Rassismus tötet! Zum Jahrestag des rassistischen Terroranschlags in Hanau

In zahlre­ichen Städten gedacht­en heute Men­schen der Ermorde­ten und forderten eine lück­en­lose Aufk­lärung der Tat. Darunter auch in Saar­brück­en, wo die Grup­pen See­brücke Saar, Con­n­Act Saar, Antifa Saar / Pro­jekt AK und die Linksju­gend ’sol­id eine Gedenkkundge­bung am Mal­stat­ter Markt von 17 bis 18 Uhr ver­anstal­teten, an der rund 70 Per­so­n­en teilnahmen.

Gemeinames State­ment der See­brücke Saar, der Gruppe Con­n­Act Saar und der Antifa Saar / Pro­jekt AK und der Lingsju­gend Sol­id Saar zum Jahrestag des ras­sis­tis­chen Mas­sak­ers in Hanau:

Liebe Freund_innen und Genoss_innen,
Ras­sis­mus tötet!
Heute jährt sich der rechte Ter­ro­ran­schlag mit den meis­ten Todes­opfern seit 40 Jahren in der BRD zum ersten Mal. Der Nazi Tobias Rath­jen ermordete aus ras­sis­tis­chen Grün­den 9 Men­schen und aus frauen­feindlich­er Moti­va­tion seine Mut­ter. Seine ras­sis­tis­che Gesin­nung legt er in seinem Beken­ner­schreiben dar, als er davon spricht, dass ganze “Völk­er ver­nichtet wer­den müssen”. Den Anschlag in Hanau beze­ich­nete er als eine “Grob-Säu­berung”. Die ras­sis­tis­che Ver­nich­tungside­olo­gie wird in Deutsch­land also nicht nur propagiert, sie wird auch, von organ­isierten Nazis wie von unor­gan­isierten Nazis, in die Tat umge­set­zt. Das ist das Ziel der Nazis. Deshalb müssen sie gestoppt werden!

Doch ras­sis­tis­che Morde sind nicht nur Tat­en von den “gesellschaftlichen Rän­dern”.
Brand­s­tifter für diese Morde find­en wir auch in den Medi­en und der Zivilge­sellschaft. Die medi­ale ras­sis­tis­che Het­ze gegen Shisha-Bars und Clan-Krim­i­nal­ität, die Het­ze gegen Geflüchtete: Sie war vor Hanau Nor­mal­ität und ist es nach Hanau immer noch! Die Zeitschrift „Focus“ set­zte all dem die Kro­ne auf: Noch in der Nacht des Anschlags titelte sie: “Hanau unter Schock — Erste Bilder nach den Shisha-Mor­den”. Allzu bekan­nt ist diese Sprache von den Mor­den des NSU, welche in der Öffentlichkeit teil­weise als “Dön­er-Morde” ver­han­delt wur­den.
Auch der deutsche Staat und seine bewaffneten Organe leis­ten ihren Beitrag zu den ras­sis­tis­chen Zustän­den: Ras­sis­tis­che Polizeige­walt ist All­t­ag für viele Men­schen in Deutsch­land: Die Migra­tionskon­trollen, die mil­itärische Flüchtlingsab­wehr, die Schikane von als Nicht-Deutsch gele­se­nen Men­schen in der Öffentlichkeit und auch die Krim­i­nal­isierung von Rück­zug­sorten für von Ras­sis­mus betrof­fene Men­schen, wie z.B. Shisha-Bars. Diese Zustände begün­stigten die Morde von Hanau. In der Are­na — Bar war der Notaus­gang ver­schlossen. Der Ver­dacht liegt nahe, dass dies in Absprache mit der Polizeibehörde passierte. Said Etris Hashe­mi, Über­leben­der der Tat­nacht, kom­men­tierte hierzu: “Ich kann jet­zt nicht sagen, dass alle das geschafft hät­ten. Aber es hät­ten auf alle Fälle einige geschafft da rauszuren­nen”.
Die Ereignisse von Hanau zeigen uns: Ras­sis­mus tötet: Die Opfer wur­den von der Gesellschaft stig­ma­tisiert und in separi­erte Freizeitorte ver­drängt, von der Polizei im Stich gelassen und einges­per­rt, von einem radikalisierten Deutschen mit legalem Waf­fenbe­sitz erschossen!

Deutsch­land — Das Land der “Einzelfälle“
Das ras­sis­tis­che Mas­sak­er von Hanau war kein Einzelfall. Nazi-Ter­ror und ras­sis­tis­che Gewalt sind All­t­ag in der BRD und haben Tra­di­tion. Der Mord an Walther Lübcke, das ver­suchte anti­semi­tis­che Atten­tat auf die Syn­a­goge in Halle. Der ras­sis­tis­che Mord am 15 jähri­gen Arkan Hus­sein Kha­laf im April 2020. 2020 verg­ing kaum ein Tag ohne dass neue Nazi-Net­zw­erke inner­halb und außer­halb der staatlichen Behör­den bekan­nt wur­den. Kaum ein Tag verg­ing ohne Skan­dale über Ver­tuschung von Nazi-Gewalt: Die Bran­dan­schlagsserie von Neukölln, die Dro­hbriefe der Nazipolizis­ten aus Frank­furt, welche sich NSU 2.0 nen­nen und mehrere Jahre ungestört Angst ver­bre­it­en kon­nten, die Elite-Wehrsport­gruppe namens KSK. Alles soge­nan­nte “Einzelfälle”, welche für die Betrof­fe­nen die Gefahr recht­en Ter­rors zum All­t­ag machen.

Auch im Saar­land führt der All­t­ag der recht­en Gewalt über den Mord an Samuel Yeboah, den ver­sucht­en Bombe­nan­schlag auf das PDS-Büro in Saar­brück­en, die Bombe auf die Wehrma­cht­sausstel­lung, zahlre­ich­er Kör­per­ver­let­zun­gen und Bran­dan­schlä­gen hin zu dem ver­sucht­en ras­sis­tis­chen Mord am 6. Juni 2020 in Saar­brück­en-Bur­bach. Eine Chronik mit allen bekan­nten Fällen recht­en Ter­rors im Saar­land seit den 90er Jahren ist in der aktuellen Aus­gabe der “Saar­brück­er Hefte” zu find­en.
Die Forderun­gen der Ini­tia­tive 19. Feb­ru­ar zum ras­sis­tis­chen Ter­ror in Hanau sind auch hier zutr­e­f­fend: “Erin­nerung, Aufk­lärung, Gerechtigkeit, Konsequenzen!”

Die Tra­di­tion und Kon­ti­nu­ität recht­en Ter­rors in Deutsch­land wird begleit­et von ein­er Kon­ti­nu­ität des Ver­tuschens, des Ver­harm­losens, des Ver­drän­gens! Kein­er der Minister_innen unter deren Regentschaft Nazinet­zw­erke in der Polizei und im Mil­itär gedei­hen kon­nten, musste bis zum heuti­gen Tag zurück­treten. Kein­er der Lokalpolitiker_innen welche um das Image ihrer Stadt fürch­t­end Nazi­ak­tiv­itäten ver­harm­losten und ver­tuscht­en und damit Teile ihrer Stadt­bevölkerung in Angst leben lassen und in Gefahr brin­gen, musste zurück­treten.
Der Ver­fas­sungss­chutz, welch­er Nazistruk­turen finanzierte, mitauf­baute und deck­te, beste­ht weit­er fort. Von diesem Staat kön­nen wir keine Kon­se­quen­zen erwarten!

Auch die Aufk­lärung in Hanau, Halle, Kas­sel, dem NSU bis nach Saar­louis liegt in den Hän­den der Ange­höri­gen und anderen antifaschis­tis­chen Ini­tia­tiv­en. Die Erin­nerung wird von sel­bi­gen getra­gen. Am Tag nach dem recht­en Ter­ro­ran­schlag mit den meis­ten Todes­opfern seit 40 Jahren in Deutsch­land feierte Saar­brück­en Fasching, das Rathaus schmück­te nicht Trauer, son­dern betrank sich auf Ein­ladung des Ober­bürg­er­meis­ters Uwe Con­radt. Am gle­ichen Abend fand in Hanau eine staatlich orchestri­erte Gedenkver­anstal­tung statt, bei der Ange­hörige der Opfer nicht sprechen durften. Dafür durfte sich jedoch die lokale und nationale Polit­promi­nenz selb­st in Szene set­zen. Unter ihnen auch der heutige hes­sis­che Min­is­ter­präsi­dent Volk­er Bouffi­er, welch­er selb­st im NSU-Kom­plex die Ver­tuschung der staatlichen Ver­strick­ung in die ras­sis­tis­chen Morde deck­te.
All dies zeigt uns: Ein würde­volles Gedenken, Aufk­lärung und Kon­se­quen­zen müssen erkämpft werden!

Selb­stvertei­di­gung ist legit­im!
Die Strate­gie des recht­en Ter­rors ist es, Men­schen, die als nicht-deutsch oder als poli­tis­che Feinde iden­ti­fiziert wer­den, in Angst, Läh­mung, Entset­zen und Ohn­macht zu ver­set­zen. Den recht­en Ter­ror stop­pen kön­nen wir erst, wenn die Nazis wieder Angst haben Nazis zu sein, wenn die Rassist_innen und Antisemit_innen sich nicht mehr trauen ihre Het­ze auszus­prechen. Diese Gesellschaft bietet den Betrof­fe­nen recht­en Ter­rors diese Sicher­heit nicht! Deshalb wollen wir heute auch dafür ein­ste­hen, dass solange dieser Staat und seine Zivilge­sellschaft diese Sicher­heit nicht gewähren, mil­i­tan­ter antifaschis­tis­ch­er und anti­ras­sis­tis­ch­er Selb­stschutz legit­im ist!
Die migrantis­che antifaschis­tis­che Gruppe Cafe Mor­gen­land schrieb hierzu bere­its vor 27 Jahren: „Die Wahl der Mit­tel liegt in der Hand der Ange­grif­f­e­nen. Im Inter­esse unseres eige­nen Über­lebens müssen wir auch die aktive Rolle übernehmen, wann immer wir dazu in der Lage sind.“ (Aus „Die Weizsäck­erisierung der Mil­i­tanz oder Die Banal­ität des Blö­den“, 27.03.1994, zum Kaindl-Prozess der Antifas­cist Gen­clik). Die Ohn­macht durch­brechen ist die Haup­tauf­gabe der antifaschis­tis­chen und anti­ras­sis­tis­chen Kräfte inner­halb der deutschen Zustände! Deshalb müssen wir in den Kämpfen um Selb­stvertei­di­gung, Aufk­lärung, Kon­se­quen­zen und Erin­nern Allianzen bilden mit allen Betrof­fe­nen des ras­sis­tis­chen und anti­semi­tis­chen Ter­rors!
Auch wenn ger­ade in der Pan­demie, in Zeit­en ein­er gesellschaftlichen Recht­sen­twick­lung, im All­t­ag rechter Gewalt die Ohn­macht stärk­er wird, müssen wir Fes­thal­ten an der Hoff­nung, dass es möglich ist, eine Gesellschaft zu erricht­en, in der Aus­beu­tung und Unter­drück­ung, Krieg, Ras­sis­mus und Anti­semitismus über­wun­den sind. Diese Hoff­nung zu erhal­ten und die Ohn­macht über­winden heißt am heuti­gen Tag: Erin­nern, Aufk­lären, Selb­stvertei­di­gung organ­isieren, Kon­se­quen­zen erkämpfen!

In Gedenken an die Opfer von Hanau!
Gegen Deutsch­land und seine Nazis!