Knapp 90 Antifaschist_innen aus unterschiedlichen Parteien und Organisationen versammelten sich heute auf dem Max Braun – Platz in Saarbrücken um seinen Namensgeber anlässlich seines 75. Todestages zu würdigen.
Kaum jemand kennt den kleinen Platz neben der Alten Feuerwache, eingepfercht zwischen, Großherzog-Friedrich Straße und Landwehrplatz. Und man muß schon genau hinschauen und suchen um die kleine Plakette zu finden, die seit 2012 an Max Braun erinnert.
Am 3. Juli 1945 starb der Sozialist und militante Antifaschist Max Braun in seinem Londoner Exil. Als Agitator gegen den Anschluss des Saarlandes an Nazideutschland stellte er eine Ausnahmeerscheinung in der politischen Landschaft des Saarlandes dar. Doch weder zu Lebzeiten, noch nach seinem Tod wurde sein Einsatz angemessen gewürdigt. An seiner Person lässt sich exemplarisch der skandalöse Umgang des Saarlandes mit Menschen aufzeigen, die ihre antifaschistische Gesinnung nicht erst am 9. Mai 1945 entdeckten.
Erich Später, Historiker und Autor der Monatszeitschrift Konkret nahm zu Beginn der Gedenkkundgebung eine Würdigung der Person Max Braun vor. Vertreter_innen des SPD-Ortsvereins St. Johann, der Peter Imandt – Gesellschaft, der Linksjugend Solid Saar, der Gruppe FemUp, der Intitiative Seebrücke Saar, der Studierendengruppe Linke Liste, der Gruppe ConnAct Saar und der Antifa Saar / Projekt AK stellten in kurzen Wortbeiträgen dar, welchen Stellenwert Erinnerungspolitik hat, und dass es auch heute immer noch und wieder in besonderem Maße einer engen Zusammenarbeit im Kampf gegen alte und neue Formen des Faschismus bedarf. Beendet wurde die Kundgebung mit der Niederlegung zahlreicher Blumen an der Gedenkplakette.
weiterführende Informationen zum Thema findet ihr hier: http://maxbraun.blogsport.de/
Hier können die einzelnen Kurzbeiträge eingesehen werden, sofern sie uns zur Verfügung gestellt wurden:
Rede der Antifa Saar / Projekt AK
Nichts hat sich geändert !
Heute, auf den Tag genau vor 10 Jahren demonstrierten wir hier als Antifa Saar gemeinsam mit knapp 100 weiteren Antifaschistinnen und Antifaschisten aus verschiedenen organisatorischen und parteipolitischen Zusammenhängen – einige von Euch waren dabei. Wir demonstrierten dafür, dass diese Straße hier – die Großherzog Friedrich Straße – wieder in Max Braun Straße umbenannt wird.
Denn so hieß sie schon mal. Diese Ehrung der Symbolfigur des antifaschistischen Widerstands an der Saar, wurde von Revanchisten und Kriegsverbrechern 1955, gleich nach der zweiten Saarabstimmung, erwartungsgemäß wieder zunichte gemacht.
Geehrt wird Großherzog Friedrich. Er war Kompaniechef des Ulanenregiments. Dem Ulanenregiment wurde wiederum direkt am Staden ein Reiterdenkmal gesetzt. Eine zu Helden verklärte Truppe, die im deutsch-französischen Krieg hier in Saarbrücken eingesetzt wurde.
Aber nicht nur das.
Wisst Ihr was hier gegenüber auf dem alten Citroën – Gelände gerade entsteht?
Zahlreiche kaum bezahlbare Luxuswohnungen in mehreren Gebäudekomplexen samt Tiefgarage. Und wisst Ihr wie das ganze heißen soll? Die Großherzog-Friedrich-Höfe!
Vielleicht fühlen sich die hier anwesenden Mitglieder im Saarbrücker Stadtrat — die wir herzlich willkommen heißen – motiviert, da mal was zu unternehmen.
Keine 200m von hier steht in der Neikesstraße die Neikeshalle.
Neikes, der ab 1928 die Amtsbezeichnung Oberbürgermeister trug war der direkte Gegner von Max Braun im Saarbrücker Stadtrat. Er verlieh schn 1934 Adolf Hitler die Ehrenbürgerschaft von Saarbrücken. Er ließ am 1. Mai 1934 auf dem Balkon des Rathauses St. Johann eine Hitler-Büste errichten. In der Neikes-Halle lässt die Stadt Saarbrücken ihrer Kinder unterrichten. Und das alles hier im Umkreis von nur 200 m.
Nichts hat sich geändert!
Max Braun wird auf der Gedenktafel hier zitiert mit: „Der Hitler, der jemals die Saar bekäme, bliebe an der Saargrenze nicht stehen, sondern mit dem Schlüssel der Ludwigskirche würde er den Versuch machen, in das Straßburger und Metzer Münster einzudringen.“ Er behielt Recht.
Letztes Jahr im Oktober wurde in eben jener Ludwigskirche mit einer geschichtsverfälschenden Kampagne der Bombardierung Saarbrückens gedacht. Eine im Mantel der Trauer daherkommende Lügenerzählung über Ursache und Wirkung.
Ein Dutzend AntifaschistInnen demoRede von FemUp:nstrierte beim Hauptgottesdienst dieser Kampagne vor der Ludwigskirche und brachte ihren Dank gegenüber den Alliierten für die Befreiung vom Nationalsozialismus zum Ausdruck.
Nichts hat sich geändert!
Oder doch?
• Bis vor kurzem waren die Grenzen nach Frankreich nach langer Zeit wieder dicht. Anfeindungen gegenüber Menschen aus Frankreich nahmen stark zu.
• Eine offen faschistische Partei sitzt im Bundestag und in allen Landtagen.
• Polizei und Bundeswehr sind durchsetzt mit faschistischen Gruppierungen.
• Nazistische Morde sind schon fast wieder an der Tagesordung
• Dauernd kommt es in Saarbrücken und anderswo zu rassistischen und antisemitischen Übergriffen.
Lasst uns gemeinsam dafür Sorgen, dass sich ETWAS ÄNDERT!
Lasst uns mehr zusammen tun als nur alle 10 Jahre eine Kundgebung für Max Braun! Lass uns die Nazis gemeinsam und vor allem wirkungsvoll bekämpfen !
Auf allen Ebenen und mit allen notwendigen Mitteln!
Das wäre eine wirkliche Anerkennung für das Wirken von Max Braun!
Schafft die antifaschistische Einheit!
ALERTA!
Rede von ConnAct Saar
Liebe Genossinnen und Genossen, liebe Freundinnen und Freunde,
wir wollen heute angesichts des 75. Todestages des antifaschistischen Kämpfers Max Braun allen saarländischen Antifaschist_innen gedenken, welche unter Einsatz ihres Lebens gegen den Anschluss des Saarlandes an NS-Deutschland und auch davor und danach gegen den Faschismus gekämpft haben.
Bis heute erleben wir, dass die erste Saarabstimmung anlässlich derer im Saarland leider viel zu spät eine Kooperation aus Kommunist_innen, Sozialdemokrat_innen und christlichen Antifaschist_innen zustande kam, um die politische Katastrophe noch abzuwenden, ständigen Relativierungen und billiger Schönrederei ausgesetzt ist.
Angesichts der gut 90% der Wahlberechtigten welche für einen Anschluss an das Deutsche Reich abstimmten, hält sich bis heute vor allem die Legende, man hätte „für Deutschland“ aber nicht „für Hitler“ abgestimmt. Die gesellschaftliche Realität war eine völlig andere. Die NSDAP war längst als führende politische Kraft in der „Deutschen Front“ etabliert, Hakenkreuzflaggen prägten das Bild saarländischer Städte und Gemeinden und die Gleichschaltung der bürgerlichen Kräfte begann bereits 1933 und eben nicht erst 1935. Namhafte spätere Landespolitiker wie die Ministerpräsidenten Franz Josef Röder und Egon Reinert engagierten sich längst in der NSDAP und das saarländische Kapital, allen voran Ernst Röchling, hatten engste Verbindungen zu den Nazis.
Angesichts der Mobilisierungserfolge der „Deutschen Front“, die kurz vor der Abstimmung Hunderttausende auf den Wackenberg mobilisieren konnte, der Begeisterung der Saarländer_innen für den Nationalsozialismus und der schlichten Tatsache, dass für Deutschland stimmen automatisch hieß für Hitler zu stimmen bleiben alle Relativierungen nichts als Seelentrösterei. Das Ergebnis der Abstimmung war ein Todesurteil für saarländischen Jüdinnen und Juden, Sinti und Roma, Homosexuelle, Kommunist_innen, Sozialdemokrat_innen und Menschen, die ihr Exil schon im Saargebiet suchen mussten.
Auch nach 1945 lernte die politische Linke nur bedingt aus ihren Fehlern. Anstatt am Saarstaat festzuhalten, welcher zumindest einen antifaschistischen Grundkonsens besaß, propagierte sowohl die Mehrheit der SPD als auch die KPD bei der zweiten Saarabstimmung abermals für den Anschluss. Die saarländischen Kommunist_innen erhielten zum Dank dafür das Parteiverbot von der Regierung Adenauer.
Damit war aber der antifaschistische Kampf im Saarland nicht beendet, er dauert bis heute an. Wir müssen von der antifaschistischen Einheitsfront im Saarland und aus ihrer Niederlage lernen. Einheitsfront kann nur bedeuten sich um eine richtige, die Betonung liegt auf Richtig, strategische oder taktische Losung oder Forderung zu gruppieren. Diese müsste heute als demokratischen Mindestkonsens die Niederlage der AFD, die Zerschlagung von allen Nazistrukturen und die Abschaffung des Verfassungsschutzes zum Inhalt haben. Das heißt, die Verhinderung von faschistischer Agitation, Organisation und Praxis. Wir müssen die Geschichtslosigkeit des zivilgesellschaftlichen Antifaschismus heute überwinden. Dies heißt, an die faschistischen Kontinuitäten zu erinnern und das Gedenken und die Kämpfe der Betroffenen der mörderischen Kontinuität der deutschen Nation zu unterstützen. Der Antikommunismus der angeblich geläuterten deutschen Zivilgesellschaft muss bekämpft werden, welcher rechte und linke Gewalt gleichsetzt und somit die notwendige antifaschistische Militanz delegitimiert. Eine Einheitsfront auf dieser Grundlage bräuchte es, um den demokratisch-antifaschistischen Abwehrkampf, der vor uns liegt, konsequent führen zu können. Ein Schritt dorthin ist auch das Erinnern an die Geschichte der antifaschistischen Bewegung, wie wir es heute praktizieren!
In diesem Sinne:
Gegen Deutschland!
Es lebe die antifaschistische Einheitsfront!
Es lebe der Sozialismus!
Rede von FemUp:
Heute am 03. Juli, dem Todestag des militanten Antifaschisten Max Braun, versammeln wir uns auf dem erst 2012 offiziell eingeweihten Max-Braun-Platz hier in Saarbrücken — auf einem Platz also der als öffentlicher Raum sinnbildhaft ist für den Umgang der Stadt und ihrer Repräsentant*innen mit Geschichtspolitik und Erinnerungskultur. Die Benennungspraxis, der der Name Max Braun unterworfen war, zeigt deutlich, dass die schiere Sichtbarkeit im Stadtbild ideologisches Instrument ist. Wir sind nicht weit von der ehemaligen Max-Braun-Straße, die 1956 umbenannt wurde in Großherzog-Friedrich-Straße. Die sichtbare Erinnerung an einen absolutistischen Feudalherren löschte also jene an den Widerstandskämpfer im Stadtbild aus — eine nachträgliche politische Exekution durch jene, auf deren Plakaten während dem Abstimmungskampf, wie im Falle der DPS, prangerte “Wir sind wieder da!”
Wir wollen die Erinnerung wachhalten. Zwischen den Heiligen, lokalen Regentinnen, preußischen Herrschergattinnen finden wir auch sie: Angela Braun, Hanna Kirchner, Cora Eppstein in Saarbrücken, Lenchen Weber in Merzig. Doch immer noch ist weiblicher Widerstand wenig sichtbar. Wenn wir genau hinsehen, entdecken wir etliche Saarländerinnen, die sich der Barbarei des deutschen Faschismus, seiner Friedensdfeindlichkeit und dem verbrecherischen Antisemitismus entgegengestellt haben, und die als Frauenrechtlerinnen eben jenes konventionalisierte Rollenverständnis, das die Geschichte von Frauen unerzählbar und unsichtbar machen will, zu durchbrechen suchten. Da war Lilli Hermann-Ries. 1927 Naturfreundejugend, 1929 “Bund werktätiger Frauen” , 1931 KPD, ab 1932 als einzige Frau Abgeordnete des Landesrats, Referentin bei einer Vielzahl an Kundgebungen und Versammlungen der Einheitsfront, angesichts der Lynch-Atmosphäre nach der Abstimmung, bei der 90% der Saarländer*innen für Hitler stimmten: Flucht ins Exil, mehrfach interniert, schließlich von der Gestapo verhaftet und bis zur Befreiung Deutschlands im Mai 1945 eingesperrt. Da war Maria Röder. 1929 Bruch mit der SPD, Engagement im “Bund werktätiger Frauen”, 1932 Trennung vom Ehemann, ohne finanzielles Polster Umzug in das, was man heute Frauen-WG nennen würde, in der Kaiserstraße 2, ab 1933 KPD, Frauenleiterin von St. Johann, aktive Kämpferin für den Status quo, 1935 von den Nazis festgenommen, im Zuge
eines Massenprozess gegen Antifaschist*innen von der Saar verurteilt, Zuchthaus, Polizeiaufsicht, auch nach dem zweiten Weltkrieg: Nie abreißendes politisches Engagement. Da waren Aline Söther, Lydia Schlosser, Lena Wagner, Jutta Speicher, Maria Loersch, Käthe Kirschmann, Lina Heß. Da waren mehr. Und auch die Worte dieser Rede nennen sie nicht alle beim Namen. Viele sind auch hier unsichtbar.Wir wollen die Erinnerung wachhalten. Auch wenn mehr Sichtbarkeit im öffentlichen Raum ein wünschenswerter Anfang wäre, so ist es eben nur ein Anfang. Mehr Blumen und Pickelhauben braucht jedenfalls kein Mensch auf den Straßenschildern. Nicht zuletzt mit Black Lives Matter steht Erinnerungskultur auf dem Prüfstand. Nicht alleine Black Lives Matter zeigt, wie tief Rassismus in der Mitte verwurzelt sind.
Gegen Rassismus, Antisemitismus, Sexismus und Homophobie!!
Für eine emanzipatorische, solidarische Gesellschaft!
Rede von Seebrücke Saar:
Liebe Genoss_innen, liebe Freund_innen,
Wir als Seebrücke Saar wollen heute Max Braun, dem saarländischen Antifaschisten,einem zentralen Akteur der saarländischen Einheitsfront im Abstimmungskampf gegen den Anschluss an Nazi-Deutschland, gedenken.
Als Gruppe, welche in der Hauptsache gegen die europäische Abschottungspolitik und gegen die von der EU und der BRD betriebene Bekämpfung von Flüchtenden ankämpft, wollen wir mit der Beteiligung an dieser Gedenkkundgebung zeigen, dass wir auch als Seebrücke die Erinnerung an den saarländischen Antifaschismus hochhalten wollen.
Auch wollen wir daran erinnern, dass der antifaschistische Kampf und der Kampf für freie Fluchtwege und sichere Ankunftsländer zusammengehören.
Diesen Zusammenhang verkörpert auch Max Braun.
Er floh nach der Saarabstimmung über die französische Grenze nach Forbach. Zur gleichen Zeit verließen mindestens 8.500 weitere Einwohner_innen die Stadt Saarbrücken. Viele von ihnen wandten sich an die, von Max Braun direkt nach seiner Ankunft gegründete, Beratungsstelle für Saargeflüchtete.
Auch teilweise gegen den Widerstand der französischen Behörden, half er mit der Einrichtung dieser Stelle, ganz praktisch, durch die Ausstellung von Personalpapieren,durch die Vermittlung von Wohnraum und Arbeitsplätzen und durch einen finanziellen Hilfsfond mehreren Tausenden bei der Flucht vor den Nazis. Das “Office Sarrois” in Forbach diente bis zum deutschen Überfall auf Frankreich auch als Anlauf- und Koordinationsstelle für den antifaschistischen Widerstand.
Nach dem Kriegsausbruch in Frankreich musste das Ehepaar Braun weiter nach London fliehen, wo Max Braun kurz vor der geplanten Rückkehr ins Saarland verstarb.
Die Biographie von Max Braun zeigt uns, dass schon in der Zeit des Nationalsozialismus Antifaschist_innen auch ganz praktische Fluchthilfe leisteten und in ihren Exilländern politische Kämpfe für Flüchtende führten. So wie Max Braun Antifaschismus und praktische Fluchthilfe zusammengeführt hat, müssen auch wir diese Kämpfe gemeinsam führen.
Das Gedenken an Antifaschist_innen wie Max Braun bedeutet für uns aber eben auch die Pflicht weiter zu kämpfen:gegen faschistische Bewegungen, aber auch für Antifaschist_innen, für Homosexuelle, für Feminist_innen, für Kommunist_innen und viele weitere, welche heute vor politischer Verfolgung fliehen müssen, beispielweise vor islamistischen Henkern. Weiter zu kämpfen auch für diejenigen, die vor Armut und Krieg fliehen.
Auch heute gibt es Genoss_innen, wie zum Beispiel die iranische Kommunistin Mina Ahadi, die in ihren Herkunftsländern ihr Leben im Kampf gegen den Faschismus riskiert haben und diesen Kampf auch nach ihrer Flucht weiterführen.
Wir, als Antifaschist_innen im Saarland müssen nicht nur gegen faschistische Akteure hier kämpfen,sondern auch für das Überleben von fortschrittlichen Menschen, die politisch verfolgt werden, einstehen und Solidarität mit ihnen organisieren.
In Erinnerung an den Antifaschisten und Fluchthelfer Max Braun!
Für freie Fluchtwege und sichere Ankunftsländer!
Für eine Welt, in der niemand fliehen muss!
Berichterstattung zur Kundgebung in der Saarbrücker Zeitung vom 4. Juli 2020