Buchvorstellung: Krieger und Gelehrte – Herbert Marcuse und die Denksysteme im Kalten Krieg

Mon­tag, 5. Dezem­ber 2011
19.00 Uhr
Galerie im Filmhaus
Mainz­er Str. 8, Saarbrücken

Was haben linke Intellek­tuelle wie Her­bert Mar­cuse, Otto Kirch­heimer und Franz Neu­mann mit den amerikanis­chen Geheim­di­en­sten zu tun? Anfang der 1940er Jahre nimmt eine Gruppe linksin­tellek­tueller Emi­granten zusam­men mit ihren amerikanis­chen Kol­le­gen, u.a. den His­torik­ern Stu­art Hugh­es und Carl Schorske oder dem Sozi­olo­gen Bar­ring­ton Moore, ihre Arbeit für den amerikanis­chen Kriegs­ge­heim­di­enst, das Office of Strate­gic Ser­vices (OSS), auf. Der demokratis­che Sozial­is­mus der Emi­granten verbindet sich mit dem Linkslib­er­al­is­mus der »New Deal«Denker, was sich zu Beginn des Kalten Krieges in Forschungs- und Strate­giepa­pieren nieder­schlägt, die im US-Außen­min­is­teri­um gegen die Block­kon­fronta­tion opponieren und für eine Entspan­nungspoli­tik optieren. Von den Geheim­di­en­sten wird Wis­sen, das von der offiziellen Lin­ie abwe­icht, ger­adezu gesucht, es ist von Anfang an inte­graler Bestandteil der Kul­tur des Kalten Krieges. Wis­senschaftliche Aufk­lärung, Geg­n­er­forschung und psy­chol­o­gis­che Kriegführung sind das Geschäft der Gelehrten im Staatsapparat.

Am Anfang geht es um das nation­al­sozial­is­tis­che Deutsch­land, nach Kriegsende weit­et sich der Ein­satz auf das gesamte Europa und die Sow­je­tu­nion aus. Die Arbeit der linken Denker find­et Anerken­nung, per­son­elle Net­zw­erke entste­hen. Sie erschließen der Gruppe im Kalten Krieg insti­tu­tionelle Ressourcen, die ihnen entwed­er den Weg in die uni­ver­sitäre Welt der Vere­inigten Staat­en bah­nen oder die Fort­set­zung ihrer Forschung unter dem Schirm der Rock­e­feller-Stiftung ermöglichen, häu­fig in verdeck­ter oder offen­er Koop­er­a­tion mit dem State Depart­ment und auch der CIA.
Sind vielle­icht sog­ar Kon­ti­nu­itäten zwis­chen Mar­cus­es geheim­di­en­stlich­er Geg­n­er­forschung und sein­er Kri­tik der west­lichen Mod­erne, die er seit Beginn der 1960er Jahre radikalisierte, zu entdecken?

Ein­drück­lich beschreibt Tim B. Müller, dass der Kalte Krieg auch ein Krieg der Ideen und des Wis­sens gewe­sen ist, dessen Dynamik in die wis­senschaftliche Forschung auf ganz andere Weise hinein­wirk­te, als bish­er angenom­men wurde. Die linksin­tellek­tuelle Gruppe um Her­bert Mar­cuse, Vor­bild des stu­den­tis­chen Protests von 1968, erfährt eine fun­da­men­tale Neuin­ter­pre­ta­tion, indem sie hier erst­mals in ihrem his­torischen Kon­text des frühen Kalten Krieges dargestellt wird.

Veranstalter_innen: Hein­rich Böll Stiftung Saar, Stiftung Demokratie Saar­land, Cri­Think! e.V., Antifa Saar / Pro­jekt AK

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