180 Menschen demonstrierten heute in Erinnerung an Samuel Yeboah in Saarlouis

Erst ein­mal ein großes Dankeschön an Euch alle, die Ihr heute da wart, mitor­gan­isiert und mit­demon­stri­ert habt. 180 Leute waren wir durchge­hend von Anfang bis Ende. Es hät­ten gerne auch ein paar mehr sein dür­fen. Wir denken es ist uns jedoch zusam­men gelun­gen ein deut­lich­es Zeichen gegen das Vergessen zu set­zen. Unter dem Mot­to „Aufk­lären – Ein­mis­chen – Kon­se­quen­zen ziehen“ sind wir ganze dreiein­halb Stun­den durch Saar­louis gezo­gen. Nach zahlre­ichen Kundge­bun­gen der ver­gan­genen Zeit unsere erste gemein­same Demo unter Pan­demiebe­din­gun­gen. Ein fettes Dankeschön, dass Ihr alle so gut aufeinan­der aufgepasst habt. Ges­tartet sind wir am Saar­louis­er Haupt­bahn­hof, wo eine Grußbotschaft der Ini­tia­tive pogrom91 ver­lesen wurde, die eben­falls seit Jahrzehn­ten an die genau vor 30 Jahren stattge­fun­de­nen Pogrome in Hoy­er­swer­da erin­nert und vor ähn­lichen Her­aus­forderun­gen ste­ht wie wir in Saar­louis. Vom Haupt­bahn­hof ging es dann in die Saar­louis­er Straße, wo der ras­sis­tis­che Bran­dan­schlag stattge­fun­den hat­te. Es wurde auf den etwas kläglichen Ver­such der Stadt einge­gan­gen dort nun mit ein­er kaum wahrnehm­baren Hin­weistafel, die vor drei Tagen erst ange­bracht wurde, die öffentliche Diskus­sion um das Gedenken an Samuel Yeboah zu beruhi­gen. Aber es wurde schon auch zur Ken­nt­nis genom­men, das immer­hin etwas in Rich­tung Erin­nerungsar­beit ver­sucht wurde. In stillem Gedenken an Samuel Yeboah legten zahlre­iche Men­schen Blu­men an der Infotafel ab. Danach wur­den ein paar Worte aus dem gestern veröf­fentlicht­en Inter­view mit einem Betrof­fe­nen des Anschlags und sein­er Anwältin ver­lesen. Ihm galt ein beson­der­er Gruß der Demoteil­nehmenden mit sehr viel Applaus. „Danke für Deinen Mut nun an die Öffentlichkeit zu gehen“.

Dann ging es weit­er Rich­tung Löwen­park. In den 90ern war dieser Tre­ff­punkt der Neon­aziszene aus Saar­louis und darüber hin­aus. Erst mil­i­tan­ter antifaschis­tis­ch­er Wider­stand kon­nte dies zeitweise und auch nach­haltig auf­brechen. Heute tre­f­fen sich Reichs­bürg­erIn­nen und Coro­naleugner­In­nen an der Löwen­skulp­tur, die eine in Saar­louis sta­tion­ierte Gar­ni­son mit kriegsver­brecherich­er und kolo­nial­is­tis­ch­er Geschichte bis heute huldigt. Daran angelehnt hielt die Gruppe Con­n­Act Saar einen Rede­beitrag und sprach über die Rolle von Staat und Sicher­heits­be­hör­den bei der Ver­tuschung faschis­tis­ch­er Anschläge und der Unter­stützung organ­isiert­er Ter­rorstruk­turen wie dem NSU. Dann ging es weit­er Rich­tung Sil­ber­herzs­traße (dort ste­ht das Geburtshaus des Kolo­nial­ras­sis­ten Lettwow-Vor­beck), wo eben­falls auf das kolo­nial-mil­i­taris­tis­che Erbe der Stadt hingewiesen und ein an einen recht aktuellen Artikel der Aktion Dritte Welt Saar angelehn­ter Beitrag ver­lesen wurde. Wir zogen dann durch die Innen­stadt, vor­bei an zahlre­ichen Pas­san­tInnen und Cafebe­sucherIn­nen Rich­tung Rathaus. Dort wurde bei unser­er Demon­stra­tion vor genau zwanzig Jahren durch Antifas ein Gedenkstein an der Rathaus­fas­sade ange­bracht. Der dama­lige Ober­bürg­er­meis­ter ließ ihn wieder umge­hend ent­fer­nen. Auf diese Geschichte wurde in einem Beitrag kurz einge­gan­gen. Es wurde der Stadt öffentlich ange­boten den Gedenkstein nochmal zur Ver­fü­gung zu stellen, wenn sie ihn dort wieder anbrin­gen und seinen Schutz gewährleis­ten würde. Dies ist aber nicht nur ein Aange­bot, son­dern auch eine unser­er Forderun­gen: Der Gedenkstein muss wieder ange­bracht wer­den. Es muss an einem zen­tralen Ort in Saar­louis an Samuel Yeboah erin­nert werden.

Die See­brücke Saar hielt an gle­ich­er Stelle einen Rede­beitrag und ging sowohl auf die Geschichte des „Asylkom­pro­miss­es“ ein, als auch auf die aktuellen Ereignisse im Mit­telmeer und an den europäis­chen Aus­sen­gren­zen. Zur Verdeut­lichung wurde eine über 30 Meter lange Liste aus­gerollt mit den Namen von über 40.000 an den EU-Aus­sen­gren­zen Ermorde­ten und ums Leben gekomme­nen Men­schen auf der Flucht. Und es wur­den auch noch sol­i­darische Grüße zur gle­ichzeit­ig stat­tfind­en­den „Free Lina“ — Demo in Leipzig gesendet. Dann erhielt Den­nis Lan­der das Wort, der für die Linke im saar­ländis­chen Land­tag sitzt und berichtete von seinen teils skan­dalösen Erfahrun­gen aus dem Geheim­di­en­stauss­chuß und dem Innenauss­chuß, wo beispiel­sweise auf kri­tis­che Nach­fra­gen an den Ver­fas­sungss­chutz von dessen Seite mit Strafanzeige gedro­ht wurde.
Auf der Abschlußkundge­bung am Kleinen Markt kon­nten schließlich zahlre­iche Men­schen unserem Rede­beitrag lauschen. Diesen wer­den wir an dieser Stelle diese Tage noch veröf­fentlichen.
Wir sind ges­pannnt was die zahlre­ich anwe­senden Medi­en­vertreterIn­nen daraus machen.

Wir hof­fen Ihr seid alle wieder gut nach Hause gekom­men. Wir sehen uns bald wieder.
Es wird nicht das let­zte mal gewe­sen sein, dass wir zusam­men demon­stri­eren mussten.

Kein Schlussstrich!

Sofor­tige Offen­le­gung der Akten im Fall Samuel Yeboah!

Sol­i­dar­ität mit den Über­leben­den des Bran­dan­schlags vom 19.09.1991 in Saar­louis und allen anderen von Ras­sis­mus und Naziter­ror Betroffenen!



Der Rede­beitrag der Antifa Saar / Rojekt AK

Seit eini­gen Monat­en wird nun auch von Seit­en der Stadt Saar­louis der Mord an Samuel Yeboah the­ma­tisiert. 30 Jahre nach dem ras­sis­tisch motivierten Bran­dan­schlag. Mor­gen führen Stadt und Kirchen eine stille Kranznieder­legung am Grab von Samuel Yeboah durch. Im Anschluss find­et ein öku­menis­ch­er Gedenkgottes­di­enst statt. Man kön­nte meinen: Endlich! Die Stadt bewegt sich. 30 Jahre antifaschis­tis­che Arbeit haben endlich ein sicht­bares Ergeb­nis. Doch weit gefehlt. Kein Wort von Ras­sis­mus, kein Wort von den Nazistruk­turen. Nichts der­gle­ichen find­et sich in den offiziellen Ver­laut­barun­gen und Aufrufen. Die Stadt ist nicht mehr still, sie will nur noch still gedenken. Aber warum es über­haupt Anlass zum Erin­nern gibt, darüber kein Wort.

Erin­nern ohne Ver­gan­gen­heit“, so hat es kür­zlich ein Vertreter der Aktion 3. Welt Saar auf den Punkt gebracht. Man leugnet nicht mehr, was nun auch wirk­lich für den aller­let­zten nicht mehr zu leug­nen ist. Aber von der Ver­tuschung, von der Ver­harm­lo­sung und von der Dif­famierung der­er, die kon­se­quent an Samuel Yeboah erin­nert haben, kein Wort. Eben ein­fach nur ein stilles Gedenken und dann Schluss.

Forderun­gen

Aber das wer­den wir nicht zulassen! Mit uns wird es keinen Schlussstrich geben! Wir wer­den weit­er Erin­nern und dabei aufk­lären. Wir wer­den die Nazis beim Namen nen­nen, die Ver­tusch­er denun­zieren und die Ver­harm­los­er offen anprangern. Die Stadt möchte still gedenken. Als sei in den let­zten 30 Jahren nichts geschehen. Als hät­ten Saar­louis­er Poli­tik­er – allen voran die Bürg­er­meis­ter der Stadt – nicht über Jahrzehnte das ras­sis­tis­che Tat­mo­tiv geleugnet. Mit der faden­scheini­gen Begrün­dung: wo man keinen Täter finde, da könne man auch nicht wis­sen, warum er es getan hat. Das sind die sel­ben Leute, die Saar­louis­er Nazistruk­turen kon­se­quent ver­harm­losen. Ja nicht ver­harm­losen, son­dern verleugnen.

Und deshalb ste­ht zu befürcht­en, dass es ein­fach so weit­er laufen soll, wie bish­er.
Aber ein weit­er so wird es mit uns nicht geben!

Deshalb fordern wir die sofor­tige Offen­le­gung der Ermit­tlungs- und Geheim­di­en­stak­ten im Fall Samuel Yeboah. Nur so kann die jahrzehn­te­lange Ver­tuschung ein Ende haben. Nur so kön­nen sich die geheim­di­en­stlichen Beschützer der Nazis nicht mehr vor der Öffentlichkeit ver­steck­en.
Wir fordern die Ein­set­zung eines öffentlichen Unter­suchungsauss­chuss­es. Weil Poli­tik, Polizei und Geheim­di­en­ste über Jahrzehnte bewiesen haben, dass sie zur Aufk­lärung nicht Wil­lens oder nicht fähig sind. Weil man sich weit­er kon­se­quent weigert, den ras­sis­tis­chen Nor­malzu­s­tand zu betra­cht­en.
Und wir fordern einen würdi­gen Erin­nerung­sort an Samuel Yeboah als Opfer eines ras­sis­tis­chen Bran­dan­schlages. So wie es ihn bere­its vor 20 Jahren für wenige Stun­den gab. Bevor die Stand ihn beseit­igte. Ein zen­traler Platz, der nicht schon wegen sein­er Lage in einem Vorort in Vergessen­heit gerät. Einen zen­tralen Ort, den Men­schen wahrnehmen und damit auch mit der Tat kon­fron­tiert wer­den. Und nicht nur ein paar Anwohn­er in ein­er Wohn­straße.
Wir fordern die Anerken­nung des ras­sis­tis­chen Motivs des Mordes an Samuel Yeboah. Keine Ver­harm­lo­sung mehr als tragisch, heimtück­isch oder gewalt­sam. Haupt­sache Tat und Täter bleiben im Unge­fähren. Nen­nt es was es ist: Ras­sis­mus.
Dies alles ist Teil ein­er kon­se­quenten Erin­nerung und Aufk­lärung.
Und daraus müssen wir Kon­se­quen­zen ziehen!

Nazis gibt es überall

Denn Nazis gibt es nicht nur in Saar­louis son­dern über­all. Und wenn man sie agieren lässt, zeigen sie ihr mörderisches Gesicht. Vor genau dreißig Jahren startete ein deutschna­tionaler Mob das Pogrom von Hoy­er­swer­da. Und auch in Saar­louis blieb es nicht bei einem Bran­dan­schlag. Bombe­nan­schläge auf Wohn­heime, Kul­turzen­tren und Ausstel­lun­gen fol­gten. Waren es früher die Kam­er­ad­schaften, so sind es heute die Ham­mer­skins, die von Poli­tik und Behör­den unbe­hel­ligt im Land­kreis ihr Unwe­sen treiben.

Aber wir müssen gar nicht bis in die Kam­er­ad­schaftsszene schauen, um die men­schen­ver­ach­t­en­den Umtriebe der Recht­en aus Saar­louis anzuprangern. Das Saar­louis­er Urgestein Oskar Lafontaine war die treibende Kraft hin­ter dem ersten Schlag gegen das Asyl­recht Anfang der 90er Jahre. Und als Min­is­ter­präsi­dent war Oskar Lafontaine Anfang der 90er Jahre let­z­tendlich auch ver­ant­wortlich für die Ver­tuschungsar­beit von Polizei und Geheim­di­en­sten im Fall Yeboah. Und für deren Schutz von Nazistrukturen.

Aus all diesem müssen wir Kon­se­quen­zen ziehen. Und eine Kon­se­quenz muss heißen: auf Staat und Behör­den ist im Kampf gegen Nazis kein Ver­lass. Im Gegen­teil. Wer Nazis schützt und ver­harm­lost, kann sie nicht gle­ichzeit­ig wirk­sam bekämpfen. Deshalb gibt es hier nur eins: Organ­isiert euch! Organ­isiert den antifaschis­tis­chen Selb­stschutz! Tut euch zusam­men und grün­det Grup­pen oder schließt euch beste­hen­den Grup­pen an! Nur gemein­sam gelingt es. Nur so kon­nte auch gegen Kam­er­ad­schaften und Naziskins in Saar­louis und der Region vorge­gan­gen wer­den. Kam­er­ad­schaft Saar­lautern, Saarsturm oder Stur­m­di­vi­sion Saar gibt es heute nicht mehr. Und dass diese Nazi­grup­pen heute der Ver­gan­gen­heit ange­hören, liegt an entschlossen­er und vere­in­ter antifaschis­tis­ch­er Gegen­wehr. Im Betrieb, der Kneipe, auf der Straße oder in der Fam­i­lie müssen wir den Nazis offen­siv ent­ge­gen treten.

Nazis töten.
Wenn sie die Möglichkeit dazu erhal­ten.
Nehmen wir ihnen die Möglichkeit­en und die Grund­lage.
Indem wir Aufk­lären, uns ein­mis­chen und Kon­se­quen­zen ziehen!