Am 9. November 2015 begaben sich Antifaschist_innen nach Riegelsberg, um dort den Opfern der Novemberpogrome zu gedenken. Anlass dieses Gedenken gerade in Riegelsberg stattfinden zu lassen, gab eine Diskussion um ein auf dem Waldfriedhof geplantes Denkmal, das namentlich an die Gefallenen des Zweiten Weltkriegs erinnern sollte. Dabei stand im öffentlichen Diskurs vor allem die Frage, ob man SS-Angehörigen genau so wie Wehrmachtssoldaten erinnern sollte, im Vordergrund, während vollkommen außer Acht gelassen wurde, dass diese sich am Vernichtungskrieg Nazi-Deutschlands ebenso beteiligten. Wir wiesen bereits an anderer Stelle auf diesen Widerspruch hin.1
Zuallererst besuchten Antifaschist_innen besagten Waldfriedhof, um sich ein Bild von der dort geplanten Gedenkstätte machen zu können. Die Präsenz an Erinnerungsplätzen für gefallene Soldaten ist überragt die Szenerie. Allein das Gräberfeld für die Gefallenen des Ersten Weltkriegs nimmt fast den gesamten Platz ein. Überragend groß ist ein Findling, der gesondert an die Gefallenen beider Weltkriege erinnert. Demgegenüber ist der Gedenkstein für in Riegelsberg gestorbene Zwangsarbeiter klein und unauffällig halb von einer Hecke überwuchert.
Auf diesem Stein werden die aus der Ukraine nach Riegelsberg verschleppten Zwangsarbeiter im NS-Jargon auch noch „Ostarbeiter“ genannt. Ca. 50 von ihnen wurden dort in Sammelgräbern vergraben. Wenig bis nichts ist über die Ursache ihres Todes bekannt. Unter den Toten ist auch ein Kleinkind und eine 78-jährige Frau, woran deutlich wird, dass es den Nazis neben der Zwangsarbeit, die unter den widrigsten Bedingungen (Ostarbeitererlasse) ablief, vor allem auch um die Vernichtung dieser Menschen ging.2 An dem Gedenkstein wurde ein Blumenstrauß mit antifaschistischer Widmung abgelegt.
Nächster Anlaufpunkt war die Kirchstraße 20, vor der erst kürzlich Stolpersteine des Künstlers Gunter Demnig verlegt wurden. Diese Stolpersteine sind in Messing gehüllte Betonquader, die vor den ehemaligen Wohnorten der Opfer des NS-Terrors wie Pflastersteine in den Boden eingelassen werden. Auf diesen stehen Name, Geburtsdatum und biographische Daten der Deportierten. Es handelt sich hierbei um eine Form des Gedenkens, die deutschlandweit vor allem durch Privatleute und Vereine angeregt wurde. So ist auch das Aktionsbündnis „Stolpersteine für Riegelsberg“ auf viel Widerstand gestoßen bis im April 2015 endlich im Rahmen einer Gedenkfeier an drei Stellen in Riegelsberg jene verlegt wurden.3 Vor Ort wurde ein Blumengesteck abgelegt und kurz darüber diskutiert, wie klein der Raum ist, auf dem an die Verbrechen der NS-Diktatur in Deutschland erinnert wird.
Letzte Station war der eigentliche (Gedenk-)Stein des Anstoßes, der Hindenburgturm in der Wolfskaulstraße, der von der Initiativgruppe um Dietmar Braun als Kernstück der Erinnerung in Riegelsberg gesehen wird. Gelächter machte sich breit bei der Vorstellung, dass diese Hässlichkeit die saarländische Lokalpolitik so beschäftigte, dass sie 1997 mit einem enormen finanziellen Aufwand sogar umfangreich renoviert wurde.4 Auf der angebrachten Infoplakette wird die Tatsache, dass es sich um einen Nachbau des Hindenburgturms und somit um ein Nazidenkmal5 handelt, wohlwissend verschwiegen. Stattdessen wird dieser uminterpretiert als ein „Mahnmal gegen Krieg“. Es ist natürlich höchst fragwürdig, dass der Hindenburgturm als eine Teilkopie des Reichsehrenmals Tannenberg, das einzig dazu diente, dem NS-Totenkult zu frönen, als Erinnerung als den Frieden herhalten kann.
Um die Hindenburg-Initiative ist es bislang sehr ruhig geworden. Dietmar Braun wollte sich nach einem Radio-Interview, in dem er von „Umvolkung“ sprach und verlangte, dass sowohl SS- als auch Wehrmachtsangehörige die gleiche Ehrerbietung empfangen sollen, nicht mehr öffentlich äußern. Nachdem sich alle Fraktionen von den Äußerungen Brauns distanzierten, gab es auch keine Presse mehr zu dem Thema.6. Jedoch widmet sich am Mittwoch ein Beitrag des SR-Kulturspiegel dem Thema.7 Ein solcher Vorgang ist, wie Erich Später von der Heinrich Böll Stiftung in einem Radiointerview betonte, als bundesweit einmalig zu bezeichnen und es ist abzuwarten, wie sich diese provinzielle Peinlichkeit weiterentwickelt.
1Vgl. hierzu Artikel Antifa Saar Projekt AK
2http://www.erinnert-euch.de/index.php?id=1741
3http://www.saarbruecker-zeitung.de/saarland/koellertal/Riegelsberg-Kultur-Stolperstein-Stolpersteine-Historiker-Familie-Jude;art4784,4818210; http://www.saarbruecker-zeitung.de/saarland/koellertal/riegelsberg/riegelsberg/Riegelsberg-Gunter-Demnig-NS-Zeit-NS-Regime-Holocaust-Gedenken-Talstrasse-Kirchenstrasse-Stolpersteine;art446776,5713967
4http://www.riegelsberg.de/Sehenswuerdigkeiten.147.0.html
5https://de.wikipedia.org/wiki/Tannenberg-Denkmal
6http://sr-mediathek.sr-online.de/index.php?seite=7&id=36192
7http://www.sr-online.de/sronline/sr_fernsehen/sendungen_a_-_z/kulturspiegel/index.html