Update 22.10.2014: Stellungnahme von Thomas Lutze (MdB, Die Linke) und Kommentar
Als „Worst Case“ bezeichnet man im Englischen den schlechtesten oder den ungünstigsten (anzunehmenden) Fall. Anders kann man auch die „Wahl“ eines NPD-Vertreters in den Rechtsausschuss des Regionalverbands Saarbrücken am 25. September 2014 nicht bezeichnen.
Niemand geringeres als der langjährige Bundesgeschäftsführer der NPD sowie Mitglied im Stadtrat Saarbrückens für die NPD Peter Marx darf sich mit etwaigen Einsprüchen von Bürger_innen gegen Entscheide und Bescheide des Regionalverbandes – dessen Aufgaben sind mit einem Kreistag vergleichbar — beschäftigen und so seine „Bürgernähe“ demonstrieren.
Möglich wurde seine Wahl durch ein Zerwürfnis innerhalb der Links-Fraktion in der Regionalversammlung. Dort torpedierten zwei der fünf linken Fraktionsmitglieder die zuvor festgelegten Personalbeschlüsse, wonach die Linke vier Beisitzer in den Rechtsausschuss entsenden könne. Mit durchschlagendem Erfolg. Denn erst aufgrund der Ablehnung des Konsens-Vorschlages zwischen den Parteien, konnte auch der NPD-Abgeordnete und Rechtsanwalt Peter Richter einen Kandidatenvorschlag einreichen, nämlich Peter Marx, den Landesvorsitzenden der NPD Saarland, der auch prompt die anschließende Auslosung gewann.
„Worst Case“ zeterte das Fraktionsmitglied und Ehrenamtliche Beigeordnete des Regionalverbandes Dagmar Trenz daraufhin und bemühte sich schleunigst um Schadensbegrenzung. „Wurstkäse“ konterte der Wortführer der Minderheitler Sigurd Gilcher, der den Fall herunterzuspielen versuchte. Pikanterweise ist dieser auch noch Landesgeschäftsführer der Linken und lässt nun in der demokratischen Öffentlichkeit die Frage aufkeimen, welche „Geschäfte“ er tatsächlich betreibt bzw. „führt“, um beim Thema zu bleiben. Denn schon als Ouvertüre für diese Schmierenkomödie gab es Shakehands vor Beginn der Sitzung des Regionalverbandes mit NPD-Rechtsanwalt Peter Richter wie Beobachter berichteten. Ein nicht nur für linke Politiker völliges Unding.
Dafür „rächte“ sich Gilcher durch jede Menge Schmähungen gegen seine Kollegin Trenz, der er seinerseits „Brunnenvergiftung“ vorwarf und allen Ernstes in einer selbst gestammelten und an alle Mitglieder versandten Verteidigungsschrift eine gewisse Unachtsamkeit für sich in Anspruch nahm, was wohl das Urteil über ihn abmildern soll. Immerhin gilt Gilcher seit vielen Jahren als begnadeter Büttenredner in der Karnevalszeit. Ein Pfund mit dem er jetzt wucherte und – laut Facebook-Eintrag — für exzessive Feierlaune bei der NPD sorgte.
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Kommentar zur Stellungnahme von Thomas Lutze:
Wir dokumentieren an dieser Stelle die Darstellung unseres Freundes und Genossen Thomas Lutze (MdB, Die Linke) zu den hier geschilderten Vorgängen. Es soll an dieser Stelle nicht verschwiegen werden, dass wir der politischen Einschätzung der Situation nach wie vor kritisch gegenüber stehen. Gut ist, dass sich von Seiten der Partei Die Linke im Saarland mit diesem Vorfall auseinandergesetzt wird und man dabei auch die Öffentlichkeit nicht scheut.
Dennoch teilen wir insbesondere die Einschätzung nicht, dass “den Fakt der fraktionsinternen Uneinigkeit als schuldhaftes Versagen gegen die Ausgrenzung der Nazi-NPD darzustellen, […] politischer Unsinn” ist. Es kann von Mitgliedern einer Partei, die sich selbst als antifaschistische gibt, erwartet werden, dass jeder Anschein der Unterstützung für Nazis vermieden wird. Tatsächlich ist es also schuldhaft unterlassen worden sich fraktionsintern zu einigen, im vollen Bewusstsein der Tatsache, dass dadurch ggf. auch ein NPD-Abgeordneter zum Zuge kommt. Das Abstimmungsverfahren ist ein äußerer Umstand, auf die auch die Abgeordneten keinen Einfluss haben. Schön und gut. Eine bewusste Entscheidung ist es dennoch, die eigenen interne Querelen im Rahmen dieser Abstimmung derart auszutragen, dass dabei eben auch ein Nazi möglicherweise an einen Posten gelangt.
Während man hier noch fraktionsinterne Streitereien gelten lassen kann, die eine gewisse Betriebsblindheit erzeugt haben mögen, so stellt sich dies im Falle der Begrüßung per Handschlag ganz anders dar. Dass Mitglieder eines Parlaments nicht über ihre politischen Gegner in eben diesem Parlament Bescheid gewusst haben sollen, ist schwer zu glauben. Zumindest ist, wenn wie hier beschrieben der Abgeordnete der Partei Die Linke “alle Anwesenden im Raum per Handschlag gegrüßt hatte”, bewusst und billigend in Kauf genommen worden eben auch etwaige Abgeordnete der NPD mit Handschlag zu begrüßen. Wollte man sich hier vom Vorwurf des bewussten und billigenden Inkaufnehmens frei machen, würde nur die Behauptung helfen, überhaupt nicht gewusst zu haben, dass man mit Nazis in einem Parlament sitzt. Eine solche Ignoranz gegenüber der Problematik würde aber nicht weniger schwer wiegen.
Aus unserer Sicht bleibt also auch fernab irgendwelcher Grabenkämpfe innerhalb der Partei Die Linke (die uns herzlich wenig interessieren) und trotz aller Versuche die Sache wieder ins rechte Licht zu rücken ein unangenehmer Beigeschmack zurück.
Wir danken ausdrücklich Thomas Lutze für seine Stellungnahme und die solidarische Kritik, auch wenn wir sie nicht in allen Punkten teilen können.
Keinen Fußbreit den Faschisten!
Antifa Saar / Projekt AK
22. Oktober 2014
Stellungnahme von Thomas Lutze (MdB Die Linke):
Liebe Freundinnen und Freunde,
der auf der Antifa-Saar-Seite veröffentliche Artikel enthält ein paar Fehler, die ihr nicht verursacht habt. Sie gehen mit Sicherheit auf deren Konto, die innerhalb der Partei DIE LINKE eine derartige Debatte losgetreten haben. Hier die Fakten:
DIE LINKE hat in der Regionalversammlung (Kreistag) Saarbrücken derzeit fünf Mandate und stellt seit 2009 eine Fraktion. Intern gibt es seit Monaten kaum noch einen Zusammenhalt, was ausnahmslos persönliche und keine politisch-inhaltlichen Ursachen hat. Unschön, passiert aber. Nach der Kommunalwahl wurde dieser Zustand nicht besser, eher im Gegenteil.
Nach der Sommerpause wurden auch in diesem Parlament die Ausschüsse gewählt, so auch der Rechtsausschuss. Dafür konnten die Fraktionen Vorschlagslisten einreichen. Im parlamentarischen Normalfall sind sich die großen und mittleren Fraktionen einig und bestätigen gegenseitig einstimmig ihre Listen. Kleinstfraktionen und Einzelabgeordnete gehen dann leer aus.
Nun wurde noch vor der entscheidenden Sitzung der Regionalversammlung den Beteiligten der Linksfraktion deutlich, dass es unter den fünf Abgeordneten keine Einigung bezüglich ihrer eigenen Liste gibt. Das ist unschön, aber durchaus nicht unüblich. Keine Einigkeit heißt, dass zwei Abgeordnete angekündigt hatten, diese Liste nicht zu unterstützen und anstatt einen eigenen Vorschlag einzubringen. Dies wiederum kündigt aber das Gesamtprinzip der Einstimmigkeit unter den Listeneinreicher/innen auf, was zu Einzelwahlen führt.
Die im Artikel Beschuldigten hatten aber sehr wohl die drei anderen über ihre Absicht informiert und darum gebeten, durch eine Korrektur im Personalvorschlag der Fraktion noch eine Einstimmigkeits-Einigung hinzubekommen. Das wurde von der Fraktionsmehrheit abgelehnt. Wer trägt denn nun die Verantwortung am entstandenen Ergebnis? Die zwei oder die drei? Gute Frage. Vielleicht auch der Fraktionsvorsitzende, dessen Aufgabe es gewesen wäre, eine gemeinsame Lösung zu suchen, anstatt auf der Seite der Mehrheit auf Konfrontation zu gehen? Auf jeden Fall führe dieses Hin-und-her dazu, dass die Ausschussmitglieder in einem anderen Verfahren gewählt wurden, wie keine Einstimmigkeit vorlag. Sokam es, dass sich in einem letzten Wahlgang sieben Kandidaten via Los um vier Plätze bewarben. Bei dieser Verlosung gewann auch der NPD-Nazi einen der vier Sitze.
Nun aber den Fakt der fraktionsinternen Uneinigkeit als schuldhaftes Versagen gegen die Ausgrenzung der Nazi-NPD darzustellen, ist politischer Unsinn. Man kann vom Parlamentarismus halten was man will: Wenn aber ein Abgeordneter eine Liste wählen muss, nur weil er im Falle der Nichtwahl befürchten muss, dass dann ein NPD-Nazi durch Losglück gewinnen könnte, wird es abstrus. Was anderes wäre es gewesen, wenn ein Abgeordneter der Linken den NPD-Nazi gewählt hätte. Und wenn dieses Argument ziehen würde, dann träfe es zumindest ebenso auf die drei anderen Abgeordneten zu, da sie ebenfalls nicht im Stande waren, sich auf eine gemeinsame Liste zu einigen und somit die Einstimmigkeit herzustellen, die eine Einzelwahl zzgl. Losverfahren verhindert hätte.
Und um diese antifaschistische Untreue bildhaft zu bekräftigen, wird einem der Abgeordneten vorgeworfen, einen NPD-Nazi per Handschlag begrüßt zu haben. Unser Abgeordneter hat darauf angesprochen klar gesagt, dass er diese Person nicht kannte und alle Anwesenden im Raum per Handschlag gegrüßt hatte. Auch dieses Konstruieren eines Vorwurfs durch Parteimitglieder der Linken, die ich teilweise noch nie auf einer Antifa-Demo gesehen habe, ist mehr als unpolitisch.
Sei´s drum. Die Frage einer antifaschistischen Grundhaltung wird hier von einigen Mitgliedern meiner Partei künstlich instrumentalisiert, um innerparteiliche Machtkämpfe auszuspielen. Dass sie dabei die Ernsthaftigkeit antifaschistischen Handels kontrakarieren ist die Schattenseite eines derartigen Handelns.
Solidarische Grüße,
Thomas Lutze, MdB