Saarländischer Rundfunk vom 21.03.2005
Nazi-Überfälle in Homburg
Heute ist der Internationale Tag gegen Rassismus. Der Gedenktag, der vor fast 40 Jahren ins Leben gerufen wurde, hat von seiner Aktualität nichts eingebüßt. Auch im Saarland nicht, wie jetzt Neonazi-Überfälle in Homburg zeigen.
(21.03.2005) Der Neonazi-Überfall am Wochenende in Homburg sorgt im ganzen Saarland für Aufsehen. Sechs Neonazis überfielen am Freitag gegen 21.00 Uhr zwei Jugendliche, die gerade das Jugendzentrum (JUZ) Homburg in Richtung Hauptbahnhof verließen. Die Angreifer schlugen mit einer Eisenstange auf den 19-Jährigen ein und verletzten ihn schwer. Mit Prellungen, Platzwunden und Gesichtsverletzungen musste er ins Krankenhaus gebracht werden. Seine zwei Jahre jüngere Begleiterin wurde sexuell belästigt. Die Neonazis zwangen sie, ihr T‑Shirt mit der Aufschrift “Gegen Nazis” auszuziehen und verbrannten das Shirt.
Oberstaatsanwalt Raimund Weyand sagte SR 3 Saarlandwelle, an dem Abend sei ein weiterer sehr ähnlicher Vorfall gemeldet worden. Eine ebenfalls 17-Jährige sei beim Verlassen des JUZ belästigt worden. Auch ihr T‑Shirt mit ähnlichem Aufdruck sei verbrannt worden. Außerdem habe das Mädchen ausgesagt, sie sei mit einem Holzknüppel geschlagen worden.
Drei mutmaßliche Täter stehen fest
Drei der sechs Täter sind inzwischen ermittelt. Die beiden 16-Jährigen und der 14-Jährige wurden den Opfern bereits gegenüber gestellt. Nach SR-Informationen sind sie dem Verfassungsschutz bislang noch nicht aufgefallen. Staatsanwalt Weyand sagte, die Beschuldigten seien wohl “dem rechten Spektrum zuzuordnen“. Am Tatabend sei wahrscheinlich “viel Alkohol im Spiel“ gewesen. Weyand betonte, die Vorfälle würden ernst genommen. Gegebenenfalls werde beim Jugendschöffengericht Anklage erhoben.
Hintergrund: Internationaler Tag gegen Rassismus
Vor fast 40 Jahren haben die Vereinten Nationen (UN) den “International Day for the Elimination of Racial Discrimination” ins Leben gerufen. In der UN-Resolution 2142 vom 26. Oktober 1966 verurteilen die UN Rassendiskriminierung jeglicher Form und fordern alle Länder auf, Rassismus zu bekämpfen. Sechs Jahre zuvor hatten Polizisten in Südafrika bei einer friedlichen Demonstration gegen die Apartheid 69 Menschen erschossen. Der 21. März wird in der Resolution zum weltweiten Gedenktag gegen Rassismus ernannt.
runiceurope.org UN-Resolution 2142 gegen Rassismus
un.org Weitere Informationen der UN zum Kampf gegen Rassismus (in englischer Sprache)
Verfassungsschutz weist Vorwürfe zurück
Nach Angaben des Bildungs- und Forschungswerks (BIFOR) Saar-Lor-Lux hatten die Überfälle eine Vorgeschichte. Am 15. März habe die Polizei mit einem massiven Aufgebot eine Veranstaltung gegen Rechtsradikalismus im Homburger Jugendzentrum schützen müssen. Ein Polizeisprecher bestätigte SR-online, dass die Veranstaltung durch Poilzeibeamte geschützt wurde. Das BIFOR kritisierte den Direktor des saarländischen Verfassungsschutzes, Helmut Albert. Er habe in einem Interview mit dem “Pfälzischen Merkur” die regionale Naziszene “verharmlost”. Damit liefere er den Neonazis “einen symbolischen Freifahrtschein” für Übergriffe wie den in Homburg. Das Landesamt für Verfassungsschutz wies die Vorwürfe zurück.
Antifa von Vorfällen nicht überrascht
Nach Angaben der Antifa Saar sind die Überfälle in Homburg keine Einzelfälle. Ein Antifa-Sprecher sagte SR 3 Saarlandwelle, in den vergangenen Wochen habe es mehrere Aufmärsche Rechter in der Region gegeben, unter anderem in Zweibrücken. In Saarlouis, im Köllertal, in Homburg und Neunkirchen gebe es “Kameradschaften“. Diese seien in das bundesweit agierende neonazistische ‘Aktionsbüro Saar’ eingebunden. Die bundesweite Kameradschaftsszene könne bis zu 5000 Personen mobilisieren. Dabei seien auch “immer starke Gruppierungen aus dem Saarland vertreten”.
Saarlouiser Rechte geben Auflösung bekannt
Federführend sei hier die Saarlouiser Kameradschaft, die sich “Kameradschaft Saarlautern” nennt. Diese hat am Wochenende im Internet ihre eigene Auflösung und die Auflösung der Kameradschaft Köllertal bekannt gegeben. Das hält die Antifa jedoch für einen Trick. Ihr Sprecher sagte der Saarlandwelle, damit wolle die Kameradschaft einer “Verbotsverfügung zuvorkommen“. Nach der Bekanntgabe der Auflösung müssten die Ermittlungsbehörden eine neue Beweisführung starten.
Quelle: Saarländischer Rundfunk, 21.03.05