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Ehemalige NPDler gründen Landesverband von Nazipartei „Die Rechte“
Die organisierten Neonazis im Saarland sind zerstritten: im Streit um den Führungsstil des NPD-Vorsitzenden, die offene und juristisch angreifbare NS-Verehrung einer Burbacher Nazi-Wirtin, oder die Zusammenarbeit mit spazierwütigen Gewalttätern kehren so manche Führungsmitglieder der NPD den Rücken und gründen ihren eigenen Naziverein. Neben diversen „Bürgerinitiativen“ zählt dazu auch der Versuch, die bundesweit aktive Nazipartei „Die Rechte“ im Saarland zu etablieren.
Was ist „die Rechte“?
Die Nazipartei „Die Rechte“ wurde im Jahr 2012 gegründet. Initiatoren der Gründung waren vor allem ehemalige Mitglieder der DVU („Deutsche Volksunion“), die nach der Fusion der DVU mit der NPD im Mai 2012 nicht zur NPD übertreten wollten. Daneben spielen führende Mitglieder der militanten Kameradschaftsszene eine zentrale Rolle: der langjährige Hamburger Naziaktivist Christian Worch ist Gründungsmitglied und aktueller Parteivorsitzender, in Bayern wird der Landesverband von „Die Rechte“ von dem mehrfach vorbestraften Nazi Philipp Hasselbach angeführt. In Nordrhein-Westfalen, wo die Partei ihren mitgliedsstärksten Landesverband hat, trat im September 2012 nahezu die gesamte Führungsriege des verbotenen „Nationaler Widerstand Dortmund“ (NWDO) um Dennis Giemsch und Michael Brück der Partei bei. Bei einer Razzia in Bamberg und Nürnberg im Oktober 2015 hob die bayrische Polizei eine neonazistische Terrorzelle aus, der auch mehrere Mitglieder von „Die Rechte“ angehörten. Sichergestellt wurden unter anderem Waffen und Sprengstoff. Die Partei „Die Rechte“, deren Logo und Name sich nicht zufällig an der Partei „Die Linke“ orientieren, fungiert als Auffangbecken sowohl für Nazis, die von den anderen Rechtsparteien enttäuscht wurden, als auch für jene, die nach Vereinsverboten einen neuen, legalistischen Rahmen für ihre Aktivitäten suchen.
Wer steckt im Saarland dahinter?
Im Saarland lassen sich erste Aktivitäten von „Die Rechte“ für Ende des Jahres 2014 feststellen. Nach parteiinternen Querelen traten Ingo Kämmer und Elfi Kämmer-Klopp aus Saarbrücken-Ensheim aus der NPD aus fanden ihre neue politische Heimat bei „Die Rechte“. Im Frühjahr 2015 orientierten sich weitere NPD-Kader in Richtung des entstehenden Landesverbandes von „Die Rechte“. Das erste „offizielle Treffen“ des Landesverbandes in spe fand am 24. Oktober 2015 statt. Organisiert wurde die Versammlung von Dirk Schmidt aus Ensdorf, der zuvor einer der maßgeblichen Akteure der Dillinger Nazibande „Sturmdivision Saar“ und bis vor kurzem Vorstandsmitglied der NPD Saar war. Weitere ehemalige NPD-Aktivisten, die nun den Aufbau der „Die Rechte“ im Saarland unterstützen, sind etwa Thomas und Petra Rausch, ein Ehepaar aus Spiesen-Elversberg. Thomas Rausch engagierte sich als NPD-Aktivist an Infoständen und nahm an Parteiveranstaltungen teil. Ebenfalls als Unterstützer der Partei tritt Thomas Klein aus Riegelsberg auf, der auch schon an Sagesa-Veranstaltungen teilnahm.
„Die Rechte“ im Saarland betreibt zwei inhaltlich identische Internetseiten (dierechtesuedwest.de und saarlandwahl2017.de), deren Domains — wie auch die Webseite des „Nationalen Widerstands Zweibrücken“ — auf den Pirmasenser Marko Vogt registriert sind. Inhaltlich verantwortlich für die Domains zeichnet Michael Idir, der sich bereits in Frankfurt und Trier für verschiedene Nazigruppierungen engagiert hat und aktuell Vorsitzender der „Die Rechte“ in Rheinland-Pfalz ist. Im Impressum der Webseiten taucht ebenfalls der Mathias Meyer auf, der sich seit Jahren in der Kameradschaftsszene bewegt und das Postfach der Partei betreibt. Meyer organisierte am 14. November 2015 eine Kundgebung vor der Saarbrücker „Europagalerie“, die den ersten öffentlichen Auftritt der Partei im Saarland markierte. An der Kundgebung nahmen lediglich etwa 10 Nazis teil, darunter auch die Nazi-Wirtin und Vorsitzende des NPD-Ortsverbands Saarbrücken-Burbach, Jacqueline „Jacky“ Süßdorf, und der aus dem nordrhein-westfälischen Herne stammende „HoGeSa“-Aktivist Andreas „Kalle“ Kraul.
Bewertung & Ausblick
Spannungen innerhalb der rechten Szene, die keineswegs geradlinig verlaufen, führen zum Entstehen neuer Gruppierungen. Die Vormachtsstellung der NPD, die sie über ihre Partei-Infrastruktur und ihre maßgeblich von Sascha Wagner (Thaleischweiler-Fröschen, Südwestpfalz) betriebene Vorfeldorganisation „Saarländer gegen Salafisten“ (Sagesa) ausübt, beginnt zu schwächeln. Auseinandersetzungen zwischen Wagner und Jacqueline Süßdorf, die in einer öffentlichen Denunziation der Party zum Geburtstag Adolf Hitlers in Süßdorfs Kneipe „Jacky’s“ am 20. April 2015 durch Wagner gipfelten, führten zu einer Abwendung Süßdorfs und ihres Ortsverbandes von „Sagesa“. Zusammen mit Michael Bütikofer, der auf dem Saarbrücker Rothenbühl als „unabhängiger Vermögensberater“ arbeitet, initiierte Süßdorf eine „Bürgerinitiative Bündnis Saar“, die allerdings bislang noch nicht eigenständig in Erscheinung getreten ist. Auf Parteienebene entsteht nun aus größtenteils ähnlicher Motivation „Die Rechte“ als Konkurrenz zu Peter Marx und seiner NPD Saar.
Es ist davon auszugehen, dass sich Personen aus dem Umfeld von Dirk Schmidt, wie etwa Markus Mang (ehemalige „Kameradschaft Saarlautern“, NPD), der Partei „Die Rechte“ anschließen werden. Andere, darunter seine Tochter Cindy Schmidt (vormals „Sturmdivision Saar“, NPD) und der Kameradschaftsaktivist Nikolas Hohenfels (NPD-Aktivist; versuchte „Sturm 18“ im Saarland aufzubauen), haben diesen Schritt bereits gemacht und sind der Partei beigetreten. Durch die Abwendung mehrerer aktiver Kader dürften die Strukturen der NPD Saar erheblich geschwächt werden, und es ist fraglich, ob Marx und seine verbliebenen Anhänger die Lücken schließen können. Die Aufspaltung der „nationalen Bewegung“ weg von einer starken Partei mit Führungsanspruch hin zu vielen Klein- und Kleinstgruppierungen bedeutet jedoch nicht zwangsläufig eine Schwächung der Naziszene.
Die verschiedenen Angebote, die diese Gruppierungen der rechten Szene machen, könnten auch zu einer Reaktivierung von Nazis und Sympathisanten führen, die sich aus persönlichen oder politischen Gründen von der NPD abgewandt hatten.
Es gilt, sich nicht nur über die vermeintliche oder tatsächliche Lächerlichkeit der saarländischen Nazis lustig zu machen, sondern die Entwicklungen der Szene weiterhin genau zu beobachten, zu analysieren und die diversen Nazi-Gruppierungen überall dort, wo sie auftreten, mit allen notwendigen Mitteln zu bekämpfen.
Antifa Saar / Projekt AK im Dezember 2015