Kein Frieden mit Deutschland
Glaubt mensch den Berichten der Massenmedien, scheint die Mehrheit der Deutschen, sowie die Regierung gegen den Krieg im Irak zu sein. Hier drängt sich die Frage auf, ob diese derzeitige Haltung denn ein plötzlicher Schwank zum Pazifismus sein soll? Wohl kaum; vielmehr zeigt dies den deutschen Sonderweg als alte, neue Großmacht auf, denn vom Pazifismus war 1999 bei dem Angriffskrieg gegen Jugoslawien nicht viel zu spüren. Die Ablehnung des Krieges ist Ausdruck eines neuen, nationalen Selbstbewusstsein der von Teilen der Friedensbewegung mitgetragen wird. Hierbei ist der gesellschaftliche Diskurs über Krieg und Frieden ist in Deutschland geprägt von politischen/ökonomischen Kalkül und Heuchelei. Was die einen erst in der EU, dann in der ganzen Welt durchzusetzen versuchen, wussten und wissen die anderen schon längst an ihren Stammtischen — “klassenübergreifend”. Die Deutschen sind wieder wer.
Deutschland hat sich in und über die EU als Großmacht etabliert. Ausdruck hierfür ist unter anderem die militärische Rolle Deutschlands in der EU. Zu Beginn der europäischen Zusammenarbeit wurde Deutschland eingebunden, um somit den Wiederaufbau nach Nazideutschland zu kontrollieren. Die Zeiten haben sich geändert. Nun führt Deutschland mit dem “alten Europa” das Vereinte an.
Während Deutschlands Großmachtsambitionen gleichzeitig mit den realen Einflussmöglichkeiten weltweit wächst, lässt die Friedensbewegung von sich hören. Diese stellt sich nach außen hin als eine Ansammlung von unterschiedlichen Menschen aus verschiedenen politischen Richtungen dar. Welche Faktoren tragen dazu bei, dass die Friedensbewegung zumindest temporär als einheitliche Gruppe erscheint? Zentral sind hierbei verschiedene Feindbilder, die zum einen historisch rekonstruiert aber auch durch aktuelle eurozentristisch — antiamerikanische Mobilmachung geschaffen und reproduziert werden. So kann auch die erstmalige öffentliche “Aufarbeitung” der “Bomben auf Dresden” erklärt werden.
Hauptfeind sind die USA, dargestellt durch abstrakte Symbole, wie z.B. die amerikanische Flagge versehen mit Bomben oder Hakenkreuzen. Es wird sich personalisierter Feindbilder bedient (Bush als Marionettenspieler), statt ökonomische Systeme zu analysieren. Nicht die materielle Basis einer Gesellschaft ist dann Ursache von Ungerechtigkeiten, sondern repräsentierende Personen oder Personengruppen. Die Gleichsetzung “Nazideutschland-USA” oder “Hitler-Bush” ist Ausdruck eines unreflektierten, den Nationalsozialismus relativierenden, latent antisemitischen, deutschen Revanchismus. Die Argumentation gegen einen Krieg ist oftmals völkisch orientiert. Genau in diesen Kontext passen auch die Montagsdemos, mit Hilfe derer ein Zusammenhang hergestellt wird zwischen den deutschnationalen Demos vor der Wiedervereinigung und dem Krieg gegen den Irak. Die gemeinsame Aussage: Wir sind das Volk! Die Mehrheit der Deutschen zu repräsentieren wird als positives Faktum propagiert. Ausdruck einer Kritiklosigkeit gegenüber “Volksgenossen” ist die Tatsache, dass sich Teile der Friedensbewegung solidarisch mit der deutschen Regierung zeigen. Logische Konsequenz ist, nicht für Frieden sondern lediglich gegen einen US-amerikanischen Krieg zu sein.
Ein Hauptmerkmal der Friedensbewegung ist auch, dass deutsche Interessen im weltweiten Machtkampf nicht thematisiert bzw. verleugnet werden. So wird kaum oder nur unzureichend thematisiert, warum sich Deutschland an diesem Krieg nicht beteiligen will. Federführend sind hierbei nämlich wirtschaftliche und weltmachtpolitische Gründe. Wirtschaftlich, weil Deutschland Handelsbeziehungen zum Irak pflegt, im besonderen wäre hierbei die Rüstungsindustrie zu nennen, machtpolitisch, weil aktuell eine neue Weltordnung gebombt wird, die nicht zum Vorteil verhilft.
Insgesamt werden politischen Analysen moralische Appelle vorgezogen. Nicht nur von ChristInnen, deren Organisation: die Kirche, welche in der Vergangenheit für jeden Krieg zu haben war. Pazifistische Haltungen verkommen dann zur Farce, wenn lediglich medial aufbereitete “Gewaltakte” kommentiert werden, strukturelle und alltägliche Gewalt jedoch unerwähnt bleiben.
Wir sind ebenfalls gegen diesen Krieg. Dieser Krieg ist weder politisch gerechtfertigt in Bezug auf eine mögliche Verbesserung der Lebensqualität für die Menschen vor Ort, nach einem kriegerisch herbei geführten Machtwechsel, noch wird er geführt um eine direkte Bedrohung Israels abzuwenden. Die USA sind bestrebt, eine für sie sinnvolle Ordnung im Nahen Osten einzurichten. Sinnvoll in diesem Sinne meint einen ökonomischen Nutzen aus einer spezifischen Machtkonstellation ziehen zu können. Die USA verflogen eine militärische Außenpolitik, die neben ökonomischen Interessen auch hegemoniale Ansprüche im arabischen Raum durchzusetzen versucht. Weder der Irak, noch die BRD vertreten etwas Gegenteiliges, was auch nur im entferntesten als humanistische bezeichnet werden kann. Im Irak besteht neben tief verwurzelten antiamerikanischen/antiisraelischen Einstellungen ein System patriarchaler und diktatorischer Strukturen. Aus diesen Gründen ist prinzipiell ein Systemwechsel wünschenswert.
Wer diesen Krieg befürwortet, gleichgültig mit welchen Gründen und Begründungen, reagiert lediglich auf ausgearbeitete Kriegspläne. Der Kapitalismus herrscht weltweit, weder die USA, noch der Irak oder Deutschland stehen für emanzipatorischen Fortschritt. Sowohl die Politik der USA, als auch die Gesellschaftsstruktur des Irak sind bestimmt von der Logik der Herrschaft. Herrschaft als Modell einer Gesellschaftsstruktur lehnen wir ab, sei es unter dem ideologischen Deckmantel des Neoliberalismus oder dem Diktum eines religiösen Fundamentalismus. Freiheit ist in Folge dessen nicht die Wahl für die USA oder für den Irak, Freiheit bedeutet in diesem Fall vielmehr aus dieser Wahl herauszutreten und die bestehenden Herrschaftsstrukturen zu bekämpfen.
Gegen deutschnationale Interessen und Kapitalismus:
WEDER IHREN KRIEG — NOCH IHREN FRIEDEN!