Insgesamt neun Anschläge auf Sendemasten, Verteilerkästen und Einrichtungen der Stromversorgung wurden in den zwei Wochen vom 30. Mai bis zum 13. Juni 2021 im Raum Saarlouis verübt. Sendemasten und Internet-Verteilerkästen wurden in Ensdorf, Schwarzenholz und Hülzweiler in Brand gesetzt. Im nahen Umkreis kam es zu Ausfällen des Handynetzes und das mobile Internet sei betroffen gewesen. Auch der Notruf sei in Mitleidenschaft gezogen worden, „was gravierende Folgen haben könnte“ wie der Geschäftsführer des betroffenen Mobilanbieters gegenüber einer Nachrichtenagentur bekannt gab. Eine Überwachungskamera habe aufgezeichnet, wie eine einzelne Person eine Flüssigkeit verschüttete und anzündete.
Erneut in Hülzweiler wurde eine Woche später das Umspannwerk der VSE getroffen, ein Tag danach eine Trafostation in Saarlouis und zuletzt am Freitag, dem 11. Juni eine weitere Versorgungseinrichtung in Ensdorf. Mit weiteren Anschlägen ist zu rechnen.
Die Saarbrücker Zeitung fragte schon nach den ersten Anschlägen am 1. Juni 2021 „Wer tut sowas?“ und Polizeisprecher Stephan Laßotta vom Landespolizeipräsidium ließ dort am gleichen Tag verlautbaren:
„Hier ist es ja oft so, dass es nicht nur jugendlicher Unfug ist, sondern die Täter auch ein politisches Ziel erreichen wollen. Um dies nicht voreilig auszuschließen, wird bei solchen Fällen routinemäßig die Ermittlung vom Staatsschutz geführt. Allerdings haben wir keinerlei Hinweise auf eine politische Aktion. Normalerweise würden politisch interessierte Täter mit einem offenen Bekenntnis nicht geizen. Hier liegt uns so etwas nicht vor“.
Diese vorgetragene Ratlosigkeit macht zumindest stutzig. Zum einen müsste auch dem Landespolizeipräsidium spätestens seit der Selbstenttarnung des „Nationalsozialistischen Untergrund“ (NSU) bekannt sein, dass es insbesondere in rechtsterroristischen Kreisen nicht unüblich ist auf Bekennerschreiben zu vezichten. Zum anderen wurde nicht nur in den Kommentarspalten der entsprechenden Zeitungsartikel schnell ein möglicher Zusammenhang mit der seit Beginn der Corona-Krise gewachsenen verschwörungsideologischen Bewegung hergestellt. Denn auch im Saarland bestehen zahlreiche solche Gruppierungen, die untereinander eng vernetzt sind und sich selbst als Querdenker oder auch „Corona-Rebellen“ inszenieren.
Bereits im April 2020 wurde in der online-Ausgabe des Handelsblatts vor Anschlägen von Verschwörungstheoretikern auf 5G-Masten in Deutschland gewarnt.
Bezogen auf die saarländischen Ableger war in dem empfehlenswerten Artikel „Neues von der Corona-Leugner-Front. Radikalisierung im Zeitraffer“ in den Saarbrücker Heften bereits im Winter 2020 zu lesen:
„Im ganzen Bundesgebiet lässt sich eine eigentümliche Rück- und Nachsicht der Sicherheitsbehörden gegenüber dem Phänomen beobachten. Das unscheinbar bürgerlich bis hippieske Erscheinungsbild der Protestierenden sollte nicht über die Gefahr und Gewaltpotential hinwegtäuschen, die von der Allianz aus Neonazis, Impfgegnern, Esoterikern und ‚besorgten Bürgern‘ ausgehen. Auch in saarländischen Gruppen fabulierte man bereits öffentlich über radikalere Aktionen: 5G-Masten anzuzünden. Oder den saarländischen Rundfunk zu besetzen. Andernorts bleibt es nicht bei Fantasien: Ende Oktober kam es zu einem Brandanschlag auf ein Gebäude des Robert Koch Instituts in Berlin. Und nicht zuletzt bezogen sich auch die rechten Attentäter der Mordanschläge in Halle und Hanau positiv auf genau die ideologischen Elemente, wie sie bei Querdenken, Coronarebellen und Co. vertreten werden.“
Bei unserer Veranstaltung „Wenn alle Masken fallen – Verschwörungsmythen und die saarländische ‘Querdenker‘-Bewegung“ im Januar dieses Jahres haben wir ausdrücklich auf die Tendenzen zur Verschiebung vom Straßenprotest hin zum gewalttätigen Aktivismus der regionalen Querdenker & Co hingewiesen.
Mit Jaqueline Süßdorf ist sogar eine bekannte Nazigröße in einschlägigen Gruppen wie „Eltern stehen auf“ und „Freiheitsboten Saarland“ aktiv, auf deren Kontakte zu bundesweit agierenden rechten Terrorstrukturen von uns bereits 2017 in einer Pressemitteilung aufmerksam gemacht wurde.
Sara Jost, Pressesprecherin der Antifa Saar / Projekt AK fasst zusammen: „Ob die Anschläge auf Sendemasten sowie Internet-und Energieversorgungseinrichtungen im Raum Saarlouis letztlich aus den Kreisen der saarländischen Corona-Rebellen & Co verübt wurden, lässt sich von unserer Seite nicht endgültig feststellen. Aber so einiges spricht dafür – die Frage, wem so etwas zuzutrauen wäre, ist also leicht zu beantworten. Und die Aussage des Polizeisprechers, dass keine Hinweise auf eine politische Aktion existieren würden, ist schlichtweg falsch.“
Weitere Screenshots aus den Telegram-Gruppen der saarländischen verschwörungsideologischen Szene:
Quellen:
Saarbrücker Hefte Nr. 122 Winter 2020; Neues von der Corona-Leugner-Front. Radikalisierung im Zeitraffer. S41ff.
https://www.nonstopnews.de/meldung/36524
https://www.saarbruecker-zeitung.de/saarland/saarlouis/polizei-drei-mutmassliche-anschlaege-auf-handymasten-im-kreis-saarlouis_aid-58742063
https://www.saarbruecker-zeitung.de/saarland/saarlouis/saarlouis-internet-und-mobilfunkmasten-werden-ziel-von-brandanschlaegen_aid-58784137
https://www.saarbruecker-zeitung.de/saarland/saarlouis/saarlouis/anschlag-in-saarlouis-trifft-trafostation-ermittlungen-wegen-serie-ausgeweitet_aid-59179473
https://www.saarbruecker-zeitung.de/saarland/saarlouis/ensdorf/neunter-anschlag-in-saarlouis-in-ensdorf-polizei-schweigt-zu-details_aid-59317807
https://www.handelsblatt.com/technik/it-internet/mobilfunk-vodafone-warnt-vor-anschlaegen-auf-5g-antennen-in-deutschland/25764326.html?ticket=ST-14359771-XFeyiZD4zgbRwuAGWarf-ap5
Pressemitteilung: Rechtes Terror-Netzwerk mit engen Kontakten zur Saar-NPD