Als „versöhnliche Geste“ (SR Aktuell vom 06.04.2018 / 21.45 Uhr) hätten die Stadt Sulzbach und die Polizei den knapp 100 Neonazis, die am Freitag, dem 6. April 2018, im Salzbrunnenhaus zu einer Propaganda-Veranstaltung eingeladen hatten, eine Verlängerung eingeräumt. Ohne diese Verlängerung hätte das Konzert mit der rechten Hooligan-Combo Kategorie C gar nicht erst stattfinden können. Denn die kamen – wegen eines Staus auf „des Führers Autobahn“ erst mit mehrstündiger Verspätung in Sulzbach an.
Sara Jost, Pressesprecherin der Antifa Saar / Projekt AK hierzu:
„Das schlägt dem Fass nun endgültig den Boden aus. Sollte es sich bewahrheiten, dass die Stadt Sulzbach und die Polizei den versammelten Neonazis aus der halben Republik mit einer Verlängerung der Veranstaltungserlaubnis nun entgegengekommen ist und somit diese auf dem Silbertablett servierte Chance vertan hat, den Auftritt dieser Band doch noch auf den letzten Drücker zu verhindern, dann kann man an die Verantwortlichen eigentlich nur noch die Frage richten: Wer hat Euch denn ins Gehirn geschissen?“
Die Veranstaltung der sich „Sulzbach wehrt sich“ nennenden Nazigruppierung um Alexander Flätgen ging zuerst die problemlose Vermietung an ihn durch die zuständigen Sulzbacher Behörden voraus. Nachdem dann diese Entscheidung von antifaschistischen Gruppen, zahlreichen Bürger_innen und den Medien angeprangert bzw. kritisch hinterfragt wurde, war man anscheinend dann doch um das Image der Stadt besorgt, das viel schlechter eigentlich nicht sein kann. Obwohl bis heute nichts an den am 9. August 2002 just am Salzbrunnenhaus durch den stadtbekannten Neonazi Carlos Neu ermordeten Ahmed Sharlak erinnert, wurde Bürgermeister Adam nicht müde, darauf hinzuweisen, wie tolerant und weltoffen seine Stadt sei.
Um den drohenden Imageschaden von seiner Stadt abzuwenden, inszenierte er sich dann als aufrechten Kämpfer gegen Rechts und versuchte auf gerichtlichem Wege, die zuvor in seiner Verwaltung gemachten Fehler auszubügeln. Erwartungsgemäß entschieden die saarländischen Gerichte, wie bereits in vielen Fällen zuvor, dass den Nazis die Räume überlassen werden sollen und räumten ihnen somit faktisch ein Recht auf Nazipropaganda ein.
Neben Kategorie C traten auf der Veranstaltung auch Edwin Wagensveld von PEGIDA Niederlande und Amy Bianka, eine extrem rechte Video-Bloggerin aus Wien, auf. Die von manchen Medien als „islamkritisch“ verharmloste Nazigruppierung „Sulzbach wehrt sich“ konnte somit eine für Sulzbacher Verhältnisse hochkarätig besetzte Propagandashow an genau jenem Ort durchführen, an dem vor knapp 16 Jahren ihre Brüder im Geiste den 19jährigen Ahmed Sharlak ermordeten.
Aber nicht alle wollten zusehen, wie eine solche Veranstaltung in Sulzbach reibungslos über die Bühne geht. Das Bündnis Bunt statt Braun organisierte eine Kundgebung auf dem 200m vom Salzbrunnenhaus entfernten Ravanusaplatz mit ca. 180 Teilnehmer_innen.
Als es einer Gruppe von etwa 30 Antifaschist_innen gelang den Hauptzufahrtsweg zum Salzbrunnenhaus zu besetzen, schlossen sich zeitweise bis zu 100 Menschen dieser Aktion an und blockierten erfolgreich über einen längeren Zeitraum den Zugang. Die anreisenden Neonazis mussten von der Polizei über Umwege zum Veranstaltungsort gebracht werden. Am Rande kam es auch zu Auseinandersetzungen mit einigen von ihnen und sie mussten angeblich hier und da auch ein paar Schellen kassieren.
Die Blockade war lautstark und entschlossen und wurde durch mehrere Redebeiträge ergänzt. Ein Vertreter der DKP wies auf die starke antifaschistische Mobilisierung am 24. August 1934 hin, als in Sulzbach 60.000 Antifaschist_innen im Saarabstimmungskampf gegen das Naziregime Stellung bezogen. Ein in Sulzbach in den 90er Jahren aufgewachsener Antifaschist erläuterte, wie stark damals die ortsansässige Neonazi-Szene war, und dass auch der Mord an Ahmed Sharlak nicht die „aus dem Ruder gelaufene Kirmesschlägerei“ war, als die er lange dargestellt wurde, sondern ein rassistischer Mord.
Als sich abzeichnete, dass die Propagandaveranstaltung im Salzbrunnenhaus nicht wie geplant durchgeführt werden kann, weil die Nazi-Band nicht innerhalb des genehmigten Zeitrahmens in Sulzbach auftauchen würde und sich die bürgerliche Kundgebung bereits aufgelöst hatte, führten etwa 80 Antifaschist_innen noch spontan eine Demonstration durch, die um 20:30 Uhr am Sulzbacher Bahnhof endete.
Sara Jost von der Antifa Saar / Projekt AK dazu weiter:
„Dass die Stadt ihre vorangegangenen und öffentlichkeitswirksam in Szene gesetzten Bemühungen um eine juristische Lösung des Naziproblems nun selbst als pure Farce enttarnen würde, haben selbst wir nicht erwartet. Im Grunde genommen muss dieses Verhalten als offener Schulterschluss mit der örtlichen Neonazibande gewertet werden“.
Nichtsdestotrotz haben heute knapp 100 Antifaschist_innen klare Kante gegen Nazis in Sulzbach gezeigt. Dies werten wir als Erfolg, der aber noch weiter ausbaufähig ist. Wir bedanken uns bei allen, die sich heute an der Blockade beteiligt haben und somit ein bisschen Sand ins Getriebe gestreut haben.
Keine Versöhnung mit Nazis! — Organisiert den antifaschistischen Widerstand!