Ca. 20 Antifaschist_innen protestierten lautstark gegen das in Schiffweiler stattfindende Nazikonzert von Kategorie C. Der Bürgermeister der Stadt, Markus Fuchs, der vollkommen dabei versagte, das Konzert zu verhindern, feindet die Demonstrierenden an.
Am Freitagabend des 22.2.2019 haben im saarländischen Schiffweiler ca. 20 Antifaschist_innen lautstark gegen das Konzert der Naziband Kategorie C protestiert. Mit einem Transparent positionierten sie sich gut wahrnehmbar gegenüber des Veranstaltungsortes, riefen antirassistische Parolen und beschimpften und outeten die anreisenden Nazis, die von der Polizei wieder einmal geschützt wurden.
Schon während des Vormittags des selben Tages wurde klar, dass der in Saarbrücken als Finanzberater auftretende Michael Bütikofer und der Sulzbacher Nazi-Schläger Alexander Flätgen eine Shisha-Bar in Schiffweiler für den Auftritt der Balladenformation um den Neonazi Hannes Ostendorf angemietet hatten. Bütikofer hatte das Konzert in einer Rundmail als “saugeilen üblen Nazi-Musikabend” selbst geoutet, wodurch bereits vorher klar wurde, wo das Konzert stattfinden sollte. Darüber hinaus erreichten die Antifa Saar / Projekt AK Informationen, dass Staatsschutz und Polizei dem Pächter des Ladens die Option, das Konzert auch wirklich stattfinden zu lassen, nahelegten. Im Nachgang stellten sich diese Gerüchte als wahr dar. Die Polizei dementierte zwar, gab aber paradoxerweise zu, dass sie alle Optionen mit dem Pächter diskutiert und ihm zugesagt hatte, dass dieser das Konzert unbesorgt stattfinden lassen könne, da die Polizei mit “entsprechender Manpower” vor Ort sei, um ihn vor den anreisenden Nazis zu beschützen.
Als dann später die ersten Antifaschist_innen vor der Lokalität in der Pestalozzistraße ankamen, hatten sich dort bereits ca. 40 Schiffweiler Bürger_innen eingefunden. Die SPD im Gemeinderat hatte dazu aufgerufen, „sprichwörtlich Flagge“ gegen Rassismus zu zeigen. Die so herbeigerufenen standen mit Bierdosen und ‑flaschen auf der gegenüberliegenden Straßenseite und begafften die nach und nach aus dem ganzen Bundesgebiet angereisten Nazis. Dem Protest der Antifaschist_innen schlossen sich einige wenige Schiffweiler_innen eher zögerlich an. Der ebenfalls anwesende Bürgermeister Markus Fuchs wurde vor Ort von einigen kritischen Demonstrierenden auf seine Tatenlosigkeit angesprochen und öffentlich kritisiert.
Statt nun am weit über die Stadt hörbaren Protest der Antifaschist_innen teilzunehmen, wiegelte der angetrunken wirkende Fuchs, der nicht nur ein ehemaliges Mitglied der Polizei, sondern auch des Grenzschutzes und des GSG 9 war1, die anwesenden Schaulustigen gegen die Antifaschist_innen auf und bepöbelte diese. Dem ihn umgebenden Tross aus den Reihen der SPD genügte es des Weiteren, sich abwechselnd am Streit des Bürgermeisters mit kritischen Demoteilnehmer_innen zu beteiligen oder das Geschehen auf der gegenüberliegenden Straßenseite stumm und mit Bierflasche in der Hand zu verfolgen, um ja nicht den Verdacht zu erwecken, sich durch ein laut gerufenes „Nazis raus“ mit den Demonstrierenden gemein zu machen.
Auch im Nachgang entblödeten sich Polizei und Bürgermeister nicht, die Antifaschist_innen als die eigentlichen Störenfriede auszumachen und im Gegenzug die aus dem gesamten Bundesgebiet angerückten Nazis zu verharmlosen. Der Presse gegenüber verschaffte Fuchs seinem eigentlichen Feindbild Luft: Die Antifa sei „durch aggressives Verhalten und verbale Angriffe aufgefallen“, während Peter Müller von der Polizei Neunkirchen die Nazis in Schutz nimmt und die Presse beruhigt, dass der neonazistische Sänger Hannes Ostendorf „sich nur von einer Gitarre begleiten“ ließ und es an diesem Abend „keine Rockmusik“ gegeben habe.2 „Für uns war das ein gelungener Einsatz, der reibungslos ablief. Es ging keine Flasche zu Bruch” so äußerte sich in diesem Zusammenhang Müller zufrieden. Anscheinend bereitete es ihm besonderes Glück, dass er und seine Kolleg_innen wieder zum Gelingen einer Naziveranstaltung beigetragen haben.
Wer sich beim Kampf gegen Nazis auf solche Menschen verlässt, dem ist nicht mehr zu helfen! Es sollte in einer Zeit, in der fast wöchentlich Nazis in den unterschiedlichsten Formationen und Fronten öffentlich in Erscheinung treten, in den Parlamenten sitzen, Übergriffe auf Migrant_innen und Andersdenkende an der Tagesordnung sind und in Polizei und Bundeswehr rechte Strukturen und Schattenarmeen aufgedeckt werden, eigentlich klar sein, dass bei einem Auftritt einer der prominentesten Neonazibands die Lautstärke derselben nicht das eigentliche Problem sein kann.
Das eigentliche Problem ist, dass überhaupt eine Band wie Kategorie C, deren Sänger 1991 bei einem Übergriff auf ein Flüchtlingsheim beteiligt war, die sich eine volksdeutsche Fußballnationalmannschaft herbei phantasiert und die sich in ihren Texten das Deutsche Reich zurück sehnt, in Schiffweiler einen Raum zur Verfügung gestellt bekommt und dass die Polizei die anreisenden Publikumsgäste, die bereits vom nächsten Genozid träumen, auch noch beschützt. Besonders problematisch ist, dass die gewählten Vertreter und ihre Polizei bei aller Untätigkeit immer noch genügend Energie haben, die einzigen Menschen anzufeinden, die gegen die Nazis auf die Straße gehen und mit ihrem Protest unerhörterweise die Nachtruhe stören.
Wer sich dieser Tage fragt, wie ein gesellschaftlicher Rechtsruck aussieht, findet in Schiffweiler, wo ein Ex-Polizist in seinem Amt als Bürgermeister bei Neonazis untätig bleibt, dafür aber antifaschistischen Protest dämonisiert und zu verunmöglichen versucht, ein treffendes Beispiel. Doch hat sich an diesem Abend auch gezeigt, dass sich nicht alle Schiffweiler_innen von dem Bürgermeister für dumm verkaufen lassen und sie es sich auch nicht gefallen lassen, wenn Nazis in ihrer Stadt gastieren. Das Verhalten des Bürgermeisters und der Polizei muss ein Nachspiel haben. Nicht nur hat sich wieder einmal gezeigt, dass ihrerseits beim Kampf gegen Nazis keine wirkungsvollen Maßnahmen zu erwarten sind, sondern dass sie zudem auch noch ein besonderes Interesse daran haben, rechte Veranstaltungen stattfinden zu lassen und zudem antifaschistischen Gegenprotest zu behindern und zu kriminalisieren.
Für alle Nazigegner_innen wäre es in Zukunft sicher hilfreicher, wenn der Bürgermeister in Schiffweiler, so unnütz er für die Verhinderung des Konzertes war, wenigstens nicht mehr im Weg stünde!
1 Im Interview der Saarbrücker Zeitung berichtet Markus Fuchs von seiner Zeit bei den verschiedenen Einheiten: https://www.saarbruecker-zeitung.de/saarland/neunkirchen/schiffweiler/60-geburtstag-des-schiffweiler-buergermeister-markus-fuchs_aid-35058703
2 Siehe SOL-Artikel. https://www.sol.de/news/update/News-Update,334761/Schiffweiler-Geheimer-Balladenabend-von-Kategorie-C-in-Heiligenwald-Vorwuerfe-gegen-Polizei-und-Gemeinde,334805 Auch im Anzeigenblättchen der Gemeinde finden sich ähnliche Töne. https://httpdownload.wittich-foehren.de/167/167.pdf (S.3)