Flugblatt zum diesjährigen Ostermarsch in Saarbrücken

Am Oster­sam­stag, 23. April 2011 fand in Saar­brück­en der alljährliche Oster­marsch unter dem diesjähri­gen Mot­to “Trup­pen raus aus Afghanistan — Bun­deswehr nix wie hemm” statt.

Im Fol­gen­den doku­men­tieren wir das Flug­blatt „Zwis­chen “Nix wie Hemm” und “Heim ins Reich” — Anmerkun­gen zum Saar­brück­er Oster­marsch“, welch­es sich kri­tisch mit der inhaltlichen Aus­rich­tung des Oster­marsches und dem dort aufge­trete­nen Lie­der­ma­ch­er David Rovics auseinandersetzt.

Flug­blatt „Zwis­chen “Nix wie Hemm” und “Heim ins Reich”
— Anmerkun­gen zum Saar­brück­er Ostermarsch“ 

Aufruf antifaschistischer Gruppen zur Demonstration in Ingelheim am 23.06.2007

Am Sam­stag, 23. Juni 2007, find­et in Ingel­heim am Rhein wieder eine Demon­stra­tion gegen das dort ansäs­sige Hochsicher­heits — Internierungslager, das gemein­same Abschiebge­fäng­nis von Rhein­land-Pfalz und dem Saar­land, unter dem Mot­to “Abschiebe­haft abschaf­fen — Gegen das unmen­schliche Migra­tionsregime von EU und G8” statt. Wir, antifaschis­tis­che Grup­pen und Ini­tia­tiv­en aus dem Süd­west­en der BRD, haben uns dazu entschlossen, mit einem eige­nen Aufruf zu dieser Demon­stra­tion aufzurufen.

Eines vorneweg: es war, ist und bleibt wichtig, das Sys­tem der Abschiebege­fäng­nisse in der sich gegen Migra­tionsströme auch mil­itärisch abschot­ten­den Groß­macht Europa immer wieder zu the­ma­tisieren, zu kri­tisieren und anzu­greifen. Es ist sin­nvoll, darauf hinzuweisen, was sich die Län­der der EU immer wieder Neues ein­fall­en lassen, um Anderen eine Teil­habe am europäis­chen Wohl­stand zu ver­weigern. Dabei ist die Steuerung der Migra­tionsströme längst keine Erfind­ung von EU und G8, wie der Bünd­nisaufruf sug­gerieren will, und ob es neben dem unmen­schlichen auch noch men­schliche Migra­tionsregimes geben kön­nte, darf hier gerne bezweifelt wer­den. Doch zunächst ein kurz­er Aus­flug in die jün­gere Geschichte deutsch-europäis­ch­er Migrationspolitik.

Deutsche Kon­ti­nu­itäten — Kurzgeschichte der ges­teuerten Migration
Der Arbeit­skräfte­man­gel, der der Wirtschaft im post­nazis­tis­chen Deutsch­land durch den Weg­fall der Zwangs- und Sklave­nar­beit­er und durch die Dez­imierung deutsch­er Arbeit­skraft zwis­chen Berlin und Stal­in­grad ent­standen war, musste in der neu ent­stande­nen BRD durch die Gas­tar­beit­er aufge­fan­gen wer­den. Es ist dur­chaus beze­ich­nend für die Kon­ti­nu­ität des NS in die BRD hinein, dass die Gas­tar­beit­er bei eini­gen deutschen Betrieben in den betrieb­seige­nen und ‑nahen Zwangsar­beit­er­lagern ein­quartiert wurden.

Das so genan­nte “Wirtschaftswun­der” fußte auf der von den Deutschen organ­isierten und durchge­führten Ver­nich­tungspoli­tik des NS und auf der ‘Bestra­fung’, die die deutschen Täter dafür erlei­den mussten: die mass­sive Wirtschafts­förderung durch den Mar­shall-Plan, durch den die BRD in den anti­sow­jetis­chen Block einge­fügt wer­den sollte. Nach­dem man also das “Wirtschaftswun­der” ‘geschafft’ hat­te und die BRD inter­na­tion­al wieder voll inte­gri­ert war, kon­nte man Asyl- und Aus­län­derge­setz nach und nach immer rigider gestalten.

Seit man sich 1993 in Deutsch­land mit tatkräftiger Unter­stützung des völkischen Straßen­mobs und begleit­et von ein­er von SPD bis hin zum Inter­essensver­band der deutschen Kerzenin­dus­trie getra­ge­nen Betrof­fen­heit­skaraoke mit dem ohne­hin schon aus­ge­höhlten Asylge­setz von einem wirtschaftlich äußerst unbe­que­men Relikt der Men­schen­rechterei getren­nt hat­te, wurde es fak­tisch fast unmöglich, ‘legal’ nach Deutsch­land zu migri­eren. Das bedeutet nicht, dass mit dem alten Asyl­recht alles gut war, denn auch dort wurde die Ein­reise von Flüchtlin­gen nach Deutsch­land durch unter­ge­ord­nete Geset­ze wie dem Asylver­fahren­srecht und dem Aus­län­der­recht ges­teuert und das Kon­strukt von ‘Aus­län­dern’ und ‘Inlän­dern’, das in der BRD völkisch — näm­lich als ‘Blut­srecht — begrün­det wurde und wird, in den Ver­fas­sungsrang erhoben.

Die restrik­tive Gren­zpoli­tik der europäis­chen Staat­en, Fluchtrouten im Mit­telmeer mit­tels Patrouil­lien zu Wass­er und aus der Luft kon­se­quent zu zer­schla­gen und die Flüchtlinge am erre­ichen europäis­chen Bodens zu hin­dern, endet Jahr für Jahr für mehrere tausend Flüchtlinge, die auf immer län­gere und gefährlichere Routen auswe­ichen müssen, tödlich. Die europäis­che Antwort auf die ille­gal­isierten Ein­rei­sev­er­suche sind mil­itärische Abwehrmaß­nah­men, seit August 2006 von der “Europäis­chen Agen­tur für die oper­a­tive Zusam­me­nar­beit an den Außen­gren­ze”, Fron­tex, koor­diniert und die Ein­rich­tung von Internierungslagern in Nordafri­ka zur Unterbindung der Fluchtver­suche über das Mittelmeer.

Wer es allen staatlichen Wider­stän­den zum Trotz geschafft hat, sich einen zumin­d­est vorüberge­hen­den Aufen­thalt in Deutsch­land zu erstre­it­en, find­et sich in einem repres­siv­en Kli­ma wieder: was als Traum vom besseren, men­schen­würdi­gen Leben begann, endet in der Real­ität des All­t­agsras­sis­mus der deutschen Bevölkerung und im Sys­tem von Aus­gren­zung, Schikanierung und Abschreck­ung, das die deutsche Asylpoli­tik kennze­ich­net. Grundle­gende Bedürfnisse und Bürg­er­rechte wer­den eingeschränkt oder ganz ver­wehrt: Chip­karten- und Lebens­mit­tel­marken-Sys­teme oder vorgepack­te Essenspakete machen die freie Wahl der Nahrungsmit­tel uner­schwinglich bis unmöglich, das seit 1982 beste­hende Res­i­den­zpflicht-Gesetz ver­bi­etet den Asyl­suchen­den, den Land­kreis des ihnen zugewiese­nen Wohnortes zu ver­lassen. Die Abschiebeknäste, wie der in Ingel­heim, sind nur das let­zte Glied in der Kette eines lang­wieri­gen Prozess­es von Asy­lantrag, Ablehnung,eventueller Dul­dung und Ausreisepflicht.

An die Wurzeln statt nur an die Symptome!
Dabei ist es für unsere Kri­tik völ­lig uner­he­blich, ob die in Ingel­heim Internierten, wie von den örtlichen Anti­Ra-Ini­tia­tiv­en und auch im aktuellen Bünd­nis-Aufruf immer wieder moral­isierend angeprangert wird, im juris­tis­chen Sinne “unschuldig” sind oder nicht. Die Prax­is der Abschiebge­fäng­nisse wäre nicht min­der kri­tik­würdig, säßen dort nun juris­tisch vor­be­lastete Straftäter ein, denn abgeschoben wird, wer in Europa nicht gebraucht wird, ökonomisch nicht ver­w­ert­bar ist.
Man muss sich klar machen, dass Migra­tionsregimes, also die über­staatliche Zusam­me­nar­beit staatlich­er und zivil­er Akteure zur Reg­ulierung und Steuerung von Migra­tions­be­we­gun­gen, und die damit ver­bun­dene (ver­suchte und prak­tizierte) Reg­ulierung der Migra­tions­be­we­gun­gen in ein­er nation­al­staatlich ver­fassten, kap­i­tal­is­tisch organ­isierten Welt dem Sys­tem imma­nent sind und daher strikt der kap­i­tal­is­tis­chen Logik fol­gen — wird die Ware Arbeit­skraft benötigt, müssen Arbeit­skraftbe­sitzende importiert wer­den (z.B. dies­taatlich forcierte Arbeitsmi­gra­tion in die BRD in den 1950er Jahren). Die Flüchtlinge aus den Elendsstaat­en dieser Welt, die vor Bürg­erkrieg, poli­tis­ch­er Ver­fol­gung und Per­spek­tivlosigkeit fliehen und mit der Hoff­nung auf ein besseres Leben nach Europa kom­men, stellen in den Rech­nungs­büch­ern von Wirtschaft und Poli­tik natür­lich Kosten­stellen da, die sich ein Betrieb wie ein Staat oder auch Staaten­bünd­nis nicht leis­ten will.

Es ist also naiv zu meinen, man kön­nte durch ein biss­chen moral­isierende Kla­gen und Betrof­fen­heits­gewäsch daran etwas Grundle­gen­des inner­halb der falschen Gesellschaft ändern. Dies soll jedoch keine Absage an die Flüchtlingssol­i­dar­ität sein, die den Leuten in ihren Not­la­gen konkret hil­ft sowie einen Gegen­part zu den ras­sis­tisch motivierten Aus­gren­zun­gen von Staats wegen darstellt und für viele den Unter­schied ums Ganze — näm­lich ums Leben — machen kann, dur­chaus aber eine an den hil­flosen Reformis­mus der poli­tis­chen und the­o­retis­chen Äußerun­gen von anti­ras­sis­tis­chen Gruppen.

Der nation­al­staatlich ver­fasste Kap­i­tal­is­mus will und kann auch nicht ohne Migra­tionsregimes auskom­men, da Inklu­sion und Exk­lu­sion, also das Gewähren und Ver­wehren von Teil­habe an den Glücksver­sprechen ein­er Nation, kon­sti­tu­ierende Momente des mod­er­nen Nation­al­staates sind. Forderun­gen nach men­schlicher­er Migra­tionspoli­tik unter den gegebe­nen Ver­hält­nis­sen dienen daher vielle­icht ger­ade noch der Beruhi­gung des eige­nen Gewis­sens, aber kaum dem Wun­sch nach wirk­lich­er und wirkungsvoller Verän­derung im Sinne der Frei­heit aller Menschen.

Als einziger Ausweg aus der jet­zi­gen Sit­u­a­tion bliebe daher nur eine Lösung: der Kom­mu­nis­mus als weltweite Assozi­a­tion freier Individuen.

In diesem Sinne:
Refugees wel­come, bring your families!
Für freies Fluten — für den Kommunismus!

Antifa Saar / Pro­jekt AK
AK Antifa Mainz
Antifa Koblenz
Antifa Lan­dau

Flugblatt zum 60.Jahrestag der Bombardierung Saarbrückens

60 Jahre Bom­bardierung von Saarbrücken
Schon Anfang dieses Jahres begann die “Saar­brück­er Zeitung” mit ihrer Suche nach Zeitzeu­gen der Bom­bardierung Saar­brück­ens 1944, um dann rechtzeit­ig zum Jahrestag die rührseli­gen Berichte eben­jen­er präsen­tieren zu kön­nen. Es wird gejam­mert, wie schlimm es damals doch war, als die Bomben­tep­piche der Roy­al Air Force auf Saar­brück­en niedergin­gen. Und erst die Zeit danach, aus­ge­bombt, in den Trümmern…
Die Schreck­en des Bombenkrieges sollen also noch ein­mal her­vorge­holt und ins kollek­tive Gedächt­nis der deutschen Volks­ge­mein­schaft gebran­nt wer­den. Eine Schein­de­bat­te, wie auch schon zu der Bom­bardierung Dres­dens, wird insze­niert: “waren diese Bombe­nan­griffe in dieser Art über­haupt nötig?” An ein­er ern­sthaften Diskus­sion dieser Frage beste­ht jedoch kein Inter­esse, denn die Frage ein­fach in den Raum gewor­fen erfüllt schon ihre Auf­gabe: Aus deutschen Tätern wer­den Opfer.
Unter den Tisch fall­en wer­den die zehn­tausende Ange­höri­gen der alli­ierten Luft­stre­itkräfte die bei ihren Ein­sätzen getötet wur­den. Dass nicht diesen Opfern gedacht wird, son­dern dem deutschen Täterkollek­tiv ist beze­ich­nend. Auch ist kein Ton der Trauer oder Empörung von deutsch­er Seite zu hören, wenn sich die Tage der Bom­bardierung von Städten wie Guer­ni­ca, Rot­ter­dam, Warschau, Lon­don oder Coven­try durch die deutsche Luft­waffe jähren. Auch die Tat­sache, dass im 2. Weltkrieg über 50 Mil­lio­nen Men­schen ihr Leben gelassen haben, scheint für das deutsche Kollek­tiv aus hal­luzinierten Opfern nicht weit­er von Inter­esse zu sein.
Aber auch die Beze­ich­nung “Bombenkrieg” an sich spricht schon Bände. Die Bom­bardierung deutsch­er Städte wird aus dem übri­gen Kriegs­geschehen ein­fach her­ausgenom­men, aus jeglichem Kon­text geris­sen und als ver­brecherisch abgeurteilt. Kein Ton ist zu hören von den Kriegsver­brechen der deutschen Wehrma­cht, den Massen­mord an den europäis­chen Juden, kein Ton von den Gräueln, welche die SS über ganz Europa gebracht hat. In diesem Kon­text ver­wun­dert auch nicht der fol­gende Text, der auf ein­er Saar­brück­er Inter­net­seite unter der Über­schrift “Die Geschichte von Bur­bach” zu find­en ist und welch­er den 5. Okto­ber 1944 zum Gegen­stand hat: “Ein schwarz­er Tag, der englis­che Luft­marschall Arthur Har­ris (genan­nt Bomber — Har­ris) hat­te für die Nacht zum 6. Okto­ber 1944 einen Dop­pelan­griff sein­er Luft­flotte auf Saar­brück­en befohlen.”
Die Saarab­stim­mung, bei der die Saar­län­der 1935 mit 90,76% der Stim­men den Anschluss an Nazideutsch­land durch­set­zten sucht man auf der Home­page allerd­ings eben­so verge­blich wie die Inbe­trieb­nahme des Gestap­o­lagers “Gold­ene Bremm” in Saar­brück­en. Die Aus­blendung von Krieg­sur­sachen, und das Aus­maß an Koop­er­a­tion der Bevölkerung mit den organ­isierten Ver­nich­tungsak­teuren sind auch hier Programm.

Während Städte wie Saar­brück­en erst jet­zt in größerem Stil ihre eige­nen Bom­bardierun­gen aus­bre­it­en und anprangern, gab es die Gedenkver­anstal­tun­gen anlässlich der Bom­bardierung Dres­dens, welche für den deutschen Opfermythos schon immer von beson­der­er Bedeu­tung war, schon ab 1946. Zu Zeit­en des Kalten Krieges wur­den diese Gedenkver­anstal­tun­gen in der DDR in erster Lin­ie gegen die West­al­li­ierten instru­men­tal­isiert. Eine neue Qual­ität wurde allerd­ings mit der Wiedervere­ini­gung Deutsch­lands erre­icht. Mit dem Fall der Mauer, welche auch als sicht­bares Sym­bol die deutsche Schuld aufzeigte, stieg das deutsche Selb­st­be­wusst­sein schla­gar­tig an. Seit­dem wird wieder fleißig an der kollek­tiv­en deutschen Iden­titäts­bil­dung gear­beit­et. In genau diesem Kon­text ist auch die “Diskus­sion” um den so genan­nten Bombenkrieg zu sehen. Der nicht zu leug­nen­den deutschen Schuld soll eine Erfahrung deutschen Lei­ds zur Seite gestellt wer­den. Hier­durch soll die Inkom­pat­i­bil­ität der unter­schiedlichen Erin­nerun­gen von Opfern und Tätern des Nation­al­sozial­is­mus negiert wer­den. Ziel ist die Erzeu­gung ein­er plu­ralen Erin­nerungskul­tur, die das Gedächt­nis von Opfern und Tätern gle­ich­stellt. Der Weltöf­fentlichkeit präsen­tiert man sich als Bombenopfer, Ver­trieben­er oder trau­ma­tisiert­er Wehrma­chtssol­dat und somit als Lei­d­tra­gen­der des Nation­al­sozial­is­mus. Dieses Unter­fan­gen wird durch die deutsche Dom­i­nanz der Medi­en­land­schaft in Län­dern wie Polen, Tschechien und Kroa­t­ien erhe­blich erle­ichtert. Deutsche Posi­tio­nen und Ide­olo­gien sind ohne weit­eres exportfähig.

Jahr für Jahr wird in deutschen Städten an den jew­eili­gen Jahresta­gen der Bom­bardierun­gen ein Stück weit­er am nationalen Mythos gebastelt. Den alli­ierten Stre­itkräften wird vorge­wor­fen (eben­falls) unnötige Ver­brechen began­gen zu haben. Auf diese Weise wird eine alli­ierte Schuld kon­stru­iert, die die Sin­gu­lar­ität der deutschen Schuld negieren soll. Auf zynis­che Weise wird den Alli­ierten vorge­wor­fen, dass sie sich nicht ihre Boden­trup­pen aufgerieben haben, son­dern stattdessen mit dem so genan­nten “moral bomb­ing” ver­sucht haben den Durch­hal­tewil­len der Deutschen zu brechen und den Krieg schnellst möglich zu been­den. Aus­ge­blendet wer­den jegliche Ursachen, die die Bom­barde­ments der Städte haben nötig wer­den lassen. Dass es die Deutschen waren, die “bis zum let­zten Blut­stropfen” kämpfen woll­ten, obwohl der Aus­gang des Krieges schon lange klar war, wird in diesem Kon­text gerne ver­schwiegen, eben­so wie die Tat­sache, dass durch die Zer­störung der nation­al­sozial­is­tis­chen Infra­struk­tur einige, wenn lei­der auch nicht allzu viele, Ver­fol­gte der deutschen Ver­nich­tung­sprax­is entkom­men konnten.

KONTAKT: www.antifa-saar.de.vu
e‑mail: antifasaar@yahoo.de

Flugblatt “Homburg, Nazis, deutsche Zustände” — 26.März 2005

Am späten Abend des 18.März 2005 wur­den in der Nähe des Hom­burg­er Jugendzen­trums ins­ge­samt 3 Jugendliche von Neon­azis ange­grif­f­en. Ein junger Mann wurde von den bewaffneten Nazis kranken­haus­reif geschla­gen, 2 junge Frauen wur­den gezwun­gen, ihre T‑Shirts mit dem Auf­druck “Gegen Nazis” auszuziehen. Die T‑Shirts wur­den ver­bran­nt, die Frauen wur­den sex­uell belästigt und bedroht.

Deutsche Zustände
Über­griffe wie diese stellen in Deutsch­land schon lange keine Aus­nahme mehr da, sie sind im Gegen­teil eher die Regel. Im Osten Deutsch­lands befind­en sich ganze Dör­fer und Stadt­teile unter der Hege­monie neon­azis­tis­ch­er Grup­pen, und auch im West­en wer­den täglich Men­schen beschimpft, bedro­ht, kör­per­lich ange­grif­f­en und schw­er ver­let­zt. Mit den Worten “Das ist mein Land! Hier habe ich das Recht!” grif­f­en die 6 Hom­burg­er Neon­azis am ver­gan­genen Woch­enende die BesucherIn­nen des Jugendzen­trums an und führten aus, wozu sie sich verpflichtet glaubten: die physis­che Bekämp­fung und Vertrei­bung von Men­schen, die in ihren Augen “undeutsch” und damit Men­schen sind, denen sie das Recht auf Leben und kör­per­liche Unversehrtheit absprechen dür­fen. Opfer solch­er Über­griffe sind oft­mals jüdis­che und dunkel­häutige Men­schen, Sin­ti, Roma, Homo­sex­uelle, Linke oder — wie in Hom­burg — Jugendliche, die sich der Unterord­nung in eine deutsche “Schick­sals­ge­mein­schaft” bewusst ver­sagen und darauf scheißen, deutsch zu sein.
Wer vor einem solchen ide­ol­o­gis­chen Hin­ter­grund han­delt, hat auch keine Hem­mungen davor, Men­schen umzubrin­gen. Erin­nert sei an Samuel Yeboah, Flüchtling aus Ghana, der vor 13 Jahren bei einem Bran­dan­schlag auf eine Asyl­be­wer­berun­terkun­ft in Saar­louis ermordet wurde. Erin­nert sei auch an Ahmed Sar­lak, der im August 2002 auf dem Sulzbach­er Salzbrun­nen­fest im Alter von 19 Jahren von einem stadt­bekan­nten Neon­azi erstochen wurde. Ein Mord übri­gens, der in kein­er Sta­tis­tik über recht­sradikale Gewalt­tat­en auf­taucht: das Gericht kon­nte oder wollte keinen frem­den­feindlichen Hin­ter­grund erken­nen und ver­buchte den Fall schließlich als Kirmess­chlägerei. Die Zahl der Opfer neon­azis­tis­ch­er Gewalt­tat­en dürfte um ein Vielfach­es höher liegen, als es die Krim­i­nal­itätssta­tis­tiken und die Ver­laut­barun­gen der Ver­fas­sungss­chutz-Ämter angeben.
Über­fälle wie der vom 18.März in Hom­burg gehören 2005 schon lange zum All­t­ag in der BRD. Längst fol­gt nicht mehr auf jeden Über­griff eine Demon­stra­tion, und längst haben sich viele Men­schen mit den Real­itäten in diesem Land abge­fun­den. Heute zog ein solch­er Über­fall wieder eine Demon­stra­tion nach sich, und wir sind froh, dass so viele Men­schen aus den unter­schiedlich­sten gesellschaftlichen Grup­pen unser Anliegen unter­stützen. Keines­falls in unserem Inter­esse läge es jedoch, wenn es am Mon­tag nach der Demon­stra­tion aus dem spär­lich bewach­se­nen saar­ländis­chen Blät­ter­wald schallen würde: “Hom­burg set­zt Zeichen gegen Neon­azis — alles wieder gut”. Wir sind kein Teil von Ger­hard Schröders lau­thals verkün­de­tem “Auf­s­tand der Anständi­gen”, der toll klingt und doch nur dazu da ist, aus­ländis­che Inve­storen und Jour­nal­is­ten davon zu überzeu­gen, dass es hier halt doch nicht so schlimm sei. Wir wer­den niemals vergessen, wo die Nazis herka­men und wo sie heute immer noch und ver­stärkt wieder auftreten.

NS-Struk­turen zerschlagen!
Während Über­griffe von Neon­azis oft und gerne mit zuviel Alko­hol, Frus­tra­tion und Per­spek­tivlosigkeit herun­terge­spielt wer­den, zeich­net die Real­ität ein anderes Bild. Die Täter sind oft­mals unter den organ­isierten Neon­azis — zum einen die Salon­faschis­ten der NPD, zum anderen die mil­i­tan­ten Neon­azis, die sich in soge­nan­nten “Freien Kam­er­ad­schaften” organ­isiert haben — oder in deren Umfeld zu find­en. Im Saar­land beste­ht mit der ehe­ma­li­gen “Kam­er­ad­schaft Saar­lautern” aus Saar­louis, die sich in der ver­gan­genen Woche aus juris­tisch-tak­tis­chen Grün­den für aufgelöst erk­lärt hat, eine der aktivsten Neon­azi­grup­pen im süd­west­deutschen Raum. Als fed­er­führende Gruppe im “Aktions­büro Saar”, einem Zusam­men­schluss von Neon­azikam­er­ad­schaften aus Saar­louis, Köller­tal, Saar­brück­en, Hom­burg und Neunkirchen, organ­isieren die Saar­louis­er Neon­azis vor allem Aufmärsche im Saar­land, Rhein­land-Pfalz bis nach Hes­sen und fungieren bei Neon­azikonz­erten als Saalschutz.
Zwis­chen mil­i­tan­ten Kam­er­ad­schaften und demokratis­chen Nazi-Parteien wie der NPD beste­hen feste Verbindun­gen und eine regelmäßige Zusam­me­nar­beit, die sich für die Öffentlichkeit wahrnehm­bar z.B. in gemein­samen Demon­stra­tio­nen (August 2004 in Völk­lin­gen) und Ver­anstal­tun­gen (Jan­u­ar 2005 in Fechin­gen) äußert. Offen propagiertes Ziel dieser Grup­pierun­gen, ganz egal ob partei­los oder ‑gebun­den, ist die Wieder­errich­tung eines nation­al­sozial­is­tis­chen Sys­tems. Gehör find­en diese Ideen in einem immer größeren Teil der Bevölkerung, der die NPD im let­zten Jahr in den Völk­linger Stad­trat und in zwei Saar­brück­er Bezirk­sräte wählte. Diese Men­schen wählten die NPD nicht obwohl , son­dern eben weil es Nazis sind.

Deutsche Ide­olo­gie angreifen!
5000 Neon­azis marschierten vor weni­gen Wochen durch Dres­den, um den deutschen Opfern der Bom­bardierung der Stadt zu gedenken. Tausende Dres­d­ner Bürg­er tat­en im Grunde genom­men das Gle­iche, auch wenn sie sich von den Nazis erst mal dis­tanzierten. Bun­deskan­zler Schröder erk­lärte zu diesem Tag, bezo­gen auf die NPD: “Geschichtliche Zusam­men­hänge wer­den ver­fälscht, die Schuld und Ver­ant­wor­tung, die Nazi-Deutsch­land für den Aus­bruch des zweit­en Weltkriegs, für Ver­nich­tung und Ter­ror hat­te, wird gar geleugnet.” Da hat er Recht. Aber wenige Sätze später ging es dann weit­er “Brück­en bauen, Ver­söh­nung leben — das ist die Botschaft des 13. Feb­ru­ar eine Botschaft die in Dres­den eben­so ver­standen wird wie in Coven­try, Guer­ni­ca und anderen Orten, die Opfer des Krieges wur­den”. Die NS-Stadt Dres­den also in ein­er Rei­he mit den­jeni­gen Städten, die Opfer der deutschen Angriff­skriege wur­den. Der Zeitungsredak­teur Her­mann Grem­l­iza stellte daraufhin in ein­er sein­er Kolum­nen die berechtigte Frage: “Waren die Bewohn­er Coven­trys und Guer­ni­cas Mit­glieder und Wäh­ler ein­er Partei, die die sich die Ver­nich­tung der Juden, der Kom­mu­nis­ten, der Sin­ti und Roma, der Homo­sex­uellen, der Behin­derten auf die Fah­nen geschrieben hat? Haben auch sie sich an dem Ver­mö­gen der vor ihren Augen abge­holten Nach­barn bere­ichert, dem ober­sten Mörder zwölf Jahre lang “Wir wollen unsern Führer sehn” zugerufen und auf die Frage, ob sie den total­en Krieg woll­ten Ja! gebrüllt? Gar auf die Nach­frage “Wollt ihr ihn, wenn nötig, totaler und radikaler, als wir ihn uns heute über­haupt noch vorstellen kön­nen?” noch lauter? Wur­den sie deshalb Opfer ein und des­sel­ben Täters “der Unmen­schlichkeit des Krieges” ?” (Konkret März 2005)
Wenn solche Rel­a­tivierun­gen zur Mehrheitsmei­n­ung wer­den, schaf­fen sie ein gesellschaftlich­es Kli­ma, das gewalt­same Über­griffe auf für anders erachtete Men­schen her­vor­ruft. Diese Täter-Opfer-Ver­drehung, wie sie seit eini­gen Jahren von deutschen His­torik­ern wie Gui­do Knopp oder dem Autor Jörg Friedrich massen­wirk­sam aufgear­beit­et wird, legit­imiert die Tat­en neon­azis­tis­ch­er Schläger wie hier in Hom­burg, denn wer sich selb­st als Opfer sieht, nimmt sich das Recht, sich gegen die, die man als Schuldige aus­macht, zu wehren. Mit dem Wis­sen im Rück­en, die Mei­n­ung viel­er tatkräftig auszuführen, macht sich die deutsche Jugend auch hier in Hom­burg auf, die Straßen von all dem zu säu­bern, was ihnen nicht deutsch genug erscheint.
Opfer der­sel­ben Ide­olo­gie, allerd­ings durch staatliche Hand, wer­den Men­schen, die aus den ver­schieden­sten Grün­den — poli­tis­che und sex­uelle Ver­fol­gung, Armut, dem Wun­sch nach einem besseren Leben etc. — nach Deutsch­land fliehen. Geduldet wer­den mit­tler­weile die aller­wenig­sten, für die meis­ten heißt es oft schon nach der Ankun­ft: Abschiebung! Oder wie es im so bürokra­ten­deutsch heißt: “Rück­führun­gen ins Heimat­land”. Sie sind an der Tage­sor­d­nung in dieser Repub­lik. Jährlich wer­den Tausende aus ihrem gewohn­ten Leben­sum­feld geris­sen, zum Frank­furter Flughafen ver­frachtet und in ihr ange­blich­es Heimat­land gebracht. Auch dann, wenn sie hier geboren wur­den und die Sprache des Lan­des, in das sie “rück­ge­führt” wer­den, gar nicht sprechen kön­nen. Auch hier­für gibt es Beispiele. Das bekan­nteste Beispiel im Saar­land ist wohl immer noch die Fam­i­lie Özdemir. Aber das ist bei weit­em nicht der let­zte Fall gewe­sen. Nur die Wenig­sten ger­at­en an die daran zum Großteil unin­ter­essierte Öffentlichkeit.

Was in Hom­burg geschehen ist, ist kein Einzelfall, der für sich alleine ste­ht. Was in Hom­burg geschehen ist, ist etwas in Deutsch­land alltäglich­es. Hom­burg ste­ht hier stel­lvertre­tend für das, was wir als “deutsche Zustände” begreifen. Diesen Zus­tand gilt es anzu­greifen. Wie, dafür haben auch wir kein Paten­trezept. Der Pub­lizist Wiglaf Droste hat ein­mal tre­f­fend for­muliert: “Ver­baler Antifaschis­mus ist Käse. Mil­i­tant soll er sein, vor allem aber erfol­gre­ich. Wenn sich dabei her­ausstellen sollte, dass es sich gegen 50, 60, 70, 80 oder 90 Prozent des deutschen Volkes richtet, dann ist das eben so. Wo Nazis “demokratisch” gewählt wer­den kön­nen, muss man sie nicht demokratisch bekämpfen”.

Antifa Saar / Pro­jekt AK

PDF: Flug­blatt: “Hom­burg, Nazis, deutsche Zustände”

Feuerwache bleibt! Flugblatt der Antifa Saar im Oktober 2003 zur Alten Feuerwache Saarbrücken

Feuerwache bleibt!
Wer will den Brand son­st löschen?

Laut ver­schieden­er Presseartikel und Ver­laut­barun­gen der Frak­tio­nen des Saar­brück­er Stad­trats ist nun die Alte Feuerwache, das einzige alter­na­tive und selb­stver­wal­tete Poli­tik- und Kul­turzen­trum im Saar­land, ins Visi­er der Saar­brück­er Rot­s­tift-Poli­tik­erIn­nen ger­at­en. Neben anderen, zum Abschuss freigegebe­nen Pro­jek­ten und Räum­lichkeit­en soll auch diese der städtis­chen Ökonomisierung zum Opfer fall­en. Wir, die Grup­pen und Men­schen, die die Feuerwache nutzen, wollen allerd­ings an diesem gemein­samen Ort der Diskus­sion und poli­tis­chen Bil­dung, des Feierns und Zusam­menkom­mens fes­thal­ten. Dafür sind wir bere­it zu stre­it­en und zu kämpfen.

Und dann hauen wir mit dem Häm­merchen das Sparschwein … !
Es ist über­all zu hören und zu lesen: “es muß ges­part wer­den !”, “der Gür­tel gehört enger geschnallt !”. Doch die Verkün­derIn­nen dieser Botschaften bleiben uns meist eine ein­leuch­t­ende Erk­lärung schuldig. Der Kern der Spar- und Kürzungspoli­tik wurde neulich von dem Vor­sitzen­den der Jun­gen Union, Phillip Miss­felder, auf den Punkt gebracht: er schlug vor, älteren Men­schen medi­zinis­che Leis­tun­gen zu ver­weigern. Diese Aus­sage verdeut­licht, worum es der offiziellen Poli­tik geht: Men­schen wer­den darauf reduziert, ob und wie sie für die kap­i­tal­is­tis­che Gesellschaft ver­w­ert­bar sind. “Hartz — Papiere” und “Agen­da 2010” sind lediglich wohlk­lin­gen­dere Begriffe für die Durch­set­zung dieser Logik. Mit ras­an­tem Tem­po wer­den Beschlüsse gefasst wie Kranken­haus­bet­ten zu stre­ichen, Löhne zu kürzen, Arbeit­slose zu schikanieren, Flüchtlinge abzuschieben oder die medi­zinis­che Grund­ver­sorgung einzuschränken (dem­nächst vielle­icht ganz abzuschaffen).
Es ist unbe­strit­ten, dass es auf­grund der tech­nis­chen Errun­gen­schaften möglich wäre, der gesamten Men­schheit ein Leben in rel­a­tivem Wohl­stand zu sich­ern. Anstatt diese Tat­sache in den Mit­telpunkt aller Anstren­gun­gen zu stellen, wird sie ein­er öffentlichen Diskus­sion ent­zo­gen. Die durch totale Ökonomisierung bed­ingte Vere­len­dung hat in anderen Gegen­den der Erde bere­its ein viel ver­heeren­deres Aus­maß erre­icht. Kap­i­tal­is­tis­che Logik und Wirtschaft­sor­d­nung haben sich weltweit durchgesetzt.
Die Abschaf­fung sozialer Räume passt genau in diesen Kon­text. Die Alte Feuerwache und die darin wirk­enden Men­schen passen nicht in das Konzept ein­er mark­tkon­form dur­chor­gan­isierten Stadt. Die Bedürfnisse und Inter­essen der Betrof­fe­nen inter­essieren her­zlich wenig.

Our house — in the mid­dle of the street
Für viele ist die Alte Feuerwache nicht mehr aus ihrem All­t­ag wegzu­denken. Und wir wer­den dem geplanten Rauswurf aus der Feuerwache ent­ge­gen­treten, da er uns auf vielfältige Weise bet­rifft. Es geht darum poli­tis­che Entschei­dun­gen, die allein der ökonomis­chen Ver­w­er­tungslogik geschuldet sind nicht ständig und immer öfter ohn­mächtig hinzunehmen. Ob bei den Ein­schnit­ten im sozialpoli­tis­chen, gesund­heit­spoli­tis­chen oder arbeit­spoli­tis­chen Bere­ich — nir­gends ist in diesem Land rel­e­van­ter Protest oder gar Wider­stand zu verze­ich­nen. Dadurch scheint sich die Logik des Mark­tes gegenüber der Idee ein­er men­schen­würdi­gen Gesellschaft zu verewigen.
Der geplante Rauswurf bet­rifft unser poli­tis­ches Selb­stver­ständ­nis, da wir unab­hängig von staatlich insti­tu­tion­al­isierten Autoritäten unser Leben als poli­tis­che Angele­gen­heit begreifen. Emanzi­pa­torische Verän­derun­gen entwick­eln sich nicht in Absprache mit dem Staat. Sie müssen, wenn nicht anders möglich, gegen diesen durchge­set­zt werden.
Die Alte Feuerwache ist konkreter Bestandteil unseres Ver­such­es, dem vom Staat und dem Großteil der Gesellschaft (re-)präsentierten Autoritäts- und Ver­w­er­tungs­gedanken eine Alter­na­tive entgegenzusetzen.
Es bet­rifft auch den eige­nen Leben­sraum jedes Indi­vidu­ums, welch­es sein Leben mit der Alten Feuerwache in Verbindung set­zt. Sei es durch den Besuch von Ver­anstal­tun­gen, aus Inter­esse an poli­tis­chen Infor­ma­tio­nen oder des Aus­tausches über poli­tis­che oder philosophis­chen The­men wegen.

Deswe­gen sind jet­zt alle NutzerIn­nen, BesucherIn­nen und Fre­undIn­nen der Alten Feuerwache gefragt. Nervt die zuständi­gen Behör­den! Macht euer Inter­esse an der Alten Feuerwache deut­lich! Kommt zu den Tre­f­fen und über­legt euch, welchen Teil ihr zum Erhalt der Alten Feuerwache beitra­gen wollt!
Wir bleiben in der Alten Feuerwache!

Tretet mit uns in Kon­takt: Antifa Saar/Projekt AK Post­fach 103 207 66032 Saarbrücken
Tel./Fax 0681–3907240
antifasaar@yahoo.de
www.antifa-saar.de.vu

Okto­ber 2003
ANTIFA SAAR/PROJEKT AK

Seit 1982 existiert das selb­stver­wal­tete Pro­jekt “Alte Feuerwache” am Landwehrplatz in Saarbrücken.
Selb­stver­wal­tung heißt Unab­hängigkeit von staatlichen und städtis­chen Insti­tu­tio­nen, was die Inhalte der Aktiv­itäten im Haus ange­ht, genau­so wie die Regelun­gen bezüglich gemein­samer Nutzung der Räum­lichkeit­en und der Auf­nahme neuer Mitglieder.
Selb­stver­wal­tung heißt aber auch Eigen­ver­ant­wor­tung, und unter Umstän­den eine Menge Arbeit; heißt Engage­ment und Flex­i­bil­ität.
Der oppo­si­tionelle Charak­ter des Pro­jek­tes braucht die Selb­stver­wal­tung, die nicht immer und für alle selb­stver­ständlich ist.

Die Räume in der Alten Feuerwache kön­nten einen Abriß alter­na­tiv­er und link­er Geschichte der let­zten 20 Jahre in Saar­brück­en erzählen, in ihrer Nutzung und Gestal­tung spiegelt sich ein Auss­chnitt sozialer, poli­tis­ch­er und kul­tureller Verän­derun­gen. Sie beherbergten Ini­tia­tiv­en wie die Frauen-Notruf­gruppe, den VSJS, das Net­zw­erk Saar, die Fahrra­dini­tia­tive, und der große Gemein­schaft­sraum im 2. Stock heißt immer noch “Kinosaal”, weil hier in den ersten Jahren die Kinow­erk­statt ihre Filme zeigte.

Das Gebäude erlebte Zeit­en ruhiger Betrieb­samkeit und große Mobil­isierun­gen, So etwa Protestver­anstal­tun­gen der Kur­den und Kur­dinnen gegen den Krieg der türkischen Mil­itärs in Kur­dis­tan, Mobil­isierun­gen gegen die Aufmärsche und Kundge­bun­gen neo­faschis­tis­ch­er Grup­pen und unter­schiedliche Aktio­nen zu den ver­schiede­nen Kriegen der let­zten 21 Jahre.

Manche Aktiv­itäten und Vorkomm­nisse ein­ten die unter­schiedlichen Ini­tia­tiv­en. Wie die Räu­mung des beset­zten Haus­es Nas­sauer Straße 16 am 14.06.1989 und die staatliche Repres­sion gegen den Kur­dis­chen Kul­turvere­in, die die Feuerwache im Mai 1994 in die Schlagzeilen brachte, als ein Kom­man­do der GSG‑9 ein regionales Tre­f­fen des Vere­ins stürmte.

An anderen Fra­gen entzün­de­ten sich Inter­essen­skon­flik­te, so etwa am Umgang mit Drogenkonsument/innen oder der Instand­hal­tung des Hauses.

Trotz aller Prob­leme: Das Pro­jekt bietet nach wie vor eine Infra­struk­tur für soziale, poli­tis­che und kul­turelle Aktivitäten.

Der Vere­in Alter Feuer­drache e.V. ist Mit­glied in Net­zw­erk Selb­sthil­fe Saar e.V.

www.altefeuerwache.de.vu

Wer schweigt, stimmt zu… Flugblatt zum 12.Todestages von Samuel Yeboah

Wer schweigt, stimmt zu…

In der Nacht zum 19. Sep­tem­ber 1991 verübten Ras­sis­ten einen Bran­dan­schlag auf das Flüchtling­sheim in Saar­louis-Fraulautern. Dabei starb Samuel Yeboah, ein Flüchtling aus Ghana, weit­ere Men­schen wur­den schw­er verletzt.
Er war das erste Todes­opfer faschis­tis­ch­er Gewalt in West­deutsch­land nach der “Wiedervere­ini­gung”.

Und heute, 12 Jahre danach?
Noch immer sind die Täter nicht gefasst, das Ermit­tlungsver­fahren ist längst eingestellt, die Stadt Saar­louis hat kein Inter­esse an der Aufar­beitung dieses Mordes. Im Gegen­teil: Um ihren Ruf als weltof­fene Stadt zu bewahren, tut sie alles, um die Geschehnisse zu ver­tuschen und diejeni­gen, die daran erin­nern, zu krim­i­nal­isieren. So läuft gegen den Anmelder der Kundge­bung zum 10. Todestag, bei der eine Gedenk­tafel für Samuel Yeboah ans Rathaus ange­bracht wurde, noch immer ein Strafver­fahren wegen “Sachbeschädi­gung”. Die Tafel wurde noch in der gle­ichen Nacht auf Befehl von Ober­bürg­er­meis­ter Fontaine ent­fer­nt. Dieser Akt des Ver­drän­gens ist Teil des ras­sis­tis­chen Kon­sens in ein­er Gesellschaft, in welch­er die etablierte Poli­tik im Ein­klang mit dem Großteil der deutschen Bevölkerung den Schul­ter­schluss mit den faschis­tis­chen Mördern vollzieht.

Kam­er­ad­schaft Horst Wes­sel Saarlautern”
Saar­louis ist als Hochburg organ­isiert­er Neon­azis bekan­nt und berüchtigt, auch wenn die Stadt ver­sucht, dieses Prob­lem zu leug­nen und das Vorhan­den­sein ein­er neon­azis­tis­chen Szene totzuschweigen. In Saar­louis existiert jedoch eine straff organ­isierte Struk­tur mil­i­tan­ter Neon­azis, die sog. “Kam­er­ad­schaft Saar­lautern”. Diese stellt schon alleine durch ihren Namen einen direk­ten Zusam­men­hang zum Nation­al­sozial­is­mus her, da ‚Saar­lautern’ der Name der Stadt Saar­louis in Nazideutsch­land war, hinzu kommt die pos­i­tive Bezug­nahme auf den SA-Mann Horst Wessel.
Neben der aggres­siv­en Präsenz im Saar­louis­er Stadt­bild sind die Mit­glieder der Kam­er­ad­schaft durch ihre Teil­nahme an Nazi­aufmärschen auf Bun­de­sebene aktiv und ein­flussre­ich. Spätestens seit dem 05.07.2003, als etwa 100 Faschis­ten, von der Polizei geschützt, durch Saar­louis-Roden marschierten, kann nie­mand mehr die Exis­tenz ein­er aktiv­en Neon­aziszene in Saar­louis leugnen.

Ras­sis­mus kommt aus der Mitte der Gesellschaft!
Von stillschweigen­der Hin­nahme — wie bei den ver­gan­genen Nazi­aufmärschen in Saar­louis — bis hin zu Beifall und aktiv­er Teil­nahme — wie bei den Pogromen von Ros­tock-Licht­en­hagen, Mannheim-Schö­nau etc. — reichen die Reak­tio­nen der deutschen Bevölkerung. Über diese ras­sis­tis­che Grund­stim­mung kann auch das sog. Saar­louis­er “Bünd­nis gegen Rechts”, das sich vor allem durch Untätigkeit und Ver­harm­lo­sung der Zustände ausze­ich­net, nicht hin­wegtäuschen. Ras­sis­tis­che Kon­trollen, z.B. an Bahn­höfen, und gewalt­same Abschiebun­gen von Men­schen, die für das kap­i­tal­is­tis­che Sys­tem ökonomisch nicht ver­w­ert­bar sind, gehören in Deutsch­land zum All­t­ag und stoßen auf bre­ite Zustimmung.
Solche Morde sind All­t­ag in der BRD, seit der soge­nan­nten “Wiedervere­ini­gung” gab es über 100 Todes­opfer durch neo­faschis­tis­che Gewalt. Auch das Saar­land stellt hier­bei keine Aus­nahme dar: erst let­ztes Jahr, in der Nacht vom 11. auf den 12.August 2002, wurde der 19jährige Ahmed Sar­lak auf dem Sulzbach­er Salzbrun­nen­fest von dem Neon­azi Car­los Neu erstochen. Auch bei dieser Tat wurde der Hin­ter­grund zu ver­tuschen ver­sucht, das ras­sis­tis­che und frem­den­feindliche Motiv sog­ar vom Gericht geleugnet und der Mord als Dorffestschlägerei unter Jugendlichen abgetan.

Wider­stand ist notwendig!
Die ständi­gen Naz­iüber­griffe machen die drin­gende Notwendigkeit von entschlossen­em Wider­stand gegen Neon­azis und Ras­sis­ten deut­lich. Gegen­wehr gegen Angriffe von Neon­azis war und ist möglich! Hal­tet zusam­men und schaut nicht weg, wenn Faschis­ten ihre men­schen­ver­ach­t­ende Ide­olo­gie in die Öffentlichkeit tra­gen! Greift ein und schlagt zurück, wenn Men­schen von Neon­azis ange­grif­f­en oder beschimpft wer­den! Nehmt Kon­takt zu anderen AntifaschistIn­nen auf und organ­isiert euch! Gemein­sam kön­nen wir es schaf­fen, die Faschis­ten aus dem öffentlichen Raum zu drängen!

Kein Vergeben! Kein Vergessen!
Antifaschis­tis­chen Wider­stand organisieren!

Kein Frieden mit Deutschland — Flugblatt zur Friedensbewegung Sommer 2003

Kein Frieden mit Deutschland

Glaubt men­sch den Bericht­en der Massen­me­di­en, scheint die Mehrheit der Deutschen, sowie die Regierung gegen den Krieg im Irak zu sein. Hier drängt sich die Frage auf, ob diese derzeit­ige Hal­tung denn ein plöt­zlich­er Schwank zum Paz­i­fis­mus sein soll? Wohl kaum; vielmehr zeigt dies den deutschen Son­der­weg als alte, neue Groß­macht auf, denn vom Paz­i­fis­mus war 1999 bei dem Angriff­skrieg gegen Jugoslaw­ien nicht viel zu spüren. Die Ablehnung des Krieges ist Aus­druck eines neuen, nationalen Selb­st­be­wusst­sein der von Teilen der Friedens­be­we­gung mit­ge­tra­gen wird. Hier­bei ist der gesellschaftliche Diskurs über Krieg und Frieden ist in Deutsch­land geprägt von politischen/ökonomischen Kalkül und Heuchelei. Was die einen erst in der EU, dann in der ganzen Welt durchzuset­zen ver­suchen, wussten und wis­sen die anderen schon längst an ihren Stammtis­chen — “klassenüber­greifend”. Die Deutschen sind wieder wer.
Deutsch­land hat sich in und über die EU als Groß­macht etabliert. Aus­druck hier­für ist unter anderem die mil­itärische Rolle Deutsch­lands in der EU. Zu Beginn der europäis­chen Zusam­me­nar­beit wurde Deutsch­land einge­bun­den, um somit den Wieder­auf­bau nach Nazideutsch­land zu kon­trol­lieren. Die Zeit­en haben sich geän­dert. Nun führt Deutsch­land mit dem “alten Europa” das Vere­inte an.
Während Deutsch­lands Groß­macht­sam­bi­tio­nen gle­ichzeit­ig mit den realen Ein­flussmöglichkeit­en weltweit wächst, lässt die Friedens­be­we­gung von sich hören. Diese stellt sich nach außen hin als eine Ansamm­lung von unter­schiedlichen Men­schen aus ver­schiede­nen poli­tis­chen Rich­tun­gen dar. Welche Fak­toren tra­gen dazu bei, dass die Friedens­be­we­gung zumin­d­est tem­porär als ein­heitliche Gruppe erscheint? Zen­tral sind hier­bei ver­schiedene Feind­bilder, die zum einen his­torisch rekon­stru­iert aber auch durch aktuelle eurozen­tris­tisch — anti­amerikanis­che Mobil­machung geschaf­fen und repro­duziert wer­den. So kann auch die erst­ma­lige öffentliche “Aufar­beitung” der “Bomben auf Dres­den” erk­lärt werden.

Haupt­feind sind die USA, dargestellt durch abstrak­te Sym­bole, wie z.B. die amerikanis­che Flagge verse­hen mit Bomben oder Hak­enkreuzen. Es wird sich per­son­al­isiert­er Feind­bilder bedi­ent (Bush als Mar­i­onet­ten­spiel­er), statt ökonomis­che Sys­teme zu analysieren. Nicht die materielle Basis ein­er Gesellschaft ist dann Ursache von Ungerechtigkeit­en, son­dern repräsen­tierende Per­so­n­en oder Per­so­n­en­grup­pen. Die Gle­ich­set­zung “Nazideutsch­land-USA” oder “Hitler-Bush” ist Aus­druck eines unre­flek­tierten, den Nation­al­sozial­is­mus rel­a­tivieren­den, latent anti­semi­tis­chen, deutschen Revan­chis­mus. Die Argu­men­ta­tion gegen einen Krieg ist oft­mals völkisch ori­en­tiert. Genau in diesen Kon­text passen auch die Mon­tags­demos, mit Hil­fe der­er ein Zusam­men­hang hergestellt wird zwis­chen den deutschna­tionalen Demos vor der Wiedervere­ini­gung und dem Krieg gegen den Irak. Die gemein­same Aus­sage: Wir sind das Volk! Die Mehrheit der Deutschen zu repräsen­tieren wird als pos­i­tives Fak­tum propagiert. Aus­druck ein­er Kri­tik­losigkeit gegenüber “Volksgenossen” ist die Tat­sache, dass sich Teile der Friedens­be­we­gung sol­i­darisch mit der deutschen Regierung zeigen. Logis­che Kon­se­quenz ist, nicht für Frieden son­dern lediglich gegen einen US-amerikanis­chen Krieg zu sein.

Ein Haupt­merk­mal der Friedens­be­we­gung ist auch, dass deutsche Inter­essen im weltweit­en Machtkampf nicht the­ma­tisiert bzw. ver­leugnet wer­den. So wird kaum oder nur unzure­ichend the­ma­tisiert, warum sich Deutsch­land an diesem Krieg nicht beteili­gen will. Fed­er­führend sind hier­bei näm­lich wirtschaftliche und welt­macht­poli­tis­che Gründe. Wirtschaftlich, weil Deutsch­land Han­dels­beziehun­gen zum Irak pflegt, im beson­deren wäre hier­bei die Rüs­tungsin­dus­trie zu nen­nen, macht­poli­tisch, weil aktuell eine neue Wel­tord­nung gebombt wird, die nicht zum Vorteil verhilft.

Ins­ge­samt wer­den poli­tis­chen Analy­sen moralis­che Appelle vorge­zo­gen. Nicht nur von ChristIn­nen, deren Organ­i­sa­tion: die Kirche, welche in der Ver­gan­gen­heit für jeden Krieg zu haben war. Paz­i­fistis­che Hal­tun­gen verkom­men dann zur Farce, wenn lediglich medi­al auf­bere­it­ete “Gewal­tak­te” kom­men­tiert wer­den, struk­turelle und alltägliche Gewalt jedoch uner­wäh­nt bleiben.

Wir sind eben­falls gegen diesen Krieg. Dieser Krieg ist wed­er poli­tisch gerecht­fer­tigt in Bezug auf eine mögliche Verbesserung der Leben­squal­ität für die Men­schen vor Ort, nach einem kriegerisch her­bei geführten Machtwech­sel, noch wird er geführt um eine direk­te Bedro­hung Israels abzuwen­den. Die USA sind bestrebt, eine für sie sin­nvolle Ord­nung im Nahen Osten einzuricht­en. Sin­nvoll in diesem Sinne meint einen ökonomis­chen Nutzen aus ein­er spez­i­fis­chen Machtkon­stel­la­tion ziehen zu kön­nen. Die USA ver­flo­gen eine mil­itärische Außen­poli­tik, die neben ökonomis­chen Inter­essen auch hege­mo­ni­ale Ansprüche im ara­bis­chen Raum durchzuset­zen ver­sucht. Wed­er der Irak, noch die BRD vertreten etwas Gegen­teiliges, was auch nur im ent­fer­n­testen als human­is­tis­che beze­ich­net wer­den kann. Im Irak beste­ht neben tief ver­wurzel­ten antiamerikanischen/antiisraelischen Ein­stel­lun­gen ein Sys­tem patri­ar­chaler und dik­ta­torisch­er Struk­turen. Aus diesen Grün­den ist prinzip­iell ein Sys­temwech­sel wünschenswert.

Wer diesen Krieg befür­wortet, gle­ichgültig mit welchen Grün­den und Begrün­dun­gen, reagiert lediglich auf aus­gear­beit­ete Kriegspläne. Der Kap­i­tal­is­mus herrscht weltweit, wed­er die USA, noch der Irak oder Deutsch­land ste­hen für emanzi­pa­torischen Fortschritt. Sowohl die Poli­tik der USA, als auch die Gesellschaftsstruk­tur des Irak sind bes­timmt von der Logik der Herrschaft. Herrschaft als Mod­ell ein­er Gesellschaftsstruk­tur lehnen wir ab, sei es unter dem ide­ol­o­gis­chen Deck­man­tel des Neolib­er­al­is­mus oder dem Dik­tum eines religiösen Fun­da­men­tal­is­mus. Frei­heit ist in Folge dessen nicht die Wahl für die USA oder für den Irak, Frei­heit bedeutet in diesem Fall vielmehr aus dieser Wahl her­auszutreten und die beste­hen­den Herrschaftsstruk­turen zu bekämpfen.

Gegen deutschna­tionale Inter­essen und Kapitalismus:
WEDER IHREN KRIEGNOCH IHREN FRIEDEN!

Humanitäre Flüchtlingspolitik — Flugblatt von autonomia sinistra im Sommer 2003

Human­itäre Flüchtlingspolitik

In Deutsch­land scheinen die Mehrheit der Bevölkerung und die Regierung gegen den Krieg zu sein. Was sind die Gründe dafür, sind es paz­i­fistis­che oder gar human­itäre? Primär ökonomis­che und hege­mo­ni­al-macht­poli­tis­che Kriege wer­den geführt, wenn davon prof­i­tiert wer­den kann; ist dies nicht der Fall, bleibt es beim impe­ri­al­is­tis­chen Frieden. Bestes Beispiel hier­für ist die momen­tane Posi­tion­ierung Deutsch­lands in der Weltkriegspoli­tik: unter anderem rege Han­dels­beziehun­gen zum Irak, vor allem in der Rüs­tungsin­dus­trie ver­bi­eten eine aktive Beteili­gung am Krieg. Das Gift­gas, an dem 1985 in Hal­ab­ja tausende von Kur­dInnen star­ben, war solch ein Export aus Deutsch­land. Macht­poli­tis­ches Kalkül läßt offiziell nicht nur für, son­dern auch gegen einen Krieg wet­tern, wenn z.B. die zukün­ftige neue Wel­tord­nung nicht ger­ade einen Vorteil darstellt.

Im Angesicht der Flüchtlinge…
Wären es human­itäre Gründe, den Krieg abzulehnen, müssten diese human­itären Gründe auch zu ein­er uneingeschränk­ten Anerken­nung aller irakischen Flüchtlinge führen. Genau dies ist aber nicht der Fall. Der vom Innen­min­is­ter Otto Schi­ly ver­hängte Abschiebestopp hört sich zwar erst ein­mal gut an, bedeutet aber für die Betrof­fe­nen, bis auf weit­eres in Ungewißheit zu leben, denn gle­ichzeit­ig sind sie dem Asylver­fahren aus­ge­set­zt. Wenn der Krieg im Irak vor­bei ist, ent­fällt dann “logis­cher­weise” auch der Grund zur Gewährung von Asyl? Der Bun­desregierung geht es offen­sichtlich darum, Flüchtlinge aus dem Irak jet­zt möglichst keinen Sta­tus mehr zu gewähren, der ein Hin­der­nis darstellen kön­nte, wenn es mit einem Regierungswech­sel oder einem Embar­go-Ende wieder möglich sein sollte, in das Herkun­ft­s­land abzuschieben. Dies bet­rifft auch Flüchtlinge aus dem Irak, die schon eine Anerken­nung haben — ihnen soll der Asyl­sta­tus nachträglich aberkan­nt wer­den und diejeni­gen, die bere­its abgelehnt wur­den, warten auf den nächst möglichen Ter­min ihrer Abschiebung.
Das nach dem 2. Golfkrieg schon völ­lig zer­störte Land, welch­es unter dem jahre­lan­gen UN-Han­delsem­bar­go litt und durch ständi­ge Bom­barde­ments zusät­zlich geschädigt wurde, wird kein­er­lei Infra­struk­tur mehr besitzen, wodurch medi­zinis­che Ver­sorgung, Ver­sorgung mit Lebens­mit­teln, Bil­dung usw. unmöglich wird. Trotz zunehmender Ver­schlechterung der Lebenssi­t­u­a­tion im Irak in den let­zten Jahren hat die Anerken­nungsquote irakisch­er Flüchtlinge im Jan­u­ar diesen Jahres einen Tief­punkt erre­icht. Obwohl die Andro­hung eines Krieges gegen den Irak seit­ens der USA und Großbrit­tanien immer vehe­menter wurde, wäre es weit gefehlt, wenn men­sch zu dem Schluss käme, Deutsch­land würde sich dazu verpflichtet fühlen, alle von dort stam­menden Flüchtlinge anzuerken­nen. Ganz im Gegen­teil. Lag die Anerken­nungsrate in den Jahren 2000/2001 noch bei 65%, erhiel­ten Anfang diesen Jahres nur noch 12% im ersten Asylver­fahren einen Aufen­thalt­sta­tus. Dabei haben sich nicht die Gründe für eine Flucht aus dem Irak verän­dert, son­dern deren Inter­pre­ta­tion durch deutsche Behör­den und Gerichte. Grund­lage für den Umschwung ist unter anderem die Ein­schätzung, dass das kur­dis­chen “Autonomie” — Gebi­et auch für nicht — kur­dis­che Irak­erIn­nen eine Fluchtal­ter­na­tive darstellt. Ein­er­seits ist dieses kur­dis­che “Autonomie”- Gebi­et eigen­ständig und unter kur­dis­ch­er Region­alver­wal­tung, jedoch weit­er­hin ein Bestandteil des Iraks und wird ander­er­seits inter­na­tion­al nicht anerkan­nt. Es existieren wed­er völk­er­rechtliche, noch materielle Schutzmech­a­nis­men, die eine Sicher­heit vor möglichen Über­grif­f­en der irakischen Armee bieten. Des Weit­eren kam es in der Ver­gan­gen­heit immer wieder zu gewalt­samen Auseinan­der­set­zun­gen zwis­chen PUK (Patri­o­tis­che Union Kur­dis­tans) und der KDP (Kur­dis­che Demokratis­che Partei). Grund­sät­zlich ist die Sit­u­a­tion im Nordi­rak nicht geeignet, um von sicher­er Fluchtal­ter­na­tive zu sprechen.

…wird aus Human­ität Realität!
Kriege aus human­itären Grün­den zu führen, oder auch nicht zu führen klingt immer gut. Die Real­ität zeigt dann aber recht schnell, wie human­itär die Absicht­en tat­säch­lich sind. Mit den Flüchtlin­gen will kein­er etwas zu tun haben, Flüchtlingslager sollen am besten in den Krisen­ge­bi­eten selb­st oder zumin­d­est in unmit­tel­bar­er Nähe aufge­baut werden.
So auch dies­mal: um den Irak herum wer­den im Nie­mand­s­land Flüchtlingslager aufge­baut, türkische und iranis­che Behör­den haben schon vor Beginn des Krieges darauf hingewiesen, dass sie keine Camps auf ihrem jew­eili­gen Staats­ge­bi­et dulden. Aber auch die Län­der der EU haben grund­sät­zlich Inter­esse daran, dass Flüchtlinge in den jew­eili­gen Gren­zge­bi­eten bleiben. Auf hun­dert­tausende Kriegs­flüchtlinge, die in den let­zten Jahren in der EU Zuflucht gesucht haben, reagierte die EU unter anderem mit Ver­schär­fun­gen der Gren­zkon­trollen, Ver­schlechterun­gen der Lebens­be­din­gun­gen in den Auf­nahmes­taat­en und mit ein­er kon­se­quenten Abschiebe­poli­tik. Grund­sät­zlich haben Kriegs­flüchtlinge in der EU keinen Anspruch auf Asyl, kön­nen nur geduldet wer­den, falls eine Abschiebung ihr Leben gefährdet. Lebens­ge­fahr ist aber ein dehn­bar­er Begriff, so fällt nicht-staatliche und geschlechtsspez­i­fis­che Ver­fol­gung z.B. nicht darunter. So wer­den und sollen immer mehr Roma nach Jugoslaw­ien abgeschoben, die während des Koso­vo Krieges in Deutsch­land geduldet wur­den. Sie erwartet in ihrem Heimat­land Armut, Diskri­m­inierung, Lager­leben und unmen­schliche Leben­sum­stände. Für die Regierung der BRD stellt dies aber wohl keine Lebens­ge­fahr im tat­säch­lichen Sinne dar.
Deutsch­land hat sich für eine Ver­sorgung der Flüchtlinge in heimat­nähe aus­ge­sprochen. Nach Bay­erns Innen­min­is­ter Beck­stein habe sich dies schon beim Koso­vo-Krieg als die beste Lösung her­aus­gestellt. “Eine heimat­na­he Ver­sorgung von Irak-Flüchtlin­gen ist zweck­mäßiger und preiswert­er, als sie 3000 Kilo­me­ter nach Deutsch­land zu trans­portieren und später wieder zurück­zuführen” (31.3.2003; DIE WELT).

Bleiberecht für alle Flüchtlinge und MigrantInnen!

Die Mauer um Europa muss weg! Gren­zen müssen gebrochen werden!


Autono­mia sin­is­tra ist eine saar­landweite Ver­net­zung von linken Grup­pen, die in ihrem poli­tis­chen Han­deln Wert auf Unab­hängigkeit und Selb­st­bes­tim­mung leg­en. Neben der aktuellen Kam­pagne “Tatortbesich­ti­gung” sind wir in vie­len anderen Bere­ichen poli­tisch aktiv, wie zum Beispiel der Flüch­lingspoli­tik, Antifaschis­mus und link­er Kul­tur­ar­beit (Kneipe, Konz­erte etc.). Wir ver­suchen uns im Rah­men unser­er Organ­isierung gemein­sam der derzeit­i­gen gesellschaftlichen Entwick­lun­gen der Vere­inzelung, Entsol­i­darisierung und des Leis­tungs­drucks ent­ge­gen­zustellen. Gegen die totale Indi­vid­u­al­isierung, aber auch gegen die ähn­lich ablehnenswerte Alter­na­tive der Zwangskollek­tivierung wollen wir uns durch selb­st­bes­timmtes Han­deln und Selb­stor­gan­isierung Freiräume erkämpfen. Wer Inter­esse an autono­mia sin­is­tra hat, kann gerne mit uns in Kon­takt treten.