Saarbrücker Zeitung: “Prozess um Gedenktafel am Rathaus”

Saar­brück­er Zeitung vom 6.Oktober 2005

 

Prozess um Gedenk­tafel am Rathaus

Stadt Saar­louis klagt gegen Ver­anstal­ter des “Antifaschis­tis­chen Aktion­stages” von 2001 Weil er eine Gedenk­tafel für den 1991 ermorde­ten Flüchtling Yeboah am Saar­louis­er Rathaus anschlug, muss sich heute ein Mann vor dem Amts­gericht Saar­brück­en wegen Schaden­er­satz verantworten.

 

Saarlouis/Saarbrücken. An ein bru­tales Ver­brechen wollte ein “Antifaschis­tis­ches Bünd­nis” 2001 in Saar­louis mit ein­er Gedenk­tafel erin­nern: Den Mord an dem ghane­sis­chen Flüchtling Samuel Yeboah, der am 19. Sep­tem­ber 1991 bei einem Bran­dan­schlag in einem Asyl­be­wer­ber­heim bei Fraulautern ums Leben kam. Deshalb bracht­en Mit­glieder mehrerer antifaschis­tis­ch­er Grup­pen eine Gedenk­tafel anlässlich des zehn­ten Todestages Yeboahs am Saar­louis­er Rathaus an. Diese Tafel hing damals allerd­ings nur wenige Stun­den. Dann wurde sie auf Anweisung des dama­li­gen Ober­bürg­er­meis­ters Hans-Joachim Fontaine (CDU) wieder ent­fer­nt. Begrün­dung: Es gebe keine Genehmi­gung für das Anbrin­gen der Tafel und die Fas­sade des Rathaus­es sei denkmalgeschützt. Aus diesem Grund erstat­tete die Stadt Anzeige wegen Sachbeschädigung.

 

Heute, vier Jahre nach der Aktion, kommt es zum Prozess vor dem Saar­brück­er Amts­gericht. Wie das Gericht mit­teilte, klagt die Stadt Saar­louis auf Schaden­er­satz gegen den Ver­anstal­ter des “antifaschis­tis­chen Aktion­stages” zum zehn­jähri­gen Todestag Yeboahs. Durch das Ent­fer­nen der Gedenkplat­te mit der Auf­schrift “In Erin­nerung an Samuel Yeboah, Flüchtling aus Ghana, am 19.9.1991 durch einen ras­sis­tis­chen Bran­dan­schlag in Saar­louis ermordet”, sei der Stadt ein finanzieller Schaden entstanden.

 

Bei der Men­schen­recht­sor­gan­i­sa­tion “Aktion Dritte Welt Saar” sorgt die Klage und der heute stat­tfind­ende Prozess für Verärgerung. “Ich habe kein Ver­ständ­nis für diesen Prozess. Die Stadt Saar­louis sollte stolz darauf sein, dass es noch Men­schen mit Zivil­courage gibt, die die Mauer des Schweigens nicht hin­nehmen”, sagt Gertrud Selz­er vom Vor­stand. Die Aktion fordert von der Stadt Saar­louis, sie möge ihre Klage zurückziehen. Außer­dem solle der Ober­bürg­er­meis­ter gemein­sam mit allen Inter­essierten einen run­den Tisch ver­anstal­ten, in dem Vorschläge für eine neue Gedenk­tafel erar­beit­et wer­den sollen. Denn bis heute erin­nere nichts in Saar­louis an den Flüchtling Samuel Yeboah. “Stattdessen rühmt sich die Stadt, Geburt­sort des Gen­er­als Paul von Let­tow-Vor­beck zu sein”, kri­tisiert Gertrud Selz­er. Dieser sei 1904 maßge­blich an der geziel­ten Ermor­dung von tausenden Hereros im heuti­gen Namib­ia beteiligt gewe­sen. ut

Presseerklärung zur Einstellung des Verfahrens wegen der Gedenktafel für Samuel Yeboah

Ver­fahren wegen Gedenk­tafel nun endlich eingestellt — Aber noch immer erin­nert nichts in der Saar­louis­er Innen­stadt an Samuel Yeboah

Am 19. Sep­tem­ber 2001 führte ein antifaschis­tis­ches Bünd­nis in Saar­louis eine Kundge­bung zur Erin­nerung an den 1991 bei einem ras­sis­tis­chen Bran­dan­schlag ermorde­ten Samuel Yeboah durch. Bei der Kundge­bung wurde zum Kampf gegen Neon­azis, Geschicht­sre­vi­sion­is­mus und Ras­sis­mus aufgerufen. Im Anschluss an die Kundge­bung wurde am Saar­louis­er Rathaus eine Gedenk­tafel ange­bracht, die der dama­lige Ober­bürg­er­meis­ter Fontaine noch am gle­ichen Tag in ein­er vol­lkom­men unüber­legten Aktion wieder abreißen ließ. Gegen den Anmelder der Kundge­bung erstat­tete OB Fontaine Anzeige wegen “Gemein­schädlich­er Sachbeschädigung”.

Das Ver­fahren wurde nun durch den zuständi­gen Richter beim Amts­gericht Saar­louis eingestellt. Damit hat ein weit­eres unsäglich­es Kapi­tel in der Chronik der Pein­lichkeit­en und Absur­ditäten der Stadt Saar­louis im Umgang mit AntifaschistIn­nen und Anti­ras­sistIn­nen ein Ende gefun­den. So wurde schon im Sep­tem­ber 2001 und in den darauf fol­gen­den Monat­en das Ver­hal­ten der Stadtver­wal­tung, ins­beson­dere des Her­rn Fontaine, stark kri­tisiert und auch die regionalen und über­re­gionalen Medi­en berichteten darüber, dass im Jahr des “Auf­s­tands der Anständi­gen” aktive Antifaschis­ten nun sog­ar für das Anbrin­gen ein­er Gedenk­tafel bestraft wer­den sollen. Zahlre­iche Grup­pen und Einzelper­so­n­en sol­i­darisierten sich mit dem Betrof­fe­nen in einem offe­nen Brief. In ganz Saar­louis und darüber hin­aus waren Plakate zu sehen mit einem Abbild der Gedenk­tafel, die Herr Fontaine gewalt­sam ent­fer­nen ließ und der Auf­schrift: “In Erin­nerung an Samuel Yeboah — Flüchtling aus Ghana — am 19.9.1991 durch einen ras­sis­tis­chen Bran­dan­schlag in Saar­louis ermordet”.
Der Prozess im Juni 2003 endete bere­its nach weni­gen Minuten in einem Eklat, als der Angeklagte bere­its nach den ersten sechs Worten sein­er Prozesserk­lärung durch den Richter unter­brochen wurde, der nicht zulassen wollte, dass “die Antifa in seinem Gerichtssaal eine Show abziehe”. Daraufhin kam es zu Protesten der anwe­senden ZuschauerIn­nen und die Gerichtsver­hand­lung wurde abge­sagt. Nun, gut 1 ½ Jahre später wurde das Ver­fahren eingestellt. Ein Sprech­er der Antifa Saar erk­lärte hierzu:

Natür­lich werten wir die Ein­stel­lung des Ver­fahrens als einen kleinen Erfolg unser­er Öffentlichkeit­sar­beit. An dieser Stelle sei auch allen Unter­stützerin­nen und Unter­stützern noch mal gedankt. Aber machen wir uns nichts vor, an Samuel Yeboah erin­nert noch immer nichts in der Innen­stadt und neon­azis­tis­ches Gedankengut tritt zur Zeit in der Bevölkerung so deut­lich zu Tage, wie schon lange nicht mehr. Außer­dem gibt es zur Zeit noch zahlre­iche weit­ere Ver­fahren gegen saar­ländis­che Antifaschisten”.

Die Antifa Saar wird auch in Zukun­ft gegen staatlichen Ras­sis­mus, Neon­azis­mus und Anti­semitismus ange­hen. Außer­dem fordern wir die Ein­stel­lung aller Ver­fahren gegen AntifaschistIn­nen und AntirassistInnen!

Antifa Saar / Pro­jekt AK

Pressemitteilung zum Prozess gegen den Mörder von Ahmed S. vom 14.Januar 2003

Kri­tik an Gerichtsver­hand­lung und Polizeieinsatz

Deut­liche Kri­tik haben die Prozess­beobach­terIn­nen der Antifa Saar, die den Prozess gegen den Neon­azi Car­los Neu am Saar­ländis­chen Landgericht gestern und heute ver­fol­gten. Höhep­unkt des Prozess­es und der Gerichtsver­hand­lung, im Rah­men der­er kon­stant ver­sucht wurde eine “frem­den­feindliche” Moti­va­tion für den Mord an Ahmed S. auszublenden, stell­ten das heutige Gericht­surteil und ins­beson­dere dessen Begrün­dung dar. Beze­ich­nend und skan­dalös ist zudem die Tat­sache, dass nach Urteilsverkün­dung im Gericht­saal und später auf dem Gelände mit mas­sivem Polizeiaufge­bot gegen BesucherIn­nen und trauernde Ange­hörige vor­ga­gan­gen wurde.

Schon im Vor­feld des Prozess­es wurde deut­lich, dass dieser Prozess von seit­en der Staat­san­waltschaft ent­poli­tisiert wer­den sollte. Die mas­sive Kri­tik, die an den saar­ländis­chen Sicher­heits­be­hör­den nach dem Mord an Ahmed S. in der Öffentlichkeit laut wurde, sollte unter­graben und der ras­sis­tisch motivierte Mord in eine unpoltische Tat ver­wan­delt werden.

Bere­its in der Ver­gan­gen­heit gelangten immer wieder Mel­dun­gen darüber in die Öffentlichkeit, wie offizielle Stellen ver­suchen Gewalt­tat­en mil­i­tan­ter Nenazis im Saar­land zu ver­schleiern und zu ver­tuschen. Ver­schleiert und ver­harm­lost wurde auch die Rolle von Car­los Neu als Mit­glied ein­er Neon­azi­gruppe, welche schon in den Jahren zuvor durch regel­rechte Het­z­jag­den auf Nicht­deutsche während des Sulzbach­er Salzbrun­nen­fest auffiel. Nicht the­ma­tisiert wurde die Rolle der soge­nan­nten “Freien Kam­er­ad­schaften”, also Grup­pen von mil­i­tan­ten Recht­en, welche sich im Saar­land in ver­schiede­nen Regio­nen zusam­men­schließen, um bes­timmte Gegen­den, wie beispiel­sweise Mark­plätze etc. zu nation­al befre­it­en Zonen zu erk­lären und dies auch mil­i­tant zur Umset­zung führen. Stattdessen wurde ein ras­sis­tisch motiviert­er Mord geschickt in eine “Kirmess­chlägerei” mit Todes­folge umge­wan­delt und somit der Höh­punkt ein­er staatlichen Poli­tik der Bagatel­lisierung rechter Gewalt im Saar­land erre­icht. Wohlwis­send, dass die Ange­höri­gen und ZuschauerIn­nen des Prozess­es diesen Skan­dal nicht ohne Protest hin­nehmen wür­den, wurde die vier­stündi­ge Ver­hand­lungspause bis zur Urteilsverkün­dung genutzt, um mas­siv Polizeikräfte in das Gerichts­g­bäude zu entsenden, die jed­weili­gen Protest ver­hin­dern soll­ten. Neben der Präsenz von rund zehn Jus­tizvol­lzugs­beamten und 12 Bere­itschaft­spolizis­ten im Gericht­saal, waren verdeckt weit­ere 50 Polizis­ten ‑darunter Bere­itschaft­spolizei, behelmtes Son­dere­in­satzkom­man­do, Zivil­fah­n­der, Staatss­chutzbeamte sowie Polizei­hun­destaffel und ein Polzeivideodoku­men­ta­tion­strupp- vor Ort. Nach Ende der Gerichtsver­hand­lung protestierten einige Anwe­sende laut­stark gegen dieses Urteil, worauf hin oben genan­nte Ein­satzkräfte gegen die Men­schen, darunter auch Fre­unde sowie die trauern­den Fam­i­lien­anghöri­gen kör­per­lich vorgin­gen und ver­sucht­en diese ruhig zu stellen. Weit­ere BesucherIn­nen und Prozess­beobach­terIn­nen wur­den unter Ein­wirkung kör­per­lich­er Gewalt aus dem dem Gebäude gedrängt.

Die Antifa Saar protestiert auf‘s Heftig­ste gegen den durchge­führten Polizeiein­satz und appe­liert an Medi­en­vertreterIn­nen und den Rest ein­er kri­tis­chen Öffentlichkeit, nicht schweigend hinzunehmen, dass Tat­en rechter Grup­pierun­gen oder Per­so­n­en bagatel­lisiert oder ent­poli­tisiert werden.

ANTIFA SAAR