großen Konkurrenzkampf noch von der Richtigkeit ihrer Wahlprogramme zu überzeugen. So unterschiedlich sich die Parteien doch gerne sehen und verstanden werden wollen, so sind sie sich doch fast alle in einem Punkt einig: Parteien, wie die neonazistische NPD und DVU, welche im Zusammenschluss mit militanten Neonazis aus sog. „freien Kameradschaften“ zur Bundestagswahl antreten, sollen und dürfen keinen Erfolg haben.
Antifa als Staatsräson
Als am 8.Mai 2005, dem 60. Jahrestag der Befreiung vom Nationalsozialismus, tausende von Menschen durch das blockieren der Demonstrationsroute den seit Monaten geplanten Naziaufmarsch verhindern konnten, wurde der Weltöffentlichkeit eine breite Masse mit überzeugten Antifaschisten präsentiert, welche gelernt haben will mit der Vergangenheit umzugehen und aus dieser Erfahrung heraus versucht „demokratisches Grundrecht“ zu verteidigen. Dass „demokratisches“ Grundrecht fast jede Woche neonazistischen Gruppierungen – ob bei Demonstrationen oder Veranstaltungen — zu gesprochen wird, interessierte an dem „Tag der Demokratie“ am 8.Mai 2005 nur herzlich wenig.
Dass es sich bei dieser vermeintlichen „Ablehnung“ von neonazistischer Politik weniger um eine konsequente Haltung sondern sich lediglich um populistisches Agitieren „Gegen Rechts“ als Zweck der Selbstdarstellung und das Wahren des eigenen Gesichts im Bezug auf die Handlungsunfähigkeit gegenüber neonazistischen Positionen handelt, zeigt sich gerade im Saarland und vor allem in Saarbrücken in den letzten Monaten immer wieder. So verpuffen Forderungen der etablierten Parteien, Neonazis keine Möglichkeiten zur Verbreitung ihrer Ideologie zu gewähren im Nichts, wenn im Gegenzug die NPD ohne größere Schwierigkeiten städtische Räumlichkeiten anmieten und darin ihre neonazistische Ideologie in Form von Parteitagen oder Rechtsrockkonzerten verbreiten kann, ohne dass es dabei AUCH nur einen Versuch gibt, die sooft gepredigte „Zivilcourage“ zu verwirklichen.
Antifa heisst Angriff!
Am 4.Juni 2005 führte die NPD–Saar in Zusammenarbeit mit der NPD-Pfalz einen Aktionstag im Saarland und Rheinland-Pfalz durch. Dazu wurden in mehreren Städten Infostände aufgebaut und abends sollte der wegen Volksverhetzung vorbestrafte Nazibarde Frank Rennicke zusammen mit der Rechtsrockband „Notwehr“ in der „Turnhalle“ in Saarbrücken–Brebach auftreten. Neben Peter Marx traten der Parlamentarische Geschäftsführer der NPD-Fraktion im sächsischen Landtag, Uwe Leichsenring, sowie der mittlerweile im Parteivorstand sitzende Thomas „Steiner“ Wulff, der als Bindeglied zwischen der NPD und den freien Kameradschaften fungiert, als Redner auf.
Um den neonazistischen Aktivitäten an diesem Tage entgegen zutreten, wurde der Infostand der NPD in Homburg/Saar von einer Gruppe von Antifaschisten angegriffen. Dabei wurde der Stand, bestehend aus einem einfachen Holztisch, umgeworfen und das Propagandamaterial für das weitere Verteilen untauglich gemacht. Bei der anschließenden Flucht wurden sieben Personen von der Polizei gestellt, festgenommen und später mit Anzeigen wegen Landfriedensbruch, Sachbeschädigung und Körperverletzung konfrontiert.
Mittlerweile wurden die Ermittlungen gegen sechs Tatverdächtige eingestellt. Jedoch konnte es sich die Staatsanwaltschaft Saarbrücken nicht nehmen lassen, gegen einen 20jährigen Antifaschisten Anklage wegen Landfriedensbruch zu erheben, um so deutlich zu machen, dass eigenständiges, antifaschistisches Engagement nicht erwünscht ist. Bei der Anwendung von Gewalt gegen Menschen, sollte man sich immer vor Augen führen, dass das oberste Gut eines Menschen, die körperliche Unversehrtheit, angegangen und verletzt wird. Jedoch kann die Auseinandersetzung mit Rassisten, Antisemiten und Neonazis keine andere wie die direkte Konfrontation mit allen erforderlichen Mitteln sein. Ein Blick auf die Geschichte macht deutlich, dass Nazis jeglicher Couleur keine Agitationsfläche geboten werden darf, um ihre menschenverachtende Ideologie zur Schau zu stellen. Militanter Antifaschismus ist nach wie vor eine Notwendigkeit um sich gegen den wiedererstarkenden Neonazismus zur Wehr zu setzen.
Solidarität ist eine Waffe!
Das Verfahren wegen Landfriedensbruch bildet jedoch keine Ausnahme bei dem Versuch Saarländische Antifaschisten durch staatliche Repression einzuschüchtern und in ihrem Handeln zu beschränken. So gibt es mindestens 2 weitere Verfahren gegen Saarländische Antifaschisten. Zum einen hat die Stadt Saarlouis Zivilklage gegen den Anmelder einer antifaschistischen Kundgebung in Saarlouis am 19. September 2001 eingereicht, bei der am Saarlouiser Rathaus eine Gedenktafel für Samuel Yeboah angebracht wurde, die der damalige Oberbürgermeister Fontaine noch am gleichen Tag in einer vollkommen unüberlegten Aktion wieder abreißen ließ. Samuel Yeboah wurde bei einem rassistischen Brandanschlag 1991 in Saarlouis ermordet. Das Verfahren gegen den Anmelder wegen „Gemeinschädlicher Sachbeschädigung“ wurde bereits am 18.Februar 2005 eingestellt.
Wir erklären uns daher durch diesem Text solidarisch mit dem Saarbrücker Antifaschisten und zu allen anderen, die aufgrund ihres antifaschistischen Engagements von staatlicher Repression oder neonazistischer Gewalt betroffen sind. Wir stellen uns gemeinsam gegen das laufende Gerichtsverfahren gegen den Saarbrücker Antifaschisten, denn dieses Verfahren ist nicht nur ein weiterer Versuch eine Person zu kriminalisieren sondern ist gegen uns alle gerichtet! Die Antifa Saar/Projekt AK fordert daher die sofortige Einstellung der Kriminalisierung antifaschistischer Politik.
Antifa Saar / Projekt AK im September 2005