Saarbrücker Zeitung vom 05.11.2003
Bürgermeister ruft Polizei zu Hilfe
Linke Gruppen stören Ratssitzung — Sparpaket beschlossen
Von MARTIN ROLSHAUSEN
Saarbrücken.Wer am lautesten ist, der hat — oder bekommt zumindest — Recht? Von wegen. Diese Annahme haben die Verwaltung und der Stadtrat der Landeshauptstadt Saarbrücken gestern widerlegt. Mit Hilfe der Polizei. Die hat Bürgermeister Kajo Breuer (Grüne) zu Hilfe gerufen, um eine Gruppe von rund 40 Mitgliedern des Vereins Alter Feuerdrache der Congresshalle zu verweisen. Die jungen Leute hatten das Podium besetzt und wollten verhindern, dass der Rat den Nachtragshaushalt und ein Sparpaket für das laufende Jahr absegnet.
Eigentlich hätte das nur noch Formsache sein sollen. Hatten sich doch die Vorsitzenden der Stadtratsfraktionen, Martin Karren (CDU), Ralf Latz (SPD) und Claudia Schmidt (Grüne), bereits mit Bürgermeister Kajo Breuer und Finanzdezernent Frank Oran (CDU) auf eine Sparliste verständigt. Eine Liste, mit deren Hilfe die Stadt noch in diesem Jahr rund 2,1 Millionen Euro einsparen will. Also die Summe, die das Innenministerium einfordert, bevor es den Stadt-Haushalt für das laufende Jahr genehmigt.
Oran, Breuer und die Fraktionen haben die Summe regelrecht zusammengekratzt. So wird etwa die Bruchwiesen-Schule an den Stadtverband verkauft. Das bringt der Stadt rund 300000 Euro. Die Kündigung des Mietvertrags für ein Übergangswohnheim, das nicht mehr gebraucht werde, und die Verkleinerung der angemieteten Fläche für die Stadtbibliothek schlagen mit jeweils 100000 Euro zu Buche. Neue Verträge mit der städtischen Gesellschaft für Kommunalanlagen und Beratung, KBS, sollen der Stadt rund 200000 Euro in die Kasse bringen. Wobei Oran betont, dass dadurch die Parkgebühren nicht steigen werden.
Erhöht werden allerdings die Eintrittspreise für städtische Sporthallen und Schwimmbäder. Rund 11000 Euro will die Stadt so 2004 mehr in die Kasse bekommen. Kassiert wird auch bei Eltern, die in Frankreich wohnen, deren Kinder aber eine Saarbrücker Grundschule besuchen. Rund 20000 Euro Schulsachkosten-Beiträge will die Stadt von ihnen eintreiben. Der Zoo muss — laut eines Konzeptes, das er bereits erarbeitet habe — im kommenden Jahr mit 150000, im Jahr 2005 mit 250000 Euro weniger auskommen. Der Oberbürgermeister, den während seiner Suspendierung Kajo Breuer vertritt, darf statt 24000 nur 19000 Euro für repräsentative Aufgaben ausgeben.
Die Liste aus kleinen und großen Opfern ist lang. Der Stadtrat hat sie schließlich auch ohne große Debatte einstimmig verabschiedet. Dass es vorher Rabatz gegeben hat, liegt an einem — aus finanzieller Sicht — eher kleinen Punkt auf der Liste: der Kündigung des Nutzungsvertrags für den Teil der Alten Feuerwache, der der Stadt gehört. Den größten Teil des Gebäudes nutzt das Theater. Im Seitenflügel haben sich Gruppen aus dem links-alternativen Spektrum eingerichtet — die Antifa, der kurdische Kulturverein, das Kommando Luftschloss zum Beispiel. Diese Gruppen, die sich unter dem Trägerverein Alter Feuerdrache zusammengeschlossen haben, zahlen rund 4000 Euro Miete im Jahr. Zu wenig, sagt die Stadt. So, wie es jetzt laufe, koste sie die Alte Feuerwache pro Jahr rund 50000 Euro. Also soll dem Feuerdrachen gekündigt werden. Der Verein will sich dagegen wehren. Der Auftritt im Stadtrat, den Politiker aller Parteien als “undemokratisch” bezeichneten, sei nur der Auftakt gewesen. Die Stadt müsse sich “auf vehementen Widerstand gefasst machen”, kündigte die Antifa gestern Abend an.
“Wir können uns nicht erpressen lassen”, erklärte CDU-Fraktions-Chef Martin Karren am Rande der Sitzung. “Es kann nicht sein, dass die Demokratie so vorgeführt wird”, kommentierte Baudezernent Dieter Ehrmanntraut (CDU) die Aktion des Alten Feuerdrachen.