Volksfunk“ vor Gericht

VolksfunkAm gestri­gen Don­ner­stag, 13.03.2014, fand vor dem Schöf­fen­gericht Neunkirchen / Saar die Gerichtsver­hand­lung gegen den Neon­azi Chris­t­ian Ben­der aus Bexbach / Saar statt. Ben­der hat­te im April 2013 für Auf­se­hen gesorgt, als ein­er bre­it­en Öffentlichkeit mehrere von ihm unter dem Pseu­do­nym „Volks­funk“ veröf­fentlichte Videos auf ein­er neon­azis­tis­chen Web­seite bekan­nt wur­den. In diesen Videos wird der Holo­caust geleugnet, zur Befreiung des Holo­caustleugn­ers Horst Mahler und zum bewaffneten Kampf bzw. zu Ter­ro­ran­schlä­gen aufgerufen. Passend dazu schwadronierte Ben­der in einem sein­er zahlre­ichen Videos über den Bau von Split­ter­bomben und deren Effek­tiv­ität. Darüber hin­aus veröf­fentlichte Ben­der auch Steck­briefe von Men­schen, die von ihm als „Antifas“ oder „Naz­i­jäger“ aus­gemacht wur­den mit Name, Anschrift und Fotos in seinen Videos und rief dazu auf, ihm weit­ere Dat­en über Per­so­n­en zukom­men zu lassen. In den Videos ist Ben­der selb­st zu sehen und begrüßt das Pub­likum in der Regel mit „Heil Hitler – Liebe Kam­er­aden und Kam­eradin­nen“ vor ein­er einge­blende­ten Hakenkreuzfahne.

Ben­der war angeklagt, sich auf­grund der Videos der Volksver­het­zung, der Ver­wen­dung ver­fas­sungs­feindlich­er Kennze­ichen sowie dem Aufruf zur Gefan­genen­be­freiung sowie dem Ver­stoß gegen das Sprengstoff- und Waf­fenge­setz schuldig gemacht zu haben. Bei ein­er Haus­durch­suchung wur­den mehr als 200 g Schwarzpul­ver sowie zwei „But­ter­fly“- Mess­er sichergestellt.

Bei der heuti­gen Ver­hand­lung war von „Heil Hitler“ nichts mehr zu hören. Stattdessen räumte er alle Vor­würfe ein und erk­lärte, dass er sich vom Nation­al­sozial­is­mus gelöst und mit „Poli­tik“ nichts mehr zu tun hätte. Kon­takt zur recht­en Szene will er nach eige­nen Angaben nicht gehabt haben, parteipoli­tisch hätte er sich bis vor einem Jahr bei der „NPD“ ein­ge­ord­net. Die Videos seien vor allem ent­standen, um Erfol­gser­leb­nisse und Aufmerk­samkeit zu bekom­men. Der zuständi­ge Richter und die anwe­sende Staat­san­wältin hin­ter­fragten die Aus­sagen nur ober­fläch­lich und macht­en sich nicht die Mühe tiefer gehende Nach­fra­gen über den ver­meintlichen Bruch mit der nation­al­sozial­is­tis­chen Ide­olo­gie, zur Herkun­ft des Schwarzpul­vers oder über seine Inter­net-Kon­tak­te, die ihm „Mate­r­i­al über den Holo­caust“ schick­ten, zu stellen. Auch die von Ben­ders Out­ing-Videos betrof­fe­nen Antifaschist_innen wur­den nur am Rande erwähnt.

Die Staat­san­waltschaft plädierte auf eine Gesamt­frei­heitsstrafe von 2 Jahren auf Bewährung sowie 250 Arbeitsstun­den auf­grund der Dis­tanzierung vom Nation­al­sozial­is­mus und sein­er gün­sti­gen Sozial­prog­nose. Die Vertei­di­gung stellte die Videos lediglich als „Pro­voka­tion“ auf­grund von „Unre­flek­tiertheit“ und „Vere­in­samung“ dar, darüber hin­aus hätte der Angeklagte keine große krim­inelle Energie gezeigt.

Bender´s Aus­sagen scheinen das Gericht überzeugt zu haben. Die Strafe fiel mit 14 Monat­en Gefäng­nis auf Bewährung und 100 Sozial­stun­den deut­lich geringer aus als gefordert. Auch in der Urteils­be­grün­dung wurde wieder auf die im Umgang mit recht­en Tätern bekan­nten Erk­lärungsmuster „fehlende Aufmerk­samkeit“ und „Einzeltäter“ zurück­ge­grif­f­en. Das mit den Videos ver­fol­gte Ziel wären keine Straftat­en, son­dern Aufmerk­samkeit und Anerken­nung gewe­sen, erk­lärte der zuständi­ge Richter. Darüber hin­aus beste­he keine Wieder­hol­ungs­ge­fahr, da er als „isoliert­er Täter“ kein­er Grup­pen­dy­namik aus­ge­set­zt sei. Offen­sichtlich unter­liegt der Richter dem Irrglauben, dass Neon­azis in Deutsch­land nur dann zu Mord & Totschlag fähig sind, wenn sie als Gruppe auftreten.

Die Pro­duk­tion von Videos hat Ben­der nicht aufgegeben. Rief er noch vor einem Jahr zu Ter­ro­ran­schlä­gen auf, so ver­bre­it­et er mit­tler­weile auf Youtube Videos zur Lösung math­e­ma­tis­ch­er und physikalis­ch­er Prob­lem­stel­lun­gen und ver­sucht Ver­schwörungs­the­o­rien mit­tels natur­wis­senschaftlich­er Grund­la­gen zu widerlegen.

Inter­es­santes aber nicht unwesentlich­es Detail am Rande: Während im Gerichtssaal 35 des Neunkircher Amts­gerichts dem Angeklagten auf­grund der Ver­wen­dung von Hak­enkreuzen in den Videos der Prozess gemacht wird, sind diese auch im Gerichtssaal all­ge­gen­wär­tig: Ein­ger­itzt in die Zuschauer­bänke lassen sich dort zahlre­iche Hak­enkreuze, Sig – Runen und Kel­tenkreuze finden.