Pogrome verhindern, bevor sie entstehen! Organisiert den antifaschistischen Selbstschutz!
Samstag, 16. Juli 2016, 14 Uhr
Hoyerswerda-Platz, Dillingen
In der Woche vom 17. bis um 22. September 1991 tobte in der ostsächsischen Stadt Hoyerswerda, der Partnerstadt Dillingens, der deutsche Mob: Bis zu 500 Menschen belagerten fünf Tage lang ein Wohnheim von Vertragsarbeiter_innen und eine Flüchtlingsunterkunft, skandierten rassistische Parolen und versetzten die Bewohner_innen in Todesangst. Unter dem Applaus und mit der Unterstützung zahlreicher Anwohner_innen warfen schließlich dutzende Neonazis Steine und Molotow-Cocktails auf die Unterkünfte. Die Polizei war — wie so oft — nicht in der Lage oder nicht Willens, die Täter_innen zu stoppen. Schließlich wurden die Betroffenen, die unter anderem aus Vietnam, Rumänien, Ghana, Iran und Bangladesch stammten, mit Bussen aus Hoyerswerda abtransportiert. Damit hatte sich der braune Mob am Ende des fünften Tages durchgesetzt und konnte Hoyerswerda zur „ersten ausländerfreien Stadt“ Deutschlands erklären. Das Pogrom von Hoyerswerda war kein Einzelfall, sondern der Auftakt zu einer jahrelang anhaltenden Welle der rassistischen Gewalt im wiedervereinigten Deutschland, die neben hunderten Verletzten zahlreiche Todesopfer forderte. Während der Mob in Hoyerswerda tobte, schritten auch im tiefen Westen der BRD Nazis zur tödlichen Tat. Eines der ersten Todesopfer dieser rassistischen Mobilmachung war Samuel Yeboah, der am 19. September 1991 durch einen Brandanschlag in Saarlouis-Fraulautern ermordet wurde und an den wir im Rahmen unserer Kampagne „Hass hat Konsequenzen“ erinnern wollen. Doch nicht nur auf der Straße setzte sich der rassistische Mob durch. Vielfach wurden die Gewalttaten des deutschen Mobs schon damals zu „berechtigten Ängsten und Nöten besorgter Bürger“ verklärt und als Anlass für eine Reihe rassistischer Gesetzesänderungen genommen, unter anderem der faktischen Abschaffung des Grundrechts auf Asyl — ein weiterer Beleg dafür, dass Rassismus nicht nur die Denkweise einiger Dorf-Nazis bestimmt, sondern fest in der Mitte der deutschen Gesellschaft verwurzelt ist.
Doch nicht nur die Ereignisse von Hoyerswerda führen uns am 16. Juli nach Dillingen. Mit der Kundgebung wollen wir auch ein Schlaglicht auf ein Denkmal im Dillinger Hüttenwald werfen. Das „Ehrenmal“, welches in den Jahren 1934/35 für die Gefallenen des ersten Weltkrieges errichtet wurde, war von Anfang an ein klares Bekenntnis der Saarländer_innen zum Nationalsozialismus, was durch die Inschrift »Ihr Opfer war nicht umsonst – denn aus ihm erwuchs der Geist Adolf Hitlers« unterstrichen wurde. Aus diesem Grund war es aus antifaschistischer Sicht erfreulich, dass das „Ehrenmal“ im Jahr 1944/45 durch alliierten Beschuss zerstört wurde. Doch damit war das „Ehrenmal“ leider noch nicht endgültig erledigt. Im Jahr 1957 wurde es – diesmal für die „Toten aller Kriege“ – im Rahmen einer revisionistischen Agenda von ehemaligen Mitgliedern der NS-Funktions- und Vernichtungseliten wieder aufgebaut. Und so wundert es wenig, dass zwar die Hakenkreuze und die Widmung an Adolf Hitler nicht erneuert wurden, das Denkmal jedoch sonst kaum verändert wurde. Und es wundert noch weniger, dass bei der offiziellen Einweihung des Denkmals im Jahr 1958 zwei besonders zwielichtige Gestalten sprachen: Bei dem einen handelte es sich um den bis heute hoch verehrten späteren Ministerpräsidenten des Saarlandes, Franz Josef Röder, der bereits zum 1. August 1933 Mitglied der NSDAP wurde. Der zweite Redner war der mehrfach ausgezeichnete Wehrmachtsoffizier Hans Ulrich Rudel, der nach dem Krieg unter anderem NS-Kriegsverbrecher wie Josef Mengele bei ihrer Flucht unterstützte. Doch anstatt das „Ehrenmal“ endgültig niederzureißen oder es wenigstens im Wald verrotten zu lassen, wird es bis heute gepflegt und dient Gruppierungen von der Partei „Die Rechte“ bis zum Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge als Anlaufpunkt für ihre revisionistische Erinnerungskultur.
Und dies zeigt auch, dass sich Neonazis in Dillingen wohl fühlen können. Die Stadt entwickelt sich immer mehr zu einem infrastrukturellen Schwerpunkt der extremen Rechten im Saarland. Nicht nur die Kameradschaft „Sturmdivision Saar“ hatte mit der (mittlerweile geschlossenen) Kneipe „Pumpe“ ihren logistischen Schwerpunkt vor Ort. Seit Sommer 2015 nutzen die neonazistische „Kameradschaft 13. Januar“ und die „Hammerskins“ ein von ihnen erworbenes ehemaliges Restaurant in der Stadt und führen dort Nazi-Veranstaltungen durch. Dies gilt es so rasch wie möglich zu unterbinden!