Am heutigen Samstag, den 16. November 2019, gelang es einem Bündnis aus feministischen, linken und antifaschistischen Gruppen den rechten Aufmarsch der sogenannten „Pius Brüder“ zu stören.
Für 16 Uhr hatte ein “Aktionskommittee Christen für das Leben — Aktion Leben e.V.“ zu einem Aufmarsch gegen das Recht auf Abtreibung aufgerufen. Maßgeblich mitgetragen wird der jährlich stattfindende Aufmarsch von den “Pius-Brüdern” vom Saarbrücker “Priorat St. Maria zu den Engeln”. Das Priorat ist Teil der antimodernen und antisemitischen „Priesterbruderschaft St. Pius X.“ (auch Pius-Bruderschaft). Die christlich-fundamentalistische Organisation will einen Gottesstaat auf Grundlage der katholischen Lehre erschaffen, fiel in der Vergangenheit immer wieder wegen antisemitischer Äußerungen ihrer Vertreter_innen auf und lehnt das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung von Frauen ab. Nicht zufällig sollte ihre Demonstration daher vor der Saarbrücker Beratungsstelle für Schwangerschaftsabbrüche von ProFamilia in der Heinestraße starten.
Schon seit 15.30 Uhr hatte sich dort jedoch eine Gruppe von Gegendemonstrant_innen versammelt, um die Beratungsstelle symbolisch abzuschirmen. Mit lautstarkem Gesang feministischer Lieder traten etwa 30 Personen gegen die verstörenden Gebete der Fundamentalist_innen an. Zur gleichen Zeit starteten am Landwehrplatz etwa 300 Feminist_innen und Antifaschist_innen ihren Demonstrationszug für das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung. Die Demonstration kreuzte die geplante Route der Fundamentalist_innen in der Mainzer Straße, während diese noch in der Heinestraße beteten. Viele der Teilnehmer_innen des Gegenprotestzugs entschlossen sich in diesem Moment kurzerhand stehen zu bleiben. So konnten die „Pius-Brüder“ nicht ihre geplante Route aus der Heinestraße nehmen und mussten nach einigem Hin und Her durch die Bismarckstraße umgeleitet werden, wo sich ihnen erneut eine kleinere Gruppe von Menschen entgegenstellte und ihren Abmarsch verzögerte. Als klar wurde, dass die religiösen Fanatiker_innen weiter stadteinwärts auf ihre geplante Route geleitet werden, lösten die VeranstalterInnen die Gegendemonstration auf und die Teilnehmer_innen strömten in Richtung Abschlusskundgebungsort vor der Europa-Galerie. Begleitet von lautstarkem Protest, weiteren kleineren Blockaden und unter andauernden Unmutsbekundungen und Beschimpfungen von Passant_innen kam der Aufmarsch der selbsternannten „Lebensschützer“ mit deutlicher Verspätung gegen 18 Uhr an der Europa-Galerie an. Dort war inzwischen allerdings auch der Gegenprotest eingetroffen. So gelang es schließlich auch hier die menschenverachtende Propaganda der „Pius-Brüder“ lautstark und mit klaren Botschaften zu übertönen. Unter anhaltendem Protest zogen die fanatischen Christ_innen um etwa 18.30 Uhr ab.
Die Rede der Antifa Saar / Projekt AK findet ihr am Ende dieses Beitrags.
Pressereaktionen
Foto-Galerie
Rede Antifa Saar / Projekt AK: Gegen die antisemitische Pius-Bruderschaft (16.11.2019)
Im Folgenden dokumentieren wir unseren Redebeitrag, der auf der Demonstration gegen den Aufmarsch der klerikalfaschistischen “Pius-Bruderschaft” am 16.11.2019 in Saarbrücken gehalten wurde:
Es ist noch nicht einmal zehn Jahre her: In einem Interview mit einem schwedischen Fernsehsender äußert sich Bischof Richard Nelson Williamson folgendermaßen: „Ich glaube, dass die historischen Beweise sehr stark dagegen sprechen, dass sechs Millionen Juden willentlich in Gaskammern vergast wurden, in einer bewussten Politik von Adolf Hitler. […] Ich glaube, dass es gar keine Gaskammern gab […]. Ich denke, dass 200.000 bis 300.000 Juden in nationalsozialistischen Konzentrationslagern umgekommen sind […], aber keiner von ihnen durch Gaskammern“.
Richard Williamson ist Bischof der klerikalfaschistischen „Priesterbruderschaft St. Pius X., der Bruderschaft, gegen die wir heute auf die Straße ziehen. Derartige Leugnungen des Holocaust wurden von ihm auch in den Jahrzehnten davor immer wieder formuliert. 2009 sorgte dieses Interview für viel Wirbel und Empörung und so bemühten sich Repräsentanten der “Piusbruderschaft” in Deutschland eiligst um Schadensbegrenzung. Auch der Vatikan in Rom forderte eine Entschuldigung und Distanzierung, die Williamson aber nicht lieferte. Im Jahr 2012 wurde Williamson schließlich aus der “Piusbruderschaft” ausgeschlossen – nicht jedoch wegen seiner mehrfach wiederholten Holocaust-Leugnung, sondern wegen mangelnden Respekts und Gehorsams seinen Bischöfen gegenüber.
Bischof Williamson ist kein Ausrutscher, kein Einzeltäter, kein fehlgeleiteter Spinner. Wir alle wissen: Die “Piusbruderschaft” ist nicht nur extrem frauenfeindlich, wie sie es heute mal wieder auf den Straßen Saarbrückens demonstrieren will; sie kämpft auch mit allen Bandagen gegen die Freiheit des Individuums. Sie betreibt — staatlich geduldet — in ihren zwei Saarbrücker Schulen und dem angeschlossenen Internat in Fechingen eine massive katholisch-fundamentalistische Indoktrination, Manipulation und Instrumentalisierung der ihr anvertrauten Kinder – und sie ist durch und durch antisemitisch.
Um das zu bemerken, muss man gar nicht weit gehen, man muss keinen britischen Priester interviewen oder schwedisches Fernsehen schauen, nein, man findet diese Leute und diese Aussagen direkt hier: mitten in Saarbrücken. Die Prioratsgemeinde St. Maria zu den Engeln in Saarbrücken — St. Arnual ist nach eigenen Angaben die größte Gemeinde der “Piusbruderschaft” in Deutschland; zwei von acht Pius-Schulen, die es in Deutschland gibt, stehen in Saarbrücken.
Angesprochen auf die antisemitischen Äußerungen des Bischofs Williamson, äußerte sich einer ihrer Erzieher gegenüber dem Berliner Tagesspiegel: dieser habe den Holocaust ja nicht in Gänze geleugnet, und es sei ein Skandal, dass die Zahl von sechs Millionen diktiert werde. Das ist nur ein Beispiel von vielen. Aber es reicht aus, um aufzuzeigen, dass Bischof Williamson mit seiner Meinung nicht alleine steht. Seine Denke ist in der “Piusbruderschaft” auch hier im Saarland weit verbreitet und wird in diesen unsäglichen Bildungseinrichtungen auch noch an Kinder weitergegeben.
Antisemitismus findet man in der Geschichte der “Piusbruderschaft” von Beginn an. Die Gründung der “Piusbruderschaft” im Jahre 1970 geht auf das „Zweite Vatikanische Konzil“ zurück, welches von ihren Anhängern abgelehnt wird. Der Gründer Marcel Lefebvre machte hinter dem Konzil den heimlichen Einfluss der Freimaurer verantwortlich für eine Abkehr der Kirche von der „reinen Lehre“. Der Hass auf diese unsichtbaren Strippenzieher im Hintergrund und der damit verbundene Glaube an eine freimaurerisch-jüdisch-bolschewistische Weltverschwörung ist ein elementarer Bestandteil des modernen Antisemitismus. Und Verbindungen zu Nazis bestehen nicht nur ideologisch: Viele enge Kontakte zwischen der “Piusbruderschaft” und der extremen Rechten sind belegt. 2013 etwa stellte die Bruderschaft ihre Niederlassung in Italien für eine Trauerfeier für den nationalsozialistischen Kriegsverbrecher Erich Priebke zur Verfügung.
Ebenso wie der moderne Antisemitismus lebt in der Ideologie der “Piusbruderschaft” auch der christliche Antijudaismus fort, der so alt ist wie das Christentum selbst. In ihren Schriften kann man lesen: „Es unterliegt keinem Zweifel, dass jüdische Autoren an der Zersetzung der religiösen und sittlichen Werte in den zwei letzten Jahrhunderten einen beträchtlichen Anteil haben.“ Oder man erfährt dort, dass ein Schleier aus Starrsinn und Blindheit über dem jüdischen Volk liege, der es ihnen unmöglich mache, den Erlöser, den Messias, anzuerkennen und anzunehmen. Und so, während das Judentum also nicht als gleichberechtigte Religion anerkannt wird, beten die Piusbrüder in der berüchtigten Karfreitagsfürbitte jedes Jahr für die Bekehrung der vermeintlich falsch-gläubigen Juden zum angeblich einzig wahren – dem christlichen – Glauben.
Übrigens: In der katholischen Kirche war der Wunsch nach Bekehrung der Juden seit 1962 offiziell nicht mehr in der Fürbitte erhalten – bis Papst Benedikt einen Schritt auf die traditionell-fundamentalistischen Kreise zu machte und auch diese unsägliche christliche Tradition wieder erlaubte. Danke Ratze!
Diese Antisemit_innen werden auch weiter ihren Platz in der katholischen Kirche haben. Schon Papst Johannes Paul II. bemühte sich um eine Aussöhnung mit den Fundamentalist_innen und unter dem deutschen Papst Benedikt XVI. wurde die Exkommunikation von vier Pius-Bischöfen wieder rückgängig gemacht – nahezu zeitgleich mit der Veröffentlichung der Holocaust-Leugnung von Bischof Williamson. Auch unter dem aktuellen Papst Franziskus geht die Versöhnung Roms mit der “Piusbruderschaft” weiter – die kirchliche Einheit ist selbstversändlich wichtiger als ein klares Bekenntnis gegen Menschenfeindlichkeit.
Das sind längst nicht alle, aber mehr als genug Gründe, warum wir uns heute hier in Saarbrücken gegen den sogenannten „Marsch für das Leben“ wenden und den “Piusbrüdern” nicht die Straßen überlassen werden!
Keine Freiräume für Antisemit_innen, Hassprediger_innen und Frauenfeind_innen – Don-Bosco-Schulen endlich dichtmachen!
Antisemit_innen konsequent bekämpfen – egal, ob sie Adolf Hitler, Mohammed oder Jesus Christus huldigen!
Kein Fußbreit der “Piusbruderschaft”, keinen Meter Straße den Feind_innen der Freiheit!