Wehrmachtsdenkmal in Riegelsberg

In Riegels­berg ist es ein­er revi­sion­is­tis­chen Ini­tia­tiv­gruppe gelun­gen, ihre Vorstel­lun­gen ein­er Gedenkplat­te für die deutsche Wehrma­cht im Ort­srat durchzuset­zen. Die Kri­tik der Oppo­si­tion und der saar­ländis­chen Medi­en geht in die falsche Richtung.

Verbrechen der Wehrmacht: Vom Infanterieregiment 15 (mot.) erschossene polnische Kriegsgefangene in Ciepielów (9. September 1939)

Ver­brechen der Wehrma­cht: Vom Infan­teriereg­i­ment 15 (mot.) erschossene pol­nis­che Kriegs­ge­fan­gene in Ciepielów (9. Sep­tem­ber 1939)

Bere­its vor zwei Jahren sorgte die Ini­tia­tiv­gruppe „Hin­den­burgturm“ aus Riegels­berg für all­ge­meine Irri­ta­tion, als ihr Sprech­er Diet­mar Braun sein Bestreben, dort am 8. Mai einen Fack­elzug zu ver­anstal­ten, in der kom­mu­nalen Ver­wal­tung durchzuset­zen ver­suchte. Zus­tim­mung gab es damals schon von SPD-Bürg­er­meis­ter Klaus Häusle, der von der Idee, den „Opfern“ zu gedenken, sehr begeis­tert war und die Idee so gut fand, dass er sie gle­ich im Ort­srat durch­winken lassen wollte.1

Während Poli­tik­er der CDU Riegels­berg wie der Ortsvorste­her Heiko Wal­ter die Idee als „sehr lobenswert“2 beze­ich­nen, reagieren die im Ort­srat vertrete­nen bürg­er­lichen Parteien jedoch eher ver­hal­ten.3 Die Abge­ord­nete der Linken störte sich an dem mil­itärischen Moment und lehnte den Vorschlag ab „weil das Geld kostet“4 und der SPD-Sprech­er begrün­dete seine Absage damit, dass für die „Opfer des Zweit­en Weltkrieges“ bere­its „ein Mah­n­mal auf dem Fried­hof“5 existiere. Auch der Ortsvorste­herin Rom­mel stieß die mil­i­taris­tis­che Kom­po­nente der Feier sauer auf und sagte den Ter­min „aus Zeit­grün­den“6 schließlich ab. Stephan Lehberg­er (Grüne) lehnte eben­falls eine solche Ver­anstal­tung ab, indem er ein­räumte, dass man ja nicht wisse, „wer Täter und wer Opfer waren“.7

Dass bei Wehrma­chtssol­dat­en über­haupt noch danach gefragt wer­den muss, ob sie Täter oder vielle­icht sog­ar Opfer waren, ist die eine Sache. Bemerkenswert ist vielmehr, dass offen­bar kein­er der Pro­tag­o­nis­ten sich daran störte, dass sowohl mit der Wahl des Ortes als auch der des Zeit­punk­ts eine ein­deutige poli­tis­che Botschaft gesendet wer­den sollte und die Ini­tia­tiv­gruppe Hin­den­burgturm mit dem Ziel, geschicht­sre­vi­sion­is­tis­che Erin­nerungspoli­tik zu betreiben, an den Bürg­er­meis­ter herange­treten ist.

Am „Vic­to­ry in Europe Day“, dem Tag der Befreiung Nazideutsch­lands durch die Alli­ierten sollte also an einem Kriegs­denkmal, mit dem sich Riegels­berg­er einst als Volks­deutsche insze­nierten, ein Trup­pe­nauf­marsch stat­tfind­en? Nicht nur, dass der Turm schon namentlich an den Anti­demokrat­en und Steig­bügel­hal­ter für Hitler Paul Hin­den­burg erin­nert, dieser Turm wurde 1934 als „Beken­nt­nis des unter der Ver­wal­tung des Völker­bun­des ste­hen­den Saarge­bi­etes zu Deutsch­land“ errichtet8; genauer: zu einem Deutsch­land, in dem seit 1933 die Macht­po­si­tion der Nazis mehr und mehr durch Ver­haf­tun­gen und poli­tis­che Morde aus­ge­baut wurde, das­selbe Deutsch­land, zu dem sich das Saar­land schließlich auch in der his­torischen Saarab­stim­mung 1935 mit über 90,73 % Zus­tim­mung bekannte.

Nichts anderes strebte die Ini­tia­tive Hin­den­burgturm an, als — wie viele Nazis an diesem Tag — den 8. Mai nicht als Tag der Befreiung, son­dern als Tag des Gedenkens an die Opfer des Krieges, zu zele­bri­eren. Dass zu diesen Opfern auch die gefal­l­enen Wehrma­chtssol­dat­en zählen, ist an Hohn freilich kaum zu überbieten.

Der Vor­fall wurde wed­er in der Kom­mu­nalpoli­tik, noch im Kul­tur­dez­er­nat, geschweige denn in der Lan­desregierung groß disku­tiert oder skan­dal­isiert. Stattdessen wurde die Fragestel­lung, wie man zukün­ftig den gefal­l­enen Wehrma­chtssol­dat­en gedenken könne, aufgeschoben. Im April des näch­sten Jahres (2014 wurde ein weit­er­er Ver­such von der Ini­tia­tiv­gruppe unter­nom­men, den Hin­den­burgturm als Gedenkstätte zu nutzen, woraufhin der Vorschlag in den Bauauss­chuss befördert wurde. Dort kon­nte die Diskus­sion unter Auss­chluss der Öffentlichkeit weit­erge­hen, ohne weit­ere hässliche Presse­berichte zu provozieren.9

Auf den Weg gebracht wurde somit ein Kom­pro­miss, der vor­sieht, dass zehn Tafeln mit den Namen der Toten auf dem Fried­hof in Riegels­berg ange­bracht wer­den sollen. Als die Presse davon Wind bekam und die Frage stellte, ob unter denen, deren Andenken geehrt wer­den sollte, auch SS-Ange­hörige seien, drehte die Riegeslberg­er Polit­promi­nenz endgültig durch.

Nicht nur dass der Bürg­er­meis­ter sich erneut für das Mah­n­mal stark machte. Er nahm sog­ar die Voll­streck­er des deutschen Ver­nich­tungskrieges in Schutz. „Eine Unter­schei­dung zwis­chen Tätern und Opfern sei heute method­isch gar nicht mehr möglich und auch nicht sin­nvoll“, zitiert ihn der Saar­ländis­che Rund­funk. Außer­dem sei, als würde das die Täter von jed­er Schuld frei sprechen, das Mah­n­mal „ein Mah­n­mal des Friedens“. Ing­bert Horn, Geschäfts­führer der SPD erk­lärt „Die sind alle tot.“, wodurch ein „Ende der Schuld“ erre­icht sei. Die Täter seien nur „in Anführungsstrichen Täter“ und hät­ten somit ein Anrecht auf eine Gedenkstätte. Den­nis Det­zler, der Vor­sitzende der jun­gen Union in Riegels­berg erk­lärte unverblümt, für ihn sei „das The­ma vielle­icht nicht mehr ganz so wichtig“.10

Der Ini­tia­tor selb­st set­zte alle­dem die Kro­ne auf, indem er sich in einem Radioin­t­er­view zudem mit Äußerun­gen über eine ange­bliche „Umvolkung“, die von den Grü­nen aus­gin­ge, und dass diese es auf eine Pro­voka­tion „ethnische[r] Dif­feren­zen“ abge­se­hen hätte, auffiel. Sie, die Sol­dat­en, egal ob SS-Ange­hörige oder nicht, hät­ten „alle Ehrerbi­etung“ ver­di­ent und, als ob das keine Rolle spiele, „egal welch­er poli­tis­ch­er Couleur sie ange­hörten“ „Im Übri­gen“, so führt er in einem weit­eren Inter­view aus, beschwere „sich ja nie­mand darum [sic!] wenn sieben Jahrzehnte nach dem Kriegsende beispiel­sweise Stolper­steine ver­legt wer­den“.11

Dass sieben Jahrzehnte nach Kriegsende in einem von Kriegerdenkmälern, Gedenkplaket­ten, Sol­daten­fried­höfen, Ehren­mälern und Helden­hallen nur so über­säten Land es ohne­hin frag­würdig ist, weit­ere neue einzuricht­en, dass von Seit­en der Ange­höri­gen selb­st an einem solchen Denkmal allem Anschein nach kein Bedarf beste­ht, dass der Hin­den­burgturm vor allem als architek­tonis­che Man­i­fes­ta­tion des Beken­nt­niss­es der meis­ten Saar­län­der zu Hitler-Deutsch­land anzuse­hen ist und somit auch gerne ver­rot­ten kann, dass die Kriegsver­brechen der Wehrma­cht nicht durch den Tod ihrer Ange­höri­gen ver­löschen, dass diese auch keine Opfer, son­dern Täter sind und ihre Opfer mit ihnen auch ohne­hin nicht gle­ichzuset­zen sind, das alles soll ohne­hin als selb­stver­ständlich anzuse­hen sein!

Aber dass Wehrma­chtssol­dat­en in dieser Diskus­sion von den Vertretern aller bürg­er­lichen Parteien in Riegels­berg als „Opfer“ beze­ich­net wer­den, ist der eigentliche Skan­dal, der wed­er in den Auss­chüssen, noch in den eingängi­gen Prov­inzme­di­en the­ma­tisiert wird.

Kein Gedenken den Tätern: Sprengung des Hakenkreuzes auf der Haupttribühne des NSDAP-Reichsparteitagsgelände am 22. April 1945 nach einer Siegesparade der US-Armee

Kein Gedenken den Tätern: Spren­gung des Hak­enkreuzes auf der Haupt­tribühne des NSDAP-Reichsparteitags­gelände am 22. April 1945 nach ein­er Sieges­pa­rade der US-Armee

Die Wehrma­cht war nie ein entide­ol­o­gisiertes Werkzeug der Nazis, das „nur“ Befehle befol­gte. Auch waren ihre mil­itärischen „Leis­tun­gen“ nie ide­olo­giefrei oder unpoli­tisch. Dass die Deutsche Wehrma­cht im Gegen­satz zu der SS fair nach den Bes­tim­mungen des Kriegsrechts gekämpft hätte und unschuldig blieb, ist eine glat­te his­torische Lüge und als die Kriegsheimkehrer 1955 in Fried­land schworen, sie hät­ten „nach den Geset­zen des Krieges“ gehan­delt, so ist dies als „kollek­tiv­er Meineid“12 anzuse­hen.13

Die Leg­ende von der sauberen Wehrma­cht ist ein Geschichtsmythos, der so unhalt­bar er auch ist, von poli­tisch rechts­gerichteten Agi­ta­toren immer noch gepflegt wird. Dass sowohl CDU als auch die SPD Riegels­berg diesen Mythos ungeprüft weit­er­ver­bre­it­en, spricht für sich. Dass sie noch einen Schritt weit­er gehen und die Täter zu Opfer machen, schlägt dem Fass den Boden aus.

Doch was ist geschehen? Haben sich die Mit­glieder als his­torische Laien, die sie offen­sichtlich sind, von einem recht­en Gedenk­fetis­chis­ten über­rumpeln lassen? Sind sie, so wie ihre ange­blich ach so unschuldige Wehrma­cht, in ein Unglück hineingeschlit­tert, von dem sie nichts ahn­ten. Weit gefehlt.

Seit Jahren schon hat Diet­mar Braun sehr gute Kon­tak­te zur Lokalpoli­tik und wirbt dort für den Erhalt und den Aus­bau des Turmes. Und seit Jahren lässt er keinen Gele­gen­heit aus, seine tief­braunen Überzeu­gun­gen zum Besten zu geben.

Umso irri­tieren­der ist, dass die JU Riegels­berg noch im Jahr 2012 eine Besich­ti­gung des Turmes ver­anstal­tet.14 Inter­es­sant ist hier­bei, dass kein gerin­ger­er als Diet­mar Braun, der Vorste­her dieses unseli­gen Pro­jek­tes, die Führung der Jun­gu­nion­is­ten leit­et. Den­nis Det­zler, der Vor­sitzende der Kar­ren­bauer-Jugend kom­men­tiert seine Teil­nahme mit einem „Wir freuen uns“. Wenn dann auf den Fotos, die im Anschluss bei Face­book hochge­laden wer­den, Diet­mar Braun in seinem Trench­coat mit — in Offiziers­man­ier — auf dem Rück­en ver­schränk­ten Armen “mit der wis­senswerten Geschichte des Hin­den­burg-Turmes“ ver­traut macht, kann man sich denken, welch­er revan­chis­tis­che Unfug dort unge­hemmt ver­beit­et wurde.15 Da kann man nur hof­fen, dass, nach­dem im Anschluss „ordentlich geschwenkt“ wurde, dem ein oder anderen die Bock­wurst im Halse steck­en geblieben ist.


Ver­weise:

1Dittgen, Fredy: Stre­it um Feier am Hin­den­burgturm “Ich finde das Ganze zu mil­itärisch”. In: Saar­brück­er Zeitung, ersch. am 18.3.2013. <http://www.saarbruecker-zeitung.de/saarland/koellertal/Riegelsberg-Hindenburgturm-Gedenkfeier-Monika-Rommel;art4784,4698745> am 17.10.15. (Screen­shot)

2Ebd.

4Dittgen: Hin­den­burgturm.

5Ebd.

6Ebd.

7Ebd.

8Touris­ten­in­for­ma­tion der Stadt Riegels­berg: http://www.riegelsberg.de/Sehenswuerdigkeiten.147.0.html am 17.10.15. (Screen­shot)

9Forst, Kai: Stunk um geplante Riegels­berg­er Gedenkstätte. Onlinepub­luka­tion auf SR-Online-Home­page am 5.10.2015. http://www.sr-online.de/sronline/sr3/riegelsberg_gedenkstaette_ns_zeit_kritik100~print.html am 17.10.15. (Screen­shot)

10Saar­ländis­ch­er Rund­funk 2015. Aktueller Bericht vom 29.9.2015: http://sr-mediathek.sr-online.de/index.php?seite=7&id=35831 am 17.10.2015.

11Saar­ländis­ch­er Rund­funk 2015. SR3 Saar­landwelle vom 5.10.2015 http://sr-mediathek.sr-online.de/index.php?seite=7&id=35946 am 17.10.2015.

12Zähe Leg­en­den. Inter­view mit Wol­fram Wette, in: Die Zeit vom 1. Juni 2011, S. 22 http://www.zeit.de/2011/23/Zweiter-Weltkrieg-Sowjetunion (Screen­shot)

13Vgl. hierzu: Später, Erich: Der dritte Weltkrieg.; Gerd R. Ueber­schär: Die Leg­ende von der sauberen Wehrma­cht. In: Wolf­gang Benz, Her­mann Graml, Her­mann Weiß (Hrsg.): Enzyk­lopädie des Nation­al­sozial­is­mus. Klett-Cot­ta, Stuttgart 2007, S. 110F; Chris­t­ian Hart­mann: Wehrma­cht im Ostkrieg. Front und mil­itärisches Hin­ter­land 1941/42. (= Quellen und Darstel­lun­gen zur Zeit­geschichte, Band 75) Old­en­bourg, München 2009, S. 790.

14Home­page der JU Riegels­berg. http://ju-riegelsberg.generation-ju.de/content/news/96307 am17.10.2015. (Screen­shot)