Humanitäre Flüchtlingspolitik
In Deutschland scheinen die Mehrheit der Bevölkerung und die Regierung gegen den Krieg zu sein. Was sind die Gründe dafür, sind es pazifistische oder gar humanitäre? Primär ökonomische und hegemonial-machtpolitische Kriege werden geführt, wenn davon profitiert werden kann; ist dies nicht der Fall, bleibt es beim imperialistischen Frieden. Bestes Beispiel hierfür ist die momentane Positionierung Deutschlands in der Weltkriegspolitik: unter anderem rege Handelsbeziehungen zum Irak, vor allem in der Rüstungsindustrie verbieten eine aktive Beteiligung am Krieg. Das Giftgas, an dem 1985 in Halabja tausende von KurdInnen starben, war solch ein Export aus Deutschland. Machtpolitisches Kalkül läßt offiziell nicht nur für, sondern auch gegen einen Krieg wettern, wenn z.B. die zukünftige neue Weltordnung nicht gerade einen Vorteil darstellt.
Im Angesicht der Flüchtlinge…
Wären es humanitäre Gründe, den Krieg abzulehnen, müssten diese humanitären Gründe auch zu einer uneingeschränkten Anerkennung aller irakischen Flüchtlinge führen. Genau dies ist aber nicht der Fall. Der vom Innenminister Otto Schily verhängte Abschiebestopp hört sich zwar erst einmal gut an, bedeutet aber für die Betroffenen, bis auf weiteres in Ungewißheit zu leben, denn gleichzeitig sind sie dem Asylverfahren ausgesetzt. Wenn der Krieg im Irak vorbei ist, entfällt dann “logischerweise” auch der Grund zur Gewährung von Asyl? Der Bundesregierung geht es offensichtlich darum, Flüchtlinge aus dem Irak jetzt möglichst keinen Status mehr zu gewähren, der ein Hindernis darstellen könnte, wenn es mit einem Regierungswechsel oder einem Embargo-Ende wieder möglich sein sollte, in das Herkunftsland abzuschieben. Dies betrifft auch Flüchtlinge aus dem Irak, die schon eine Anerkennung haben — ihnen soll der Asylstatus nachträglich aberkannt werden und diejenigen, die bereits abgelehnt wurden, warten auf den nächst möglichen Termin ihrer Abschiebung.
Das nach dem 2. Golfkrieg schon völlig zerstörte Land, welches unter dem jahrelangen UN-Handelsembargo litt und durch ständige Bombardements zusätzlich geschädigt wurde, wird keinerlei Infrastruktur mehr besitzen, wodurch medizinische Versorgung, Versorgung mit Lebensmitteln, Bildung usw. unmöglich wird. Trotz zunehmender Verschlechterung der Lebenssituation im Irak in den letzten Jahren hat die Anerkennungsquote irakischer Flüchtlinge im Januar diesen Jahres einen Tiefpunkt erreicht. Obwohl die Androhung eines Krieges gegen den Irak seitens der USA und Großbrittanien immer vehementer wurde, wäre es weit gefehlt, wenn mensch zu dem Schluss käme, Deutschland würde sich dazu verpflichtet fühlen, alle von dort stammenden Flüchtlinge anzuerkennen. Ganz im Gegenteil. Lag die Anerkennungsrate in den Jahren 2000/2001 noch bei 65%, erhielten Anfang diesen Jahres nur noch 12% im ersten Asylverfahren einen Aufenthaltstatus. Dabei haben sich nicht die Gründe für eine Flucht aus dem Irak verändert, sondern deren Interpretation durch deutsche Behörden und Gerichte. Grundlage für den Umschwung ist unter anderem die Einschätzung, dass das kurdischen “Autonomie” — Gebiet auch für nicht — kurdische IrakerInnen eine Fluchtalternative darstellt. Einerseits ist dieses kurdische “Autonomie”- Gebiet eigenständig und unter kurdischer Regionalverwaltung, jedoch weiterhin ein Bestandteil des Iraks und wird andererseits international nicht anerkannt. Es existieren weder völkerrechtliche, noch materielle Schutzmechanismen, die eine Sicherheit vor möglichen Übergriffen der irakischen Armee bieten. Des Weiteren kam es in der Vergangenheit immer wieder zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen PUK (Patriotische Union Kurdistans) und der KDP (Kurdische Demokratische Partei). Grundsätzlich ist die Situation im Nordirak nicht geeignet, um von sicherer Fluchtalternative zu sprechen.
…wird aus Humanität Realität!
Kriege aus humanitären Gründen zu führen, oder auch nicht zu führen klingt immer gut. Die Realität zeigt dann aber recht schnell, wie humanitär die Absichten tatsächlich sind. Mit den Flüchtlingen will keiner etwas zu tun haben, Flüchtlingslager sollen am besten in den Krisengebieten selbst oder zumindest in unmittelbarer Nähe aufgebaut werden.
So auch diesmal: um den Irak herum werden im Niemandsland Flüchtlingslager aufgebaut, türkische und iranische Behörden haben schon vor Beginn des Krieges darauf hingewiesen, dass sie keine Camps auf ihrem jeweiligen Staatsgebiet dulden. Aber auch die Länder der EU haben grundsätzlich Interesse daran, dass Flüchtlinge in den jeweiligen Grenzgebieten bleiben. Auf hunderttausende Kriegsflüchtlinge, die in den letzten Jahren in der EU Zuflucht gesucht haben, reagierte die EU unter anderem mit Verschärfungen der Grenzkontrollen, Verschlechterungen der Lebensbedingungen in den Aufnahmestaaten und mit einer konsequenten Abschiebepolitik. Grundsätzlich haben Kriegsflüchtlinge in der EU keinen Anspruch auf Asyl, können nur geduldet werden, falls eine Abschiebung ihr Leben gefährdet. Lebensgefahr ist aber ein dehnbarer Begriff, so fällt nicht-staatliche und geschlechtsspezifische Verfolgung z.B. nicht darunter. So werden und sollen immer mehr Roma nach Jugoslawien abgeschoben, die während des Kosovo Krieges in Deutschland geduldet wurden. Sie erwartet in ihrem Heimatland Armut, Diskriminierung, Lagerleben und unmenschliche Lebensumstände. Für die Regierung der BRD stellt dies aber wohl keine Lebensgefahr im tatsächlichen Sinne dar.
Deutschland hat sich für eine Versorgung der Flüchtlinge in heimatnähe ausgesprochen. Nach Bayerns Innenminister Beckstein habe sich dies schon beim Kosovo-Krieg als die beste Lösung herausgestellt. “Eine heimatnahe Versorgung von Irak-Flüchtlingen ist zweckmäßiger und preiswerter, als sie 3000 Kilometer nach Deutschland zu transportieren und später wieder zurückzuführen” (31.3.2003; DIE WELT).
Bleiberecht für alle Flüchtlinge und MigrantInnen!
Die Mauer um Europa muss weg! Grenzen müssen gebrochen werden!
Autonomia sinistra ist eine saarlandweite Vernetzung von linken Gruppen, die in ihrem politischen Handeln Wert auf Unabhängigkeit und Selbstbestimmung legen. Neben der aktuellen Kampagne “Tatortbesichtigung” sind wir in vielen anderen Bereichen politisch aktiv, wie zum Beispiel der Flüchlingspolitik, Antifaschismus und linker Kulturarbeit (Kneipe, Konzerte etc.). Wir versuchen uns im Rahmen unserer Organisierung gemeinsam der derzeitigen gesellschaftlichen Entwicklungen der Vereinzelung, Entsolidarisierung und des Leistungsdrucks entgegenzustellen. Gegen die totale Individualisierung, aber auch gegen die ähnlich ablehnenswerte Alternative der Zwangskollektivierung wollen wir uns durch selbstbestimmtes Handeln und Selbstorganisierung Freiräume erkämpfen. Wer Interesse an autonomia sinistra hat, kann gerne mit uns in Kontakt treten.