Redebeitrag auf der Kundgebung zum 30. Jahrestag der Ermordung von Frank Bönisch in Koblenz

Am 24.08.2022 sprachen wir auf Ein­ladung der Ini­tia­tive Kein Vergessen Koblenz auf der Kundge­bung Gemein­sam gegen recht­en Ter­ror und Gewalt auf dem Koblenz­er Zen­tralplatz. Anlass war der 30. Todestag von Frank Bönisch, der an diesem Ort von einem bekan­nten Neon­azi ermordet wurde. Vor etwa 150 ZuhörerIn­nen sprachen wir unter anderem über den anste­hen­den Prozess in Koblez gegen Peter Schröder (geb. Schlap­pal) im Fall des ras­sis­tis­chen Mordes an Samuel Yeboah 1991 in Saar­louis.
Wir bedanken uns noch ein­mal aus­drück­lich für die Ein­ladung bei den Koblenz­er GenossIn­nen und kom­men gerne wieder.
Dass unser Auftritt dort für Furore im rhein­land-pfälzis­chen Land­tag sor­gen wird, hat­ten wir dann aber doch nicht erwartet. Die CDU Koblenz begann eine Kam­pagne gegen den Auftritt von “Extrem­is­ten” (damit ist die Antifa Saar / Pro­jekt AK gemeint) auf der Kundge­bung auf der auch der rhein­land-pfälzis­che Land­tagspräsi­dent Hen­drik Her­ing eine Grußbotschaft ver­las. Offen­bar sind wir in der Lage Prov­inz­pos­sen auch außer­halb des Saar­lan­des zu provozieren. Vielle­icht wid­men wir dieser mehr Aufmerk­samkeit zu einem späteren Zeit­punkt und an ander­er Stelle.
Hier doku­men­tieren wir unseren Rede­beitrag vom 24. August 2022 auf dem Koblenz­er Zentralplatz:

Rede­beitrag der Antifa Saar / Pro­jekt AK am 24.08.2022 in Koblenz

Vie­len Dank an die „Ini­tia­tive Kein Vergessen Koblenz“ für die Ein­ladung heute hier zur Gedenkkundge­bung für Frank Bönisch und die Möglichkeit zu Euch zu sprechen.

Frank Bönisch wurde am 24. August 1992 hier in Koblenz von einem Neon­azi erschossen, weil er als „Alter­na­tiv­er“ galt und als Obdachlos­er zu denen gehörte, die im Welt­bild der Nazis kein Recht auf Leben haben.
Die 90er waren geprägt vom deutschen Wiedervere­ini­gungstaumel, ein­er ras­sis­tis­chen Asylde­bat­te in Poli­tik und Gesellschaft, zahlre­ichen Pogromen und pogro­mar­ti­gen Auss­chre­itun­gen. Bran­dan­schläge, gewalt­tätige Über­griffe bis hin zu Mor­den – began­gen durch Ras­sis­ten und Nazis, die sich als Voll­streck­er des Volk­swil­lens sahen — gehörten zur Tage­sor­d­nung, – zur „neuen deutschen Normalität“.

Die bun­desre­pub­likanis­chen Behör­den weigerten sich über Jahrzenhnte – teil­weise bis heute diese Tat­en als poli­tis­che Tat­en anzuerken­nen. So gehen auch die Sta­tis­tiken weit auseinan­der. So spricht die Bun­desregierung Ende 2020 noch von 109 Mor­den seit der Wiedervere­ini­gung, während beispiel­sweise die Amadeo-Anto­nio-Stiftung 2022 bere­its 218 Morde seit 1990 zählt. Also genau dop­pelt so viele. Und auch hier wird noch eine enorme Dunkelz­if­fer vermutet.

Es gibt eine „Kon­ti­nu­ität des Nicht-Aufk­lärens“. Aber das muss man Euch hier ja auch ger­ade im Kon­text der Ermor­dung von Frank Bönisch nicht lange erklären.

Weg von der Sta­tis­tik, weg von den Zahlen. Denn hin­ter jed­er einzel­nen Zahl steckt ein Men­sch, ein Men­schen­leben, dass viel zu früh been­det wurde.

Wir möcht­en Euch von einem weit­eren Schick­sal erzählen zu dem wir im Saar­land nun schon seit Jahrzehn­ten arbeit­en: Samuel Yeboah.

Samuel Yeboah wurde in der Nacht des 19. Sep­tem­bers 1991, also knapp 11 Monate vor Frank Bönisch in Saar­louis ermordet.
In der Asyl­ber­wer­berun­terkun­ft in der sich in besagter Nacht 19 Men­schen aufhiel­ten wurde mit­tels Brandbeschle­u­niger gegen 3:30 Uhr ein Feuer gelegt, dass sich rasch aus­bre­it­ete. 16 Men­schen gelang die Flucht aus dem bren­nen­den Haus, zwei weit­ere Men­schen zogen sich beim Sprung aus dem Fen­ster schwere Ver­let­zun­gen zu.
Samuel Yeboah schaffte es nicht. Er wurde mit schw­er­sten Ver­let­zun­gen von der Feuer­wehr aus dem Haus gebor­gen und starb kurze Zeit später im Krankenhaus.

Saar­louis war zu diesem Zeit­punkt eine Hochburg faschis­tis­ch­er Aktiv­itäten. Vie­len war schnell klar, dass es angesichts der herrschen­den Pogrom­stim­mung im Land – zur Erin­nerung: zur gle­ichen Zeit fan­den die Pogrome in Hoy­er­swer­da statt – um einen ras­sis­tis­chen Bran­dan­schlag han­deln musste.

Samuel Yeboah selb­st sagte noch wenige Stun­den zuvor mit Blick auf eine Gruppe von etwa 25 Nazis auf dem Saar­louis­er Mark­t­platz zu einem Fre­und: „Irgend­wann wer­den die mich umbrin­gen“. Wenige Stun­den später war er tot.

Zwar ermit­telte die Polizei – ange­blich in alle Rich­tun­gen – stellte aber 11 Monate später schon die Ermit­tlun­gen – ergeb­nis­los – ein.
Seit dem erinnnern wir und zahlre­iche andere Ini­tia­tiv­en und Organ­i­sa­tio­nen, z.B. die Aktion 3. Welt Saar und der Saar­ländis­che Flüchtlingsrat immer wieder und kon­tinuier­lich an die Tat, den gesellschaftlichen Kon­text in den diese einge­bet­tet war und das Ver­sagen von allen öffentlichen Strukturen.

Zum zehn­ten Jahrestag der Ermor­dung wurde von autonomen Antifaschist*innen im Rah­men ein­er Demon­stra­tion ein Gedenkstein am Saar­louis­er Rathaus ange­bracht. Der Saar­louis­er Ober­bürg­er­meis­ter ließ sie umge­hend wieder ent­fer­nen. Gegen den Anmelder der Demon­star­tion wur­den mehrere Prozesse geführt, zulet­zt erstritt sich die Stadt Saar­louis 134,50 € Schadenser­satz – ein mehr als pein­lich­er „Erfolg“ für die Stadt.

2020 kam dann nochmal und für viele Beobachter*innen völ­lig uner­wartet Bewe­gung in den Fall — seit­ens der Behör­den. Nach einem Hin­weis aus der Szene geht man nun plöt­zlich doch von einem ras­sis­tis­chen Tat­mo­tiv aus und verdächtigt eben jene Nazis, die an der Spitze der extrem recht­en Szene im Saar­land standen und über deren Tat­beteili­gung schon seit Jahrzehn­ten mehr als nur spekuliert wurde. Die Ermit­tlun­gen konzen­tri­erten sich zulet­zt auf den Hand­langer des langjähri­gen Neon­az­iführers Peter Strum­pler – eben­falls ein Peter S. — früher Schlap­pal, heute Schröder. Mit­tler­weile ist Anklage wegen Mordes und Mord­ver­such­es gegen ihn erhoben wor­den. Die Ver­hand­lung begin­nt ver­mut­lich im Novem­ber hier in Koblenz.
Es sind zahlre­iche – mehr als zwei Dutzend — Prozesstage ange­set­zt. Ihr Aus­gang ist ungewiss.

Es liegt an uns allen diesen Prozess zu begleit­en und zu beobacht­en. Die Naziszene der dama­li­gen Zeit muss nochmal in den Fokus gerückt wer­den, denn die „Gen­er­a­tion Ter­ror“ bleibt bis heute gefährlich. Und wie die schreck­lichen Tat­en von beispiel­sweise Halle und Hanau zeigen ist rechter Ter­ror alles andere als nicht mehr aktuell oder nur „eine Phase“ in den 90ern gewesen.

Auch heute noch gilt: Recht­en Ter­ror bekämpfen! Den antifaschis­tis­chen Selb­stschutz organisieren!

Auf den Staat ist kein Verlass!

Aber auch der gesellschaftliche Kon­text von damals muss noch ein­mal aufgerollt wer­den, eben­so wie das Nicht-Han­deln bzw. die aktive Ver­tuschung des ras­sis­tis­chen Motivs durch die Behör­den. Die Rolle von Pro­jek­ten der soge­nan­nten „akzep­tieren­den Sozialar­beit“, die Ver­harm­lo­sung und Dul­dung recht­en Ter­rors durch Polizei und Stadt.

Unsere zen­tralen Forderun­gen laut­en deshalb:

- Offen­le­gung aller Akten im Fall Samuel Yeboah
- Ein­set­zung eines Unter­suchungsauss­chuss­es im saar­ländis­chen Land­tag mit den langjähri­gen Akteur*innen des Gedenkens in zen­traler Rolle
- Auflö­sung des Verfassungsschutzes

Und hier an Euch aus Koblenz und der Region: Besucht den Prozess, stellt mit uns zusam­men Öffentlichkeit her. Den ganz egal wie dieser Prozess aus­ge­ht, für uns gilt in Erin­nerung an Samuel Yeboah, Frank Bönisch und so viele andere:

Kein Vergeben! Kein Vergessen!
Alle zusam­men gegen den Faschismus!

Antifa Saar / Pro­jekt AK am 24. August 2022 in Koblenz

*Zeitungsar­tikel: Rhein-Zeitung vom 26.08.2022