60 Jahre Bombardierung von Saarbrücken
Schon Anfang dieses Jahres begann die “Saarbrücker Zeitung” mit ihrer Suche nach Zeitzeugen der Bombardierung Saarbrückens 1944, um dann rechtzeitig zum Jahrestag die rührseligen Berichte ebenjener präsentieren zu können. Es wird gejammert, wie schlimm es damals doch war, als die Bombenteppiche der Royal Air Force auf Saarbrücken niedergingen. Und erst die Zeit danach, ausgebombt, in den Trümmern…
Die Schrecken des Bombenkrieges sollen also noch einmal hervorgeholt und ins kollektive Gedächtnis der deutschen Volksgemeinschaft gebrannt werden. Eine Scheindebatte, wie auch schon zu der Bombardierung Dresdens, wird inszeniert: “waren diese Bombenangriffe in dieser Art überhaupt nötig?” An einer ernsthaften Diskussion dieser Frage besteht jedoch kein Interesse, denn die Frage einfach in den Raum geworfen erfüllt schon ihre Aufgabe: Aus deutschen Tätern werden Opfer.
Unter den Tisch fallen werden die zehntausende Angehörigen der alliierten Luftstreitkräfte die bei ihren Einsätzen getötet wurden. Dass nicht diesen Opfern gedacht wird, sondern dem deutschen Täterkollektiv ist bezeichnend. Auch ist kein Ton der Trauer oder Empörung von deutscher Seite zu hören, wenn sich die Tage der Bombardierung von Städten wie Guernica, Rotterdam, Warschau, London oder Coventry durch die deutsche Luftwaffe jähren. Auch die Tatsache, dass im 2. Weltkrieg über 50 Millionen Menschen ihr Leben gelassen haben, scheint für das deutsche Kollektiv aus halluzinierten Opfern nicht weiter von Interesse zu sein.
Aber auch die Bezeichnung “Bombenkrieg” an sich spricht schon Bände. Die Bombardierung deutscher Städte wird aus dem übrigen Kriegsgeschehen einfach herausgenommen, aus jeglichem Kontext gerissen und als verbrecherisch abgeurteilt. Kein Ton ist zu hören von den Kriegsverbrechen der deutschen Wehrmacht, den Massenmord an den europäischen Juden, kein Ton von den Gräueln, welche die SS über ganz Europa gebracht hat. In diesem Kontext verwundert auch nicht der folgende Text, der auf einer Saarbrücker Internetseite unter der Überschrift “Die Geschichte von Burbach” zu finden ist und welcher den 5. Oktober 1944 zum Gegenstand hat: “Ein schwarzer Tag, der englische Luftmarschall Arthur Harris (genannt Bomber — Harris) hatte für die Nacht zum 6. Oktober 1944 einen Doppelangriff seiner Luftflotte auf Saarbrücken befohlen.”
Die Saarabstimmung, bei der die Saarländer 1935 mit 90,76% der Stimmen den Anschluss an Nazideutschland durchsetzten sucht man auf der Homepage allerdings ebenso vergeblich wie die Inbetriebnahme des Gestapolagers “Goldene Bremm” in Saarbrücken. Die Ausblendung von Kriegsursachen, und das Ausmaß an Kooperation der Bevölkerung mit den organisierten Vernichtungsakteuren sind auch hier Programm.
Während Städte wie Saarbrücken erst jetzt in größerem Stil ihre eigenen Bombardierungen ausbreiten und anprangern, gab es die Gedenkveranstaltungen anlässlich der Bombardierung Dresdens, welche für den deutschen Opfermythos schon immer von besonderer Bedeutung war, schon ab 1946. Zu Zeiten des Kalten Krieges wurden diese Gedenkveranstaltungen in der DDR in erster Linie gegen die Westalliierten instrumentalisiert. Eine neue Qualität wurde allerdings mit der Wiedervereinigung Deutschlands erreicht. Mit dem Fall der Mauer, welche auch als sichtbares Symbol die deutsche Schuld aufzeigte, stieg das deutsche Selbstbewusstsein schlagartig an. Seitdem wird wieder fleißig an der kollektiven deutschen Identitätsbildung gearbeitet. In genau diesem Kontext ist auch die “Diskussion” um den so genannten Bombenkrieg zu sehen. Der nicht zu leugnenden deutschen Schuld soll eine Erfahrung deutschen Leids zur Seite gestellt werden. Hierdurch soll die Inkompatibilität der unterschiedlichen Erinnerungen von Opfern und Tätern des Nationalsozialismus negiert werden. Ziel ist die Erzeugung einer pluralen Erinnerungskultur, die das Gedächtnis von Opfern und Tätern gleichstellt. Der Weltöffentlichkeit präsentiert man sich als Bombenopfer, Vertriebener oder traumatisierter Wehrmachtssoldat und somit als Leidtragender des Nationalsozialismus. Dieses Unterfangen wird durch die deutsche Dominanz der Medienlandschaft in Ländern wie Polen, Tschechien und Kroatien erheblich erleichtert. Deutsche Positionen und Ideologien sind ohne weiteres exportfähig.
Jahr für Jahr wird in deutschen Städten an den jeweiligen Jahrestagen der Bombardierungen ein Stück weiter am nationalen Mythos gebastelt. Den alliierten Streitkräften wird vorgeworfen (ebenfalls) unnötige Verbrechen begangen zu haben. Auf diese Weise wird eine alliierte Schuld konstruiert, die die Singularität der deutschen Schuld negieren soll. Auf zynische Weise wird den Alliierten vorgeworfen, dass sie sich nicht ihre Bodentruppen aufgerieben haben, sondern stattdessen mit dem so genannten “moral bombing” versucht haben den Durchhaltewillen der Deutschen zu brechen und den Krieg schnellst möglich zu beenden. Ausgeblendet werden jegliche Ursachen, die die Bombardements der Städte haben nötig werden lassen. Dass es die Deutschen waren, die “bis zum letzten Blutstropfen” kämpfen wollten, obwohl der Ausgang des Krieges schon lange klar war, wird in diesem Kontext gerne verschwiegen, ebenso wie die Tatsache, dass durch die Zerstörung der nationalsozialistischen Infrastruktur einige, wenn leider auch nicht allzu viele, Verfolgte der deutschen Vernichtungspraxis entkommen konnten.
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