Heute haben sich einige Saarbrücker Antifaschist_innen vor der Ludwigskirche verabredet, um dort mit ein wenig Crémant darauf anzustoßen, dass die Welt mit der Bombardierung Saarbrückens der Befreiung vom Nationalsozialismus einen Schritt näher gekommen ist.
Wer dieser Tage die Homepage der Ludwigskirche besucht, muss sich schon sehr wundern: In der Nacht vom 5. auf den 6. Oktober 1944 hätten quasi aus dem Nichts britische Bomber Saarbrücken “mit Spreng- und Brandbomben” überzogen. Es sei “eine schreckliche Nacht” für die ahnungslosen Saarbrücker_innen gewesen, denen sich am nächsten Morgen “ein Bild der Zerstörung” geboten hätte.
Kein Wort wird währenddessen auf der selben Homepage darauf verwendet, dass die Bombardierung Saarbrückens nicht ohne Grund stattfand. Kein Wort wird über die Verbrechen der Wehrmacht, die rücksichtslose Schikane und Vernichtung von tausenden jüdischen Menschen und die allgemeine Zustimmung der Saarländer_innen für Hitler und den Nationalsozialismus verloren. Die evangelische Kirchengemeinde unterschlägt gänzlich diese historischen Tatsachen und reagierte entsprechend nervös als plötzlich vor Beginn einer Gedenkveranstaltung an die sog. Opfer der Bombardierung Saarbrückens ein Dutzend Antifaschist_innen vor der Ludwigskirche auftauchten, um dort die Besucher_innen auf diesen Umstand aufmerksam zu machen.
„Wir sehen es als einen Skandal an, dass bei diesen Gedenkfeierlichkeiten hier so getan wird, als wären die britischen Bomber aus dem Nichts gekommen. Deutschland führte 1944 einen erbarmungslosen Raub- und Vernichtungskrieg, an dem sich auch viele Saarbrücker_innen beteiligten. Es kann nicht sein, dass Deutsche hier als Opfer des Zweiten Weltkrieges dargestellt werden. Mit diesem deutschen Opfermythos muss Schluss sein!“, sagte Pressesprecher Alexander Breser von der Antifa Saar an diesem sonnigen Morgen.
An dem Treffen haben sich Saarbrücker Antifaschist_innen beteiligt, die alle der Meinung waren, dass die Bombardierung Saarbrückens und anderer Städte des NS-Reiches kein Trauertag sein sollte. Wir fordern, dass Veranstaltungen wie diese aufhören. Stattdessen fordern wir ein würdiges Gedenken an die Opfer der Nationalsozialist_innen. Viele der Besucher_innen zeigten sich ebenfalls sehr interessiert an den Argumenten der Aktivist_innen, die vor Ort mit Bannern, einer Alliiertenfahne und Flugblättern aufgetaucht waren und diskutierten bei einem Glas Crémant mit diesen sehr ausführlich über die historischen Hintergründe der Bombardierung Saarbrückens.
Gerade die Saarländer_innen scheinen sehr vergesslich zu sein, wenn es um ihre NS-Vergangenheit geht. Das sieht man nicht nur an Events wie diesem. Beispielsweise sollte 2016 in Riegelsberg das NS-Denkmal „Hindenburgturm“ als Kriegerdenkmal wiederbelebt werden. Aber auch die Kontroverse um die NS-Vergangenheit des ehemaligen saarländischen Ministerpräsidenten Franz-Josef Röder zeigen, dass sogar vielen saarländischen Historiker_innen sehr an der weißen Weste der Saarländer_innen gelegen ist.
Die Veranstaltung selbst blieb von der kleinen Party nicht unbeeindruckt. So musste selbst der Leiter des Stadtarchivs, Hans-Christian Herrmann, zugeben, dass die Bombardierung Saarbrückens vor dem Hintergrund des Raub- und Vernichtungskrieg des nationalsozialistischen Deutschlands betrachtet werden muss. Hermann erlangte anlässlich der Röder-Debatte zweifelhafte Berühmtheit, da er klare Beweise für die NS-Vergangenheit des Ex-Ministerpräsidenten in vergangenen Publikationen unterschlug.
Es wird sicher nicht das letzte Mal gewesen sein, dass wir die Saarländer_innen an ihre NS-Vergangenheit erinnern müssen. Wir bleiben an den Thema dran und fordern nach wie vor:
Schluss mit der Schmierentragödie vom Deutschen Opfermythos!
Gedenkt der wahren Opfer des nationalsozialistischen Terrors!
Deutsche Täter_innen sind keine Opfer!
Nie wieder Deutschland!
Unser Poster “Sowas kommt von sowas” zum Herunterladen