Seit dem September 2013 hatte das saarländische LKA nach einem Naziübergriff ermittelt. Doch nicht etwa gegen die Täter, sondern gegen einen Antifaschisten, dem vorgeworfen wurde, an der Veröffentlichung von Namen und Bildmaterial bekannter Nazischläger aus der Saarbrücker Fußballszene beteiligt gewesen zu sein. Ende 2015 wurde das Verfahren schließlich eingestellt. Obwohl wir selbstverständlich die Einstellung des Verfahrens begrüßen, bleibt ein fader Beigeschmack hinsichtlich der skandalösen Ermittlungsarbeit der Polizei.
Im Rahmen der Hausdurchsuchung am 05.05.2014 wurden durch den sogenannten Staatsschutz zahlreiche Datenträger, Computer und Mobiltelefone beschlagnahmt und ausgewertet. Von lediglich vordergründigem Interesse dürfte dabei das Auffinden von Beweisen hinsichtlich der Anschuldigungen gegen den Betroffenen gewesen sein. Um es vorweg zu nehmen: Offenbar reichten die ausgewerteten Daten dem zuständigen Staatsanwalt nicht einmal zur Erhebung der Anklage. Ein Hauptziel staatlicher Repressionsorgane im Umgang mit linken Gruppierungen ist von jeher auch die Ausleuchtung unserer Strukturen. Die politische Polizei hat hier also, obwohl es nicht zur Anklage gekommen ist, ganze Arbeit geleistet. Leider war das Landeskriminalamt in der Lage fast alle Daten des Beschuldigten auszuwerten. Vor diesem Hintergrund empfiehlt die Antifa Saar / Projekt AK das Verwenden von Verschlüsselungssoftware wie etwa TrueCrypt und PGP. Als praktische Lehre aus dem Ermittlungsverfahren empfehlen wir außerdem ausdrücklich, nicht mehr benötigte Daten sicher zu löschen und ältere Archiv-Daten getrennt von aktuellen Arbeits-Dateien zu verschlüsseln. So erhalten eventuelle Angreifer_innen selbst bei eingeschaltetem Gerät nur Zugriff auf Bruchteile eurer Daten. Auch über die Verschlüsselung mobiler Endgeräte und eurer Kommunikation solltet ihr dringend nachdenken und diese ggf. verbessern. Der vorliegende Fall zeigt deutlich, dass gängige Sicherheitstools nur von Nutzen sind, wenn sie entsprechend konfiguriert und verwendet werden. Als Ausgangspunkt für die Beschäftigung mit Techniken und Software zum Schutz eurer Privatsphäre empfehlen wir das www.privacy-handbuch.de.
Der fade Beigeschmack wird noch verstärkt durch die Tatsache, dass sich die zuständigen Beamt_innen nun nicht einmal öffentlich vor Gericht zu ihrem Tun verhalten müssen. Fakt ist nämlich, dass die haltlosen Beschuldigungen und die darauf basierende Ermittlungsarbeit sich nahtlos einreihen in die Vorfälle, Skandale und Verstrickungen rund um saarländische Polizeibehörden.1 Durch die Einstellung des Verfahrens gegen den betroffenen Antifaschisten vermeidet die saarländische Justiz eine öffentliche Auseinandersetzung über die Vorwürfe und die Ermittlungsmethoden der involvierten Behörden.
In einer öffentlichen Gerichtsverhandlung müssten die Beamt_innen nämlich erklären, warum die Aussage eines Freundes der Neonazis, der an dem Übergriff vom 15.08.2013 beteiligt war, als einzige Rechtfertigungsgrundlage für die Hausdurchsuchung herangezogen wurde. Der im Umfeld des Supportsclub 95 – SC95 aktive Asif Khan hatte den Antifaschisten mit einer erfundenen Aussage bei der Polizei schwer belastet. Asif Khan, der sich selbst „Heiko“ nennt, war bereits 2007 an einem Übergriff auf das Jugendzentrum in Neunkirchen beteiligt. Damals hatten mehrere Neonazis (u.a. auch Daniel Zanner) nach einem Fußballspiel das Jugendzentrum am helllichten Tag mit Flaschen und Steinen angegriffen. Die Beamten schenkten seiner Aussage uneingeschränkt Glauben und ermittelten gegen den betroffenen Antifaschisten. Khan hatte gegenüber der Polizei behauptet, in einem Gespräch mit dem Beschuldigten habe dieser ihm gegenüber die Veröffentlichung des Berichts über den Naziangriff an der Diskothek „Garage“ eingeräumt. Dass die Anschuldigungen sich als haltlos erwiesen haben und die Beamt_innen trotz Auswertung der beschlagnahmten Daten keine Beweise für eine Beteiligung des Beschuldigten gefunden haben, zeigt schon die Einstellung des Verfahrens bevor es überhaupt zur Verhandlung kam. Spätestens beim Versuch zu erklären, woher die Informationen, die er der Polizei gegeben hat, stammen, wäre Asif Kahn dann wohl auch in Verlegenheit geraten.
Auch wenn uns der Ehrencodex irgendwelcher Supporter-Clubs nicht sonderlich interessiert: Es ist doch in höchstem Maße verwunderlich, dass sich eine Person, die ohne Zögern mit der Polizei kooperiert, im Umfeld von Menschen einnisten konnte, die sich selbst regelmäßig mit der überzogenen und ungerechtfertigten Gewalt des Staates konfrontiert sehen. Umso absurder wird das Ganze, wenn man bedenkt, dass Asif Khan hier zu Gunsten von Neonazis bei der Polizei gelogen hat. Zu Gunsten von Neonazis, die an einem Übergriff beteiligt waren und die dafür keine weitere Sanktion erhalten hatten, als von saarländischen Antifaschist_innen als das geoutet zu werden, was sie sind: gewalttätige Menschenfeinde. Wir begrüßen es, dass Asif Khan und seinen Nazi-Freunden inzwischen auch aus dem Umfeld der Saarbrücker Fangruppierungen Wind entgegen schlägt. Antifaschistisches Engagement darf nicht am Stadiontor halt machen. Der vorliegende Fall verdeutlicht, was passieren kann, wenn Nazis und ihre Freunde im eigenen Umfeld toleriert werden. Schließt sie aus euren Freundeskreisen aus und brecht den Kontakt ab, sonst sitzen sie womöglich bald beim LKA und erfinden Geschichten über euch!
Zusammenfassend: Neonazis und ihre Freunde lügen die Polizei an. Saarländische Ermittlungsbehörden ermitteln daraufhin gegen Antifaschist_innen und machen sich so zum Handlanger von Nazischlägern. Das Verfahren wurde von der Staatsanwaltschaft eingestellt. Wichtig ist nun einerseits den Umgang mit den eigenen Daten zu verbessern und andererseits Leuten wie Asif Khan kein Vertrauen mehr zu schenken.
Antifa Saar / Projekt AK
1 Kleiner Fun Fact am Rande: In den letzten beiden Jahren gab es mehr Hausdurchsuchungen in saarländischen Polizeidienststellen, als bei den vom sogenannten Verfassungsschutz stets zur Gefahr hochstilisierten Linken. Die Gründe für die Durchsuchungen reichten dabei von Pensionsbetrug bis zum Anfertigen von Nacktaufnahmen der Dienststellen-Kolleginnen.
Weitere Informationen zu Nazis in der Saarbrücker Fußballszene auch in unserem Artikel: “Blau-Schwarze-Family – Der 1. FC Saarbrücken und seine Nazis”