Redebeitrag der Antifa Saar Projekt / AK anlässlich der Demonstration „20. Todestag von Samuel Yeboah – Demonstration gegen Rassismus und deutschen Nationalismus am 24.09.2011“ in Saarlouis.
Liebe Freund_innen und Genoss_innen,
am vergangenen Montag war es nun genau 20 Jahre her, dass Samuel Kofi Yeboah am 19. September 1991 durch einen rassistisch motivierten Brandanschlag in Saarlouis-Fraulautern ermordet wurde. Die Täter_innen wurden nie gefasst.
Aus diesem Anlass sind wir heute hier, um im Rahmen einer Aktionsreihe an Samuel Yeboah zu erinnern und um gegen Rassismus und deutschen Nationalismus zu demonstrieren.
Bis heute erinnert in der Stadt Saarlouis nichts an den rassistischen Mord. Die langjährige Forderung die Lettow-Vorbeck-Straße, benannt nach einem Kolonialrassisten, in Saarlouis in Samuel-Yeboah-Straße umzubenennen, wurde nicht berücksichtigt.
Am 10. Todestag wurde daher im Anschluss an eine Kundgebung ein Gedenkstein am Rathaus in Saarlouis angebracht. Noch am selben Abend ließ die Stadt diese jedoch auf Geheiß des Oberbürgermeisters Hans-Joachim Fontaine (CDU) entfernen. Doch damit nicht genug, denn die Stadt begnügte sich keineswegs damit den Gedenkstein lediglich zu entfernen, sondern erstattete Anzeige gegen den Anmelder. Der darauf folgende Strafprozess platzte, nachdem der Richter dem Angeklagten cholerisch untersagte eine vorbereitete Erklärung zu verlesen. Als der Strafprozess also gescheitert war, prozessierte die Stadt nun auf zivilrechtlichem Wege und bekam sage und schreibe 134,50€ Schadenersatz zugesprochen.
Danach wurde die Gedenkstein eingelagert und, vermutlich um sich des Problems zu entledigen, einer Frau übergeben, die per Leserbrief in der Saarbrücker Zeitung das Vorgehen der Stadt kritisierte. Dankenswerter Weise gab diese jedoch den Gedenkstein den Eigentümern zurück und so kam diese erneut in unseren Besitz.
Neben der Kundgebung und dem Anbringen des Gedenksteins am 10. Todestag gab es auch am 5. und am 15. Todestag von Samuel Yeboah Formen des Gedenkens. So gab es Kundgebungen, Demonstrationen und ein antirassistisches Fußballtunier, in Erinnerung an Samuel Yebaoh.
Der Mord an Samuel Yeboah ist untrennbar mit der aufgeheizten nationalistischen Stimmung zu Beginn der 90er Jahre verbunden. Die Wiedervereinigung löste eine Welle nationalistischer Begeisterung aus, die sich bereits an dem Wandel der Parolen auf den Montagsdemonstrationen ablesen ließ. Während zu Beginn die Demonstranten mit der Parole “Wir sind das Volk” legitimer Weise nach politischer Mitbestimmung riefen, wurde bald der Ruf ‘Wir sind ein Volk” laut, mit dem die Vorstellung eines organischen und natürlich zusammengehörenden deutschen Volks transportiert wurde. Diese nationalistische Stimmung schlug schon bald in blanke Gewalt um. Eine ganze Reihe von rassistisch motivierten Übergriffen nach der Wiedervereinigung belegen dies. Unter anderem kam es im September vor 20 Jahren in Hoyerswerda zu einem Pogrom. Nazis griffen, angefeuert durch Anwohner_innen, ein Asylbewerber_innenheim mit Molotow-Cocktails an und schmissen die Scheiben ein. Es wurden dabei 32 Menschen verletzt, jedoch wurden lediglich drei Angreifer von der Polizei verhaftet.
Auch wenn sich seit den 90er Jahren viel verändert hat, hat sich wenig verbessert. Trotz der Inszenierung der zwangsdemokratisierten Volksgemeinschaft als antirassistisch nach der Jahrtausendwende, kommt es auch außerhalb sächsischer Dörfer zu rassistischen Übergriffen. So wurde am 09.08.2002 Ahmet Sharlak von einem Nazi in Sulzbach ermordet und in den letzten Jahren kam es in Völklingen immer wieder zu rassistischen Übergriffen und Brandanschlägen.
Wenn wir den Opfern rassistischer und fremdenfeindlicher Gewalt gedenken, dann drängt sich zwangsläufig die Frage auf, wie antirassistisches Engagement aussehen kann und wann man überhaupt von Rassismus sprechen kann.
Historisch betrachtet gehen die Rassentheorien auf Arthur de Gobineau zurück, der 1853 eine Schrift veröffentlichte, in der er Vorstellungen universeller Gleichheit des Menschen die Unterteilung in Rassen entgegenhielt. Er kombinierte Theorien des Rassenkampfes und der Rassenvermischung. Auch der Begriff der ‘arischen Rasse’ geht auf sein Essay “Versuch über die Ungleichheit der menschlichen Rassen” zurück. Diese Vorstellungen fanden, hauptsächlich in Deutschland seit den 70er Jahren des 19. Jahrhunderts, also ab der Gründung des Deutschen Reiches, Verbreitung. Ein begeisterter Verfechter dieser Ideen war unter anderem Richard Wagner.
Dieser rassistische Wahnsinn gipfelte u.a. schließlich im Vernichtungswahn der Nazis. Zwar sind Vorstellungen von Rassenkampf heute scheinbar nicht mehr verbreitet, doch hat der Universalismus damit keineswegs gesiegt. Noch immer werden Menschen aufgrund ihrer Abstammung in Gruppen eingeteilt, was Vorstellungen universeller Gleichheit des Menschen entgegensteht. Dieser Punkt ist von fundamentaler Bedeutung, wenn es darum geht zu verstehen, was man heute mit Fug und Recht als Rassismus bezeichnen kann und was nicht. Auch in linken Kreisen existieren nach wie vor auch völlig irrsinnige Vorstellungen davon was Rassismus eigentlich ist. Wer nicht versteht, dass das essentielle am Rassismus die Verneinung jeglichen Universalismus ist, also des einzigen Garanten für eine vernünftig eingerichtete Gesellschaft, läuft Gefahr diesen, gar im antirassistischen Korsett zu reproduzieren.
Die Einteilung der Menschheit in Gruppen, die früher pseudowissenschaftlich mit dem Gefasel von Rassen vorgenommen wurde, wird heute oft mit dem Begriff der ‘Kultur’ vorgenommen. Wenn Luc Jochimsen, Bundestagsabgeordnete und ehemalige Kandidatin für das Amt der Bundespräsidentin von der Partei ‘Die Linke’ zusammen mit Abgesandten aller Fraktionen in den Iran fliegt ist das eigentlich an sich schon ein Skandal. Wenn sie jedoch auf die Frage, wieso sie mit Holocaust-Leugnern fraternisiert, die Homosexuelle steinigen lassen entgegnet: “Die Iraner sehen das als Teil ihrer Kultur. Es gibt den Satz, dass Unterschiede in der Kultur kein Disease sind, keine Krankheit, kein Fehler, sondern sie müssen als Unterschiede akzeptiert werden.” Dann hat sie prägnant das auf den Punkt gebracht, was man heute Rassismus nennen kann und sogar muss! Denn sie spricht den Frauen, Homosexuellen und Andersdenkenden im Iran universelle Menschenrechte ab, weil diese aufgrund ihres Geburtsort einem anderen Kulturkreis angehören und fordert Kritiker auf, dies sogar zu akzeptieren! Dieser kulturelle Relativismus schwingt auch stets bei der Propagierung des Multikulturalismus mit, wenn menschenfeindliche Zustände, nicht als Fehler betrachtet, sondern als Unterschiede akzeptiert werden müssen.
Diese gemeingefährliche Begriffslosigkeit überschreitet spätestens dann die Linie zur blanken Dummheit, wenn man die legitime Kritik an menschenfeindlichen Umständen, weil sie in anderen Kulturen verankert sind, als kulturellen Rassismus denunziert. Falls es um den Islam geht, werden Neologismen wie antimuslimischer Rassismus oder Islamophobie bemüht.
In diesem Fall hat man es geschafft, heute den Universalismus als Rassismus zu bezeichnen, obwohl gerade der essentielle Punkt des historischen Rassismus die Unterteilung der Menschen in Gruppen ist.
Ein weiteres Beispiel für falsch verstandenen Antirassismus ist, dass vor kurzem in Marburg die Vorstellung des Buches “Sex, Djihad und Despotie” von Thomas Maul mit dem Vorwurf des Rassismus verhindert wurde.
In dem Buch übt der Autor emanzipatorische Islamkritik, also sich dafür einsetzt, dass Menschen die dem islamistischen Diktat unterworfen sind, die Möglichkeit bekommen aus diesem auszubrechen und ein selbstbestimmtes Leben zuführen. Doch ausgerechnet Linke, u.a. auch Antifa-Gruppen, die zumindest ihrem Selbstverständnis nach gegen Sexismus und Homophobie eintreten, verhinderten diese Veranstaltungen u.a. mit dem Vorwurf des kulturellen Rassismus. Wer Zwangsheirat, Kastenwesen oder Geschlechterapartheid mit dem Begriff der Kultur relativiert und zu Folklore verklärt, hat mit der Barbarei längst seinen Frieden gemacht.
Folgerichtig kann für uns ein sinnvoller Antirassismus nur das Streben nach der Emanzipation des Individuums aus Zwangskollektiven sein, egal ob man sie nun als ‘Kultur’ oder ‘Rasse’ definiert.
Samuel Yeboah, der sich durch die Flucht in die BRD ein etwas besseres Leben erhoffte, verlor aufgrund dieser wahnhaften Einteilung der Menschen in unveränderbare Gruppen sein Leben.
In diesem Sinne: Keinen Kompromiss mit der Barbarei! Gegen Rassismus und deutschen Nationalismus! Für ein würdiges Gedenken an Samuel Yeboah in Saarlouis!