Deutschland, 2005: Eine Frau wird mit drei Kopfschüssen ermordet. Hatun Sürücü hatte sich emanzipiert von den streng religiösen Strukturen, in denen sie aufgewachsen war; sie hatte ihr Kopftuch abgelegt und ihren Mann aus der Zwangsheirat sowie ihre Familie verlassen; sie hat sich gegen die islamische familiäre Tradition gestellt und begonnen ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Dafür wurde sie vor 15 Jahren, kurz vor ihrer Abschlussprüfung als Elektroinstallateurin, von ihrem Bruder ermordet. Die Polizei hatte Hatun Sürücüs Meldung wegen der Morddrohungen gegen sie nicht ernst genommen.
Gewalt gegen – vor allem – emanzipierte Frauen spielt auch bei den vielen rechten Attentätern der letzten Jahre eine Rolle. Das Tatmotiv Frauenhass wurde wenig beleuchtet, rückte aber in den letzten Monaten und Wochen endlich mehr in den Blick. Und dabei ist es so offensichtlich:
Elliot Rodger tötet 2014 bei einem sogenannten Amoklauf an der Universität von Kalifornien sechs Menschen. Er führte unter anderem Krieg gegen Frauen als Rache dafür, dass sie ihm Sex vorenthalten hätten. Er verfasste ein Manifest, in dem er seinen Frauenhass verewigt: „Ich werde alle Frauen dafür bestrafen, dass sie mir Sex vorenthalten haben; ich kann nicht jede einzelne Frau auf der Welt töten, aber ich werde eben die Mädchen angreifen, die alles vertreten, was ich am weiblichen Geschlecht hasse.“ Alek Minassian überfährt 2018 in Toronto vorsätzlich zehn Passant_innen, hauptsächlich Frauen. Das war kein Zufall; er wollte sich an Frauen rächen. In einem Internetforum schrieb er vorher: „Vergewaltigung ist doch keine große Sache. War es nie. Ich will einfach nur Zugang zu Sex haben. Deshalb bin ich wütend.“
Stephan Balliet verübt vor einigen Monaten in Halle einen antisemitischen Anschlag auf eine Synagoge. Als er scheitert, erschießt er zwei Menschen auf der Straße. Im Livestream während des Attentats sagt er: „Feminismus ist schuld an der sinkenden Geburtenrate im Westen, die Schuld an der Massenmigration ist. Und die Wurzel dieser Probleme ist der Jude.“ In seiner Vernehmung sagt er, Männer wie er bekämen keine Frauen, weil Ausländer sie ihnen wegnähmen. Anders Breivik, Brenton Tarrant, die Liste dieser Attentäter ist endlos. In Stephan Balliets Aussagen können wir erkennen, welche Einstellungen sie alle vereint: Antisemitismus, Rassismus und Antifeminismus. Und wir können ihnen gar nicht genug widersprechen:
Bei der haarsträubenden Behauptung, eine jüdische Weltverschwörung habe sich den Feminismus am Reißbrett ausgedacht, damit Frauen weniger Kinder bekämen und so das eigene Volk zerstört werde. Es gibt keine jüdische Weltverschwörung! Oder bei der rassistischen Lüge über die vermeintliche Verdrängung einer so genannten „weißen Rasse“. Es gibt keine fucking weiße Rasse! Oder bei der unfassbaren Frechheit, irgendjemand könne uns als Frau jemand anderem wegnehmen. Wir gehören niemandem!
Uns ist es egal, ob diese Taten im Namen des Islam oder aus einer nationalistischen Ideologie heraus begangen werden. Frauen sollen beiden doch nur als Gebärmaschinen dienen, um ihre menschenverachtende Weltanschauung zu verbreiten. Aber da machen wir nicht mit! Wir wehren uns! Wir wehren uns gegen den Versuch, uns unter dem Deckmantel der Religion oder gar bei rechten Anschlägen zu attackieren. Und wir wehren uns auch hier im Saarland gegen reaktionäre Frauenfeinde, die sich einbilden, sie hätten irgendein Recht, über uns zu bestimmen. Wir haben hier die christlich-fundamentalistische Piusbruderschaft, Christen, die im Namen Gottes eine reaktionäre Geschlechter- und Gesellschaftsordnung durchsetzen wollen. Wir stellen uns ihnen entgegen. Und wir wehren uns auch gegen einen Staat, der so dreist ist, unseren Protest gegen diese Menschenfeinde auch noch mit Repression zu verfolgen. Diejenigen Frauen, die im letzten Jahr die Gegenproteste angemeldet hatten, sie waren diejenigen, die danach angezeigt und von der Polizei verfolgt wurden, aber: wir haben uns zusammen dagegen gestellt und – die Strafverfolgung wurde eingestellt!
Und genau daran sieht man, dass das Problem nicht nur irgendwelche reaktionären Gruppierungen oder Täter sind. Gewalt gegen Frauen gibt es in unserer Gesellschaft überall, sie wird von dieser sogar mitgetragen bzw. noch nicht einmal wahrgenommen. Und Gewalt gegen Frauen beginnt nicht erst mit dem Zuschlagen – sie ist nicht minder gefährlich, wenn sie uns in anderen Formen trifft: Beim Nachlaufen, beim Bedrängen, beim Beschimpfen, beim Bedrohen, beim Hineindrängen in eine unterwürfige Rolle, die wir nicht einnehmen wollen. Und es verwundert nicht, dass Partnerschaftsgewalt beim Statistischen Bundesamt überhaupt erst seit 2015 erfasst wird. Und dabei… Etwa jede vierte Frau ist in ihrem Leben mindestens einmal von Partnerschaftsgewalt betroffen – jede vierte! Das muss man sich mal vorstellen. Und dennoch wird wichtigen Einrichtungen, die Frauen in Not unterstützen, der Geldhahn zugedreht. Es gibt in Deutschland 7000 Plätze in Frauenhäusern, gebraucht werden 20.000. Auch die vier Frauenhäuser im Saarland konnten 2018 wegen Überlastung bei Weitem nicht alle Schutzsuchenden aufnehmen. Wir fordern, dass solche Einrichtungen unterstützt und finanziell gut aufgestellt werden. Aber wir sehen auch, dass wir uns auch in dieser Sache nicht auf den Staat verlassen können.
Was können wir also tun, um Gewalt gegen Frauen zu beenden? Brecht das Schweigen! Benennt die Missstände! Benennt die Täter! Und egal welches Geschlecht ihr habt: nehmt Frauen ernst, wenn sie über Gewalterfahrungen reden. Doch am allerwichtigsten: Frauen, organisiert euch auch selbst! Das, was hier heute passiert, ist nicht nur ein Thema für den 8. März – das ganze Jahr über passiert feministische, antifaschistische, linksradikale Politik. Interessiert euch für diese Themen, schließt euch bestehenden politischen Gruppen an oder gründet eure eigenen! Lasst uns solidarisch all diese Feinde des Feminismus bekämpfen!
Wir von der Antifa Saar wollen Antifeminismus bekämpfen und deshalb sind wir heute hier. Aber das ist nicht alles, das ist nicht genug: Wenn sich an der jetzigen Gesellschaft etwas ändern soll, dann müssen wir alle Missstände bekämpfen: Antisemitismus – Rassismus – Antifeminismus, denn das hängt alles miteinander zusammen! Also werdet aktiv und mischt euch ein!
Gegen Antisemitismus und Rassismus!
Nieder mit dem Patriarchat!