“Daher richten wir uns konkret an die Stadt Saarbrücken: Erklären Sie laut und deutlich, dass Saarbrücken offen ist für Menschen in Not und weisen Sie Ihre Behörden an, nicht mitzumachen bei der Internierung Geflüchteter und der Abschottung unserer Gesellschaft.”
-Redebeitrag der Antifa Saar / Projekt AK
Wir freuen uns über die zahlreiche Teilnahme an der Demonstration vom 01. September gegen die Kriminalisierung, Ankerzentren und den gesellschaftlichen Rechtsruck. Auf Initiative (Initiative Seebrücke Saar) von ConnAct Saar, der Grünen Jugend, der Antifa Saar Projekt AK, Linke Liste und Linksjugend ’solid Saarland haben sich mehr als 400 Menschen zunächst an der Europagalerie versammelt und sind dann auf einem Demonstrationszug durch die Eisebahnstraße und die Innenstadt zum Innenministerium gezogen. Auf dem Weg vorbei am Staatstheater und durch die Mainzer Straße schloßen sich weitere Menschen dem Demonstrationszug an, sodass dieser auf etwa 600 Personen anwuchs. Unseren Redebeitrag, den wir auf Höhe des Mainzerstraßenfestes hielten dokumentieren wir im Folgenden ebenso wie ein paar Artikel und Berichte:
Presse zur Demo:
Saarbrücker Zeitung vom 30.08.2018
Saarbrücker Zeitung vom 02.09.2018
Redebeitrag:
Leben statt Tod
Wir möchten uns zunächst bei euch allen und bei den OrganisatorInnen bedanken. Wir sind froh, dass ihr heute diesem Aufruf gefolgt seid und wir hier gemeinsam auf der Straße sind. Diesen Redebeitrag haben wir vor den Ereignissen von Chemnitz geschrieben und doch, passt er nun wie die Faust aufs Auge.
Deutschland 2018. In der sogenannten gesellschaftlichen Mitte diskutiert man ernsthaft über die Frage ob man “es sein lassen soll?” und meint damit die zivile Seenotrettung. Unentschlossen ist man, ob man Flüchtende für das eigene Sicherheitsgefühl, ertrinken lassen soll. Die einen lehnen das strikt ab, die Anderen brüllen laut “Absaufen” und irgendwo dazischen kann man sich zumindest auf die Einrichtung von Lagern einigen. Man nennt sie aber lieber Ankerzentren. Soviel historisches Bewusstsein muss sein. Es ist die Politik der sogenannten Mitte, von der solche Vorstöße ausgehen und die auch die Kriminalisierung der zivilen Seenotrettung betreibt. Wir wollen euch daher fragen, wie zivil ist eine Gesellschaft, die Lager baut und die ernsthaft darüber diskutiert, ob man sehenden Auges Menschen ertrinken lässt?
Und während an den Grenzen Menschen sterben, kümmert man sich natürlich auch um die Abschottung im Innern. Die Regierenden bemühen sich, für die Flüchtenden, die es nach Deutschland schaffen, sogenannte Ankerzentren zu etablieren. Nennen wir sie beim Namen. Es sind Lager. Lager, die abermals Gräben zwischen Menschen ziehen. Lager, die Menschen isolieren, sie entrechten und zum Objekt degradieren, das erfasst, überprüft und behandelt wird. Wer es einmal bis hierher geschafft hat, der darf vorerst leben – aber noch lange nicht dauerhaft hier und noch lange nicht als vollwertiges Mitglied dieser Gesellschaft.
Was wir in diesen Diskussionen und politischen Entscheidungen beobachten, ist ein Rückfall hinter die Errungenschaften der bürgerlichen Gesellschaft.
Glücklicherweise gibt es aber auch Menschen, die tagtäglich anpacken, sich solidarisch zeigen und Menschen, die sich widersetzen, wenn die Angepassten schweigen. Menschen wie euch, die nicht bereit sind darüber zu diskutieren, ob man Menschen einfach ertrinken lassen sollte.
Leider fällt es uns viel zu oft schwer, im Handgemenge zwischen praktischer Hilfe und Abwehrkämpfen einen Schritt zurück zu gehen und einen Blick auf das Gesamtbild zu werfen. Vieleicht würden wir dann erkennen, dass es der Kapitalismus ist, den wir täglich praktizieren und in dem wir leben, der solche Fragen notwendigerweise aufwirft. Der uns trotz der im Überfluss vorhandenen Mittel die Frage aufzwingt, ob es sich nicht doch lohnen könnte, Menschen ertrinken zu lassen. Wenn sie nach dem Tod fragen und wir diese verklausulierte Forderung ernsthaft und konsequent mit dem Leben beantworten wollen, müssen wir die Augen öffnen und weiter denken, als bis zur nächsten Rettungsaktion.
Die europäische Abschottungspolitik und die kapitalistische Gesellschaftsordnung sind nicht voneinander trennbar: Die Eu verteidigt an ihren Außengrenzen nicht zuletzt auch ihre wirtschaftliche Vormachtstellung.
Immerhin sprechen sie in den Zeitungen und Pressekonferenzen nun von Gewalt, wenn Nazis Jagd auf Menschen machen. Und sie sprechen schon sehr lange von Gewalt, wenn sich ihnen Antifaschistinnen entgegenstellen, während die Polizei sich zurückzieht. Aber von der Gewalt des Staates wollen sie nichts hören. Die Gewalt, die mit Hundertschaften in Flüchtlingsheime eindringt. Die Haftbefehle herausgibt. Die dem NSU tatenlos zusieht. Die Gewalt für die, die Kriminalisierung der zivilen Seenotrettung nur ein weiteres Puzzleteil der Abschottung ist. Allein dieses Jahr sind mehr als 1.500 Menschen im Mittelmeer durch diese Form der Gewalt gestorben.
Ihrer Vereinzelung und ihrer Ignoranz, ihrem “alle gegen alle”
setzen wir unsere Solidarität entgegen!
An vielen Stellen mangelt es an Solidarität:
in der gesamten Gesellschaft,
gegenüber Geflüchteten,
aber auch im Innenverhältnis der Linken, viel zu viele sind vereinzelt und kämpfen für sich allein und ihre Peergroup.
Gerade jetzt, wo nach dem Willen von Klaus Bouillon ein Ankerzentrum im Saarland entstehen soll, kommt es darauf an, was wir, was die Zivilgesellschaft solchen Entwicklungen entgegen zu setzen hat.
Deshalb fordern wir auch die Stadt Saarbrücken auf, sich zum sicheren Hafen zu erklären. Tun wir es den zahlreichen Städten gleich, die sich dem Rechtsruck und der Verrohung entgegenstellen. Wir halten nicht viel von Appellen an diejenigen, die das Elend verwalten. Und dennoch glauben wir an die Symbolkraft. Daher richten wir uns konkret an die Stadt Saarbrücken: Erklären Sie laut und deutlich, dass Saarbrücken offen ist für Menschen in Not und weisen Sie Ihre Behörden an, nicht mitzumachen bei der Internierung Geflüchteter und der Abschottung unserer Gesellschaft.
Wir möchten keine Sammlungsbewegung sein, in der es gleichgültig ist, ob man sich heute im Sinne der Freiheit äußert und morgen dann doch wieder faschistisch ist. Heute Hüh, Morgen Hott. Nein! Unser Ziel ist eine Gesellschaft, an der alle nach ihren Fähigkeiten und ihren Bedürfnisssen teilhaben können. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen wir all jene mit unserem Widerstand konfrontieren, die das Schlechte durch noch Schlechteres ersetzen wollen und von denen im schlimmsten Fall eine handfeste Bedrohung für uns alle ausgeht.
- Wir brauchen die Seebrücke! Wir brauchen sichere Häfen
- Und wir müssen zusammen kommen und uns kennen lernen! Wir müssen uns austauschen! Und gemeinsam kämpfen!
- Für eine Welt, in der wir ohne Angst verschieden sein können!