Riegelsberger Verhältnisse und ein geplantes Wehrmachtsdenkmal – 80 Teilnehmer_innen bei antifaschistischer Demonstration
Trotz strömenden Regens folgten ca. 80 Teilnehmer_innen dem Aufruf der Antifa Saar zur Demonstration gegen das geplante Wehrmachtsdenkmal in Riegelsberg. Zu Beginn gedachten die Teilnehmer_innen mit einer Kranzniederlegung der Zwangsarbeiter_innen auf dem Riegelsberger Friedhof. In mehreren Redebeiträgen forderten die Redner_innen nicht nur das Aus des geplanten Denkmals, sondern setzten sich auch für ein würdiges Gedenken an die Zwangsarbeiter_innen ein.
Seit 2013 versucht die geschichtsrevisionistische „Initiativgruppe Hindenburgturm“ um Dietmar Braun in Riegelsberg ein Denkmal für im Zweiten Weltkrieg getötete Wehrmachts- und SS-Angehörige zu verwirklichen. Unterstützung für ihr schändliches Vorhaben erhielt die Truppe aus der Riegelsberger Lokalpolitik. Nachdem es der Antifa Saar bereits im Vorfeld der Demonstration, unter anderem durch das Verteilen von 7000 Flugblättern, gelungen war, öffentlich Druck auf die Protagonisten auszuüben, hatte Dietmar Braun als Hauptinitiator verlautbaren lassen, die Verwirklichung des Ehrenmals nun doch nicht weiter durchsetzen zu wollen. Dies wurde – fälschlicherweise – von der Lokalpresse als endgültiges Einstampfen des Projektes kolportiert. Dieser Interpretation steht jedoch ein Gemeinderatsbeschluss vom 14.12.2015 entgegen; In der Sitzung wurde mit Stimmen von SPD und CDU beschlossen, Bürgermeister Häusle (SPD) zu beauftragen, ein Konzept für eine „Gedenkstätte“ auszuarbeiten und dafür 5.000 Euro zur Verfügung zu stellen . Dieser Beschluss hat auch nach dem Rückzug der Geschichtsfälscher um Braun bestand, sodass von einem endgültigen Aus noch keine Rede sein kann, auch wenn Teile der Presse und die Riegelsberger Lokalpolitik dies partout behaupten.
Gründe für eine Demonstration gegen Riegelsberger Verhältnisse hatten sich – auch wenn die Verwirklichung des Ehrenmals angeblich abgewendet sei – ohnehin zur Genüge angesammelt: Gegen Äußerungen von Bürgermeister Häusle („Eine Unterscheidung zwischen Tätern und Opfern sei heute methodisch gar nicht mehr möglich und auch nicht sinnvoll“, zitiert ihn der SR) oder die des SPD-Fraktionsvorsitzenden Ingbert Horn (die Täter seien ja nur „in Anführungszeichen Täter“ und durch deren Tod sei „ein Ende der Schuld“ erreicht) galt es, ein deutliches antifaschistisches Zeichen zu setzen.
Gedenken an getötete Zwangsarbeiter_innen
Somit versammelten sich am 13. Februar trotz strömenden Regens ca. 80 Teilnehmer_innen am Riegelsberger Waldfriedhof. Zu Beginn der Demonstration begaben sich die Demonstrant_innen zum Gedenkstein an die von der Riegelsberger Lokalpolitik als „Ostarbeiter“ bezeichneten Zwangsarbeiter_innen, um derer zu gedenken. Antifaschist_innen legten Blumen nieder und hielten eine kurze Ansprache.
Auf der sich anschließenden Auftaktkundgebung äußerte ein Redner der Antifa Saar / Projekt AK dazu: „Sollte es die Riegelsberger Politik (…) tatsächlich ernst meinen mit der Ehrung der Opfer des zweiten Weltkriegs, dann sollte sie ihre Pläne für ein Wehrmachtsdenkmal spätestens auf der nächsten Gemeinderatssitzung endgültig begraben und die veranschlagten 5000 Euro lieber dafür ausgeben, den ermordeten Zwangsarbeiter_innen ein würdiges Gedenken zu geben, sie nicht weiter euphemistisch als „Ostarbeiter“ bezeichnen und ihren Gedenkstein aus der Hecke holen. Damit würde sie die 5000 Euro tatsächlich mal für ein Gedenken an die Opfer des zweiten Weltkrieges nutzen.“
Nach dem Rückzug der Initiatoren des Wehrmachtsdenkmals wurde durch Lokalpolitik und ‑presse die Sinnhaftigkeit der Demonstration in Frage gestellt. Ein diesbezüglicher Gemeinderatsbeschluss steht jedoch nach wie vor aus. „Das alles zeugt eher davon, dass eine vermeintliche Absage an das Projekt nicht aus tiefster Überzeugung kommt, weil man die eigenen Fehler und die Verbrechen der Täter eingesehen hätte. Das klingt eher nach taktischem Kalkül. Weil man gemerkt hat, dass der Druck eben doch zu groß geworden ist. Diesen Druck gilt es aufrecht zu erhalten und dafür zu sorgen, dass die Pläne von Braun, Häusle und Horn endgültig dem Erdboden gleich gemacht werden!“, erklärte ein Sprecher der Antifa Saar in seinem Redebeitrag.
Im Anschluss an die Auftaktkundgebung startete der Demonstrationszug durch Riegelsberg zunächst bis zum Rathaus. Teilnehmer_innen bekräftigten in Sprechchören ihre Ablehnung des Ehrenmals und kritisierten die geschichtsrevisionistischen Bestrebungen in Riegelsberg. So wurden Parolen wie „Auch 70 Jahre später — keine Opfer sondern Täter!“ oder „Ob Häusle oder Dietmar Braun – Wir lassen euch kein Denkmal bauen!“ gerufen.
Am Riegelsberger Rathaus ging Erich Später, Geschäftsführer der Heinrich Böll Stiftung Saar und Historiker, in seiner Rede auf die Verstrickungen saarländischer Wehrmachts- und SS-Angehöriger in den deutschen Vernichtungskrieg ein. „Es ist das blutigste, das grausamste Kapitel, die Beteiligung von ungefähr 200.000 saarländischen Männern an Hitlers Angriffskrieg, was hier in diesem Land verdrängt, totgeschwiegen, nicht erforscht ist – bis heute.“
Später forderte zudem die Riegelsberger Politik auf: „Kündigen Sie das Bündnis mit den Nazis und Faschisten! Treten Sie aus der Volksgemeinschaft aus!“
Abschlusskundgebung am Hindenburgturm
Die Demonstration endete unmittelbar vor dem Hindenburgturm. Eine Rednerin erläuterte die Frage, warum mitten in Riegelsberg ein solcher Turm existiert. Der Hindenburgturm wurde während des Abstimmungskampfes als Bekenntnis der Zugehörigkeit des Saarlandes zu Hitler-Deutschland durch die Gemeinde Riegelsberg errichtet. „1934, wenige Monate vor der Saarabstimmung, wollten die Riegelsberger mit der Kopie eines der wichtigsten NS-Denkmäler ihr Bekenntnis für Nazideutschland zu Stein werden lassen.“ Die architektonische Vorlage des Turms gebe zu denken, so die Rednerin. „Der eigentliche Hindenburgturm stand weit von Riegelsberg entfernt am anderen Ende des Herrschaftsgebiets des Deutschen Reiches in Hohenstein, im heutigen Polen. Dieser stand im symbolischen Mittelpunkt des „Reichsehrenmals Tannenberg“ und sollte an den „heldenhaften“ Sieg Hindenburgs in der Schlacht bei Tannenberg 1914 erinnern. (…) In Anbetracht der Geschichte des Turmes ist es skandalös“, folgerte die Rednerin, „dass über Jahre hinweg dieser nicht nur im Zentrum der Bemühungen der „Hindenburgtruppe“ stand, sondern seine Restaurierung und Nutzung im Ort auch regelmäßig Gegenstand der örtlichen Kommunalpolitik war. (…) Der militaristische und nationalsozialistische Hintergrund des Turmes wurde dabei gezielt verschleiert und verschwiegen.“
Ein anwesender Journalist äußerte nach der Rede, dass er zwar aus einem Nachbarort von Riegelsberg stamme, aber selbst ihm die wahre Geschichte des Turmes bis zu den umfangreichen Recherchen durch die Antifa Saar nicht bekannt gewesen sei. Dies verwundert wenig, bezeichnet neben der SPD Riegelsberg auch die Gemeinde den Hindenburgturm allzu gerne als „Mahnmal des Friedens“.
Gemeinderatssitzung am 29. Februar
In Riegelsberg scheinen bisher Geschichtsvergessenheit und revisionistische Umtriebe den öffentlichen Diskurs beherrscht zu haben. Durch umfangreiche Recherche- und Öffentlichkeitsarbeit durch Antifaschist_innen und den Saarländischen Rundfunk ist es gelungen, die Protagonisten dieser Schande aus der Deckung zu holen und in die Öffentlichkeit zu bringen. Durch den aufgebauten Druck scheint die Errichtung eines Wehrmachtsdenkmals – vorerst – unmöglich gemacht. Nun gilt es, den Druck weiter aufrecht zu erhalten. So findet am Montag, 29.02.2016, 18 Uhr, abermals eine Sitzung des Gemeinderates statt, auf welcher das Wehrmachtsdenkmal Thema sein soll. Sollte sich auf dieser Sitzung bewahrheiten, dass die bereits im Haushalt eingeplanten 5.000 Euro zurückgezogen werden und dann doch nicht für ein wie auch immer geartetes Wehrmachtsdenkmal ausgegeben werden, ist aus Sicht der Antifa Saar ein weiteres Etappenziel erreicht. Die Antifa Saar fordert, den freiwerdenden Betrag stattdessen für ein würdiges Gedenken an die Zwangsarbeiter_innen zu verwenden.
Es gilt weiterhin, wachsam zu bleiben und zu verhindern, dass die Initiativgruppe um Braun nicht im kommenden Jahr den nächsten Anlauf unternimmt, ihre geschichtsrevisionistischen Bestrebungen in die Tat umzusetzen.
Deutsche Täter sind keine Opfer!
Gegen Nazidenkmäler in Riegelsberg und anderswo!