Presseartikel zum Naziübergriff nach NPD-Konzert in Saarbrücken am 06.August 2005
SR-online, 08.08.2005 16:08 — Saarbrücken: Rechtsradikalismus soll bekämpft werden
Die SPD-Landtagsfraktion hat die Landesregierung aufgefordert, aktiver gegen Rechtsradikalismus vorzugehen. Das hat die SPD-Abgeordnete Hoffmann-Bethscheider mitgeteilt.
Sie sagte, es könne nicht einfach hingenommen werden, dass das Saarland zu einem “Tummelplatz rechter Gewalttäter” werde. Vor allem die Bildungs- und Ausländerpolitik müsse hinterfragt werden.
Hoffmann-Bethscheider reagierte damit auf den vom Verfassungsschutz registrierten Anstieg der rechten Gewalt im Saarland in diesem Jahr. Bis August wurden zwölf solcher Taten gemeldet.
SR-online, 07.08.2005 21:53 — Saarbrücken: Massenschlägerei am St.Johanner Markt
Am Sonntagmorgen gegen 2.40 Uhr hat es am St.Johanner Markt eine Massenschlägerei gegeben. Nach Angaben der Polizei waren mehrere Gruppierungen beteiligt.
Mitglieder der rechten und linken Szene sowie Obdachlose hätten sich geprügelt. Auch unbeteiligte Besucher des Saarspektakels seien angegangen worden. Es wurden Flaschen und Bierkrüge geworfen.
Die Polizei rief Verstärkung und konnte erst mit 20 Beamten die Situation entschärfen. Ob die Schlägerei im Zusammenhang mit einer Wahlkampfveranstaltung der rechten NPD in Saarbrücken steht, ist noch unklar.
Saarbrücker Zeitung, 08.08.2005 — Rechte Gewalttaten nehmen im Saarland drastisch zu
von sz-redakteur norbert freund
Das Landesamt für Verfassungsschutz registriert einen massiven Anstieg rechtsextrem motivierter Gewalttaten im Saarland. Der Chef der Behörde, Helmut Albert, ruft zu verstärkter Prävention auf. Saarbrücken. Die Zahl rechtsextremer Gewalttaten im Saarland ist in diesem Jahr drastisch gestiegen. Wie der Chef des Saar-Verfassungsschutzes, Helmut Albert, in einem SZ-Gespräch mitteilte, gab es in diesem Jahr bis Anfang August zwölf rechtsextrem motivierte Gewalttaten im Saarland. Im gesamten vergangenen Jahr gab es den Angaben zufolge sechs solcher Straftaten. Als Gewalttaten werden dabei sowohl Körperverletzungen als auch Sachbeschädigungen gewertet.
Albert sagte, nachdem das Saarland im Jahr 2004 unter Heranziehung der Einwohnerzahlen im Vergleich der 16 Bundesländer an neunter Stelle bei der Zahl rechtsextremer Gewalttaten gelegen habe, könnte es in diesem Jahr einen unrühmlichen “Spitzenplatz” belegen. Von den zwölf rechtsextrem motivierten Gewalttaten in diesem Jahr seien allein vier auf Konfrontationen zwischen Rechts- und Linksextremisten zurückzuführen.
Wie Albert mitteilte, versuchen Rechtsextreme im Saarland verstärkt, durch jugendgerechtes Auftreten neue Anhänger unter Minderjährigen zu rekrutieren. So wollten NPD, Skinheads und Kameradschafter im Bundestagswahlkampf “Schulhof-CDs” mit rechtsextremer Musik verteilen. In Schwalbach habe ein Verein, hinter dem sich die Skinhead-Szene verberge, Räumlichkeiten angemietet, um Jugendlichen rechtsextrem beeinflusste Freizeitangebote zu unterbreiten. Die NPD habe bei der Saar-Landtagswahl unter den 18- bis 24-Jährigen elf Prozent der Stimmen erreicht. Innerhalb der gewaltbereiten rechten Szene im Land sei das Potenzial der politisch-ideologisch gefestigten Neonazis bis Ende 2004 im Vergleich zum Vorjahr um 25 Prozent auf 35 Personen angewachsen. Albert glaubt, dass dies auf die “aktionistische, für Jugendliche interessante Politikform” der Neonazis zum Beispiel in Form von Demonstrationen zurückzuführen ist.
Jetzt komme es darauf an, den Zulauf Jugendlicher zur rechten Szene zu stoppen, so Albert. Dazu gehöre eine verstärkte Aufklärung über Rassismus und Fremdenfeindlichkeit durch Eltern, Lehrer und Ausbilder. Diese müssten allerdings erst einmal in die Lage versetzt werden, Anzeichen einer rechtsextremen Beeinflussung von Jugendlichen in Form einer bestimmten Kleidung, Musik oder von Computerspielen zu erkennen. Den Schwerpunkt sollte man bei der Prävention in Haupt‑, Real- und Berufsschulen setzen, riet der Verfassungsschützer. Nötig sei auch eine gezielte Förderung der Vereinsarbeit. Dadurch könnten Jugendliche verschiedener Nationalitäten über Freizeitaktivitäten ein Zusammengehörigkeitsgefühl entwickeln. Sie könnten zugleich durch das Engagement im Verein ein Gefühl der Anerkennung und Geborgenheit finden, das ihnen rechtsextreme Cliquen vordergründig ebenfalls vermittelten.
Am frühen Sonntagmorgen schlugen laut Polizei rund 30 Randalierer auf dem St. Johanner Markt in Saarbrücken aufeinander ein. An der Schlägerei seien auch Rechtsextremisten beteiligt gewesen, die zuvor ein NPD-Konzert in Fechingen besucht hätten.
Saarbrücker Zeitung, 08.08.2005 — 30 Randalierer prügeln aufeinander los: Rechte und Obdachlose im Clinch
Alkohol bei Massenschlägerei in Saarbrücken im Spiel Saarbrücken.
Sonntagmorgen, 2.40 Uhr: Die Polizei eilt mit einem Großaufgebot zum St. Johanner Markt. Dort schlagen bis zu 30 Randalierer aufeinander ein. Bierflaschen und ‑krüge fliegen durch die Luft. Auch die Hundestaffel kommt zum Einsatz. Etwa eine Stunde dauert es, bis die Polizei die zumeist angetrunkenen Schläger auseinandergetrieben hat. Die Bilanz: Platzwunden, Abschürfungen, Prellungen. Die Beteiligten kommen unter anderem aus Saarbrücken, Homburg und Saarlouis. Wie die Polizei gestern Abend mitteilte, waren in die Schlägerei auch einige Rechtsextremisten verwickelt, die zuvor an einem von der NPD organisierten “Rechts-Rock-Konzert” in Saarbrücken-Fechingen teilgenommen hatten. Sie lieferten sich nach Polizeierkenntnissen mit Obdachlosen und zunächst Unbeteiligten eine Massenkeilerei. Die Beteiligten an der Auseinandersetzung seien teilweise stark alkoholisiert gewesen und hätten ein “erstaunlich hohes Maß an Gewalt” an den Tag gelegt. Ein Polizeisprecher: “Die Zeugen machen es uns nicht einfach. Sie haben nicht viel zu dem Vorfall gesagt. Und alle wollen sich ihre Verletzungen nicht bei dieser Massenschlägerei zugezogen haben.”
Schon gegen zwei Uhr hatte es eine erste Schlägerei in der Bahnhofstraße gegeben: Zwei leicht alkoholisierte Beteiligte wurden vorläufig festgenommen. Bei den Opfern wurden Knochenbrüche im Gesicht und eine Prellung der Wirbelsäule festgestellt.
20cent, 08.08.2005 — Polizei: Massenhysterie auf dem St.Johanner Markt
Saarbrücken. Nächtliche Massenschlägerei auf dem St.Johanner Markt: Gleich mehrere Notrufe gehen gegen 2.40 Uhr in der Nacht zum Sonntag bei der Polizei ein.
Beamte eilen mit einem Großaufgebot zum Tatort. Dort schlagen bis zu 30 Randalierer aufeinander ein. Bierflaschen und ‑krüge fliegen durch die Luft. Ordnungshüter berichten: Sogar Besucher des ganz in der Nähe gerade zu Ende gehenden Saar-Spektakels, die just in diesem Moment den Platz passieren, werden attackiert.
Mit einem Großaufgebot muss die Polizei die hysterische Menschenmenge in Zaum halten. Auch die Hundestaffel kommt zum Einsatz. Etwa eine Stunde dauert es, bis die Polizei die zumeist besoffenen Schläger auseinandergetrieben hat. Die Bilanz: zig Platzwunden, Abschürfungen und Prellungen. Festgenommen wird keiner, aber die Polizei notiert sich die Namen von etlichen Beteiligten. Sie kommen unter anderem aus Saarbrücken, Homburg und Saarlouis.
Thomas Kolz (48), Hauptkommissar bei der Polizeiinspektion St.Johann: “Was der genaue Auslöser war, müssen wir noch ermitteln. Aber sicherlich war viel Alkohol im Spiel.” Bisher ist nur bekannt: Es droschen Vertreter rechts- und linksextremer Gruppen aufeinander ein. Aber auch Obdachlose waren in die Schlägerei verwickelt. Kolz: “Die Zeugen machen es uns nicht einfach. Sie haben nicht viel zu dem Vorfall gesagt. Und alle wollen sich ihre Verletzungen nicht bei dieser Massenschlägerei zugezogen haben.”
Das Bildungs- und Forschungswerk (BIFOR) Saar-Lor-Lux vermutet Rechtsradikale aus Fechingen hinter dem Auslöser der Keilerei. Sie seien am Samstag bundesweit zum Rechtsrock-Konzert Wir rocken den Reichstag — NPD in den Bundestag! angereist. BIFOR-Mitarbeiter Ulli Clemens (29): “Von dort sind Rechte nach Saarbrücken gefahren.”
Die Polizeibezirksinspektion Brebach sieht keinen Zusammenhang. Kommissar Robert Hauer (49): “Es stimmt, dass die NPD Saar eine Wahlkampfkundgebung und Kulturveranstaltung mit rund 200 Besuchern angekündigt hat. Aber das hatte keine Außenwirkung.” Matthias Zimmermann
Saar-Echo, 07.08.2005 — Staatsanwalte und Innenministerium schweigen: Hunderte von Neonazis tummeln sich in Saarbrücken — Brutale Übergriffe von Rechtsradikalen nach Rechtsrockkonzert / Plötzlich waren’s Obdachlose und Randgruppen
Saarbrücken. In der Nacht zum heutigen Sonntag trugen sich in der Innenstadt von Saarbrücken mehrere Schlägereien zu. In einem Fall schlugen gegen 2 Uhr drei Täter einen Mann in der Fußgängerzone Bahnhofstraße brutal zusammen. Der Mann wurde mit Brüchen und einer Wirbelsäulenverletzung in die Winterbergklinik eingeliefert. Die Schläger wurden nach Abschluß der Ermittlungen auf freien Fuß gesetzt. Im Polizeibericht ist nicht vermerkt, ob es sich um die Tat von Rechtsradikalen handeln könnte.
Eindeutig neonazistischen Hintergrund hatte indes eine kurz darauf auf dem St. Johanner Markt stattfindende Massenschlägerei, die im offiziellen Polizeibericht an die Medien recht unscharf als Schlägerei zwischen Rechten, Linken, Randständigen, Obdachlosen und Saarspektakel-Besuchern dargestellt wird. Im Polizeibericht heißt es unter anderem:
Gegen 2.40 Uhr gingen bei der Polizei mehrere Notrufe ein, wonach sich am St. Johanner Markt eine größere Menschenmenge eine Schlägerei liefere. Durch die Einsatzkräfte wurde festgestellt, daß mehrere Gruppierungen (hier: rechte Szene, linke Szene, Obdachlosen- bzw. Randständigen-Szene) in eine handfeste Schlägereien verwickelt waren. Auch unbeteiligte Besucher des Saarspektakels seien betroffen und auch Flaschen und Bierkrüge wurden geworfen. Es herrschte totale Massenhysterie, und die Situation drohte zu eskalieren, weshalb weitere Unterstützungskräfte angefordert wurden. Im Rahmen der folgenden Ermittlungen wurde feststellt, daß Personen der „rechten Szene” und eine Gruppe „Skinheads”, die alle alkoholisiert waren, aufeinandergetroffen waren. Hierbei sind auch A‑typische (? – Die Red.) Ausrufe der rechten Szene gefallen; diese konnten jedoch niemandem zugeordnet werden. Während dieser Auseinandersetzung wurden unbeteiligte Festbesucher ebenfalls angegangen, woraufhin dann die Flaschen und Bierkrüge geworfen wurden. Auch die ermittelnden Polizeibeamten wurden immer wieder von den unterschiedlichen Gruppierungen angegangen und gestört. Auch eine Gruppe von Obdachlosen bzw. randständigen Personen hat sich an Straftaten, insbesondere gegen Polizeibeamte, beteiligt. Durch die starken Polizeikräfte (20 Beamte) konnte dann die Lage entschärft werden. Derzeit laufen noch die Ermittlungen; Strafanzeigen unter anderem wegen Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, Landfriedensbruch, Widerstand gegen Polizeibeamte, Körperverletzung und Beleidigung von Polizeibeamten.
Soweit die Polizeimitteilung. Deutlicher die Medienmitteilung von BIFOR, die dem SAAR-ECHO vorliegt. Da heißt es:
Nach Ansicht des BIFOR Bildungs- & Forschungswerk Saar-Lor-Lux stehen die Übergriffe von Neonazis in den Morgenstunden des heutigen Sonntags auf dem St. Johanner Markt in Saarbrücken im Zusammenhang mit einer NPD-Wahlkampfveranstaltung, die am gestrigen Abend in Saarbrücken stattgefunden hat. Mehrere hundert Neonazis, darunter auch zahlreiche rechte Skinheads aus dem gesamten Bundesgebiet, waren gestern zu einem Rechtsrockkonzert der NPD nach Saarbrücken gereist.
Das Konzertprogramm, welches u.a. von den Freien Kameradschaften wie etwa der „Kameradschaft Saarlautern“ aus Saarlouis beworben worden war, war mit internationalen Neonazibands besetzt. Angekündigt waren SKD (Thüringen), Selbststeller (Riesa), Lemovice (Frankreich), Calslagen (Black Metall aus den Niederlande), Brigade M (Niederlande) und Hauptkampflinie – HKL. Die Schirmherrschaft der Veranstaltung hatte der sächsische NPD- Landtagsabgeordnete Klaus Menzel inne. Die Veranstaltung, die unter dem Motto „Wir rocken den Reichstag — NPD in den Bundestag!“ stattfand, stellt den Versuch dar, das militante Neonazispektrum, insbesondere jenes der „Freien Kameradschaften“, enger an die Partei zu binden und Aktivisten für den anstehenden NPD-Bundestagswahlkampf zu gewinnen.
Dass die Neonazis für ihre Großveranstaltungen das Saarland als Veranstaltungsort auswählen, ist kein Zufall. Innerhalb der Neonaziszene hat das Saarland den Ruf, dass sich hier ohne größere Proteste und polizeiliche Repressalien Großveranstaltungen durchführen lassen. Auch die gestrige Veranstaltung wurde nach Meinung von BIFOR von polizeilicher Seite vollkommen unterschätzt. Das Saarland, insbesondere der Stadtverband Saarbrücken, war in den vergangenen Jahren immer wieder Schauplatz bundes- und europaweiter Neonazitreffen. Auch bei den Versuchen der europäischen radikalen Rechten, sich zu einem europäischen Netzwerk einer „Nationalistischen Front“ zu konstituieren, spielt das Saarland eine herausragende Rolle. Mit der jährlich in Saarbrücken stattfindenden NPD-Sommerakademie verfügt die europäische Rechte über einen ungestörten Tagungs- und Veranstaltungsort. Mit dem gestrigen Rechtsrockkonzert hat diese Entwicklung jedoch einen weiteren qualitativen Sprung erlebt.
Wie bis zu 500, zumeist militante Neonazis ungestört zu einem Rechtsrockkonzert in Saarbrücken anreisen und einzelne Gruppen anschließend Jagd auf Menschen in der Saarbrücker Innenstadt veranstalten können, ist eine Frage, die wohl die Innenministerin beantworten können sollte. Das Gefahrenpotential war jedenfalls absehbar — zumal die gestrigen Neonazibands zum Teil offen zur Gewalt aufrufen. Zitat einer Textzeile der Band HKL: ”Und dann kommen sie in Scharen, Idiotenvolk mit bunten Haaren — Denn nur im Rudel sind sie mutig — Allein kriegen sie die Nase blutig” (Hauptkampflinie: Rücken zur Wand, 1997).
In diesem Zusammenhang ist es geradezu skandalös, daß bis zu unserer Veröffentlichung am Sonntag gegen 17 Uhr keine Stellungnahme und Bewertung durch die Staatsanwaltschaft Saarbrücken vorlag – jedenfalls nicht der Online-Zeitung SAAR-ECHO. Von daher kann man zumindest annehmen, daß die Ermittlungsbehörde die Polizei allein im Regen stehen läßt. Und auch vom Innenministerium war nichts zu vernehmen. Gerade von diesen Stellen hat die Öffentlichkeit eindeutige Informationen zu erwarten, zumal inzwischen die Staatsanwaltschaft Saarbrücken – sie ist für das Saarland zuständig – im Verdacht steht, auf dem rechten Auge blind zu sein. Das Bildungswerk BIFOR dehnt diesen Verdacht gar auf die Polizei des Landes und auf andere Behörden aus. Es scheint an der Zeit, daß der im saarlandweiten Richterverein – Vorsitzender ist der „öffentlichkeitsarbeitende“ Oberstaatsanwalt Raimund Weyand – als Mitglied fungierende Ministerpräsident Peter Müller die Dinge an sich zieht und für eine offizielle Überprüfung der Organe unserer Rechtspflege sorgt. Das scheint im Saarland dringend notwendig.