In seiner zweiten Sitzung am vergangenen Donnerstag, den 16.7.2015, hat das Landgericht Saarbrücken die Berufung des in erster Instanz verurteilten Saarbrücker Prügelpolizisten verworfen. Das Urteil des Amtsgerichts Saarbrücken vom November 2014 wurde bestätigt, der ehemalige Angehörige der Saarbrücker BFE (Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit) und zwischenzeitlich in die Wache in der Karcherstraße versetzte Beamte wurde zu einer achtzehnmonatigen Gefängnisstrafe, ausgesetzt zur Bewährung, und einer Zahlung von 2000 Euro Schmerzensgeld an den von ihm niedergeschlagenen Antifaschisten verurteilt. Dagegen hat der Beamte nun sein letztes mögliches Rechtsmittel eingelegt und ist in Revision gegangen. Der Griff nach diesem letzten Strohhalm erklärt sich wohl daraus, dass die vom Landgericht bestätigte Vorstrafe die Entlassung aus dem Polizeidienst sowie den Verlust aller Pensionsansprüche bedeuten würde.
Dem Aufruf von Antifa Saar / Projekt AK und …resist! Saarbrücken, den Prozess kritisch zu begleiten, waren etwas mehr als ein Dutzend Antifaschist_innen gefolgt. Im Zuschauerraum befanden sich außerdem etwa 20 Polizeikolleg_innen des Angeklagten.
Den Tathergang betreffend gab es in den beiden Sitzungen der Berufungsverhandlung wenig Neues. Interessanter war da schon eher das Zutagetreten der Verhaltens- und Arbeitsweise der Polizei in solchen Situationen. Polizeizeugen gaben teils offen zu, dass es gängige Praxis ist, Einsatzberichte voneinander abzuschreiben, selbst wenn sie das Geschehen überhaupt nicht mitbekommen haben. Was viele von ihnen dann als „Gedächtnisstütze“ bezeichneten, führte, wie schon so oft, dazu, dass ursprünglich gegen den Antifaschisten ermittelt wurde, der vom angeklagten Polizisten niedergeschlagen wurde. Die daran anknüpfende Frage von Gericht und Staatsanwaltschaft an den Angeklagten und den Zeugen, der den zweiten Bericht zu Ungunsten des Nebenklägers verfasst hatte, ob sie die Wahrheit gesagt hätten, wenn das Video nicht aufgetaucht wäre und letztendlich das Opfer auf der Anklagebank gesessen hätte, quittierten diese mit Herumdrucksen und der Aussage „Ich denke schon“.
Des weiteren ließ sich beobachten, dass die Polizeizeug_innen sich im Vergleich zur ersten Instanz in ihren Aussagen besser abgestimmt hatten. So beschrieben diesmal mehrere Beamt_innen eine diffuse Gefahrenlage, Beleidigungen und aggressive Stimmung seitens der Antifaschist_innen, welchen das Gericht aber keinen Glauben schenkte. Den Vogel schoss mal wieder ein Beamter der Saarbrücker Karcherwache ab, der wie schon im ersten Verfahren Lynchjustiz durch die Antifaschist_innen befürchtete.
Diffus wirkten auch die Erklärungen einiger Beamten, inklusive des Angeklagten, sie wüssten nicht, was mit ihren Einsatzberichten geschehe oder dass Ermittlungen eingeleitet werden, wenn in diesen strafbare Handlungen Dritter beschrieben werden.
Ob die eingelegte Revision erfolgreich ist, bleibt abzuwarten. Während des gesamten Prozesses war jedoch deutlich zu erkennen, dass das Gericht geradezu peinlichst darauf bedacht war, keine Revisionsgründe aufkommen zu lassen und das Verfahren möglichst transparent zu halten. So machte der Richter schon zu Beginn klar, dass er keinesfalls den Eindruck erwecken wolle, dass undurchsichtige Absprachen im Hinterzimmer getroffen würden.
Fast zwei Jahre nach den Ereignissen um die Nazimahnwache in Saarbrücken bleiben somit etwa ein Dutzend eingestellter Verfahren gegen Antifaschisten, ein verurteilter Neonazi und ein noch nicht rechtskräftig verurteilter Polizist. Ob und wie dieses Urteil das Verhalten der Polizei ändern wird, bleibt abzuwarten – steht doch grundsätzlich zu befürchten, dass eine Verurteilung unter dem herrschenden (Straf)-Recht und die damit verbundenen Sanktionen wie Freiheitsentzug oder eben der Jobverlust bestenfalls dazu führen, dass das Vertrauen der „Unbescholtenen“ in die Rechtsstaatlichkeit wiederhergestellt oder gestärkt wird. Schließlich ist der „böse Bulle“ ja zur Rechenschaft gezogen worden. Keinesfalls lässt sich jedoch glaubhaft machen, dass Einsicht in das verübte Unrecht oder gar Besserung des Verhaltens in der Regel zu den Folgen des Strafvollzugs gehörten. Dies gilt selbstverständlich auch im Falle von Beamten, denen im Dienst der Schlagstock etwas locker sitzt. So verwundert es auch kaum, dass der nun in der Berufungsinstanz erneut verurteilte Polizist bis heute in seinem Verhalten keine Fehler erkennen will. Dass ein auf Bewährung verurteilter, an der Waffe ausgebildeter (Ex)-Polizist ohne Job und ohne Unrechtsbewusstsein die Gesamtsituation zum Besseren wendet, darf bezweifelt werden. In diesem Lichte ist es dann auch folgerichtig, dass bei der saarländischen Polizei im Gesamten und auf der Karcherwache im Besonderen offenbar keine Besserung erwartet werden darf. Derzeit laufen mehrere Verfahren gegen saarländische Beamte in unterschiedlichen Fällen, darunter ein Beamter der Karcherwache, dem ebenfalls Verfolgung Unschuldiger, mehrfache Körperverletzung, Rezeptbetrug sowie eine Scheinerschießung seines Opfers vorgeworfen werden.