Etwa 150 Menschen versammelten sich heute auf dem Kleinen Markt in Saarlouis um Samuel Yeboah zu gedenken. Vor 29 Jahren wurde dieser durch einen rassistischen Brandanschlag im Saarlouiser Stadtteil Fraulautern ermordet. Der Kundgebungsplatz war gut gefüllt, was nicht zuletzt daran lag, dass die Teilnehmer*Innen den anberaumten Mindestabstand zueinander aufgrund der Corona-Pandemie konsequent einhielten. In den Reden ging es dieses Jahr vor allem darum, Zusammenhänge darzustellen. So betonten wir in unserem Redebeitrag das Versagen der polizeilichen und städtischen Behörden, die 29 Jahre lang leugneten, dass es sich beim Tod von Samuel Yeboah um einen rassistischen Mord handelte. Dass immer wieder von Vertreter_innen der Stadt bis hin zu den Grünen die Existenz einer rechten Szene in Saarlouis geleugnet und erst jetzt wieder Ermittlungen aufgenommen wurden.
Seit Anfang der 90er Jahre existierte im Saarland eine rechte Terrorstruktur. Neonazistische Gruppen, wie die FAP und Blood & Honour, waren feste Größen im Saarland und bundesweit vernetzt. Saarlouis war ein organisatorischer Schwerpunkt dieser Gruppierungen, deren Nachfolgeorganisationen, wie z.B. die Hammerskins bis heute noch im Saarland aktiv sind.
Auch darauf weisen antifaschistische Gruppen seit über 30 Jahren immer wieder hin und haben sogar ganze Broschüren und Bücher zu dem Thema veröffentlicht (Kein schöner Land 2000; Heimatgeschichten 2016). Selbstverständlich hoffen wir darauf, dass die neu aufgenommenen Ermittlungen die Täter von damals zu Tage fördern. Und auch die dahinterstehende rechte Terror-Organisation muss ausfindig gemacht und zerschlagen werden.
Allerdings glänzten die Behörden bislang eher mit Vertuschung und ihrer Verharmlosungsstrategie. Da die Ermittlungen – auch gegen die eigenen Leute von damals – nach wie vor beim saarländischen Landeskriminalamt liegen, steht zu befürchten, dass man dort dieser Tradition treu bleiben wird. Umso wichtiger war es heute wieder Öffentlichkeit zu schaffen. Auch stellt sich die Frage: Was wusste der saarländische Inlandsgeheimdienst? Spätestens seit dem sogenannten „NSU-Skandal“ ist klar, dass Behörden wie der Verfassungsschutz eng in den Aufbau und der Aufrechterhaltung rechter Terrornetzwerke verflochten sind. Das wird im Saarland nicht anders sein. Wer stellt jetzt sicher, dass dort nicht die entsprechenden Akten im Papierschredder landen, falls nicht schon längst geschehen?
Erich Später von der Heinrich-Böll-Stiftung Saar stellte in seiner Rede die Verbindung zwischen dem Nicht-Gedenken an Samuel Yeboah und der nach wie vor omnipräsenten Gedenkkultur gegenüber Protagonisten des kolonialen Deutschlands, wie dem gebürtigen Saarlouiser Lettow-Vorbeck, und des Nazi-Regimes, wie beispielsweise Hermann Röchling, her. Beides seien nur zwei Seiten der gleichen Medaille.
In den Reden von FemUp und der Linksjugend.Solid Saar wurden die rassistischen und neonazistischen Kontinuitäten bis heute aufgezeigt und an die Morde von Halle und Hanau erinnert. Der rechte Terror habe weder 1990 erst begonnen, noch sei er 2020 zu Ende, stehe zu befürchten. Deshalb müsse der Kampf gegen neonazistische Strukturen umso intensiver geführt werden. Die Seebrücke Saar betonte in ihrem Beitrag, dass auch die Geschichte der Hetze gegen Geflüchtete sich bis heute fortsetze. Aktuelles Beispiel sei das Versagen der Europäischen Union bei der Aufnahme von Geflüchteten aus Moria. Auch ein Grußwort aus Zweibrücken wurde verlesen, wo am heutigen Samstag ein Nazi-Fackelmarsch stattfinden soll. Die Organisator_innen der dortigen Gegenproteste wünschten unserer Kundgebung viel Erfolg. Im Gegenzug wurde dort heute auch eine Grußbotschaft von uns verlesen.
Zum Abschluss sprach die Gruppe ConnAct noch einmal in aller Deutlichkeit die Notwendigkeit an, den antifaschistischen Selbstschutz zu organisieren. Die Nazis müssten wieder Angst bekommen, Nazis zu sein, und dabei dürfe man sich nicht auf staatliche Behörden verlassen, betonte eine Sprecherin der Gruppe. Nach etwas mehr als einer Stunde erklärten die Veranstalter_innen die Kundgebung für beendet. Von unserer Seite ist zu betonen, dass es jetzt gilt Augen und Ohren offen zu halten und aktiv auf die Aufklärung des Mordes an Samuel Yeboah zu drängen.
Bildet antifaschistische Gruppen und/oder schließt Euch bestehenden Gruppen an!
Eure Antifa Saar / Projekt AK
19. September 2020