Hallo Freundinnen und Freunde, Teilnehmerinnen und Teilnehmer dieser Demonstration!
Am vergangenen Freitag wurde ich abends von sechs Neonazis auf dem Weg vom Autonomen Jugendzentrum Homburg zum Bahnhof abgefangen. Ich befand mich mit meiner Begleiterin in der Hälfte des Weges, in Höhe der Firma Havekost, als wir auf die “Sieg Heil” rufende Gruppe von Skinheads und Hooligans trafen. Ich wurde brutal verprügelt. Mit deutscher Härte haben sie zugeschlagen und auf mich eingetreten. Mit Fäusten und einem Teleskopschlagstock schlugen sie mich, bis ich am ganzen Körper Prellungen hatte, ein blaues Auge, Platzwunden am Bein und der Nase, bis mein Blut nicht nur das Gesicht und die Haare bedeckte, sondern auch meinen Pullover, meine Hose, meine Strümpfe und meine Schuhe. Sie zogen mich an den Haaren, spuckten mich an, zerstörten meine Brille und raubten mir das Handy, damit ich die Polizei nicht rufen konnte. Meiner Begleiterin zogen sie das T‑Shirt, mit der Aufschrift “Gegen Nazis”, aus und verbrannten es. Es gab für mich kein Entkommen bis sie selbst von mir abließen. Erst nach etwa einer Viertelstunde konnte ich zurück zum Jugendzentrum. Von dort aus wurde ich ins Krankenhaus gebracht. Nach sieben Stunden im Krankenhaus und bei der Polizei, wurde ich entlassen. Zwei der Täter konnte die Polizei am selben Abend in Gewahrsam nehmen. Der detaillierte Bericht der Ereignisse ist auf der Internetseite des Autonomen Jugendzentrums Homburg nachzulesen unter www.ajzhomburg.de.
Wir wurden Opfer der deutschen Realität.
Diese Realität bedeutet, dass täglich irgendwo in Deutschland Menschen von Neonazis beleidigt, angepöbelt, bedroht und verletzt werden, viel zu oft auch ermordet.
Fast jede Woche marschieren hunderte von Neonazis auf irgendeiner Demonstration, Kameradschaften und Nationale Widerstände ziehen unter den Fahnen des Nationalsozialismus durch die Städte.
Regelmäßig erscheinen rechte Zeitungen wie die “Junge Freiheit” oder “Nationale Wochenzeitung” und werden an zahlreichen Kiosken verkauft.
Die Städte werden mit Nazi-Aufklebern vollgeklebt und dumpfen Parolen vollgesprüht. Rechte Parteien werden von Tausenden gewählt und ziehen in Parlamente ein.
Das passiert nicht erst seit kurzem, wie es im Mainstream der Berichterstattung scheint, sondern seit Jahrzehnten. Das Dritte Reich hat in Deutschland nie aufgehört zu existieren. Täter des Nationalsozialismus waren schnell rehabilitiert, haben die BRD mitaufgebaut.
Quer durch alle gesellschaftlichen Bereiche finden sich Beispiele für eine Fälschung und Umkehrung der Geschichte: Deutsche werden zu Opfern des Nationalsozialismus verkehrt, Schlussstriche werden unter die verbrecherische Bilanz deutscher Vergangenheit gezogen, Antisemiten hetzen öffentlich gegen Juden oder Israel und wenige stören sich daran. Nazis können sich auf diesem Hintergrund recht wohl fühlen. Abgesehen von Zeiten, wo das Thema, wie jetzt gerade, in ist und überall darüber berichtet wird, können sie sich der Zustimmung Vieler sicher sein. Ob gerade jemand über die Ausländer schimpft, die nicht arbeiten gehen und uns doch irgendwie die Arbeitsplätze wegnehmen oder ob an allen Ecken gefordert wird wieder stolz sein zu dürfen auf Deutschland: der Rassismus der Nazis kommt aus der sogenannten Mitte der Gesellschaft und dort finden sie auch ihre Unterstützung. Mir hat dieser Überfall wieder einmal gezeigt, wie häßlich und scheiße Deutschland ist.
Ungläubig fragte eine Krankenschwester in der Klinik, ob es sowas in Homburg gäbe. Ja, Nazis gibt es in jeder Stadt und in jedem Dorf. Überall sind ihre Spuren zu finden und um Deutschtümelei und Volksstolz zu finden muss man sich nur mal in der Kneipe umhören oder dem Nachbar mal genauer zuhören.
Auch das Jugendzentrum musste sich jüngst mit der Drohung aus dem Internet-Forum des neonazistischen Aktionsbüro Saar auseinandersetzen, wo angekündigt war, eine Veranstaltung zum Thema “NPD und freie Kameradschaften im Saarland” zu besuchen. Die beiden Veranstaltungen zum Thema Rechtsextremismus, die am 10. und 15. März im Juz stattfanden, verliefen ruhig: Trotzdem könnte dieser Angriff damit im Zusammenhang stehen. Auch wenn die Kameradschaft Homburg/Neunkirchen, die Teil des Aktionsbüro Saar ist, scheinbar nur auf dem Papier existiert, sollte diese weiter beobachtet und in jeder Form angegriffen werden.
Es wäre wünschenswert, wenn Menschen aus Homburg und Umgebung diesen Vorfall als Gelegenheit begreifen würden, organisiert gegen Faschismus vorzugehen, wenn sie sich in der Gruppe zusammenschließen würden, um Nazis auf der Straße zu beseitigen, ebenso wie rechte Spinnereien aus den Köpfen der Menschen. Auch in Homburg ist es nötig sich gegen jede Form von Rassismus zur Wehr zu setzen und Nazis jede Chance, ihre häßliche Fratze zu zeigen, zu nehmen. Homburg darf kein schützendes Hinterland für nationale Idioten sein. Dazu gehört auch, das Autonome Jugendzentrum mit seiner mehr als 20-jährigen Geschichte und antifaschistischen Tradition zu unterstützen, aufzubauen und zu fördern. Das Jugendzentrum muss weiter als Freiraum genutzt werden, in dem Neonazis und Träger von sexistischem, rassistischem, antisemitischem, nationalistischem und faschistischem Gedankengut keinen Platz haben und wo Positionen für ein schöneres Leben erarbeitet und gelebt werden.
Leider kann ich heute nicht selbst hier sein, aber ich danke allen , die sich nach dem Überfall um mich gekümmert haben, sich nach meinem Zustand erkundigt haben und mir gut zugesprochen haben. Ebenso danke ich allen, die zur Demonstration gekommen sind und denen, die die Demonstration organisiert haben und durchführen. Es tut gut, soviel Solidarität zu erfahren.
Angriff ist die beste Verteidigung, also schlagt die Faschisten, wo ihr sie trefft!