Gesammelte Presseartikel zur Antifa Demo in Pirmases — 18.03.2006
(ältere Artikel weiter unten)
Publikation: DIE RHEINPFALZ
Regionalausgabe: Ludwigshafener Rundschau
Datum: Nr.69
Datum: Mittwoch, den 22. März 2006
Leserbrief: Protest gegen die NPD
” Demonstration oder Gefangenentransport?”
Zum Artikel und zum Foto über die Anti- *NPD *-Demonstration in der Montagausgabe:
Demonstration oder Gefangenentransport — das ist aus dem Foto nicht eindeutig zu erkennen. Mit einem beeindruckenden Einsatz und einem Eins-zu-Eins-Verhältnis Polizisten/Demonstranten hat Pirmasens der antifaschistischen Gefahr mutig die Stirn geboten.
Herzlichen Glückwunsch, Pirmasens! — das hat Weltformat! Die Nazis dürfen sich gut beschützt fühlen.
W., Bruchweiler
Publikation: DIE RHEINPFALZ
Regionalausgabe: Pirmasenser Rundschau
Datum: Nr.69
Datum: Dienstag, den 21. März 2006
Zweibrücker Neonazis in Pirmasens festgenommen
Bei der Demonstration gegen die *NPD *-Landeszentrale in Pirmasens, an der sich am Samstag laut Polizei rund 250 Angehörige des antifaschistischen, linken Spektrums beteiligten (wir informierten kurz in „Sonntag aktuell”), wurden unter anderem sieben Neonazis vorübergehend in Polizeigewahrsam genommen. Unter ihnen waren auch Mitglieder des „Nationalen Widerstands” Zweibrücken, die zur Verhinderung von Straftaten in Gewahrsam genommen wurden. „Sie haben sich gezeigt, wir wollten eine Konfrontation verhindern”, sagte Einsatzleiter Achim Becker. Die Festgenommenen kamen am späten Samstagnachmittag wieder frei. (daa)
Publikation: DIE RHEINPFALZ
Regionalausgabe: Pirmasenser Rundschau
Datum: Nr.67
Datum: Montag, den 20. März 2006
Stadtmagazin
Burkhardt: „ *NPD *-Haus gehört nicht uns”
Andreas Burkhardt, Fraktionsvorsitzender der „Republikaner” im Stadtrat, hat gegenüber der RHEINPFALZ dementiert, dass das Haus auf der Ruhbank, in dem die *NPD *-Wahlkampfzentrale sitzt, seiner Familie gehört. Es handele sich dabei nur um eine Namensgleichheit, betonte er. Das Haus sei nach seinen Informationen nur bis nach der Landtagswahl an die *NPD* vermietet und er sei „froh, wenn die danach wieder gehen”. Die *NPD *sei eine Konkurrenz zu den „Republikanern”, es gebe keinerlei Zusammenarbeit mit ihnen, sagte Burkhardt, der auch für die verbalen Attacken im Seniorenbeirat (wir berichteten) die Namensgleichheit reklamiert. Es handele sich nicht um seinen Vater, sondern um ein früheres Mitglied der Reps, das „vor zwei oder drei Monaten” aus der Partei ausgeschieden sei. Ob der Mann mittlerweile der *NPD *angehöre, wisse er nicht; dieser habe sich zuvor aber für eine enge Zusammenarbeit der beiden rechten Parteien stark gemacht und habe dafür keinen Rückhalt bei den Reps gefunden. (wop)
Publikation: DIE RHEINPFALZ
Regionalausgabe: Pirmasenser Rundschau
Datum: Nr.67
Datum: Montag, den 20. März 2006
Unruhe in „einem beschaulichen Nest”
250 Antifaschisten demonstrieren friedlich gegen *NPD*-Wahlkampfzentrale — Mehr als 200 Polizisten im Einsatz — 17 Festnahmen
„Für die Polizei ist die Demo im Großen und Ganzen problemlos verlaufen.” Achim Becker, Chef der Polizeiinspektion Pirmasens und Einsatz-Leiter bei der Demonstration antifaschistischer Gruppen gegen die *NPD *-Wahlkampfzentrale in Pirmasens, zog am späten Samstagnachmittag ein positives Fazit.
Mehr als 200 Polizisten aus ganz Rheinland-Pfalz, die genaue Zahl wollte Becker aus einsatztaktischen Gründen nicht nennen, standen 250 linken, überwiegend jugendlichen Demonstranten gegenüber (wir informierten kurz in „Sonntag aktuell”). Die befürchtete Randale blieb aus. Dennoch wurden 17 Personen vorläufig festgenommen — bei den meisten ging es darum, Straftaten zu verhindern. Zwei Straftaten gegen das Versammlungsrecht registrierte die Polizei: Ein Demonstrant hatte sich vermummt, ein anderer einen Pflasterstein aus dem Schlossplatz gerissen.
Unter den vorübergehend Festgenommenen waren auch sieben polizeibekannte Neonazis, einige aus Zweibrücken, die sich am Rand der Demo gezeigt hatten. „Wir wollten keine Konfrontation zulassen, haben sie zur Verhinderung von Straftaten in Gewahrsam genommen”, erklärte Becker. „Wir haben ihnen die Möglichkeit genommen, Straftaten zu begehen”, fügte er an.
Zwei Ziele verfolgte die Polizei beim wohl größten Einsatz in der jüngeren Pirmasenser Geschichte: die Bevölkerung schützen und die Demonstration gewährleisten. Dazu gehörte, Straftaten sofort zu verfolgen und Störungen von außen im Ansatz zu verhindern.
Schon lange vor dem offiziellen Beginn um 13.30 Uhr hatten sich viele Autonome am Pirmasenser Hauptbahnhof versammelt. Eine Gruppe Punker hatte sich auf dem Rasen niedergelassen, während die Organisatoren, antifaschistische Gruppen aus dem Saarland, aus Koblenz, Landau und Mainz, den Lautsprecherwagen bestückten und Handzettel austeilten. Alles geschah unter der Aufsicht eines Polizei-Großaufgebots, das einen dichten Ring um die stetig anwachsende Demonstrantenschar zog, mit Videokameras und Fotoapparaten jeden Schritt dokumentierte.
„Wir demonstrieren hier, weil wir es zum Kotzen finden, dass Pirmasens die *NPD *duldet oder sogar unterstützt. Wir rufen dazu auf, sich Neonazis jeder Couleur in den Weg zu stellen und ihnen das Nazileben zu vermiesen, wo es nur geht. Wir fordern aber auch dazu auf, Rassismus, Antisemitismus und völkischen Mist in der Gesellschaft zu kritisieren und anzugreifen”, sagte ein „Antifa”-Mitglied in seinem Redebeitrag am Bahnhof.
Mit mehr als einstündiger Verspätung setzte sich der Zug, dem sich auch Mitglieder von Bündnis 90/Die Grünen und Bürgermeister Peter Scheidel anschlossen, dann schließlich in Bewegung. Grund: Der Versammlungsleiter saß in einem Bus, der in einer Vorkontrolle der Polizei stecken geblieben war. Transparente wie „Neonazis das Wasser abgraben, den rechten Konsens bekämpfen”, „Let“s get loud — Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen” oder „Nazis ins Visier nehmen, Rassismus und Antisemitismus bekämpfen”, setzte sich der Zug, unterstützt von lauter Punk‑, Ska- und Reggae-Musik, in Richtung Schlossplatz in Bewegung — auf dem ganzen Weg begleitet von 13 Polizei-Mannschaftswagen.
Auf dem Schlossplatz nannten die Initiatoren Ross und Reiter rechtsradikaler Aktivitäten in und um Pirmasens, die „kein neues Phänomen” seien, wie die Schändung des jüdischen Friedhofs in Busenberg und weitere rechtsmotivierte Straftaten gezeigt haben. Insbesondere der Werdegang Sascha Wagners, mittlerweile in Pirmasens lebender rheinland-pfälzischer Wahlkampfleiter der *NPD *, der auch für das Pamphlet gegen Dekan Michael Diener (wir berichteten am Samstag) verantwortlich ist, wurde mehrfach beleuchtet.
Die *NPD *verteile im Landtagswahlkampf zwei Millionen Flugblätter, habe 25.000 Plakate aufgehängt. Seit Wagner in Pirmasens wohne, gebe es regelmäßig *NPD *-Infotische, Verteilaktionen und Veranstaltungen der Partei. „Die Region ist zum Knotenpunkt neonazistischer Aktivitäten geworden, der landesweit Bedeutung hat”, sagte ein Redner und verwies auf von Wagner organisierte Rednerveranstaltungen mit bekannten, bundesweit aktiven Neonazis in der Region.
Wagner habe bei der Bundestagswahl mit 3,3 Prozent der Erststimmen das beste Wahlergebnis der *NPD *in Rheinland-Pfalz erreicht, die Republikaner wurden bei der Kommunalwahl 2004 mit zehn Prozent in den Stadtrat gewählt „und verbreiten dort ihre Propaganda”, so der Redner. Gerade ländliche Gebiete seien für Nazis ideale Rückzugsgebiete, in denen sie meist unbehelligt agieren könnten. Deshalb wolle die Antifa „Nazi-Strukturen offenlegen und aufdecken”.
„Die Demonstranten haben sich sehr gut verhalten”, lobte Becker, als sich die Demonstranten-Schar kurz nach 17 Uhr am Hauptbahnhof wieder auflöste, „die Demonstration hat ihren Zweck nicht verfehlt”, sagte er. Den Zweck benannten die Initiatoren bei der Abschlusskundgebung am Hauptbahnhof. „Immerhin ist es uns gelungen, etwas Unruhe in dieses beschauliche Nest zu bringen, eine Menge Staub aufzuwirbeln”. Allerdings kritisierten die Antifa-Organisatoren in einer gestern Nachmittag verbreiteten Erklärung, die Polizei habe „mit übermäßiger Härte agiert”. Es sei „immer wieder zu massiven Störungen durch die Polizei” gekommen. Ein Vorwurf, den der unbeteiligte Beobachter allerdings nicht nachvollziehen kann.
Nur einmal kam es zu einer etwas angespannten Situation: Auf dem Weg durch die Schlossstraße setzten sich zwei Dutzend Demonstranten, alle mit schwarzen Kapuzen, Schirmmützen und Sonnenbrillen ausgerüstet, an die Spitze des Zuges, machten drei vier schnelle Schritte nach vorn, wurden dann aber rasch von der Polizei eingebremst. Über einen Vorfall am Exerzierplatz, Ort einer weiteren Kundgebung, als ein jugendlicher Pirmasenser eine Flasche auf Polizisten schleuderte und daraufhin von den Einsatzkräften zu Boden geworfen wurde, konnte Becker noch keine Angaben machen. (daa)
Pirmasenser Zeitung vom 20.03.06 — Rubrik Pirmasens
www.pirmasenser-zeitung.de/artikel/06/pirmasens/2006–03-20/2/index.php
Gewaltlose Antifa-Demo gegen NPD in Pirmasens
Massive Polizeipräsenz begleitete Demonstrationszug durch Stadt
Von PZ-Mitarbeiter Markus Fuhser
Knapp 300 meist jugendliche Demonstranten hatten sich am Samstag gegen 13 Uhr vor dem Bahnhof Pirmasens versammelt, um mit einem Demonstrationszug durch Pirmasens gegen ultrarechte politische Aktivitäten in Pirmasens und der Region zu demonstrieren. Sie standen einer gut gleich großen Streitmacht aus Polizisten gegenüber, die die Demonstration fast lückenlos umschlossen durch die Stadt eskortierten. Bis auf wenige Festnahmen verlief die Demonstration problemfrei und gewaltlos.
Zu einer „antifaschistischen Demonstration“ in Pirmasens hatten politische Gruppierungen aufgerufen, die unter dem Namen „Antifa“ bundesweit gegen politisch rechts stehende Gruppierungen und Parteien agieren. Grund für die Demo in Pirmasens, die von „Antifa“-Gruppen aus Rheinland-Pfalz und dem Saarland organisiert wurde, ist der Vorwurf, dass Pirmasens sich in den letzten Monaten zu einer Heimstatt für Nazis entwickelt habe. Der bekannte NPD-Funktionär Sascha Wagner soll auf der Ruhbank ein Haus bezogen haben, das der NPD als Landesgeschäftsstelle in Rheinland-Pfalz dienen soll. Nach Informationen der PZ handelt es sich dabei um das Haus in der Schulstraße 14. Unter dem Motto „Seek & Delete – NPD-Strukturen aufdecken und entsorgen!“ zog die Demo mit Transparenten und Fahnen vom Bahnhof zum Schloßplatz und durch Fußgängerzone, Bergstraße und Alleestraße zum Exerzierplatz. Von dort aus ging es zum Bahnhof zurück. Bunt war die Mischung der Demonstranten. Rund 50 davon waren leicht als professionelle Demonstranten auszumachen. Dazu kamen junge Menschen aus dem Umkreis und auch aus Pirmasens, denen das Flagge zeigen gegen Rechts ein Anliegen war und einige, die die Veranstaltung einfach auch als Party sahen.
„Das hier ist ja fast langweilig“, sagte ein Einsatzleiter der Polizei über die Aktion beim Telefonieren übers Mobiltelefon. Er leitete die „Vorhut“ der Polizeikräfte, die in einer Zweierreihe, teilweise rückwärts laufend, die Front der Demo den ganzen Weg über im Auge behielt. Kurz darauf war die Langweile für eine kurze Zeit zu Ende, als in Höhe der Deutschen Bank die Transparente tragende Demospitze plötzlich in ein paar Schritte Dauerlauf verfiel und die Polizeikette sofort mit Körpereinsatz abblockte. Fast als Höhepunkt der Demo konnte man jenen Stopp ansehen, den die Demonstranten einlegten, um unter einem Pfeifkonzert einem am offenen Fenster stehenden republikanischen Pirmasenser Stadtrat den Mittelfinger zu zeigen.
Eine harte Linie der Polizei hatte Achim Becker, Leiter der Pirmasenser Inspektion und somit Einsatzleiter der Polizeikräfte, in einem Gespräch mit einem „Antifa“-Verantwortlichen für die Demonstration angekündigt. Jeder Verstoß gegen die Vorschriften werde geahndet, die entsprechenden Demonstranten herausgegriffen und zumindest bis zum Ende der Demo festgesetzt. Verboten waren das Unkenntlichmachen von Gesichtern, aktive und passive Bewaffnung und auch das Ummanteln von Teilen der Demo mit Transparenten, das den Zugriff der Polizei auf Demonstranten erschwert hätte. Noch vor dem Beginn der eigentlichen Demo griff die Polizei einen der Demonstranten heraus und untersuchten ihn ziemlich rüde. Die die Züge der Bundesbahn begleitende Bundespolizei hatte die Bereitschaftspolizisten auf den jungen Mann aufmerksam gemacht. Die Demo-Leitung in dem die Demonstration begleitenden Lautsprecherwagen warf der Polizei deshalb vor, einen Eskalationskurs zu fahren.
Während des Zuges durch die Stadt wurde die Demonstration lückenlos rechts und links von Polizeikräften eingefasst. Von der Bereitschaftspolizei bei der Funkkommunikation als „kritische Stellen“ bezeichnete Gebäude, wie das von der rechten Szene gern besuchte Lokal „Am Amtsgericht“, wurden problemlos passiert. Auch die palettenweise vorhandenen Pflastersteine an den dort reichlich vorhandenen Baustellen blieben, wo sie waren.
Bei einer kurzen Kundgebung auf dem Schloßplatz schauten örtliche Größen der rechten Szene von den Schloßtreppen aus der Kundgebung zu. Der vom NPD-Landesvorsitzenden Peter Marx zum Wahlkampfleiter ernannte Sascha Wagner wolle von Pirmasens aus mit 25 000 Plakaten und zwei Millionen Flugblättern den Wählern die „braune Ideologie“ näher bringen, hieß es bei der Kundgebung. Damit gewinne Pirmasens landesweite Bedeutung für die NPD. Auch den etablierten Parteien wurde vorgeworfen, häufig die Stimmung zu schaffen, die der NPD ihre Wähler beschert: „Sie sind Teil des Problems“. In der Alleestraße kontrollierten gleichzeitig Polizisten einige kahl geschorene Jugendliche, die Pullis die Sweatshirts mit der Aufschrift „Deutsche Kolonien – Heia Safari“ trugen. Sonst war von rechten Gegendemonstranten kaum etwas zu sehen.
Mit Slogans wie „Ob Ost, ob West, nieder mit der Nazi-Pest“ und „Aufruhr, Widerstand, es gibt kein ruhiges Hinterland“ zog der Zug durch die Fußgängerzone und die obere Hauptstraße. Vom „harten Kern“ vorgegebene Losungen wie „Nieder mit Deutschland, es lebe der Kommunismus“ wurden jedoch kaum von den Demonstranten aufgenommen.
Obwohl die Demo-Leitung wieder am Bahnhof angekommen per Lautsprecher etwas dramatisierte („bleibt zusammen, lasst euch nicht von der Polizei abgreifen“), löste sich die Demo problemlos auf, nachdem die Polizei ihre massive Präsenz reduziert hatte. Pirmasenser Bürger hatten das für die Stadt seltene Ereignis weitgehend ignoriert oder waren aus Vorsicht zuhause geblieben.
Rechte sind das Problem
Meinung von Markus Fuhser
Knapp 300 jungendliche Demonstranten schafften es am Samstag, ein massives Heer von Polizisten nach Pirmasens zu ziehen. Fast hatte es den Anschein, die Demo werde von der Polizei durch Pirmasens gelotst. Dicht von gut gepolsterten Sicherheitskräften umschlossen bewegte sich der Zug durch die Stadt, den Abschluss bildeten 13 (!) Transportwagen der Polizei. Zig Dokumentationstrupps der Polizei mit Kameras filmten das gesamte Geschehen. Die von der Einsatzleitung angekündigte „harte Linie“ setzte die Polizei Gott sei Dank nicht durch. Die Veranstaltung verlief von beiden Seiten her gesehen recht friedlich.
Ein Grund für die riesige Polizeiübermacht – auf der Husterhöhe standen noch Polizeikräfte in Reserve – war im Grunde nicht erkennbar. Denn auch mit massiven Übergriffen rechter Schläger rechnete die Einsatzleitung laut eigener Aussage nicht. Mögen die Parolen und die politische Herkunft der Demo-Organisatoren auch krude und provokativ sein: Die Kernaussagen, dass die rechte und ultrarechte Szene auch in Pirmasens immer fester Fuß fasst, sind nachzuvollziehen. Und das ist für Stadt und Region das eigentliche Problem – und nicht eine Demo der Antifa gegen diese Entwicklung.
Pirmasenser Zeitung vom 18.03.06 — Rubrik Pirmasens
www.pirmasenser-zeitung.de/artikel/06/pirmasens/2006–03-18/3/index.php
350 gegen Rechts
Bürger jeden Alters zeigen Nazis die kalte Schulter
Von PZ-Redaktionsmitglied David Betz
„Ich freue mich so viele Bürger aller Generationen begrüßen zu dürfen“, traf Oberbürgermeister Dr. Bernhard Matheis den Nagel auf den Kopf. Gestern trafen sich um 17 Uhr rund 350 Demonstranten am Schloßplatz, um gegen Rechtsradikale und rechtes Gedankengut zu protestieren. Überparteilich und Interessensgruppen überschreitend traten die Pirmasenser geschlossen auf. Am Rande betrieben NPD-Mitglieder und Neonazis Stimmungsmache gegen die Demonstration und Personen.
So verwiesen alle Redner bei der Kundgebung darauf, dass nun eine Grenze gezogen werden müsse. Am Donnerstag Abend seien Zahire Sevilir, die Vorsitzende des Ausländerbeirats, und Ingrid von Böhlen vom Seniorenbeirat von einem Republikaner wüst beschimpft worden. NPDler verteilten noch während der Veranstaltung auf dem Schloßplatz ein Pamphlet, in dem Dekan Dr. Michael Diener, der die Demo mit organisiert hatte, verunglimpft wurde.
Dieser Umstand wurde auch von Diener direkt angesprochen. Er warf, unter Szenenapplaus, den Nazis vor, dass sie mit ihrer Haltung und ihren Forderungen abseits stünden von einer sinnvollen Lösung der sozialen Problem. Sie verschärften sie nur noch. Die anwesende Bundesvorsitzende von Bündnis 90/ Die Grünen Claudia Roht gab ihm im Gespräch mit der PZ recht. Sie habe von Wirtschaftsvertretern in Sachsen gehört, dass sich ausländische Firmen nicht mehr so stark in Sachsen engagierten, seit dort die NPD Einzug in den Landtag gehalten habe.
Mitorganisatorin Karola Streppel von der Initiative Freundschaft verwies auf die lange Tradition der Anti-Rechts-Aktionen in Pirmasens. Matheis formulierte es kurz und knapp. „Wir sagen hier und heute: Bis hierher und nicht weiter. Stopp! Es reicht“, so Matheis unter Applaus. Auch die Reden von Zahire Sevilir und Michael Diener verurteilten die Vorgehensweise der Rechten aufs Schärfste. Deutlich wurde bei der Demonstration auch, dass die NPD ganz offensichtlich ihre Taktik bei öffentlichen Auftritten geändert hat. Während vor einigen Jahren noch Bomberjacken und Militärstiefel das Bild der Nazis bestimmten, so waren gestern zwei akurat gekleidete Männer, einer mit einem beachtlichen Schnäuzer samt Seitenscheitel, unterwegs und verteilten ihre Propagandamittel. Unter den Zuhörern befanden sich etliche Rechte in zivil, die die Bevölkerung mit NPD-Kalendern und Flugblättern versorgten. An der Schloßtreppe hatte sich außerdem eine kleine Gruppe von Neonazis aus dem Zweibrücker Raum eingefunden. Um den Zweibrücker Rechten Detlev Walk scharten sich die ebenfalls bekannten Glatzköpfe im Skinhead-Look vom „Nationalen Widerstand Zweibrücken“. Mit Mobiltelefon und Gesprächen sorgten die Parteifunktionäre dafür, dass diese auch dort verharrten, offensichtlich damit in der Öffentlichkeit kein schlechtes Bild von der NPD entsteht.
Die Demonstranten hingegen ignorierten die Skins und sangen zusammen mit den Churchies das zeitlose „We shall overcome“ und Bob Dylans „Blowin in the wind“. Am Ende waren die Organisatoren zufrieden. Ein Zeichen war gesetzt. Welches Zeichen heute gesetzt wird, darüber kann man nur spekulieren. Für heute ist von 13.30 bis 18 Uhr eine Demo der Antifa in Pirmasens geplant. Vom Bahnhof aus will die Gruppe auf den Schloßplatz ziehen und dort ebenfalls gegen die Neonazis demonstrieren. Der Rückweg soll über den Exe und die Gärtnerstraße wieder zum Bahnhof führen. Ob es zu Auseinandersetzungen kommen wird, ist schwer abzuschätzen. Nach Recherchen der PZ finden heute in der Region auch drei Großveranstaltungen rechter Gruppen statt. Denkbar sind dabei nach Meinung von Experten zwei Szenarien: Entweder heißt das, dass die Demo nicht gestört wird, weil die Rechten nicht da sind. Oder sie sammeln sich und kommen bewusst nach Pirmasens, was wohl zu massiven Auseinandersetzungen mit der nicht gerade gewaltscheuen Antifa führen würde. Die Pirmasenser Polizei schließt nach Angaben eines Sprechers von gestern Abend Ausschreitungen heute Nachmittag nicht aus. Wohl auch deshalb ist seit Donnerstag ein Wasserwerferwagen in der Stadt stationiert.
Meinung
Null Toleranz!
Von David Betz
Toll, dass gestern bei der Demo gegen Rechts Bürger jeden Alters und Vertreter aller Parteien anwesend waren. Leider aber auch NPD-Mitglieder die ihr abscheuliches Pamphlet gegen Dr. Michael Diener verteilten. Und am Rande konnten auch einige Skinheads beobachtet werden.
Die braunen Brüder werben für die Landtagswahl mit Slogans wie „Null Toleranz“. Diesen Slogan muss man aber vor allem auf diese Gruppen anwenden. Es darf ihnen nicht erlaubt werden, ihre dumpfen Parolen zu grölen. Denn wenn Meinungsäußerung in Hass, Gewalt und Verachtung gegenüber Menschen – egal ob Ausländer oder nicht – umschlägt, dann ist das keine freie Meinungsäußerung mehr, die unter dem Schutz des Gurndgesetzes steht, sondern es ist Volksverhetzung – und die ist verboten.
Man muss sich klar machen, dass die NPD, die DVU und andere rechte Gruppen nicht einfach nur ein Haufen von Spinnern sind. Unter der perfekten Planung von Peter Marx, der auch in Sachsen und im Saarland für die erschreckenden Wahlerfolge der NPD verantwortlich war, hat sich die rechte Szene zu einer gut vernetzten Organisation entwickelt, die es nun zu bekämpfen gilt. Wehret den Anfängen! Wir dürfen nicht wegschauen, wenn vor Schulen offen um die Kinder und Jugendlichen geworben wird. Wir dürfen nicht weghören, wenn am Stammtisch auf Ausländer geschimpft wird. Und vor allem dürfen wir nicht vergessen, dass von den Rechten eine große Gefahr ausgeht. Immer geschickter versuchen sie sich als harmlos und seriös darzustellen und immer mehr Menschen fallen auf diese miese Masche herein. Deshalb sollten wir alle bei den anstehenden Landtagswahlen dafür sorgen, dass das Konzept der ewig Gestrigen in Rheinland-Pfalz nicht aufgeht.
Publikation: DIE RHEINPFALZ
Regionalausgabe: Pirmasenser Rundschau
Datum: Nr.66
Datum: Samstag, den 18. März 2006
Aufgestanden gegen rechte Parolen
Fast 350 Menschen nehmen an Kundgebung vorm Alten Rathaus teil — Für Demokratie und Toleranz
Demokratie ist wehrhaft: Gestern Nachmittag fanden sich vorm Alten Rathaus fast 350 Bürger und Repräsentanten unterschiedlicher Parteien, Verbände und Organisationen zusammen, um gegen die zunehmende rechte Gewalt und gegen rechte Parolen zu demonstrieren. Musikalisch begleitet wurde die Kundgebung von der Gospelgruppe „Churchies”.
„Es ist wieder soweit, dass die Angst vor dem Fremden, Unbekannten geschürt und der Volksegoismus bedient wird”, stellte Dekan Michael Diener mit Blick auf die Wahlplakate rechter Parteien fest. Wer aber auf diese Weise die Menschen polarisiere und manipuliere, der verstelle den Weg zu tragfähigen gesamtgesellschaftlichen Lösungen und trage die Verantwortung dafür, dass die Gewaltbereitschaft, gerade auch unter Jugendlichen, steige. „Wir leben in einer Region gewaltiger sozialer Probleme, das wissen wir alle. Es ist in meinen Augen ein Skandal, dass rechtsgerichtete Parteien und Organisationen genau deshalb glauben, bei uns leichtes Spiel zu haben.”
Wer sich zur Wehr setze, werde ganz schnell zur Zielscheibe, sagte Diener mit Verweis auf eine Erklärung der *NPD *, die den Dekan als „Rädelsführer” der gestrigen Kundgebung verunglimpfte und ihm „antidemokratische Umtriebe” vorwarf. Diener rief zum Widerstand gegen solche Parolen auf: „Es kann nicht sein, dass wir ohne öffentlichen Widerspruch der Demagogie der Rechten die Straßen und Plätze unserer Stadt und unserer Dörfer überlassen.” Der Dekan bat die Bevölkerung, den Vereinfacherern nicht zu glauben, die Stimmungen bedienten auf Kosten der Würde und zunehmend auch auf Kosten der körperlichen Unversehrtheit von Mitbürgern.
„Wir stehen in Pirmasens für Toleranz und Meinungsfreiheit”, sagte Oberbürgermeister Bernhard Matheis. Die Grenze sei aber dort erreicht, wo Intoleranz gepredigt werde, wo einzelne Individuen gebrandmarkt werden. Es sei deshalb Aufgabe der Demokraten, gemeinsam aufzustehen und den Rechtsextremen zu sagen: stopp, bis hierher und nicht weiter. Es freue ihn, so Matheis, dass an der gestrigen Kundgebung viele Menschen aus allen Generationen teilgenommen haben.
Karola Streppel von der Initiative Freundschaftsfest forderte ein aktives Miteinander gegen die Hetze gegen ausländische Mitbürger. Ihre Erfahrung: „Rechte Aktivitäten nehmen massiv zu.” Beispielsweise sei im Seniorenbeirat die Vorsitzende Ingrid von Böhlen beschimpft worden, weil der Seniorenrat die „Pirmasenser Erklärung” unterzeichnet habe. Beispielsweise habe Dekan Michael Diener besagtes Pamphlet der *NPD *erhalten.
Mit dem multikulturellen Freundschaftsfest hätten die Pirmasenser schon seit langem parteiübergreifend Zeichen gesetzt gegen den Rechtsextremismus, der versuche, Gewalt und Hass zu schüren gegen ausländische Mitbürger. Streppel rief dazu auf, die „Pirmasenser Erklärung” zu unterschreiben.
Die Vorsitzende des Ausländerbeirats, Zahire Sevilir, forderte, „die demokratischen Grundregeln aktiv und entschlossen gegen undemokratisches Gedankengut zu verteidigen”. Die Menschen in Pirmasens und in der Region sollten friedlich miteinander leben, niemand dürfe wegen seiner Hautfarbe, seiner Religion oder seiner Sprache bedroht und in Angst und Schrecken versetzt werden. An den Schulen, so Sevilirs Wunsch, sollen die Kinder und Jugendlichen über den Extremismus und seine Folgen unterrichtet werden. Mit Blick auf die Landtagswahlen am 26. März rief die Vorsitzende des Ausländerbeirats dazu auf, zur Wahl zu gehen. Jede nicht abgegebene Stimme sei eine Stimme für Gewalt und Intoleranz.
Für den DGB Westpfalz forderte Franz Edinger dazu auf, Fremde in ihrer Eigenart wahrzunehmen und zu akzeptieren. Es sei Aufgabe aller Menschen aufzustehen und Gesicht zu zeigen für Demokratie und Toleranz. (pr)
DIE RHEINPFALZ / Zweibrücker Rundschau / Montag, den 06. März 2006
Linke machen gegen *NPD *mobil
PIRMASENS: Demo-Anmeldung für 18. März
Am 18. März demonstrieren linke Gruppen, die von Verfassungsschützern teilweise dem autonomen Spektrum zugeordnet werden, in Pirmasens gegen die *NPD *. Sie sehen die Südwestpfalz als neuen rechtsextremistischen Knotenpunkt von landesweiter Bedeutung. Mehr als 200 Demonstranten erwarten die Veranstalter aus Mainz, dem Saarland, Koblenz und Landau.
Veranstalter sind “Antifa”-Gruppen aus Rheinland-Pfalz und dem Saarland. Pirmasens sei Demonstrationsort, da hier ihrer Meinung nach die landesweite Wahlkampfzentrale der *NPD *betrieben wird. Der *NPD *-Wahlkampfleiter habe in Pirmasens zu diesem Zweck ein Haus erworben, so der Aufruf zur Demonstration.
Heike Umlauft vom Pirmasenser Presseamt bestätigte auf Anfrage, dass die Demonstration angemeldet ist. Eine Genehmigung für Versammlungen unter freiem Himmel sei prinzipiell nicht nötig, nur eine Anmeldung müsse vorliegen. Die Stadtverwaltung stehe in engem Kontakt zur Polizei, so Umlauft. Gründe für ein eventuelles Demo-Verbot seien nicht bekannt.
Die Demo wird um 13.30 Uhr am Hauptbahnhof beginnen und von dort zum Schlossplatz ziehen, wo eine Zwischenkundgebung geplant ist. Am Exerzierplatz folge eine weitere Kundgebung. Der Demo-Zug ende voraussichtlich wieder am Hauptbahnhof.
Die “Antifa”-Szene wird von Verfassungsschützern als “gewaltorientierter Linksextremismus” eingestuft. Zu einem der Veranstalter, der „Antifa Saar/Projekt AK”, vermerkt der saarländische Verfassungsschutz, dass deren Arbeitsschwerpunkt auf dem antifaschistischen Kampf liege als “Eintreten für eine Überwindung des kapitalistischen Gesellschaftssystems als Wurzel des Faschismus”. Diesen “Kampf” führe die saarländische “Antifa” nicht immer friedlich, so der Verfassungsschutzbericht. Angriffe auf “augenscheinlich dem rechten Spektrum zuzurechnende Personen” in St. Ingbert sowie militante Störaktionen gegen eine rechte Demonstration und Sachbeschädigungen am Auto eines *NPD *-Funktionärs ordnen die Verfassungsschützer der autonomen Szene im Saarland zu, die von der “Antifa Saar” dominiert werde. In der Mehrzahl zählt der saarländische Verfassungsschutz jedoch friedliche Aktivitäten wie Demonstrationen und Infoveranstaltungen in seinem Bericht über die “Antifa Saar” auf. (kka)