Demobericht zur Demonstration auf Indymedia
Wir demonstrieren hier und heute für den Erhalt der “Alten Feuerwache” als selbstverwaltetes Politik‑, Sozial- und Kulturzentrum in Saarbrücken. Mit der schriftlichen Kündigung vom 28.11.2003 ist es jetzt offiziell und amtlich: die Stadt Saarbrücken will den Verein “Alter Feuerdrache e.V.” und die NutzerInnen der Alten Feuerwache aus dem Gebäude werfen, um es einer, so wörtlich “wirtschaftlicheren Nutzung zuzuführen”; heißt also im Klartext: die Feuerwache als eines der letzten öffentlichen Gebäude, die den städtischen Privatisierungswahn bisher relativ unbeschadet überstanden haben, wie so viele andere zuvor einer kapitalistischen Verwertung zuzuführen.
Das selbstverwaltete Hausprojekt “Alte Feuerwache” besteht seit knapp 22 Jahren und hat in dieser Zeit eine sehr wechselhafte Geschichte mitgemacht. Dabei war das Haus so manches Mal Opfer staatlicher Repressalien, so beispielsweise am 28. Mai 1994, als eine vermummte und bewaffnete Hundertschaft der paramilitärischen Bundesgrenzschutzeinheit “GSG‑9” das Gebäude stürmte, die Räume durchsuchte und die Anwesenden festnahm. Ziel des Angriffs war damals der Kurdische Kulturverein.
In den vergangenen Jahren war es dann die Stadt Saarbrücken, die der Alten Feuerwache zunehmend auf die Pelle rückte. Im Jahre 2000 und 2002 gab es dann konkrete Versuche, einen Nachmieter für das Gebäude zu finden und die in der Feuerwache praktizierenden Vereine und Gruppen vor die Tür zu setzen. Was bisher immer durch öffentlichen Druck verhindert werden konnte, scheint nun ein fester Entschluss der Stadtoberen zu sein. Verhandlungen wurden erst gar nicht geführt, die Kündigung ist bereits zugestellt worden, und einer Verlängerung des Mietverhältnisses wird — ich zitiere aus der Kündigung — “bereits jetzt ausdrücklich widersprochen”.
Der Wortlaut des Kündigungsschreibens und der generelle Umgang der Stadtverwaltung mit dem Verein “Alter Feuerdrachen” machen deutlich, dass kulturelle und soziale Projekte, die — wie die Alte Feuerwache — im Sinne kapitalistischer Verwertungslogik nicht effizient sind, in dieser Stadt ausdrücklich nicht erwünscht sind.
Dem Konzept einer marktkonformen und profitorientierten Landeshauptstadt steht längst nicht nur die Alte Feuerwache im Weg. Opfer des städtischen Kürzungswahns wurden bereits das Nachtcafe und die Notschlafstelle des Saarbrücker Drogenhilfezentrums in der Brauerstraße oder das Stadtbad Saarbrücken, andere Einrichtungen sollen und werden folgen. Nach dem Willen der Stadt haben scheinbar nur die Einrichtungen ein Existenzrecht, die gewinnorientiert funktionieren können bzw. wollen. Dass diese Politik nicht auf Saarbrücken beschränkt ist, dürfte jedem Menschen klar sein. Den Kern der Spar- und Kürzungspolitik brachte im August diesen Jahres der Vorsitzende der Jungen Union, Phillip Missfelder, auf den Punkt: er schlug vor, älteren Menschen medizinische Leistungen zu verweigern. Diese Aussage verdeutlicht, worum es der offiziellen Politik geht: Menschen werden darauf reduziert, ob und wie sie für die kapitalistische Gesellschaft verwertbar sind. “Hartz — Papiere” und “Agenda 2010” sind lediglich wohlklingendere Begriffe für die Durchsetzung dieser Logik. Mit rasantem Tempo werden Beschlüsse gefasst wie Krankenhausbetten zu streichen, Löhne zu kürzen, Arbeitslose zu schikanieren, Flüchtlinge abzuschieben oder die medizinische Grundversorgung einzuschränken , demnächst vielleicht ganz abzuschaffen.
Es ist unbestritten, dass es aufgrund der technischen Errungenschaften möglich wäre, der gesamten Menschheit ein Leben in relativem Wohlstand zu sichern. Anstatt diese Tatsache in den Mittelpunkt aller Anstrengungen zu stellen, wird sie einer öffentlichen Diskussion entzogen. Die durch totale Ökonomisierung bedingte Verelendung hat in anderen Gegenden der Erde bereits ein viel verheerenderes Ausmaß erreicht. Kapitalistische Logik und Wirtschaftsordnung haben sich weltweit durchgesetzt.
Die Alte Feuerwache ist konkreter Bestandteil unseres Versuches, dem vom Staat und dem Großteil der Gesellschaft (re-)präsentierten Autoritäts- und Verwertungsgedanken eine Alternative entgegenzusetzen. Dass wir damit nicht alleine stehen, seht ihr heute an der Vielschichtigkeit der Demonstrierenden.
Neben der Alten Feuerwache sind noch weitere linke Zentren von Schließung oder Räumung bedroht. Solidarische Grüße von hier aus an die ExSteffi in Karlsruhe, das Autonome Zentrum im Exil in Heidelberg, das Conne Island in Leipzig, Alte Meierei in Kiel, die Alternative “Walli” aus Lübeck, den Wagenplatz “Bambule” in Hamburg und an alle anderen emanzipatorischen und progressiven, selbstverwalteten Projekte. Ihr werdet nachher noch einen Redebeitrag der ExSteffi hören.
Die Stadt hat uns letzte Woche mal wieder gezeigt, worum es ihr eigentlich geht: so wurde die angemeldete Demoroute durch die Bahnhofstraße kurzerhand verboten, um das Weihnachtsgeschäft des Saarbrücker Einzelhandels nicht zu stören. Statten wir dem weihnachtlichen Konsumterror doch nachher einen kleinen Besuch ab.
Die Alte Feuerwache muss das bleiben, was sie in den letzten 22 Jahren war: ein kulturelles, politisches und soziales Zentrum, und vor allem: links, selbstverwaltet und unkommerziell! Dafür werden wir kämpfen, dafür sind wir heute auf der Straße. Um es ein weiteres Mal in aller Deutlichkeit zu sagen: Freiwillig gehen wir nicht raus!
Kapitalistische Verwertungslogik angreifen! Linke Zentren verteidigen!
Feuerwache bleibt!
Antifa Saar / Projekt AK im Dezember 2003