60 Jahre Bombardierung von Saarbrücken
Der 60. Jahrestag der Bombardierung Saarbrückens im Oktober 1944 durch die britische Luftwaffe wurde in Saarbrücken von einigen ewig gestrigen inklusive der “Saarbrücker Zeitung” genutzt, um die Verkehrung von Tätern und Opfern weiter voranzutreiben. AntifaschistInnen nutzten die Kranzniederlegung sowie die abendliche Schweigeminute für Protest und Freudenfeuerwerk.
Am 5.Oktober 1944 bombardierte die Royal Air Force unter dem Kommando von Sir Arthur Harris die Saarbrücker Innenstadt. Vergangenen Dienstag jährte sich dieser Tag nun zum 60. Mal, was für Geschichtsrevisionisten wie den Volksbund deutsche Kriegsgräberfürsorge und andere (echte, keine “Neo-”) Nazis ein willkommener Anlass war, sich darüber zu beklagen dass die armen Deutschen doch am meisten leiden mussten… sowohl unter Hitler wie natürlich ganz massiv unter dem “alliierten Bombenterror”.
Schon Anfang dieses Jahres begann die “Saarbrücker Zeitung” (SZ) mit ihrer Suche nach Zeitzeugen der Bombardierung Saarbrückens 1944, um dann rechtzeitig zum Jahrestag die rührseligen Berichte ebenjener präsentieren zu können. Es wird gejammert, wie schlimm es damals doch war, als die Bombenteppiche der Royal Air Force auf Saarbrücken niedergingen. Anfang September startete die SZ eine wöchentliche Serie, wo großformatig diejenigen zu Wort kamen, die 1944 an den Flakbatterien auf alliierte FLieger schossen, im Luftschutzbunker für den Führer beteten oder im Arbeitsdienst eifrig für die deutsche Kriegswirtschaft schraubten. Forciert wurde diese zur Schau getragene Verkehrung der Täter, die sich 1935 bei der ersten Saarabstimmung mit 90,76% der Stimmen für “Heim ins Reich”, also den Anschluss des Saargebietes an das deutsche Reich, entschieden haben, zu Opfern von SZ-Redakteur Dieter Gräbner, der pünktlich zum Jahrestag sein Buch “Über uns Feuer und Verderben” veröffentlichte, wo eben jene sog. Zeitzeugen zu Wort kommen.
Höhepunkt dieser Kampagne war nun der eigentliche Jahrestag selbst, nämlich der 5.Oktober 2004. 60 Jahre, nachdem die antifaschistischen Luftstreitkräfte den Nazis an der Saar so langsam aber sicher den Spaß am Nazisein verdarben, sollte nun eine offizielle Kranzniederlegung am “Fliegeropferfeld” des Saarbrücker Hauptfriedhofs sowie eine abendliche Schweigeminute, Sirenenalarm und Glockläuten zum Gedenken der Bombenopfer stattfinden.
Die Kranzniederlegung, 17:00 Uhr, Hauptfriedhof Saarbrücken
Wirklich viel war nicht los an diesem sonnigen Nachmittag, als wir am “Fliegeropferfeld” eintrafen. Ein aus Saarlouis angekarrter Kirchenchor trällerte herzzerreissende Trauerlieder, und die wenigen Anwesenden unterhielten sich über den schlechten Zustand, in dem sich ihre Traditionsvereine, wie z.B. der Volksbund deutsche Kriegsgräberfürsorge (VdK) oder die Fallschirmjäger-Kameradschaft doch befänden. So langsam aber sicher verabschieden sich die alten Nazis halt auf natürlichem Wege. Anwesend und in überaus freudiger Erwartung auf “sein” Event war der Landesvorsitzende des VdK, CDU-Mitglied und MdL Kurt Schoenen. Er begrüßte freundlich die langsam eintrudelnde Trauergemeinde sowie die Verantwortlichen und RepräsentantInnen der Stadt Saarbrücken und freute sich wie ein Kind darüber, dass erstaunlicherweise so viele junge Leute vor Ort waren. Seine Frage, ob wir denn die Leute wären, die die Kerzen auf den Grabsteinen anzünden sollten, mussten wir aber dann doch mit einem nicht zu verheimlichenden Lächeln verneinen.
Als dann gegen viertel nach fünf auch die neugewählte Oberbürgermeisterin Charlotte Britz (SPD) und ihr Stellvertreter, Bürgermeister Kajo Breuer (Grüne), vor Ort waren, sollte die Zeremonie beginnen.
Just in diesem Moment dürfte Herrn Schoenen dann schlagartig klar geworden sein, was die jungen Leute auf diesen, in der Regel den Alten vorbehaltenen Ort, trieb: für alle sichtbar wurde ein Transparent mit der Aufschrift “Wir danken den Alliierten für die Befreiung vom Nationalssozialismus! Deutsche Täter sind keine Opfer!” entrollt und die Fahnen der Alliierten sowie die der Antifaschistischen Aktion geschwenkt.
Sichtlich geschockt, pikiert oder irritiert reagierte die anwesende Trauergemeinde, führte jedoch ihr Programm fort. So hielt Kurt Schoenen (VdK, CDU) eine Rede, die recht klar stellte, wes Geistes Kind er ist. Die Bombenopfer von Coventry (England), das zu Kriegsbeginn von der nationalsozialistischen deutschen Wehrmacht angegriffen wurde, wurden gegen die Toten von Saarbrücken aufgerechnet, und Kurt Schoenen kam zu einem eindeutigen Ergebnis: während der Angriff auf Coventry nur um die 500 Tote forderte und der auf Saarbrücken über 1000, Coventry aber dreimal soviel Einwohner wie Saarbrücken hatte, war logischerweise die Verlustrate für Saarbrücken deutlich höher. Folglich ergibt sich, was die Nazis schon immer wussten: die notwendigen Luftschläge gegen das “Dritte Reich” waren ein Krieg gegen unschuldige Zivilisten und ungleich schlimmer als die paar Toten, die durch NS-Bomben starben.
Dann wurden die Schleifen an den Gedenkkränzen aufgeklappt (ein Kranz vom VdK, einer von der Stadt Saarbrücken), ein paar Fotos für Presse geschossen und noch ein Liedchen geträllert, und dann war diese unheilvolle Veranstaltung zu Ende. Angeführt von fackeltragenden Feuerwehr-Leuten marschierten die Traurigen nun noch zum sog. “Zwangsarbeiterfeld”, wo für jene Zwangsarbeiter ein Kranz niedergelegt wurde, welche der Bombardierung der Stadt zum Opfer fielen. Ob es die Anwesenden eher schade um die verlorene billige Arbeitskraft fande, sei mal dahingestellt.
Im Vorbeigehen gab es noch ein paar Kommentare in Richtung der AntifaschistInnen (“Ich hab’ den ganzen Feuerzauber überlebt” –> “Schade!” oder “Euch gehts doch viel zu gut!” — Danke, auf volksgemeinschaftliches Leid verzichten wir gerne), einzig Bürgermeister Breuer fand es “gut, dass ihr da seid.”
Gut gelaunt und erfreut darüber, den alten Nazis doch ein bißchen ans Bein gepisst zu haben, verließen wir nun den Ort volksdeutscher Traurigkeit und machten uns auf den Nachhauseweg.
Schweigeminute, 20:30 Uhr
Teil 2 dieses schönen Tages begann ein paar Stunden später. Punkt 20:30 Uhr heulten die Sirenen im Dauerton, und sämtliche Kirchturmglocken der statt läuteten. Schweigeminute nannte man das, um den deutschen Opfern der Bombardierung zu Gedenken. Partysignal, dachten sich einige geschichtsbewusste AntifaschistInnen und entzündeten ein kleines Freudenfeuerwerk mit Raketen, Böllern und farbenfrohen Fontänen, um die Zerschlagung Nazideutschlands, an der die Luftschläge gegen deutsche Großstädte einen großen Anteil hatten, gebührend zu feiern.
Alles in Allem ein ereignisreicher und von antifaschistischer Seite aus sehr erfolgreicher Tag, der gebührend beendet wurde. Wir werden uns auch weiterhin zu Wort melden, wenn sich alte und neue Nazis dafür stark machen, die Täter zu Opfern zu stilisieren, die Geschichte zu verdrehen und die Verbrechen des deustchen Faschismus zu verharmlosen. Deutsche Täter werden niemals Opfer sein.
Auch veröffentlicht auf indymedia: http://de.indymedia.org/2004/10/96055.shtml