Die Antifa Saar / Projekt AK unterstützt den Aufruf zum Frauenstreiktag. Ihr findet hier den Aufruf im Wortlaut:
Seit über 150 Jahren streiken Frauen weltweit am 8. März für ihre Rechte als Arbeiterinnen und politische Subjekte. Gerade in den letzten Jahren haben international so viele Frauen wie noch nie zuvor ihre Lohn- und Hausarbeit niedergelegt und sind gemeinsam für ihre Ziele auf die Straße gegangen. Auch in Saarbrücken wollen wir diesen Schritt in die Öffentlichkeit gehen, da bis zur Befreiung der Frau noch immer ein weiter Weg vor uns liegt.
Blick aufs Hier und Jetzt
Die politischen Debatten der letzten Jahre zeigen uns, dass Gleichberechtigung und Selbstbestimmung von Frauen nach wie vor nicht selbstverständlich sind: So ist beispielsweise der Schwangerschaftsabbruch in Deutschland weiterhin ein Straftatbestand. Politiker_innen der Regierung diskutieren darüber, ob sie Frauen einen sicheren Schwangerschaftsabbruch gewähren wollen, oder ob man ihnen die Information – fälschlicherweise oft als Werbung bezeichnet – und somit die Entscheidungsfindung lieber verwehren solle. Die Beratungsstelle von profamilia Saarbrücken ist regelmäßig den selbsternannten “Lebensschützern” der christlich fundamentalistischen Piusbruderschaft ausgesetzt. Frauen, die das Beratungsangebot nutzen, werden von ihnen bedroht und eingeschüchtert. Jedes Jahr ziehen diese reaktionären Kräfte im Herbst mit Fackeln durch die Stadt und sprechen Frauen das Recht auf körperliche Selbstbestimmung ab.
Dabei begegnen uns Ausbeutung und Unterdrückung von Frauen gerade in Saarbrücken als Hochburg des Prostitutionsgewerbes täglich auf der Straße. Anstatt in der Prostitution tätige Frauen vor Ausbeutung und Gewalt durch Zuhälter_innen wie Freier zu schützen und sie zu unterstützen, drängen die verantwortlichen Politiker_innen die Betroffenen durch immer neue Auflagen in die gesellschaftlichen und rechtlichen Randzonen.
Insgesamt werden Frauen weiterhin auf besondere Art und Weise bei der Lohnarbeit ausgebeutet: Bei gleichem Arbeitsumfang verdienen Frauen in Deutschland im Schnitt 7% weniger als Männer (1). Beachtet man die Doppelbelastung, dass Frauen häufiger als Männer in schlecht bezahlten sozialen Berufen und Teilzeit arbeiten und gleichzeitig der unbezahlten Rolle als Hausfrau und Mutter gerecht werden, steigt diese Lohnungerechtigkeit auf 21%.
Gleichzeitig verschärft sich die Situation für Feminist_innen in den letzten Jahren: Rechte Frauen machen unter dem Deckmantel des Schutzes von Frauen mobil gegen Geflüchtete und ziehen damit den Feminismus in den Dreck. Daneben macht die neue Rechte aggressiv Stimmung für ein konservatives Frauenbild. Gleichzeitig beobachten wir weltweit eine wachsende Anzahl an Femiziden (2), also Morden an Frauen, die sich gegen die ihnen aufgezwungene soziale Rolle zur Wehr setzen. Allein in Deutschland wird jeden Tag eine Frau Opfer eines Mordes oder Totschlages, in 2/3 der Fälle durch einen engen Angehörigen oder Lebenspartner (3).
Blick zurück
Beim Blick auf die heutige Gesetzgebung scheint schwer vorstellbar, wie hart für grundlegende Rechte von Frauen gekämpft werden musste: Frauen haben sich in Deutschland vor 100 Jahren das Wahlrecht, vor etwa 50 Jahren die Geschäftsfähigkeit sowie das Recht auf bezahlte Arbeit erstritten. Seit gerade mal 22 Jahren gilt Vergewaltigung in der Ehe als Straftat.
Für viele Aspekte, die auch den Feminismus betreffen, für den wir heute noch kämpfen, sind zumindest die Anfänge gemacht: Die Tabuisierung der weiblichen Sexualität schwindet und sexuelle Selbstbestimmung wird allmählich selbstverständlicher. Lesbische Frauen gewinnen zunehmend die Freiheit, so zu sein, wie sie sind, nicht zuletzt durch die Einführung der Ehe für alle.
In manchen Fällen verleiten diese Errungenschaften Frauen allerdings dazu, sich auszuruhen – wir hätten es doch schon viel besser als Frauen früherer Generationen, wir könnten doch endlich mal zufrieden sein. Diese Perspektive bedeutet die Rechtfertigung eines neuen Konservatismus.
Dennoch: Frauen erstreiten sich zunehmend gesellschaftliche Sichtbarkeit. Sie haben schon immer wichtige gesellschaftliche Beiträge geleistet, auch wenn diese in der Geschichtsschreibung häufig unterschlagen werden. Nur wenn wir diese Beiträge sichtbar machen und würdigen, können wir uns lebendige Beispiele für Selbstermächtigung schaffen.
Blick nach vorn
Wir werden uns nicht ausruhen, denn es gibt noch viel zu tun: Als Feminist_innen treten wir dafür ein, dass Frauen als politische Subjekte anerkannt werden, als selbstbewusste und selbstbestimmte Akteurinnen. Niemand soll Frauen aufgrund ihres Geschlechts vorschreiben, wie sie zu sein oder was sie zu tun haben. Wir wollen die Geschichte der Frauenkämpfe würdigen und sie fortschreiben, mit dem Bewusstsein über ihre Fehler und ihre bisherigen Errungenschaften. Wir streben nach:
— Sozialisation und Erziehung frei von einengenden Geschlechterrollen und Klischees;
— Existenz im öffentlichen Raum, ohne sexuelle Belästigung;
— gelebter körperlicher Selbstbestimmung;
— dem Ende doppelter Ausbeutung von Frauen in Lohn- und Hausarbeit.
Nicht nur, dass die oben beschriebenen Errungenschaften uns nicht genügen – sie gelten auch leider nicht für alle Frauen dieser Welt gleichermaßen. Wir gehen daher auf die Straße für die Selbstbestimmung aller Frauen und solidarisieren uns mit allen Frauen weltweit, die sich gegen patriarchale Strukturen auflehnen, die streiken und sich selbst organisieren, die Risiken und weite Wege auf sich nehmen, um sich ein Stückchen Freiheit zu erkämpfen.
Wer wir sind
Das Aktionsbündnis zum internationalen Frauenstreik ist ein Zusammenschluss von Gruppen und Einzelpersonen, die sich solidarisch mit diskriminierten Menschen zeigen und für eine Welt frei von ökonomischer, patriarchaler, rassistischer und religiöser Herrschaft kämpfen. Am 8. März gehen wir gemeinsam für alle Frauen, ihre Selbstbestimmung und ihre Rechte zum Frauenstreiktag auf die Straße!
Link zur Veranstaltung: https://www.facebook.com/events/2265540900436182/
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(1) https://www.destatis.de/DE/PresseService/Presse/Pressemitteilungen/2017/03/PD17_094_621.html
(2) www.unodc.org/documents/data-and-analysis/GSH2018/GSH18_Gender-related_killing_of_women_and_girls.pdf
(3) www.bka.de/SharedDocs/Downloads/DE/Publikationen/PolizeilicheKriminalstatistik/2017/Zeitreihen/Opfer/ZR-O-06-T92- O‑TV-Bez-Straftaten-vollendet_excel.xlsx?__blob=publicationFile&v=3