13. Februar 2016 — 14.00 Uhr
Treffpunkt: S Bahnhaltestelle Riegelsberg Süd
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Siebzig Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges hat der Gemeinderat in Riegelsberg beschlossen, auf dem dortigen Friedhof Gedenkplatten für die aus der Gemeinde stammenden Gefallenen der SS und der deutschen Wehrmacht zu errichten. Die Initiatoren sind dem rechten Spektrum zuzuordnen und streben eine Verharmlosung der Verbrechen der Wehrmacht und eine Wiederbelebung des nationalsozialistischen Heldengedenkens an. Die Mitglieder des Gemeinderats erweisen sich größtenteils als unfähig und unwillig, diesem Treiben einen Riegel vorzuschieben. Erst nach antifaschistischer Intervention hat die Initiativgruppe mittlerweile zurückgezogen. Dennoch bleibt der Zwischenfall ein Skandal. Wir rufen daher alle dazu auf, sich gegen den geplanten Bau zu wehren und an unserer Demonstration am 13. Februar 2016 teilzunehmen.
Was ist bisher geschehen?
Schon seit mehreren Jahren versucht die „eingeschworene Truppe“1 der „Initiativgruppe (IG) Hindenburgturm“ die Erinnerung an die Verbrechen der Wehrmacht durch das Errichten eines neuen Denkmals für die Gefallenen der Gemeinde Riegelsberg buchstäblich ins rechte Licht zu rücken.
Bereits im März 2013 stießen Pläne der Gruppe, ausgerechnet am 8. Mai 2015, dem Tag der Befreiung Deutschlands und der Welt von der Nazidiktatur, im Innern des Hindenburgturmes Gedenkplatten für die Gefallenen des Zweiten Weltkrieges anbringen zu lassen, auf Widerstand. Hierzu dachten sich deren Mitglieder eine militärische Choreographie aus, bei der deutsche und französische Soldaten mit Fackeln und Fahnen den Eingang zum Turm flankieren sollten, um die gefallenen Wehrmachtssoldaten aus der Gemeinde gemeinsam mit den gefallenen Zivilpersonen militärisch zu ehren.2 Der Antrag für die militaristische Feier wurde, trotz euphorischer Bewerbung durch den SPD-Bürgermeister Klaus Häusle, im Gemeinderat letztendlich abgelehnt.3 Stattdessen wurde ein neues Konzept zum Gedenken an die „Opfer“ des Zweiten Weltkrieges erarbeitet. Im Raum stand dabei auch die Diskussion um ein sog. „Friedensfest“ am Hindenburgturm, bei der das Ende des Krieges vor 70 Jahren begangen werden sollte. Dietmar Braun, der Sprecher der Initiative, zeigte sich empört. Sein Bündnis wolle schließlich nur „unseren Vorfahren […] wieder einen Namen geben.“4
Im Herbst 2015 machte die IG Hindenburgturm abermals von sich reden. Nach der Schlappe im Ortsrat wollte sie nun auf dem Friedhof der Gemeinde eine noch viel größere Gedenkstätte für die 471 gefallenen Wehrmachts- und SS-Angehörigen entstehen lassen. Zehn Granit-Tafeln mit den Namen der Toten sollten ein bereits vorhandenes Denkmal erweitern.5 Das Vorhaben stieß in den saarländischen Medien auf ein lautes Echo und wurde von einzelnen Historikern und antifaschistischen Gruppen kritisiert. Für besonderes Unverständnis sorgte hierbei wiederum Dietmar Braun, der in einem Radiointerview kein Problem damit hatte, durch eine Wortwahl, die aus dem nationalsozialistischen Sprachgebrauch schöpfte, zitiert zu werden. Außerdem, so machte Braun deutlich, würden es auch SS-Männer verdienen, nach ihrem Tod geehrt zu werden, schließlich würden ja auch von Nazis ermordete Juden mit Stolpersteinen geehrt.6
Der Skandal war perfekt: Sowohl der Gemeinderat als auch der Bürgermeister erfüllten offensichtlich unkritisch die Denkmalwünsche einer geschichtsrevisionistischen Gruppe, die erwiesenermaßen die Vollstrecker des deutschen Vernichtungskrieges ehren und diese zu Opfern verklären möchte. Es wäre nun an der Zeit gewesen, alle Pläne zur Errichtung des Denkmals und zur Zusammenarbeit mit Braun abzusagen. Doch weder Bürgermeister Häusle, noch die SPD, geschweige denn die CDU-Fraktion erkannten die Zeichen der Zeit, sondern stimmten all diesen Vorkommnissen zum Trotz für eine Weiterverfolgung der Pläne der Hindenburgtruppe. Lediglich die bewilligten 5000 Euro wanderten in einen anderen Topf und sollten durch den Bürgermeister für das Denkmal ausgegeben werden, nachdem sich dieser mit nicht näher bestimmten, ominösen „Experten“ besprochen hätte.7
Sowohl der Bürgermeister als auch die Mitglieder des Gemeinderats waren sich auch im Nachgang zu dieser Blamage nicht zu schade, die Pläne positiv zu kommentieren. Klaus Häusle nahm sogar die Riegelsberger Soldaten in Schutz. „Eine Unterscheidung zwischen Tätern und Opfern sei heute methodisch gar nicht mehr möglich und auch nicht sinnvoll“, zitiert ihn der Saarländische Rundfunk. Außerdem sei, als würde das die Täter von jeder Schuld frei sprechen, das geplante Mahnmal „ein Mahnmal des Friedens“. Ingbert Horn, Fraktionsvorsitzender in Riegelsberg erklärt fachmännisch „Die sind alle tot.“, wodurch ein „Ende der Schuld“ erreicht sei. Die Täter seien nur „in Anführungsstrichen Täter“ und hätten somit ein Anrecht auf eine Gedenkstätte.8 Eine These, die zumindest unter ernstzunehmenden Historikern durchaus für Kopfschütteln sorgen dürfte. Ganz abgesehen davon, dass es wohl auch dem gesunden Menschenverstand nicht ganz einleuchten will, wieso nun genau die Schuld eines Täters im Moment seines Todes erlöschen soll, bleibt diese Tat allemal verwerflich.
Kollektive Erinnerung in Riegelsberg
Warum ist es so problematisch, Angehörigen der gefallenen Soldaten einen Ort zum Trauern zu errichten? Haben diese nicht auch einen geliebten Menschen verloren und verdienen daher einen Ort zur Trauerbewältigung?
Zur Beantwortung dieser Frage muss darauf hingewiesen werden, dass es in Riegelsberg nur hintergründig darum geht, ein Denkmal für trauernde Angehörige zu schaffen, sondern einen Ort der kollektiven Erinnerung. Das heißt, dass kein wirkliches Interesse daran besteht, die Familien mit ihren individuellen Erfahrungen einen Anlaufpunkt anzubieten, an dem sie um einen Gefallenen trauern können, sondern, die Geschichte des Zweiten Weltkrieges umzudeuten und die gefallenen Riegelsberger als Helden zu feiern.
Zunächst ist festzuhalten, dass auf dem Friedhof der Gemeinde bereits ein solches Denkmal existiert. Ein großer Findling prangt dort, der an die „Opfer“ beider Weltkriege gedenkt. Davor erstreckt sich ein weites Gräberfeld mit über 100 stilisierten eisernen Kreuzen. Nicht nur Wehrmachtsangehörige, die eine Befreiung durch die US-Truppen verhindern wollten, sondern auch Angehörige des Volkssturms und sogar bei Bombenangriffen getötete Riegelsberger Anwohner sind dort beigesetzt. Es ist anzunehmen, dass die Beisetzung von zivilen Opfern neben Militärs mit Absicht erfolgte, damit beide als „Angehörige einer Blutsgemeinschaft“ zelebriert werden konnten.9 Sowohl der Frontkämpfer als auch die Deutsche Familie werden somit als gleichwertige Mitglieder eines „Volkskörpers“, also einer biologisch-rassischen Einheit verstanden, die im Tod vereint die selben Interessen verfolgten und vereint im Kampf gegen den selben Gegner starben.10 An die ca. 60 auf dem Waldfriedhof in Massengräbern beigesetzten Zwangsarbeiter_innen, die aus ihrer Heimat verschleppt und zu Sklavenarbeit gezwungen wurden, erinnert lediglich ein durch zwei große Hecken halb verborgener Stein. Im NS-Sprachgebrauch werden diese als „Ostarbeiter“ bezeichnet und erfahren weder das Gedenken, noch die Aufmerksamkeit, die den Wehrmachtssoldaten regelmäßig zuteil wird.11 Durch das Setzen des Findlings wurden die Wehrmachtssoldaten gemeinsam mit den von ihnen verschleppten Zwangsarbeitern zu Opfern erklärt.
Auch der Hindenburgturm spielt im Zusammenhang mit der saarländischen kollektiven Erinnerung eine wichtige Rolle. 1934 erbaut, war dieser nicht bloß ein Ort der Trauer für die Gefallenen des Ersten Weltkrieges, sondern ein offenes Bekenntnis zu Nazideutschland und eine Artikulation des Wunsches nach Anschluss an dasselbe.12 Angelegt als eine ziemlich genaue Kopie eines Turmes, der das symbolische Zentrum des Nazidenkmals „Reichsehrenmal Tannenberg“ schmückte, ist der Hindenburgturm keine unpolitische Aussichtsplattform.13 Das Original wurde 1927 bei Olstynek (Polen, ehemals Hohenstein) von Reichspräsident Paul von Hindenburg als Sammlungsort für künftige militaristische Massenveranstaltungen eingeweiht und sollte es ab 1934 auf Anweisung Hitlers als Grabmal des sog. „Helden von Tannenberg“ dienen. Hierzu wurde der gesamte Bau umfangreich umgestaltet, wobei der bereits genannte Turm als „Hindenburggruft“ dienen sollte. In das neugeweihte „Reichsehrenmal“ wurden die sterblichen Überreste Hindenburgs und seiner Frau Gertrud zusammen mit den zuvor im Hof bestatteten Soldaten umgebettet. In der Eingangshalle wurde eine gewaltige Porphyrstatue Hindenburgs aufgestellt. Somit sollte eine Vereinigung des Feldherrn mit seinen Truppen demonstriert werden, die treu und opferbereit das Vaterland vor den russischen Invasoren beschützt hätten.
Bei Betrachten des Riegelsberger Hindenburgturms, der im selben Jahr errichtet wurde, sind die Ähnlichkeiten offensichtlich. Nicht nur die äußere Form, sondern auch die Statue in der Mitte des Turmes und die äußere Gestaltung mit dem auffällig angebrachten Kreuz zeigen, dass hier versucht wurde, ein Gegenstück zum Tannenbergdenkmal zu errichten.
Es wäre an dieser Stelle zu einfach, anzunehmen, dass die Wahl der Vorlage beliebig gewesen sei. 1934, ein Jahr vor der Saarabstimmung, wollten die Riegelsberger mit dem Bau einer Kopie eines der wichtigsten NS-Denkmäler ihr Bekenntnis für Nazideutschland zu Stein werden lassen. In einem deutschnationalen Festakt mit über 1000 Teilnehmenden wurde am 17.6.1934 der Grundstein für den weithin sichtbaren Hindenburgturm gelegt und am 2.12.1934 eingeweiht.14 Der Anschluss an das Reich im Jahr 1935 wurde umso euphorischer mit der Verbrennung der Saargebietsfahne vor dem Ratshaus gefeiert, während Riegelsberger, die für die Beibehaltung des Status Quo stimmten, öffentlich verhöhnt wurden.15 In den Jahren von 1935 bis 1945 wurde der Turm regelmäßig genutzt, um dort nationalsozialistische Kundgebungen und Aufmärsche zu feiern. Dies war kein Missbrauch der Stätte, sondern lag ganz und gar in der Absicht der Erbauer.16 Nicht nur deshalb wurden sowohl das Standbild als auch die Namensplaketten im Zuge der Entmilitarisierung aus dem Turm entfernt.17
In Anbetracht der Geschichte des Turmes ist es skandalös, dass dieser über Jahre hinweg nicht nur im Zentrum der Bemühungen der IG Hindenburgturm stand, sondern seine Restaurierung und Nutzung im Ort auch regelmäßig Gegenstand der örtlichen Kommunalpolitik war. 1997 wurde das inzwischen stark verfallene Denkmal unter Aufwendung von fast 300.000 Mark sogar rundum saniert und auch für Feste und Feiern genutzt.18
All diese Denkmäler werden heute in plattester Manier umgedeutet als Denkmäler des Friedens, ohne die Auseinandersetzung mit der Geschichte der Denkmäler überhaupt zu suchen.
Deutsche Täter sind keine Opfer!
Nach all den Jahren, in denen Deutschland als Verursacher zweier Weltkriege, in denen der Vorstoß der Deutschen in Osteuropa als beispielloser Vernichtungskrieg und die systematische Vernichtung von über 6 Millionen Juden als nie dagewesenes Menschheitsverbrechen zählten, sind revisionistische Einstellungen heute wieder salonfähig geworden. Nicht länger bleibt es ein Betätigungsfeld der Rechten, anerkannte Geschichtsbilder in ihrem Sinne umzudeuten, sondern längst hat sich auch der Mainstream der Verbreitung derselben angenommen.
Das Buch „Die Schlafwandler – Wie Europa in den Ersten Weltkrieg zog“ von Christopher Clark feierte 2014 in Deutschland mit über 200.000 Exemplaren für ein historisches Sachbuch einen beachtlichen Erfolg. Alle Formen kritisch-historischer Analyse ignorierend wärmt Christopher Clark darin die längst widerlegte These auf, dass für den Ersten Weltkrieg die übrigen Großmächte genauso verantwortlich seien wie Deutschland und somit in diesen Krieg mehr oder weniger „hineingeschlittert“ seien.19 Davon, dass die deutsche Generalität und der Deutsche Kaiser Wilhelm II. diesen Krieg maßgeblich befeuerten, ist sowohl in Clarks als auch in anderen Darstellungen, die zeitgleich einen ähnlichen Erfolg feiern und in die selbe Kerbe schlagen, wenig bis nichts zu lesen.20
Nicht nur die Bücherregale, sondern auch die einschlägigen TV-Formate der Öffentlich-Rechtlichen quellen über vor Versöhnungskitsch. Der mehrfach ausgezeichnete Mehrteiler „Unsere Mütter, unsere Väter“ zeichnet ein bizarres Bild des Zweiten Weltkrieges, in dem die deutschen Protagonisten mit ihren jüdischen Freunden feiern, während polnische Partisanen blutrünstige Judenhasser verkörpern und die Rote Armee als raubend-vergewaltigende Truppe durch Europa poltert.21 Statt den Film als revisionistisches Machwerk zu verdammen und abzusetzen, regnete es vom Stern bis zur Frankfurter Allgemeinen Zeitung nur Lob.22 Die Produktion aus dem Jahre 2013 ist nur die Spitze einer ganzen Reihe von Fernsehfilmen, die die Geschichte Deutschlands einseitig aus der Sicht der deutschen Bevölkerung erzählt, dabei die Verbrechen der Deutschen relativiert oder gar ausblendet und diese im Gegenteil zum Opfer des von ihnen verursachten Krieges verkehrt.
Ob nun „Tadellöser und Wolff“ (1975) im Sepiaton die „gute alte Zeit“ im Leben eines bürgerlichen Rostockers zeichnet, der sich und seinen Prinzipien trotz Naziideologie und Bombenangriffen treu bleibt, „Dresden“ (2006) actionreich die Leiden der Dresdner Bevölkerung und die Zerstörung der Stadt zeigt oder „Die Flucht (2007) rührselig die Geschichte der aus Ostpreußen vertriebenen deutschen Bevölkerung erzählt, bleibt die Botschaft stets die Gleiche: Nicht alle Deutschen waren Nazis, auch sie mussten leiden, auch die anderen waren schlecht, Krieg ist irgendwie schlimm und früher war dennoch alles besser. Die deutsche Bevölkerung wird zu Opfern einer kleinen Clique weniger Verrückter, nämlich der Nazis verklärt, die das Deutsche Volk manipuliert hätten. Daran schließen sich zahlreiche andere Mythen an: Die Deutschen hätten von Auschwitz nichts gewusst, hätten eine gleichgültige Haltung gegenüber dem NS-Regime bewahrt, waren vielleicht sogar unpolitisch und unbeteiligt. Durch diese Argumentation werden die Deutschen kollektiv zu Opfern eines Krieges, den sie nie gewollt hätten.
Mit der historischen Realität hat das wenig zu tun. Die Deutschen konnten während der NS-Zeit mitnichten als Unbeteiligte gelten. Nicht nur, dass diese Vorstellung mit der völkischen Ideologie der Nationalsozialisten überhaupt nicht zu vereinbaren ist, es ist auch beachtlich, wie wenig Widerspruch Adolf Hitler seitens der Zivilbevölkerung erfuhr. Dies hängt vor allem damit zusammen, dass die Deutschen im Zweiten Weltkrieg vom nationalsozialistischen Vernichtungskrieg durchaus profitierten. Der Historiker Götz Aly weist in seinem Werk „Hitlers Volksstaat“ darauf hin, dass sich Hitler die Zustimmung der Deutschen dadurch erkaufte, dass er sie während des Krieges optimal versorgte. Dies gelang ihm nur, weil während des erbarmungslos geführten Vernichtungskrieges im Osten, genügend Hausrat von ermordeten Juden und Kriegsbeute aus den eroberten Gebieten gesammelt werden konnte, um die deutsche Zivilbevölkerung schonen zu können. Aly stellt abschließend klar heraus: „Wer von den Vorteilen für die Millionen einfacher Deutscher nicht reden will, der sollte vom Nationalsozialismus und vom Holocaust schweigen.“23
Kein Wunder also, dass sich viele Deutsche wünschen, die Shoa zu vergessen und nicht länger als Hinderungsgrund für deutsche Großmachtfantasien zu sehen. In einer Umfrage der Bertelsmann Stiftung geben 58% der Befragten an, man sollte einen „Schlussstrich“ unter die Vergangenheit ziehen. Über 81% wollten die Geschichte der Judenverfolgung „hinter sich lassen“.24
Deutscher Opfermythos in der Saarländischen Landes- und Kommunalpolitik
Natürlich manifestiert sich diese Form der Erinnerungskultur auch in der saarländischen Denkmalpflege. Im Saarland gibt es hierfür gleich mehrere Beispiele. In Saarbrücken und Völklingen (Luisenthal) erinnert die „Straße des 13. Januar“ an das Bekenntnis der Saarländer zu Hitlerdeutschland durch die Saarabstimmung von 1935. In Völklingen war bis 2013ein ganzer Stadtteil nach dem Nazi und verurteilten Kriegsverbrecher Hermann Röchling benannt, bis nach jahrelangen kommunalpolitischen Diskussionen der ehemals als Bouser Höhe bezeichnete Stadtteil in Röchling-Höhe umbenannt wurde.25 Eine wenig sinnvolle Maßnahme.
Auch von etablierten Parteien wurde gezielt Erinnerungspolitik betrieben, um die Erinnerung an die deutsche Vergangenheit in einem nicht allzu schlechten Licht dastehen zu lassen. Anlässlich der Ausstellung „Vernichtungskrieg – Verbrechen der Wehrmacht“ in Saarbrücken im Jahr 1999 titelten nicht nur die NPD in einem Flugblatt, sondern auch die CDU in einer Anzeige in der Saarbrücker Zeitung „Unsere Väte waren keine Mörder“(CDU), bzw. „Unsere Größväter waren keine Verbrecher“ (NPD)26 In der Ausstellung wurden in großem Umfang Fotografien und andere Dokumente präsentiert, die die Beteiligung der Wehrmacht an Kriegsverbrechen eindrucksvoll belegten. 27 Am 9. März 1999, kurz nach dem Erscheinen des CDU-Inserats, wurde von bis heute nicht ermittelten Tätern ein Bombenanschlag auf die Ausstellung verübt.28
Selbst Bürgerbündnisse, die sich eigentlich zur Aufgabe gestellt haben, ein Zeichen gegen Nazis zu setzen, scheitern daran, die nationalsozialistische Vergangenheit des Saarlandes in den richtigen Kontext zu setzen. Anlässlich des Aufrufs zu einer der größten Demonstrationen in Saarbrücken gegen „Saargida“ am 12. Januar 2015 erklärte das Bündnis „Bunt statt Braun“, dass viele Saarländer nach dem Anschluss zum nationalsozialistischen Deutschland von 1935 selbst zu Flüchtlingen wurden und die Aufgerufenen sich somit umso mehr für Flüchtlinge einsetzen müssten.29 Angesichts der damals über 90-prozentigen Zustimmung der Saarländer zur Vereinigung mit dem Deutschen Reich erscheint diese Analogie doch recht gewagt.
Auch die Kulturschaffenden in Saarbrücken mischen bei der deutschen Opferstilisierung kräftig mit. Ausgerechnet die Macher des „Max-Ophüls-Festivals“ entblödeten sich nicht damit, Nico Hofmann, den Produzenten, Autoren und Regisseur bereits genannter Machwerke wie „Dresden“ oder „Die Flucht“ am 18. Januar 2016 für seine „Verdienste um den jungen deutschsprachigen Film“ auszuzeichnen.30 Dabei waren es jüdische Kulturschaffende wie Max Ophüls, die das Deutschland, das von Regisseuren wie Nico Hofmann so verharmlost wird, verlassen mussten, um der drohenden Vernichtung zu entgehen.
Die Bemühungen in Riegelsberg reihen sich somit nahtlos in die deutsche und saarländische Erinnerungspolitik ein, deren Ziel es ist, die Deutschen zu den eigentlichen Opfern des von ihnen initiierten Unheils zu machen.
Fazit:
Es kann nicht sein, dass in einer Zeit, in der bundesweit Kriegerdenkmäler zu Recht immer seltener als Veranstaltungsorte genutzt, sondern eher umgepflanzt oder sogar abgerissen werden, Riegelsberg sich dazu entschließt, ein neues zu bauen.31 Nicht nur, dass hier der Wunsch einer kleinen Gruppe, die sich als ideologisch höchst fragwürdig outet, erfüllt wird, Riegelsberg läuft außerdem Gefahr, in Zukunft an Tagen wie dem Volkstrauertag oder dem 8. Mai ein Aufmarschplatz für Nazis zu werden, die auf einem so protzigen Denkmal ihre Helden ehren können.32 Schon jetzt nehmen die Denkmäler in Riegelsberg einen viel zu großen Platz ein und lassen den tatsächlichen Opfer des Krieges nur wenig Raum.
Mit mangelndem Geschichtsbewusstsein und Beratungsresistenz blamieren sich die Mitglieder des Gemeinderats jedes mal aufs Neue. Die Opfer des Krieges, die in erster Linie Jüd_innen, Kommunist_innen, Homosexuelle und überhaupt im nationalsozialistischen Sinne alles andere als „deutsch“ waren, sind den politischen Protagonisten vollkommen egal. Stattdesen werden die Mörder und ihre Mithelfer mit allen Ehren bedacht.
Die Saarländer sollten stets das Bewusstsein wachhalten, dass sie sich 1934 freiwillig und mit großer Mehrheit dem nationalsozialistischen Deutschland angeschlossen haben. Es gilt daher, die Erinnerung an die Verbrechen der Wehrmacht deren Unterstützung durch die saarländische Bevölkerung wachzuhalten und stattdessen die warnenden Stimmen und den antifaschistischen Widerstand gegen den Anschluss an das Reich zu ehren. Nur so besteht die Chance, dass nachfolgende Generationen begreifen, wie faschistische Strukturen entstehen, welche Fehler begangen wurden und wie Rassismus und Faschismus schon im Keim zu ersticken sind.
Schließt euch daher unserer Demonstration gegen das Wehrmachtsdenkmal in Riegelsberg an und zeigt, dass es weder dort noch sonst wo ein Gedenken an die willigen Vollstrecker des deutschen Raub- und Vernichtungskrieges geben darf! Es soll nicht nur kein neues Denkmal in Riegelsberg entstehen, auch sollte man die alten verrotten lassen oder sie gleich abreißen!
Wer den Aufruf unterstützen möchte, der wende sich bitte per Email an: info@antifa-saar.org
1So bezeichnete Dietmar Braun die Initiativgruppe Hindenburgturm in einem SR-Interview vom 5.10.2015. <http://sr-mediathek.sr-online.de/index.php?seite=7&id=35946> am 17.1.16.
2Dittgen, Freddy: Streit um Feier am Hindenburgturm “Ich finde das Ganze zu militärisch”. In: Online-Präsenz der Saarbrücker Zeitung am 18.3.2013. <http://www.saarbruecker-zeitung.de/saarland/koellertal/Riegelsberg-Hindenburgturm-Gedenkfeier-Monika-Rommel;art4784,4698745> am 17.1.2016; aki: Namenstafeln im Hindenburgturm für Gefallene: Noch ein Versuch. In: Ebd. Am 2.4.2014 <http://www.saarbruecker-zeitung.de/saarland/koellertal/Riegelsberg-Hindenburgturm-Monika-Rommel;art4784,5204130> am 17.1.2016
3Ebd.
4Aki: Ebd.
5Forst, Kai: Stunk um geplante Riegelsberger Gedenkstätte. Onlinepublikation auf SR-Online-Homepage am 5.10.2015. <http://www.sr-online.de/sronline/sr3/riegelsberg_gedenkstaette_ns_zeit_kritik100~print.html> am 17.1.16 (Screenshot); Saarländischer Rundfunk 2015. Aktueller Bericht vom 29.9.2015: <http://sr-mediathek.sr-online.de/index.php?seite=7&id=35831> am 17.10.2015.
6Ebd.
7Dittgen, Fredy: Eiertanz um Gedenkstätte auf Friedhof. Ratsmehrheit unterstützt noch Pläne der Interessengruppe Hindenburgturm, Geld fließt aber nicht mehr direkt. In: Online-Präsenz der Saarbrücker Zeitung am 16. Dezember 2015. <http://www.saarbruecker-zeitung.de/saarland/koellertal/riegelsberg/riegelsberg/Riegelsberg-Gedenkstaetten-Interessensverbaende;art446776,6003936> am 17.1.2016.
8Saarländischer Rundfunk 2015. Aktueller Bericht vom 29.9.2015: http://sr-mediathek.sr-online.de/index.php?seite=7&id=35831 am 17.1.2016.
9Cornelia Schmitz-Berning: Vokabular des Nationalsozialismus. Berlin 2007, S. 660 f.
10Thorsten Halling, Julia Schäfer, Jörg Vögele: Volk, Volkskörper, Volkswirtschaft – Bevölkerungsfragen in Forschung und Lehre von Nationalökonomie und Medizin. In: Rainer Mackensen u. Jürgen Reulecke (Hgg.): Das Konstrukt „Bevölkerung“ vor, im und nach dem „Dritten Reich“. Wiesbaden 2005, S. 389.
11Studienkreis zur Erforschung und Vermittlung der Geschichte des deutschen Widerstandes 1933–1945 et al. (Hgg.): Saarland. (Heimatgeschichtlicher Wegweiser zu Stätten des Widerstandes und der Verfolgung 1933–1945. Bd. 4: Saarland), Bonn 1989, S.63.
12Herrmann, Hans-Walter: Püttlingen in bewegter Zeit. Püttlingen 2008, S.196.
13Literatur zum Tannenbergdenkmal: Meyer, Friedrich: Der öffentliche Wettbewerb für das Tannenberg-Nationaldenkmal bei Hohenstein. In: Ostpr. Zentralblatt der Bauverwaltung, Nr. 24 (1925), S. 289–292; Krüger, Walter Johannes: Das Tannenberg-National-Denkmal. Eine Erläuterung von den Erbauern. Südostpreußisches Verkehrsbüro. Allenstein ca. 1928; Tietz, Jürgen: Das Tannenberg-Nationaldenkmal. Architektur, Geschichte. (Diss.) Berlin 1999, Wippermann, Wolfgang: Die Geschichte des „Reichsehrenmals Tannenberg“ : Ein historisches Lehrstück. In: Niemandsland. Zeitschrift zwischen den Kulturen (1, 2).
14Herrmann: Püttlingen, S.196; Riegelsberg und seine Ortsteile, S.121, auch Riegelsberg-Hompage http://www.riegelsberg.de/Sehenswuerdigkeiten.147.0.html
15Janson, Karl H.: Riegelsberg und seine alten Ortsteile. Erfurt 2012, S. 124.
16Anderslautend die Darstellung in der Publikation des Heimatkundlichen Vereins: „In Verkehrung der ursprünglichen Absicht, nämlich des Gedenkens an unsere Gefallenen des Ersten Weltkrieges, wurde der Hindenburgturm in der Folgezeit durch die damaligen Machthaber missbraucht.“ (Heimatkundlicher Verein Köllertal e.V. (Hg.): Der Köllertaler Bote (39, 2014), S.6), ebs. Fredy Dittgen (2013).
17Köllertaler Bote, ebd.
18So veranstaltete die Junge Union Riegelsberg dort am 21.7.2012 eine Besichtigung mit anschließendem Grillfest. (Onlinepräsenz der Jungen Union Riegelsberg <http://ju-riegelsberg.generation-ju.de/content/news/96307> am 17.1.2016.) Außerdem plante man im Zusammenhang mit dem 8. Mai 2015 ein Friedensfest um das Ende des Krieges zu feiern. (Berichterstattung der Saarbrücker Zeitung hierzu auf der Onlinepräsenz: <http://www.saarbruecker-zeitung.de/saarland/koellertal/Riegelsberg-Stolpersteine;art4784,4786520>; <http://www.saarbruecker-zeitung.de/saarland/koellertal/riegelsberg/riegelsberg/Riegelsberg;art446776,5435549> am 17.1.2016; Kritisch äußerte sich hierzu der Kabarettist Detlef Schönauer in einem Leserbrief. <http://www.saarbruecker-zeitung.de/saarland/koellertal/puettlingen/puettlingen/Leserbrief-Riegelsberg-Stolpersteine-Gedenkfeier-Puettlingen-Heusweiler;art446774,4794134> am 17.1.2016.
19Inzwischen hat sich eher die These durchgesetzt, dass, wenn das europäische Klima auch gereizt war, Deutschland eine erhebliche Schuld trifft. Vgl hierzu u.a.: Leonhard, Jörn: Die Büchse der Pandora. Geschichte des Ersten Weltkriegs. Beck, München 2014, S. 94 f; Krumeich, Gerd: Juli 1914. Eine Bilanz. Mit einem Anhang: 50 Schlüsseldokumente zum Kriegsausbruch. Schöningh, Paderborn [u.a.] 2014, S. 184; Gerd Krumeich: Vergleichende Aspekte der Kriegsschulddebatte nach dem ersten Weltkrieg. In: Michalka (Hrsg.): Der Erste Weltkrieg. 1997, S. 913 ff.
20Später, Erich: Unsere Großmütter, unsere Großväter. In: Konkret 5 (2014), S. 39.
21Reisin, Andrej: “Unsere Mütter, unsere Väter”: Das ZDF und die deutschen Opfer. In: Onlineblog Publikative.org am 21. März 2013. <http://publikative.org/2013/03/21/unsere-mutter-unsere-vater-das-zdf-und-die-deutschen-opfer/> am 17.1.2016.
22Das gespaltene Urteil der Historiker Norbert Frei In: stern.de vom 23. März 2013. <http://www.stern.de/kultur/tv/weltkriegsfilm–unsere-muetter–unsere-vaeter–das-gespaltene-urteil-der-historiker-3100804.html> am 17.1.2016; Schirrmacher, Frank: Die Geschichte deutscher Albträume. In: FAZ am 15. März 2013. <http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/medien/unsere-muetter-unsere-vaeter/unsere-muetter-unsere-vaeter-im-zdf-die-geschichte-deutscher-albtraeume-12115192.html> am 17.1.2016.
23Aly, Götz: Hitlers Volksstaat. Raub, Rassenkrieg und nationaler Sozialismus. FfM 2005, S. 362.
24Drobinski, Matthias: Die Schlussstrich-Befürworter. In: Online Präsenz der Süddeutschen Zeitung.am 26.1.2015. <http://www.sueddeutsche.de/politik/deutsches-verhaeltnis-zum-holocaust-die-schlussstrich-befuerworter‑1.2319728> am 17.1.2016.
25 Geber, Bernhard: Völklinger Stadtteil heißt nur noch „Röchlinghöhe“. In: Onlinepräsenz der Saarbrücker Zeitung am 1.2.2013. <http://www.saarbruecker-zeitung.de/aktuell/aufmacher/Roechlinghoehe-Voelklingen-Stadtrat;art27856,4624034> am 17.1.2016.
26Vgl. auch Anitfaschistisches AutorInnenkollektiv et al.: Kein schöner Land. Saarbrücken 1998, S.7. <https://www.antifa-saar.org/KEINSCHOENERLAND.pdf> am 17.1.2016.
27Literatur zur Wehrmachtsausstellung: Hamburger Institut für Sozialforschung (Hg.): Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941 bis 1944 (Katalog zur Ausstellung “Vernichtungskrieg – Verbrechen der Wehrmacht 1941 bis 1944), Hamburg 1996; Hamburger Institut für Sozialforschung (Hg.): Verbrechen der Wehrmacht. Dimensionen des Vernichtungskrieges 1941–1944. Ausstellungskatalog. Hamburg 2002.
28Sattler, Karl-Otto: Sprengstoffanschlag auf Wehrmachtsausstellung. Polizei vermutet rechtsextremistischen Hintergrund / Kritik an CDU-Anzeigenaktion. In: Berliner Zeitung am 10. März 1999.
29Klostermann, Dietmar: Jost steht gegen „Saargida“ auf. In: Onlinepräsenz der Saarbrücker Zeitung an 8.1.2015. <http://www.saarbruecker-zeitung.de/saarland/saarbruecken/saarbruecken/saarbruecken/Saarbruecken-Auslaenderhass-Brueck-Bundesjustizminister-Gegendemonstrationen-Islamisierung-Menschenrechte-Ministerpraesidenten-Saar;art446398,5578986> am17.1.2016
30Onlinepräsenz des Max-Ophüls-Preises: <http://www.max-ophuels-preis.de/programm/ehrenpreistraeger_nico_hofmann> am 17.1.2016.
31Im baden-württembergischen Ringsheim wird im Rahmen der Umgestaltung der Ortsmitte ein Kriegerdenkmal auf dem Rathausvorplatz entfernt. In Kalkar (NRW) vermeidet es die Bürgermeisterin am Totensonntag ein NS-Denkmal zu besuchen und verlegt diese an einen Gedenkstein zu Ehren ermordeter jüdischer Bürger. In Vörsetten (BW wird ein Kriegerdenkmal auf den Friedhof umgepflanzt. Seit Jahren wehrt sich eine Berliner Kirchengemeinde gegen revisionistische Erinnerungsvereinnahmung eines Kirchendenkmals und in Goeppingen (BW) bekommen NS-Denkmäler einen erläuternden Text, um diese zu dekonstruieren. (<http://www.badische-zeitung.de/ringsheim/von-unerfuellten-traeumen-und-neuen-projekten115635609.html>; <http://www.rp-online.de/nrw/staedte/kleve/buergermeisterin-meidet-kalkars-kriegerdenkmal-aid‑1.5574654>; <http://www.badische-zeitung.de/voerstetten/ein-denkmal-muss-weichen—115801697.html>; <http://www.rp-online.de/nrw/staedte/moenchengladbach/kriegerdenkmal-bleikiste-enthaelt-zeitdokumente-aid‑1.5431215>; <http://www.berliner-woche.de/biesdorf/politik/kleinkrieg-um-kriegerdenkmal-d91059.html>; <http://www.swp.de/goeppingen/lokales/goeppingen/Kriegerdenkmal-aus-der-Nazi-Zeit-und-Pieta-bekommen-erklaerenden-Text;art1158499,3302824>) am17.1.2016;
32So war beispielsweise das Denkmal der Waffen-SS in Marienfels (Taunus) bis zu seiner Zerstörung 2004 Jahr für Jahr ein Aufmarschplatz für deutsche Nazis.
Hinweis: In einer früheren Version des Textes hieß es zum Buch von Christopher Clark fälschlicherweise, “[…] die Deutschen seien nicht alleine Schuld an dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges […]”. Clarks Werk “Die Schlafwandler” befasst sich selbstverständlich mit der Vorgeschichte des Ersten Weltkrieges. Der Fehler wurde korrigiert.