Redebeitrag der Antifa Saar zur feministischen Demonstration am 08. März 2019 in Saarbrücken

Anlässlich des inter­na­tionalen Frauen­streiks fand am 8. März 2019 eine fem­i­nis­tis­che Demon­stra­tion in Saar­brück­en statt. Eine Red­ner­in der Antifa Saar / Pro­jekt AK hielt die Abschlussrede, in der deut­lich gemacht wurde, dass kon­se­quenter Fem­i­nis­mus nur antifaschis­tisch sein kann.

Im Aufruf für die heutige Demon­stra­tion heißt es „Wir wer­den uns nicht aus­ruhen.“ Auch wir wer­den uns nicht aus­ruhen; wie wir im Lauf des Tages gehört haben, gibt es noch viel zu tun. Nach­dem meine Vorred­ner­in­nen bere­its viele wichtige The­men beleuchtet haben, möchte ich auf mehr oder weniger ver­steck­te Feinde des Fem­i­nis­mus und ihre Ver­strick­un­gen hin­weisen. Know your ene­mies, denn den fem­i­nis­tis­chen Kampf gewin­nen wir nur, wenn wir uns ihrer bewusst sind.

Wenn wir im Aufruf auf das kon­ser­v­a­tive Frauen­bild der Neuen Recht­en hin­weisen, nen­nen wir damit nur einen kleinen Teil eines großen Prob­lems: Der Antifem­i­nis­mus feiert heute mit Getöse ein reak­tionäres Comeback.

Diskus­sio­nen um soge­nan­nten Gen­der­wahn, Män­ner­hass, Früh­sex­u­al­isierung, Rück­kehr zur Kern­fam­i­lie, Lebenss­chutz, Umvolkung, Biologismus usw. ner­ven uns in Par­la­menten, Medi­en und sozialen Zusam­men­hän­gen. Dinge sind heute wieder öffentlich sag­bar, von denen viele dacht­en, sie wären längst gegessen. Doch sie kom­men wieder, im Gle­ich­schritt mit Chau­vin­is­mus, Nation­al­is­mus, Ras­sis­mus, Anti­semitismus, Homo­pho­bie usw. Der Antifem­i­nis­mus ist ein zen­trales Ele­ment der recht­en Ideologie. 

Der Kampf gegen den reak­tionären Roll­back ist notwendig; weil wir etwas vertei­di­gen müssen, was uns son­st wieder weggenom­men wer­den kann. Und weil es um mehr geht. Deshalb bedeutet Fem­i­nis­mus für uns auch Antifaschismus.

Wenn wir im Aufruf auf den Gen­der Pay Gap hin­weisen, benen­nen wir einen aktuell existieren­den Miss­stand, den wir beseit­igt sehen wollen. Trotz­dem bedeutet Fem­i­nis­mus für uns mit­nicht­en die Forderung nach gle­ichem Recht auf möglichst gle­iche Aus­beu­tung. Wenn wir uns das vor Augen führen, ent­deck­en wir schnell einen grundle­gen­den Geg­n­er: Das kap­i­tal­is­tis­che Sys­tem, das grund­sät­zlich auf Ungle­ich­heit und Aus­beu­tung beruht. Das fällt nicht immer sofort auf, denn im Kap­i­tal­is­mus wer­den fem­i­nis­tis­che Ideen und Forderun­gen nur allzu schnell vere­in­nahmt. Dabei wer­den sie aber verkürzt auf das, was für das Funk­tion­ieren des Wirtschaftssys­tems im Sta­tus Quo nüt­zlich ist. Fem­i­nis­mus fungiert dann nurmehr als Label und unsere Ideen wer­den erfol­gre­ich vermarktet.

Ja, wir rin­gen um gle­ichen Lohn. Frauen sollen Führungspo­si­tio­nen beset­zen. Quoten kön­nen nüt­zlich sein. Aber all das ist nicht aus­re­ichend. Fem­i­nis­mus ist mehr als die Forderung danach, gle­icher­maßen in Konkur­renz untere­inan­der treten zu dürfen.

Ja, wir wollen ein gutes Image für den Fem­i­nis­mus. Ihn benen­nen und ihn präsen­tieren. Uns an ihm freuen. Aber das ist nicht aus­re­ichend. Fem­i­nis­mus ist mehr als ein Label ohne Inhalt, das nach Belieben ver­mark­tet und kon­sum­iert wer­den kann.

Ich will an dieser Stelle ganz deut­lich sein: Ein Shirt mit der Auf­schrift Girl Pow­er zu tra­gen ist in Ord­nung. Gle­ichen Lohn einzu­fordern ist wichtig! Nur wer dauer­haft hier ste­hen bleibt und nicht weit­er denkt, bleibt pseu­do-fem­i­nis­tisch. Denn wenn wir begin­nen nachzu­denken, erken­nen wir – irgend­wo zwis­chen dem alltäglichen Rin­gen um gle­ichen Lohn und moralisch kor­rek­tes Han­deln: Die (selbst-)ausbeutenden Struk­turen, die uns selb­st und andere Frauen unter­drück­en, in einem Sys­tem, das niemals gerecht sein kann, beachtet dieser pseu­do-Fem­i­nis­mus nicht.

Das kap­i­tal­is­tis­che Wirtschaftssys­tem mit seinem Prinzip „alle gegen alle“ sorgt nicht nur für Konkur­renz zwis­chen Geschlechtern, son­dern zwis­chen Men­schen im All­ge­meinen. So bilden sich auch unter denen, die ein Inter­esse am Fortbeste­hen des Patri­ar­chats haben, konkur­ri­erende Grup­pen heraus. 

Nation­al­is­mus und Islamis­mus gren­zen sich zwar nach außen voneinan­der ab, haben aber einen bedeut­samen gemein­samen Nen­ner: Bei­de sind nach umfassender Herrschaft strebende patri­ar­chale Ide­olo­gien. Sie agieren autoritär und propagieren ein stereo­types (kämpferisches, starkes) Män­ner­bild. Sie benöti­gen Frauen als Teile ihrer Repro­duk­tion­s­maschiner­ie. Deshalb arbeit­en bei­de mit klaren geschlechtsspez­i­fis­chen Rollen und ein­er regres­siv­en Sexualmoral.

Dabei gehen sie dur­chaus unter­schiedlich vor: Die Recht­en machen Stim­mung gegen Migranten, indem sie vorgeben, Frauen – vorzugsweise „ihre“ Frauen – beschützen zu wollen. Die Islamist_innen geben vor, Frauen durch Ver­schleierung und Ver­drän­gung aus dem öffentlichen Raum zu beschützen. Das Ziel bleibt den­noch das gle­iche: Frauen im Rah­men der jew­eili­gen Ide­olo­gie für sich selb­st zu beanspruchen und das jew­eilige Ter­ri­to­ri­um abzustecken.

Frauen mis­chen selb­st in diesen Kreisen mit, ver­fol­gen teils eigene Macht­in­ter­essen und tra­gen auf diese Weise mal zu ihrer eige­nen Unter­drück­ung, mal zur Unter­drück­ung ander­er bei. Es ist kein fem­i­nis­tis­ch­er Kampf, sich für ver­meintliche Frei­heit inner­halb dieser patri­ar­chalen Ide­olo­gien einzusetzen.

Wed­er Nation­al­is­mus noch Islamis­mus dient in Wirk­lichkeit dem Schutz oder gar der Befreiung der Frau. Ihre men­schen­ver­ach­t­ende Poli­tik darf nicht im Namen des Fem­i­nis­mus stat­tfind­en. Auf bei­de fall­en wir als Feminist_innen nicht herein.

Die Forderung nach Gle­ich­stel­lung, Gerechtigkeit und Gle­ich­be­hand­lung wird in einem Sys­tem von Ver­w­er­tung und Konkur­renz nicht erfüllt wer­den, das ist klar. Wir stellen sie den­noch. Und wir wer­den uns nicht aus­ruhen, bis wir sie erfüllt sehen.

Ich hoffe es ist deut­lich gewor­den: Auch wenn sie sich nicht voll­ständig gegen­seit­ig bedin­gen, greifen Kap­i­tal­is­mus und Patri­ar­chat an eini­gen Stellen ineinan­der. Die Abschaf­fung des Kap­i­tal­is­mus wird nicht automa­tisch das Ende des Patri­ar­chats mit sich brin­gen – dafür wer­den wir auch weit­er­hin gezielt anpack­en müssen, um uns dann irgend­wann ein wenig aus­ruhen zu kön­nen. Weil wir uns irgend­wann auch mal aus­ruhen wollen: in ein­er Welt, in der wir nicht danach bew­ertet wer­den, wie gut wir uns ver­w­erten und aus­beuten lassen, son­dern in der wir alle nach unseren Bedürfnis­sen und Fähigkeit­en ein gutes Leben führen.