Am vergangenen Mittwoch, den 6. Mai, wurde ein saarländischer Antifaschist vom Saarbrücker Amtsgericht erstinstanzlich zu einer Bewährungsstrafe verurteilt.
Dem Aufruf der Antifa Saar / Projekt AK, den Prozess kritisch zu begleiten und Solidarität mit dem Angeklagten zu zeigen, folgten über 20 Personen. Die Justiz versuchte die Prozessbeobachter_innen durch penible Einlasskontrollen einzuschüchtern. Daran anknüpfend beobachtete die politische Polizei (Staatsschutz) den Prozessverlauf und die Unterstützer_innen genau.
Zu Beginn des Prozesses verlas der Anklagte eine Prozesserklärung,in der er versuchte die Vorwürfe politisch einzuordnen und zu analysieren. Insbesondere thematisierte er das aggressive Auftreten der Polizei am 10.Mai 2014 in Völklingen. Die Polizei hatte damals gewaltsam einen Blockadeversuch bei einem Aufmarsch der Sturmdivision Saar unterbunden. Zuvor fielen Beamte u.a. durch sexistische Beleidigungen („Fotze“) und rassistische Verharmlosungen des in Polizeigewahrsam begangenen Mordes an Oury Jalloh auf. Auf anschließende Nachfrage nach der Dienstnummer des Beamten, weigerte sich dieser — wenig überraschend – diese herauszugeben und drohte dem Antifaschisten stattdessen mit den Worten „Komm doch her und hol sie dir“. An den Umständen der Ereignisse im vergangenen Mai zeigte das Gericht jedoch kein Interesse. Insbesondere die Staatsanwältin behauptete weiterhin die Verfolgung von Straftaten durch Polizeibeamte sei durch den Rechtsstaat gewährleistet und müsse durch diesen erfolgen. Eine Erklärung, wie das in der vom Angeklagten geschilderten Situation funktionieren solle, konnte sie jedoch nicht geben.
Das Verfahren wegen eines vermeintlichen Angriffs auf eine Polizeistreife im Nauwieser Viertel in der Silvesternacht 2013/2014 wurde bereits zu Beginn der Verhandlung eingestellt. Im Ergebnis wurde der Betroffene in erster Instanz zu einer Freiheitsstrafe von 8 Monaten verurteilt, die zur Bewährung ausgesetzt wurde.
Dass Polizeigewalt, auch wenn sie sich wie an diesem Tag gegen Gewerkschafter_innen und Parteipolitiker_innen richtet, so gut wie nie geahndet wird, ist Alltag. Die Verurteilung des Saarbrücker Beamten im vergangenen November wegen gefährlicher Körperverletzung und Verfolgung Unschuldiger im Umfeld der Proteste gegen die Priebke-Mahnwache 2013 ist da eine der sehr seltenen Ausnahmen. Stattdessen wird Polizeizeugen häufig vorbehaltlos geglaubt und, wie in diesem Fall, noch wohlwollend erwähnt, dass die Beamten kein „besonderes Verfolgungsinteresse“ an den Tag gelegt hätten. So passiert es, dass selbst absurde Vorwürfe von Widerstandshandlungen vom Gericht übernommen werden und trotz gegenteiliger Äußerungen des Angeklagten den Beschreibungen der Beamten von einem friedlichen Tag im Mai geglaubt wird. Daran änderte auch die Tatsache nichts, dass einer der geladenen Beamten davon überzeugt war, an diesem Tag in Saarbrücken seinen Dienst verrichtet zu haben.
Auch und gerade weil die Kriminalisierung antifaschistischen Protests und die Verharmlosung von Polizeigewalt gegenwärtig Alltag ist, gilt es sich weiterhin aktiv gegen diese Zustände zu wehren und sie zu thematisieren, wie es der Angeklagte am vergangenen Mittwoch getan hat. Es ist nur allzu verständlich, dass sich viele in solchen Situationen eben nicht auf den Rechtsstaat verlassen wollen, sondern es als wichtig erachten, sich Nazis aktiv entgegenzustellen. Deshalb unterstützen wir auch weiterhin alle von Repression betroffenen Antifaschisten und zeigen uns solidarisch mit denen, die sich Nazi in den Weg stellen.
Der Versuch einiger Bediensteter des Gerichts die Einschüchterungsversuche vom Beginn weiterzutreiben sorgte im Zuschauerraum für kurzzeitige Diskussionen. Diese wollten im T‑Shirt eines antifaschistischen Prozessbeobachters die Verwendung verfassungsfeindlicher Kennzeichen beobachtet haben und diskutierten aufgeregt, ob man ihn nach der Verhandlungspause wieder in den Saal lassen solle. Woran es letztendlich lag, dass man sich diese Blöße nicht geben wollte, ist bisher unklar.