20. Todestag von Samuel Yeboah – Demonstration gegen Rassismus und deutschen Nationalismus am 24.09.2011

Franzö­sis­che Straße (Pavil­lon) — Saar­louis — 14.00 Uhr

Aufruf [PDF]Fly­er A6 [PDF]Plakat [PDF]

Aufruf zur Demonstration:
Am 19. Sep­tem­ber 1991 fiel Samuel Kofi Yeboah in Saar­louis einem ras­sis­tis­chen Bran­dan­schlag zum Opfer. Er ist eines der ersten Opfer ras­sis­tis­ch­er Gewalt in West­deutsch­land nach der Wiedervere­ini­gung. Anlässlich seines nahen­den 20. Todestags wollen wir mit ein­er Aktion­srei­he an Samuel Yeboah, dessen Mörder_innen nie gefasst wur­den, würdig erin­nern und den ras­sis­tis­chen All­t­ag in der Bun­desre­pub­lik und Europa thematisieren.
Wir knüpfen hier­mit an Aktiv­itäten anlässlich des 5., 10. und 15. Todestags an. Am 10. Todestag hiel­ten mehrere anti­ras­sis­tis­che Grup­pen eine Gedenkver­anstal­tung ab, in deren Ver­lauf am Rathaus in Saar­louis eine schwere Stein­plat­te zum Gedenken an Yeboah ange­bracht wurde. Die Stadt fühlte sich durch das Gedenken offen­bar gestört und prozessierte sowohl auf straf- als auch auf zivil­rechtlichem Weg gegen die Anbringung der Gedenk­tafel und bekam vor Gericht Schadenser­satz zugesprochen.
Am 15. Todestag set­zte sich der “Runde Tisch für ein öffentlich­es Gedenken an Samuel Yeboah” für die Umbe­nen­nung der umstrit­te­nen Let­tow-Vor­beck-Straße in Saar­louis in Samuel-Yeboah-Straße ein und ver­suchte, eine “würdi­ge Form des öffentlichen Gedenkens”, wie in Mölln und Solin­gen zu etablieren.
Wir wollen mit unser­er Aktion­srei­he an diese For­men des Gedenkens anknüpfen. Im Rah­men unser­er Aktion­srei­he rufen wir am 24. Sep­tem­ber 2011 zu ein­er Demon­stra­tion auf, in Erin­nerung an Samuel Yeboah und für einen pro­gres­siv­en Anti­ras­sis­mus, der nicht nur den Ras­sis­mus in der Gesellschaft, son­dern auch die gesellschaftlichen Ver­hält­nisse kri­tisiert, die ihn reproduzieren.

21 Jahre wiedervere­inigtes Deutsch­land — 21 Jahre wiedervere­inigter Rassismus

Der Mord an Samuel Yeboah lässt sich für uns nicht von der spez­i­fis­chen Aus­for­mung des deutschen Nation­al­is­mus zu Beginn der 90er Jahre tren­nen, denn der tödliche Bran­dan­schlag in Saar­louis blieb lei­der kein Einzelfall, son­dern bildete den trau­ri­gen Auf­takt für eine Serie von ras­sis­tis­chen Über­grif­f­en auf Men­schen im wiedervere­inigten Deutschland.
Nach­dem die Parolen bei den Mon­tags­demon­stra­tio­nen von „Wir sind das Volk“ zu “Wir sind ein Volk” durch eine völkische Kom­po­nente ver­schärft und damit die legit­ime Forderung nach poli­tis­ch­er Mitbes­tim­mung zur nation­al­is­tis­chen Massen­mo­bil­isierung wurde, hätte man die Kon­se­quen­zen erah­nen können.
Denn egal, ob bei den anti­napoleonis­chen Auf­stän­den oder der gescheit­erten bürg­er­lichen Rev­o­lu­tion von 18481, wenn sich in Deutsch­land die Nation artikuliert, dann endete dies bish­er noch immer mit bren­nen­den Häusern. Da bildete auch die deutsche Wiedervere­ini­gung keine Aus­nahme, egal wie lib­er­al und pro­gres­siv sie jährlich am Tag der deutschen Ein­heit dargestellt wird.
Als nun zusam­mengewach­sen war, was zusam­menge­hörte, begann das deutsche Volk mit dem Anzün­den von Asylbewerber_innenheimen. Die Ausrede, dass lediglich einige gesellschaftlich mar­gin­al­isierte Neon­azis für die pogro­mar­ti­gen Über­griffe ver­ant­wortlich seien, ver­tuscht lediglich die ein­trächtige Gemein­schaft in der sich diese Tat­en vol­l­zo­gen. Denn neben den Neon­azis waren auch die het­zende Presse, die Beifall klatschen­den Nachbar_innen, die “nor­male” Bevölkerung, die nach eigen­em Ermessen im Prinzip gar nichts gegen Aus­län­der haben, und natür­lich die Bun­desregierung, die im Nach­hinein dem Willen des Mobs mit ein­er fak­tis­chen Abschaf­fung des Asyl­rechts ent­ge­genkam, an den Pogromen nicht unbeteiligt.
Dabei ist es ger­ade diese ein­trächtige Gemein­schaft im Kampf gegen die Volks­frem­den, jen­seits der son­sti­gen Antag­o­nis­men bürg­er­lich­er Gesellschaften, die für die deutsche Nation charak­ter­is­tisch ist. Es spielt keine Rolle, ob man Redakteur_in bei der FAZ oder Langzeitarbeitslose_r ist, es gibt in solchen Momenten lediglich die Ver­schmelzung der Deutschen gegen die als “fremd” imaginierten.
Zwar find­et sich in allen For­men kap­i­tal­is­tis­ch­er Verge­sellschaf­tung Ras­sis­mus, allerd­ings ist es unser­er Mei­n­ung nach trotz­dem wichtig die deutsche Spez­i­fik zu the­ma­tisieren. In Deutsch­land ist der Par­tiku­lar­is­mus tra­di­tionell nicht oder nur wenig aus­geprägt. Daraus speist sich der Vor­wurf, dass sich die Deutschen nie tat­säch­lich von der Gemein­schaft zur Gesellschaft emanzip­iert haben. Hierzu­lande gibt es lediglich ver­schiedene For­men von der Sorge um das All­ge­mein­wohl und es existiert kein ener­gis­ches Ein­treten für par­tiku­lare Inter­essen. Dieser Zusam­men­halt über Aus­beu­tungs- und Herrschaftsver­hält­nisse hin­weg lässt sich jedoch nur durch den massen­haften Auss­chluss von Men­schen aus dieser ide­al­isierten Gemein­schaft real­isieren. Die Notwendigkeit der Aus­gren­zung zur Wahrung der Gemein­schaft über Ungle­ich­heit­en hin­weg ist der Bevölkerung oft nicht bewusst, was jedoch an der Wirkungsmächtigkeit dieses all­ge­gen­wär­ti­gen Auss­chlusses von “Volks­fein­den” oder “Volks­frem­den” nichts zu ändern vermag.
Die man­gel­nde Emanzi­pa­tion der Deutschen von der stumpfen Gemein­schaft zur Gesellschaft lässt sich lediglich damit erk­lären, dass „die Land­sleute unmöglich die beglück­ende Erin­nerung an die totale Ver­schmelzung von Gesellschaft und Staat abtun kön­nen, die ihnen der Naz­i­faschis­mus bescherte.“2
Dass „jene Iden­ti­fika­tio­nen und der kollek­tive Narziss­mus gar nicht zer­stört wur­den, son­dern fortbeste­hen“3, war zumin­d­est eini­gen bewusst. So fand 1990 in Frank­furt am Main eine Demon­stra­tion unter dem Mot­to „Nie wieder Deutsch­land“ mit 20.000 Teilnehmern_innen statt, die vor einem vierten Reich warn­ten. Zwar bewahrheit­ete sich die Befürch­tung eines 4. Reichs vor­erst nicht, allerd­ings wäre es falsch daraus zu schließen, dass in Deutsch­land die Zivil­i­sa­tion Anklang gefun­den hätte. Die bren­nen­den Gebäude in Hoy­er­swer­da, Ros­tock-Licht­en­hagen, Solin­gen, Mölln, Sanger­hausen und Saar­louis bewiesen das Gegen­teil. Dass dieser ras­sis­tis­che Wahn, der unter anderem Samuel Yeboah das Leben kostete, keineswegs nur von ein paar Dorf-Nazis vol­l­zo­gen wurde, bele­gen zahlre­iche Zitate.
Wenn der Berlin­er Innense­n­a­tor Dieter Heck­el­mann (CDU) behaupten kann, in Ros­tock-Licht­en­hagen habe sich nicht Ras­sis­mus geäußert, „son­dern der vol­lauf berechtigte Unmut über den Massen­miss­brauch des Asyl­rechts“4 ohne dafür aus dem Amt gejagt zu wer­den, spricht dies Bände hin­sichtlich der Real­ität des frisch geein­ten und freien Deutsch­lands. Dabei muss man dem Innense­n­a­tor zugeste­hen, dass er dur­chaus erkan­nt hat, dass poli­tis­ch­er Unmut in Deutsch­land sich darin äußert, Häuser in denen sich Men­schen befind­en niederzubrennen.
Hel­mut Schmidt log die Pogrome gle­ich in berechtigte Notwehr um und faselte davon, dass in Deutsch­land bei zu viel Arbeit­slosigkeit die Gesellschaft “entartet“5.
Seit den 90er Jahren hat sich an dieser Sit­u­a­tion nun viel geän­dert, aber wenig verbessert. Als unter Rot-Grün zum ersten Mal die 68er began­nen, die Poli­tik mitzugestal­ten, formierte sich der „Auf­s­tand der Anständi­gen“ gegen Neon­azis. Als anständi­ger Deutsch­er begann man nun gegen Ras­sis­mus und Nazis zu sein, die man damit zum Rand­prob­lem verk­lärte. Man behauptet nach wie vor eine Mehrheits­ge­sellschaft, die soge­nan­nte „Mitte“, in der es keinen Ras­sis­mus und andere Ver­satzstücke nation­al­sozial­is­tis­ch­er Ide­olo­gie gäbe und leugnet die tiefe Sehn­sucht der Deutschen nach dem Ver­schmelzen zur Gemein­schaft gegen die Feinde des Volkes, ob nun die zer­set­zende USA, Israel oder wie in den 90ern gegen Migrant_innen. Tat­säch­lich­er Antifaschis­mus leis­tet jedoch mehr als die Bekämp­fung von Nazi-Trot­teln, son­dern auch die scho­nungslose The­ma­tisierung der NS-Kon­ti­nu­itäten in der deutschen „Mitte“, auch wenn sie sich bei „Bock­wurst fressen gegen Rechts“ ver­meintlich aufgek­lärt und fortschrit­tlich zeigt. Solche Ver­anstal­tun­gen täuschen lediglich darüber hin­weg, dass Het­z­jag­den auf Migrant_innen zur deutschen Nor­mal­ität gehören.
Phänomene wie Sar­razin zeigen, dass ras­sis­tis­che Vorstel­lun­gen jed­erzeit auch in der ver­meintlich aufgek­lärten “Mitte” der Gesellschaft Zus­pruch find­en können. 

Wertege­mein­schaft Europa

Der Ras­sis­mus fordert nicht nur Opfer, wenn er sich in Form eines Volksmobs entlädt. Tagtäglich fordern Abschiebun­gen und Gren­zaus­bau Men­schen­leben. Spätestens seit 2004, als mit der Verord­nung (EG) 2007/2004 des Rates der Europäis­chen Union die “Europäis­che Agen­tur für die oper­a­tive Zusam­me­nar­beit an den Außen­gren­zen” (kurz: FRONTEX) ins Leben gerufen wurde, tritt die EU ver­stärkt als Akteurin beim soge­nan­nten “Migra­tions­man­age­ment” in Erschei­n­ung. Aus Verse­hen beze­ich­nete Angela Merkel dieses Migra­tions­man­age­ment ein­mal völ­lig zutr­e­f­fend als “Flüchtlings­bekämp­fung”. Diese Flüchtlings­bekämp­fung find­et zur Zeit haupt­säch­lich im Mit­telmeer statt. Laut “Inter­na­tion­al Cen­tre on Migra­tion Pol­i­cy Devel­op­ment” star­ben im Mit­telmeer in den let­zten Jahren zehn­tausende Men­schen bei dem verzweifel­ten Ver­such vor Armut und Hunger zu fliehen. FRONTEX ortet Flüchtlings­boote und übergibt deren Posi­tion an die entsprechen­den südeu­ropäis­chen Staat­en, die dann oft­mals ver­suchen die behelf­s­mäßig zusam­menge­baut­en und meist über­füll­ten Boote abzudrängen.
Dieses Abdrän­gen endet nicht sel­ten tödlich für die Flüchtlinge. Das gewalt­same Vorge­hen gegen Flüchtlinge nimmt ihnen die Möglichkeit gegebe­nen­falls einen Asy­lantrag zu stellen. Ein Recht, das ihnen nach der Gen­fer Flüchtlingskon­ven­tion zuste­ht, diese Ansicht teilt unter anderem der “Hohe Flüchtlingskom­mis­sar der Vere­in­ten Natio­nen” (UNHCR).
Ein erschreck­endes Beispiel für das “Migra­tions­man­age­ment” der Europäis­chen Union ist der Umgang mit den Flüchtlin­gen aus Tune­sien, die zu Beginn dieses Jahres nach Ital­ien flo­hen. Die unge­fähre Zahl der Flüchtlinge beträgt 30.000, eine Anzahl, die für ein Land wie Ital­ien keine nen­nenswerte Her­aus­forderung darstellt und schon gar nicht für die EU. Den­noch rief Ital­ien, beina­he panisch, nach Sol­i­dar­ität der anderen Staat­en in der EU und begann Tunesier_innen mit Visa auszus­tat­ten und ihnen somit die Weit­er­reise in die EU zu ermöglichen. Für Deutsch­land und Frankre­ich eine Hor­rorvi­sion, denn bei Flüchtlin­gen hört bekan­ntlich in der EU jegliche Form der Sol­i­dar­ität auf und so wurde ein Jahr nach­dem man das 25-jährige Beste­hen des Schen­gen-Abkom­mens begeis­tert abfeierte mit dem Aus­set­zen des­sel­bi­gen gedro­ht. See­hofer gab seinen Zuhörer_innen beim poli­tis­chen Ascher­mittwoch genau das, was sie hören woll­ten und kündigte an, jede Zuwan­derung in deutsche Sozial­sys­teme “bis zur let­zten Patrone” zu bekämpfen6.
Dabei stellt die Empörung Deutsch­lands und Frankre­ichs bei der Vorstel­lung es kön­nten über Ital­ien einige Flüchtlinge ein­reisen keinen Par­a­dig­men­wech­sel dar. Die Verord­nung (EG) Nr. 343/2003 des europäis­chen Rates vom 18. Feb­ru­ar 2003 (auch Dublin II genan­nt) set­zte bere­its ein­seit­ige Inter­essen Deutsch­lands und Frankre­ichs durch, da laut Dublin II jed­er Flüchtling seinen Asy­lantrag in dem Land stellen muss, in dem, er als erstes die EU betritt. Für Deutsch­land mit sein­er exponierten Lage im Herzen von Europa natür­lich sehr angenehm, für Län­der wie Ital­ien ärg­er­lich, denn sie müssen für die Kosten für die Asylver­fahren alleine aufkom­men und haben somit ein ver­stärk­tes Inter­esse daran, Flüchtlinge bere­its im Mit­telmeer abzu­drän­gen und sich somit Asylver­fahren sparen zu können.
Doch auch wer es trotz Mil­itär und absur­der Geset­zge­bung tat­säch­lich schaf­fen sollte in Ital­ien das Recht auf Asyl zuge­sprochen zu bekom­men, lebt in elen­den Ver­hält­nis­sen. “Flüchtlinge – sowohl asyl­suchende, als auch solche, die einen Schutzs­ta­tus bere­its erhal­ten haben, leben in Ital­ien größ­ten­teils im absoluten Elend und in Obdachlosigkeit“7 (Pro Asyl). Allerd­ings ist auch diese klägliche “Sol­i­dar­ität”, die Flüchtlinge in Ital­ien erfahren offen­bar zu viel und so kündigte der ital­ienis­che Trans­port­min­is­ter fol­gen­des an: “Dieses Prob­lem kön­nte so unglaublich groß wer­den, dass wir uns fra­gen müssen, ob wir Waf­fen ein­set­zen sollen”.
Wer über Ras­sis­mus in der EU reden will, der sieht sich neben der men­schen­ver­ach­t­en­den Flüchtlings­bekämp­fung mit einem unsäglichen Umgang mit Roma konfrontiert.
Nicht nur in Ungarn, wo Roma auf­grund paramil­itärisch­er Schlägertrup­ps um ihr Leben fürcht­en müssen, ist die Lage katas­trophal. Im ver­gan­genen Jahr ließ die Bun­desre­pub­lik alle human­itären Hem­mungen fall­en und schob Kranke, Alte, Kinder u.s.w ohne Rück­sicht auf Ver­luste in den Koso­vo ab. Viele davon lebten bere­its zwis­chen zehn und zwanzig Jahren in Deutsch­land, sprechen kein Alban­isch und haben daher keine Chance auf eine sichere Zukun­ft im Koso­vo. Weit­er­hin berichtet Pro Asyl von einem zunehmenden Ras­sis­mus gegenüber Roma im Koso­vo: “Nach Bericht­en von Nichtregierung­sor­gan­i­sa­tio­nen, des UN-Flüchtling­shochkom­mis­sari­ats (UNHCR) sowie des Men­schen­recht­skom­mis­sars des Europarates, Thomas Ham­mar­berg, sind Ange­hörige der Roma(…) im Koso­vo weit­er­hin bedro­ht. Bere­its abgeschobene Roma bericht­en über Gewalt und ras­sis­tis­che Diskri­m­inierung von Seit­en alban­is­ch­er Polizeikräfte.”
Aber was dies anbe­langt befind­et sich Deutsch­land mit Frankre­ich in bester Gesellschaft, im Juni let­zten Jahres trat Sarkozy unver­hohlen eine Aktion­srei­he gegen »Zige­uner« los und ver­stieß damit, dass er Bürger_innen aus Staat­en der EU ausweisen ließ, offen gegen die Grund­prinzip­i­en des Schen­gen-Abkom­mens. Die anfängliche Empörung wurde von den franzö­sis­chen Kon­ser­v­a­tiv­en in Frankre­ich mit nation­al­is­tis­chem Gefasel von Sou­veränität gekon­tert und die EU gab ihren Wider­stand nach nicht allzu langer Zeit auf.
Der ras­sis­tis­che und men­schen­ver­ach­t­ende Umgang mit Flüchtlin­gen inner­halb der EU lässt sich auch im Saar­land beobacht­en. So leben zur Zeit in Lebach 800 Men­schen unter unwürdi­gen Bedin­gun­gen in einem Flüchtlingslager, in dem es ihnen unmöglich ist ein einiger­maßen selb­st­bes­timmtes Leben zu führen.
Für eine Kri­tik des Ras­sis­mus ist also eine Kri­tik der Europäis­chen Union und ihrer Insti­tu­tio­nen unabdingbar. 

What solu­tion?

Wenn wir dazu aufrufen am 24. Sep­tem­ber für ein würdi­ges Gedenken an Samuel Yeboah und die Kri­tik des ras­sis­tis­chen Nor­malzu­s­tands auf die Straßen zu gehen, dann lässt sich dies für uns nicht von den gesellschaftlichen Ver­hält­nis­sen tren­nen, die ihn tagtäglich repro­duzieren. Zwar ist es verkürzt den Ras­sis­mus als Neben­wider­spruch der beste­hen­den Ver­hält­nisse zu rel­a­tivieren, denn Ras­sis­mus ist auch in ein­er grund­sät­zlich anderen Gesellschaft denkbar, aber ihn isoliert von der Gesellschaft zu betra­cht­en wäre blind.
Die per­ma­nente Degradierung von Indi­viduen zu waren­pro­duzieren­den und ‑tauschen­den Sub­jek­ten und die damit ein­herge­hende Zurich­tung führt ten­den­ziell zu ein­er Charak­ter­struk­tur, die anfäl­lig für ras­sis­tis­che Ide­olo­gie ist. Die Träger_innen jen­er Charak­ter­struk­tur sind unfähig kom­plexe soziale Prozesse einzuschätzen und zu ihrer Erk­lärung greifen sie auf soziale Tick­ets zurück, die von ihrem Umfeld und der Kul­turindus­trie zur Ver­fü­gung gestellt wer­den8.
Beispiel­haft lässt sich dies an dem, für spätkap­i­tal­is­tis­che Gesellschaften charak­ter­is­tis­chen, Anwach­sen der “indus­triellen Reservearmee” (Marx) verdeut­lichen. Durch den dem Kap­i­tal­is­mus inhärenten Wider­spruch, dass auf der einen Seite Lohnar­beit inten­siviert wird und auf der anderen Seite mehr und mehr Men­schen im Ver­w­er­tung­sprozess für über­flüs­sig erk­lärt wer­den, entste­ht eine per­ma­nente Masse von Arbeit­slosen. Wird dieser Mech­a­nis­mus nicht durch­schaut, son­dern die indus­trielle Reservearmee biol­o­gisiert, so entste­ht der klas­sis­che Ras­sis­mus, der gegen arbeit­slose Migrant_innen hetzt.
Die zusät­zliche Ghet­toisierung durch Gen­tri­fizierung, eben­falls charak­ter­is­tisch für Städ­teen­twick­lung im Kap­i­tal­is­mus, bei der ger­ade jene “indus­trielle Reservearmee” an den Rand der Stadt gedrängt wird, führt völ­lig logisch zum Entste­hen von hohen Krim­i­nal­ität­srat­en in spez­i­fis­chen Stadt­teilen. Auch dieses Phänomen wird aber oft biol­o­gisiert und Migrant_innen wird die Schuld für hohe Krim­i­nal­ität und die Ghet­toisierung bes­timmter Stadt­teile gegeben.
Der bürg­er­liche Staat ver­sucht solche Wider­sprüche zu glät­ten, mit erhöhter Bul­len­präsenz in bes­timmten Stadt­teilen, mit der Mil­i­tarisierung des Migra­tions­man­age­ments um die ökonomisch Über­flüs­si­gen von Europa fernzuhal­ten. Diese Reak­tion ist Eingeständ­nis der Unfähigkeit des Staates solch­er struk­tureller Prob­leme Herr zu wer­den. Nur die Abschaf­fung ein­er Wirtschafts- und Gesellschafts­form, die zunehmend Men­schen für über­flüs­sig erk­lärt, kann den insti­tu­tionellen und gesellschaftlichen Ras­sis­mus bekämpfen. Zwar ist auch außer­halb ein­er kap­i­tal­is­tis­chen Gesellschaft­sor­d­nung Ras­sis­mus denkbar und anti­ras­sis­tis­ches Engage­ment inner­halb dieser Gesellschaft nicht über­flüs­sig, aber ohne Kri­tik an den Struk­turen, die ihn repro­duzieren, bleibt die Kri­tik doch per­spek­tiv­los. Wir wollen nicht von Mul­ti­kul­tur­al­is­mus und Inte­gra­tion reden, nicht von Kita-Plätzen oder Gesamtschulen, son­dern die Mech­a­nis­men, die tagtäglich Aus­gren­zung pro­duzieren, scho­nungs­los offen­le­gen und abschaffen!

Nur die Aufhe­bung der kap­i­tal­is­tis­chen Gesellschaft zugun­sten der kom­mu­nis­tis­chen kann diesem men­schen­feindlichen Zus­tand sein gerecht­es Ende setzen.
Kommt am 24. Sep­tem­ber nach Saarlouis!
Franzö­sis­che Straße (Pavil­lon) — 14.00 Uhr

Keinen Kom­pro­miss mit der Barbarei!
Gegen Ras­sis­mus, Anti­semitismus und deutschen Nationalismus!

Unterstützer_innen:

antinationale.org, Bünd­nis Buntes Hom­burg, Antifa Euskirchen/Eifel, Antifa Koblenz

  1. http://phase2.nadir.org/rechts.php?artikel=558&print. [zurück]
  2. Das Konzept Mate­ri­al­is­mus — Pam­phlete und Trak­tate”. [zurück]
  3. Theodor W. Adono in seinem Vor­trag “Was bedeutet: Aufar­beitung der Ver­gan­gen­heit“. [zurück]
  4. z.N. http://www.spiegel.de/spiegel/print/d‑13680768.html. [zurück]
  5. Z.n. Frank­furter Rund­schau, 12.9.1992. [zurück]
  6. Auf dem poli­tis­chen Ascher­mittwoch der CSU im Jahr 2011, http://www.youtube.com/watch?v=eJFHiJbYjEY. [zurück]
  7. http://www.proasyl.de/de/themen/eu-politik/detail/news/in_italien_leben_fluechtlinge_in_obdachlosigkeit_und_elend‑1/. [zurück]
  8. Vgl. “Stu­di­en zum autoritären Charak­ter” von Theodor W. Adorno. [zurück]