Die Saarlouiser Politik leugnet bis heute hartnäckig das rassistische Motiv der Ermordung Samuel Yeboahs. Dabei beruft sich der Saarlouiser Oberbürgermeister Roland Henz (SPD) ausgerechnet auf die Ermittlungsbehörden, die das Verfahren nach nicht einmal einem Jahr ergebnislos einstellten. Da nichts ermittelt wurde, lag schließlich auch kein rassistisches Motiv vor, so die zynische Argumentation der Lokalpolitik.
In einem offenen Brief an den Saarlouiser Oberbürgermeister Roland Henz (SPD) hatte die Antifa Saar / Projekt AK gemeinsam mit Kooperationspartner_innen die politisch Verantwortlichen der Stadt Saarlouis aufgefordert, endlich ein würdiges Gedenken an den bei einem rassistischen Brandanschlag in Saarlouis ermordeten Samuel Yeboah zu verwirklichen und das rassistische Tatmotiv als solches öffentlich zu benennen.1 In seiner Antwort weigerte sich OB Henz jedoch beharrlich, den rassistischen Hintergrund der Tat anzuerkennen und zeigte sich vor allem um den Ruf der Stadt Saarlouis besorgt. Er wolle „seine Stadt“ nicht in einem Atemzug genannt haben mit Städten, in denen vergleichbare Anschläge „zweifelsfrei“ rassistisch motiviert gewesen seien. Demgegenüber gibt Henz in einem Interview des Deutschlandradios zum Besten, dass er 1991 als Stadtverordneter in Saarlouis durch den Brandanschlag „erschüttert“ gewesen sei. Damals, so der heutige Oberbürgermeister, habe „keiner geglaubt, dass es nicht rassistisch ist“. Was seine Meinung zu ändern vermochte, verrät Henz nicht, stellt aber einen Satz später im gleichen Interview fest: „Es gab keine eindeutigen Hinweise auf eine rassistische Tat“.2
Das Saarlouiser Rathaus beruft sich dabei auf die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens. In der Saarbrücker Zeitung3 berichtete der Leiter des Landeskriminalamtes Harald Schnur über die damaligen Ermittlungen und räumte zunächst ein, dass der Brandanschlag auf die Unterkunft Samuel Yeboahs in einer Zeit geschah, in der es auch im Saarland eine Vielzahl von Angriffen und Anschlägen auf Flüchtlingsheime gegeben habe. Zugleich erklärte Schnur, dass die Ermittlungen „ergebnisoffen“ geführt worden seien, also auch „andere Tatmotive“ wie „beispielsweise eine Beziehungstat“ in Betracht gezogen worden seien. Der damals zuständige Staatsanwalt erklärte auf Nachfrage einer Journalistin am Telefon: „Yeboah? Nie gehört!“4
Dieser blanke Zynismus und Rassismus der Ermittlungsbehörden ist aus den Ermittlungsverfahren bezüglich der vom „Nationalsozialistischen Untergrund (NSU)“ begangenen Morde nur zu gut bekannt: Die Ermordung von neun Migranten mit der gleichen Schusswaffe ließ bei Polizei, Staatsanwaltschaft und Öffentlichkeit mitnichten alle Alarmglocken schrillen, dass hier Nazis mordend durchs Land ziehen könnten. Viel lieber suchten die Behörden „ergebnisoffen“ die Täter auf Seiten der Freunde und Familien der Opfer und gründeten eine Sonderkommission mit dem Namen „Bosporus“. Die Medien bezeichneten die Taten als „Döner-Morde“. Bis zum Auffliegen der „NSU“-Terrortruppe konnten Politik und Ermittlungsbehörden bezüglich der vom „NSU“ Ermordeten sich also ebenso bequem dahinter verstecken, dass es keine Hinweise auf eine rassistische Motivation gäbe.
Es kann nicht sein, was nicht sein darf
Mit gleicher Argumentation und in bester Vogel-Strauß-Manier verschließt sich die Saarlouiser Politik bis heute der Bezeichnung der Ermordung Samuel Yeboahs als rassistische Tat. Solange keine „Hakenkreuzschmierereien, ein Bekennerschreiben oder gar ein Täter“ als Beweis für eine rassistische Tat vorlägen, könne auch nicht von einer rassistisch motivierten Tat gesprochen werden, so die Argumentation. Den Widerspruch, dass die Ermordung Yeboahs selbst von der Polizei als „fremdenfeindliche Tat“ geführt werde, vermag LKA-Schnur nicht aufzulösen.5 Auch die Bundesregierung bezeichnet die Ermordung Samuel Yeboahs als „rechts motivierte Gewalttat“.6
Die Argumentation des Saarlouiser Oberbürgermeisters Henz und des saarländischen LKA-Chefs Schnur ist also nichts weiter als der gescheiterte Versuch einer Reductio ad absurdum: Die Ermittlungen im Fall der Ermordung Samuel Yeboahs wurden wie beim „NSU“ angeblich „ergebnisoffen“ geführt und es wollten sich „keine Beweise für eine fremdenfeindliche Tat“ finden lassen. Das Verfahren wurde bereits nach 11 Monaten eingestellt. Somit gilt für OB Henz der Umkehrschluss, dass ein rassistisches Tatmotiv auszuschließen sei und „seine Stadt“ nicht mit Städten wie Hoyerswerda oder Eberswalde in einem Atemzug genannt werden dürfe.
Saarlouis und seine brutalen Nazis
Wenn der Saarlouiser Oberbürgermeister in seiner Antwort schreibt, Saarlouis sei „keine Hochburg der Rechtsextremen“, so ist auch dies eine bewusste Verdrehung der Tatsachen. Saarlouis war während der 1990er Jahre sehr wohl Brennpunkt faschistischer Aktivitäten in Westdeutschland, die Nazis von damals wohnen auch heute noch in Saarlouis und haben ihre menschenverachtende Ideologie nicht im Geringsten abgelegt.
Erinnert sei in diesem Zusammenhang an ein im „Stern“ 19867 erschienenes Interview unter anderem mit zwei Saarlouiser Nazis. Auf den von Nazi-Skinheads in Hamburg brutal ermordeten türkischen Migranten Ramazan Avci angesprochen, antworteten die Saarlouiser Skins: „Die Skins, die das gemacht haben, haben das einzige Mal in ihrem Leben das Richtige gemacht.(…) Die Aktion in Hamburg finde ich genial. Ich war begeistert, als ich das in der Zeitung gelesen habe und habe mich geärgert, dass ich nicht dabei war. (…) Ich bin dafür, dass wir öfter mal einen Türken platt machen.“
Fünf Jahre später wurden die unverhohlenen Drohungen zur mörderischen Realität in Saarlouis, als die Unterkunft der Geflüchteten in Brand gesteckt wurde und Samuel Yeboah wenig später seinen Brandverletzungen erlag.
Am nunmehr 25. Todestag Samuel Yeboahs war es dann mit Markus Karl-Heinz Mang wieder ein Saarlouiser Nazi, der mit seinem Auto mit unzweideutigem Kennzeichen (SLS – H 1933) an dem Friedhof anzutreffen war, auf dem Samuel Yeboah beerdigt ist.8 In den Augen von Oberbürgermeister und Ermittlungsbehörden sicherlich nichts als ein weiterer Zufall.
1https://antifa-saar.org/2016/08/24/offener-brief-an-saarlouiser-oberbuergermeister-henz/
2http://ondemand-mp3.dradio.de/file/dradio/2016/09/15/tod_durch_brandstiftung_der_fall_samuel_yeboah_drk_20160915_1346_8db40060.mp3
3Saarbrücker Zeitung vom 19.09.2016, Seite A2: Wer ermordete Samuel Yeboah? Online:
http://www.saarbruecker-zeitung.de/politik/themen/Saarbruecken-Saarlouis-Auslaenderwohnheime-Einwanderer-Fluechtlinge-Krawalle-Migranten-Mord-Staedte;art2825,6253898
4http://ondemand-mp3.dradio.de/file/dradio/2016/09/15/tod_durch_brandstiftung_der_fall_samuel_yeboah_drk_20160915_1346_8db40060.mp3
5Saarbrücker Zeitung vom 19.09.2016, Seite A2: Wer ermordete Samuel Yeboah? Online:
http://www.saarbruecker-zeitung.de/politik/themen/Saarbruecken-Saarlouis-Auslaenderwohnheime-Einwanderer-Fluechtlinge-Krawalle-Migranten-Mord-Staedte;art2825,6253898
6Deutscher Bundestag, Drucksache 16/14122 vom 07.10.2009, Seite 7
http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/16/141/1614122.pdf
7Der Stern 4/1986: Terror der Skins.
8https://antifa-saar.org/2016/09/20/gedenken-am-25-todestag-von-samuel-yeboah/