Saarbrücker Zeitung vom 16.12.2003
Brauner Rock im “Backstein”
Die Skinhead-Band “Jungsturm” gab am Samstag in Niederwürzbach ein Konzert — Mütter in Sorge um ihre Kinder
Die Skinhead-Musikgruppe “Jungsturm” sorgt seit Sonntag in Blieskastel-Niederwürzbach für helle Aufregung. Gab die rechtsextreme Neonazi-Band in einem örtlichen Lokal doch ungeniert ein Konzert.
Blieskastel (red). Dem 30-jährigen ausländischen Studenten (Name und Wohnort bekannt) stand gestern Mittag beim Joggen um den Niederwürzbacher Weiher noch die Angst im Gesicht geschrieben. Stockend erzählt der junge Mann, was er in der Nacht von Samstag zum Sonntag vor der nahe gelegenen Gaststätte “Zum Backstein” in der Bezirksstraße bemerkt hat. Etwa 30 Personen mit kurz geschorenen Haaren seien nach und nach zu später Stunde in die Kneipe gegangen, die nach längerer Schließung am 12. Dezember wieder eröffnet worden war. “Die Musik war grauenhaft. Ein einziger Hass auf Ausländer, Kirchgänger, Sportler, demokratische Parteien und Politiker. Mir läuft es jetzt noch eiskalt den Rücken herunter.” Die Angst des Südeuropäers scheint berechtigt. Denn in dem Gasthaus konzertierte die berüchtigte Neonazi-Band “Jungsturm”.
Die Gruppe sang wohl Lieder ihrer CD “Wir bleiben deutsch”. Der neue Pächter der Kneipe, Philipp Orlemann, gab sich wortkarg, bestätigte nur den Namen der Gruppe, und dass nach dem Konzert auch CDs verkauft wurden. Polizisten der Polizeiinspektion Blieskastel fuhren bis zum frühen Morgen mehrmals an dem Lokal vorbei, da bei ihnen ein Anruf wegen Ruhestörung eingegangen war. Sie stellten vor Ort jedoch keine Straftaten fest. Die Anzeige eines Nachbarn, die zu dem anrückenden Polizeiwagen-Korso geführt habe, sei unberechtigt, so der Wirt. Von den rechtsextremen Umtrieben der Neonazi-Gruppe wisse er nichts.
Beim Landesamt für Verfassungsschutz wird das Konzert jedoch sehr ernst genommen. Direktor Helmut Albert erzählte unter anderem auch über konspirative Methoden der rechten Szene, die vor allem über Konzerte versuche, an Jugendliche heranzukommen. “Für viele ist deren Musik der Einstieg in die rechtsextreme Szene.” So wurden am Samstagabend bei der Gaststätte niederländische und dänische Kfz-Kennzeichen gesichtet, auch NK‑, WND- und SLS-Nummern. Der Staatsschutz hat die Ermittlungen aufgenommen. Namen und Adressen von Band-Mitgliedern nannte der Wirt nicht. Er plane aber bereits ein zweites Konzert mit der Band. Das Gegröle vom Samstag konnte die Polizei aus rechtlichen Gründen nicht auflösen. Die Band sei ja nicht verboten, heißt es beim LKA. Das mag stimmen, doch die Skinheads können ihr menschenfeindliches Gedankengut “offiziell” via Internet verbreiten. So gelangen Jugendliche über das Internet auf Seiten übelster brauner Soße, auf denen Menschen auf unterstem Niveau beleidigt und verleumdet werden.
Niederwürzbachs Ortsvorsteher Albert Welsch, selbst Polizist, will dem zweiten Konzert einen Riegel vorschieben. “Wir werden niemals hinnehmen, dass sich im Ort eine rechtsextreme Szene breit macht, Konzerte dieser Art stattfinden, und wir in Verruf geraten.” Beim städtischen Ordnungsamt will er unverzüglich anfragen, ob das Konzert angemeldet war, und ob man dem Pächter schnellstmöglich die Konzession entziehen könne. “Ich dulde in unserem Ort kein Lokal für Neonazis.” Die Polizei will das Lokal im Auge behalten. Immerhin liege der Verdacht sehr nahe, dass “Jungsturm” strafbare Lieder gesungen hat.
Eine 40-jährige Frau meint: “Am besten wäre es, die Kneipe würde heute noch dicht gemacht und dem Pächter, dessen dunkle Vergangenheit von seiner Mimbacher Kneipe ohnehin viele kennen, fristlos gekündigt. Das Lokal ist eine Gefahr für unsere Jugend. Mein Kind darf niemals in die rechtsextreme Szene abdriften.” Der gesamte Orts- und Stadtrat sei aufgefordert, dem Skinhead-Treiben in der Kneipe möglichst schnell ein Ende zu bereiten. Ähnlich äußerten sich auch viele Vertreter örtlicher Vereine.