Dokumentation des Berichts von “PK Saar” auf linksunten.indymedia.org
Saarlouis. Am heutigen Freitag, 19. September, wurde die Saarlouiser Straße im Stadtteil Fraulautern von mehreren Aktivisten in Samuel-Yeboah-Straße umbenannt. Die Bewohnerinnen und Bewohner der Straße wurden mit einem Brief über die Änderung ihrer Anschrift informiert. Anlass ist der Todestag von Samuael Kofi Yeboah. Am Tag genau vor 23 Jahren starb der damals 27jährige Ghanaer bei einem Brandanschlag auf ein Asylbewerberheim in der Saarlouiser Straße. Zeitgleich zur Straßenumbenennung erinnerte eine Antirassimusgruppe in der Saarbrücker Bahnhofstraße mit einem Infostand an die Ereignisse der Todesnacht. Unbekannte setzten in der Nacht vom 18. auf 19. September 1991 das Treppenhaus des Heims mit Benzin in Brand und versperrten so den Bewohnern den Fluchtweg. Yeboah konnte nur noch tot in seinem Zimmer geborgen werden, zwei weitere Flüchtlinge aus Nigeria wurden verletzt.
Auch wenn von Brandstiftung ausgegangen wird, dementiert die Stadtverwaltung bis heute einen rassistisch motivierten Hintergrund der Tat. Beweise oder Indizien lägen nach offizieller Auffassung nicht vor. Dass es dafür aber nicht immer ein Bekennerschreiben braucht, haben die jüngst bekanntgewordenen Taten des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) gezeigt.
Der Brandanschlag ereignete sich in der Hochzeit der saarländischen Neonaziszene. Saarlouis zählte in den 1990ern, nicht zuletzt durch die überregional aktive Kameradschaft Horst Wessel Saarlautern, zu den rechtsextremen Brennpunkten in Westdeutschland. Organisierte Strukturen wurden von der Stadtverwaltung konsequent geleugnet und als “rechte Skinclique” verharmlost. Mit dem Projekt “Akzeptierende Jugendarbeit” wurden diese Strukturen letztlich sogar unterstützt und gefördert.
Der Brandanschlag in der Saarlouiser Straße war der fünfte Angriff auf ein Flüchtlingsheim in der Stadt seit 1987. Bereits einen Monat zuvor brannte der Eingangsbereich eines Heims in Saarlouis-Roden. Im Oktober des selben Jahres griffen bewaffnete Naziskinheads die Flüchtlingsunterkunft in der Saarlouiser Gutenbergstraße an, welches im August 1992 erneut zum Ziel eines Brandanschlages wurde. Diese Vorfälle reihen sich ein in die Liste rassistisch motivierter Angriffe in der gesamten Bundesrepublik, darunter die Progrome, die zeitgleich im sächsischen Hoyerswerda stattfanden.
Auch nach über 20 Jahren gelingt es der Stadt Saarlouis nicht ein würdiges Gedenken an Samuel Kofi Yeboah zu finden. Eine zum zehnten Jahrestag des Anschlags von einem breiten antifaschistischen Bündnis am Rathaus der Stadt angebrachte Gedenktafel wurde umgehend entfernt. Der Veranstalter der damaligen Demonstration wurde von der Stadt auf Schadensersatz verklagt. Eine später am Grab des Ermordeten angebrachte Tafel solle als Erinnerung ausreichen. Ein aktives öffentliches Gedenken an die Opfer der Tat durch eine Tafel am Ort der Ereignisse oder einem anderen prominenten Platz lehnt Oberbürgermeister Roland Henz (SPD) weiterhin ab. Aus diesem Grund haben engagierte Bürgerinnen und Bürger beschlossen dem Gedenken durch eine Straßenumbenennung Ausdruck zu verleihen. Dieser symbolische Akt soll ein Anstoß sein, der Mahnung und dem Gedenken der Geschichte von Saarlouis einen gebührenden Platz einzuräumen. Es liegt an der Stadt dem gerecht zu werden.
Zu einem Image als weltoffene und gastfreundliche Einkaufs- und Erlebnisstadt gehört die Auseinandersetzung auch mit seiner unrühmlichen Vergangenheit. Schweigen bedeutet Auslöschen der Erinnerung. Es darf kein kaltes Vergessen geben, wenn im Gegenzug Militaristen wie Henning von Holtzendorff und Eduard von Knorr oder Völkermörder wie Paul von Lettow-Vorbeck geehrt werden.
Hintergrund:
Der Ghanaer Samuel Kofi Yeboah (6. September 1964 — 18. September 1991) starb im Alter von 27 Jahren bei einem Brand in einem Asylbewerberheim in Saarlouis-Fraulautern. Gegen 3:30 Uhr brach im Treppenhaus des ehemaligen Hotel “Weißes Röss’l” in der Saarlouiser Straße ein Feuer aus. Zum Zeitpunkt des Brandes befanden sich 19 Asylbewerber in dem Gebäude. Durch das Feuer wurden zwei weitere Flüchtlinge aus Nigeria verletzt.
Die Kriminalpolizei geht von Brandstiftung aus da bei der Untersuchung Spuren von Brandbeschleunigern gefunden wurden. Laut Zeugenaussagen entfernte sich ein silberfarbener PKW wenige Minuten vor Ausbruch des Feuers vom Flüchtlingsheim mit quietschenden Reifen. Da es weder ein Bekennerschreiben noch andere Indizien gab, schließt die Stadtverwaltung eine rassistisch Motivierte Tat aus.
Anfang der 1990er Jahre gilt Saarlouis als Hochburg der rechtsextremen Szene im Saarland und wird durch die Aktivitäten der Neonazikameradschaft Horst Wessel Saarlautern auch überregional bekannt. Der Löwenpark in Saarlouis galt zeitweise als sogenannte “National Befreite Zone”, in der rechtsextreme Skinheads die Kontrolle hatten und Bürger mit ausländischer Herkunft, linker Gesinnung und Homosexuelle um ihre körperliche Unversehrtheit fürchten mussten.
In den Landkreises Saarlouis und Saarbrücken werden allein in den Jahren 1991/92 über 20 Anschläge und Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte verzeichnet, so unter anderem zwischen dem 14. und 21. April 1991 gleich drei Mal in Schwalbach, am 20. August 1991 in Saarlouis-Roden, am 18./19. September Saarlouis Fraulautern, am 19. September Saarwellingen, am 29. September 1991 in Jägersfreude, am 9. Oktober 1991 in Altenkessel, am 11. Oktober 1991 in Saarlouis, am 14. Oktober 1991 in Wadgassen, am 11. Juli 1992 in Schwarzenholz, am 28./29. August 1992 in Saarlouis, am 14. September 1992 in Wadgassen, am 21. September 1992 in Bübingen, 22. September 1992 am Saarwellingen, am 4. und 7. November 1992 in Saarbrücken und am 20. November 1992 in Völklingen. Die Täter konnten nie ermittelt werden.